LAG-WiFi – Positionspapier: Grundsteuerreform

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Für das Bodenwertsteuermodell oder aushilfsweise für das Thüringer Modell

 

Allgemeines

Die derzeitige Besteuerungsgrundlage der Grundsteuer gilt als verfassungswidrig. Derzeit werden verschiedene neue Modelle parteiübergreifend  diskutiert: U.a. das Nordmodell, Südmodell, Thüringer Modell und Bodenwertsteuermodell.

Die Grundsteuer fließt den Kommunen zu. Das Steueraufkommen der Grundsteuer liegt bei ca. 2 % des deutschen Gesamtsteueraufkommens und bei ca. 1 % wenn man alle Staatseinnahmen berücksichtigt (Steuern, Sozialversicherungen, etc.). Die Belastung für den Steuerzahler liegt i.d.R. im Promillebereich der zu besteuernden Werte. Allerdings liegt der Anteil an den kommunalen Steuereinnahmen bei ca. 14 %.

Die Gesetzgebung findet auf Bundesebene statt. Somit ist die Besteuerungsgrundlage überall gleich, die Höhe der Grundsteuer bestimmt jedoch jede Kommune selbst mittels eines individuellen Hebesatzes. Dieses soll bei allen Modellen so bleiben. Bei dieser Diskussion geht es somit ausdrücklich nicht um die Höhe der Grundsteuer sondern nur um die Frage,was genau besteuert werden soll.

Insbesondere geht es um vier Kriterien, die zur Diskussion stehen und die in denunterschiedlichen Modellen in verschiedenen Kombinationen verknüpft werden: Bodenrichtwerte, Bodenfläche, Gebäudeverkehrswert, Gebäudefläche. Andere Kriterien wie Nutzungsart, Landwirtschaft, etc. sollen hier der Vereinfachung wegen vernachlässigt werden. Sie spielen im Hinblick auf Aufkommensverschiebungen keine relevante Rolle.

Die vier Modelle und ihre Besteuerungsgrundlagen im Überblick:

  • Nordmodell: Bodenrichtwert und Gebäudeverkehrswert
  • Südmodell: Bodenfläche und Gebäudefläche
  • Thüringer Modell: Bodenrichtwert und Gebäudefläche
  • Bodenwertsteuermodell: Bodenrichtwert

Wie schon gesagt: Sich für die eine oder andere Besteuerungsgrundlage zu entscheiden oder auf eine bestimmte zu verzichten, hat nichts mit dem tatsächlichen Aufkommen für die Kommune zu tun. Es hat nur verschiebende Wirkung zwischen den Steuerzahlern. Die tatsächliche Höhe bestimmt dann die Kommune durch die Festlegung ihres Hebesatzes.

Verwaltungsaufwand

Das Südmodell hat den geringsten Verwaltungsaufwand, da hier keine Werte von Boden oder Gebäuden ermittelt werden müssen. Die Flächendaten von Grundstücken liegen größtenteils vor oder werden in Kürze digital vorliegen, da ohnehin die Digitalisierung von Geodaten fortschreitet.

Etwas aufwändiger ist das Bodenwertsteuermodell. Bodenrichtwerte sind flächendeckend von den Gutachterausschüssen erfasst, zwar nicht grundstücksscharf, aber mit jeweils einem Wert für eine weitgehend vergleichbare Lage. Hierbei wird vereinfachend eine fiktive Geschossflächenzahl (GFZ) als Maß der baulichen Nutzung zugrunde gelegt. Der Bodenwert wird aber neben der Lage und der Art der Nutzung maßgeblich von der nach dem Bebauungsplan oder dem Einfügungsgebot (§34 Baugesetzbuch) möglichen GFZ bestimmt, selbst wenn ein baurechtlich mögliches Gebäude nicht realisiert ist. Diese GFZ kann von der fiktiven GFZ erheblich abweichen. Hier besteht somit eine Unschärfe, für die Korrekturverfahren erforderlich sind.

Das Thüringer Modell benötigt die Daten des Bodenwertsteuermodells mit den gleichen Problemen, zusätzlich ergänzt um die GebäudeFlächendaten aus dem Südmodell.

Am kompliziertesten ist das Nordmodell: Der Verkehrswert des Bodens müsste wie beim Bodenwertsteuermodell ermittelt werden. Den Verkehrswert der Gebäude wird man aber nur dort aus Kaufpreissammlungen ermitteln können, wo tatsächlich mit Gebäuden oder Teileigentum in statistisch relevantem Umfang gehandelt wird. Das ist nicht überall der Fall. Um den Verkehrswert der Gebäude rechtssicher in allen Gebieten abbilden zu können, müssen möglicherweise vereinfachte Bewertungsverfahren entwickelt werden, die sich an der Wertermittlungsverordnung orientieren. Aber auch diese vereinfachten Verfahren werden noch kompliziert und anfällig für Widersprüche sein. Woran bemisst sich beispielsweise die Restnutzungsdauer eines Gründerzeithauses, das im Laufe seiner 130jährigen Geschichte mehrfach instand gesetzt und modernisiert wurde?

Argumentation

Zunächst sei festgehalten, dass die Grundsteuer beibehalten werden soll, egal welches Modell sich später durchsetzen wird. Zwar ist die Grundsteuer am Gesamtaufkommen sehr klein und könnte durch andere Steuerarten ausgeglichen werden, aber andererseits ist der Grund und Boden ein nicht  vermehrbares knappes Gut der Staat sollte die Möglichkeit behalten auf diese Flächen mittels einer Steuer Einfluss zu nehmen. Desweiteren ist die Grundsteuer eine der wenigen Steuern, deren Höhe die Kommunen selber bestimmen können.

Im Hinblick auf den kleinen Anteil der Grundsteuer am deutschen Gesamtsteueraufkommen und im Hinblick auf die jetzt schon nicht zu bewältigenden Aufgaben der Finanzämter, sollte die Entscheidung für eine neue Steuerregelung zwar gerecht sein, jedoch auch möglichst einfach in der Umsetzung. Eine so kleine Steuer darf nicht zu kompliziert sein und an anderer Stelle, z.B. bei Steuerprüfungen, Personalkapazitäten wegnehmen. Eine alternde
Gesellschaft sollte sich nicht zusätzlich durch ein kompliziertes Steuersystem belasten.

Nordmodell:

Wie oben beschrieben, ist das Nordmodell aus verwaltungstechnischen Gründen die schlechteste Wahl. Man stelle sich mal vor, dass die Finanzbeamten losziehen, um die Gebäude von rund 35 Millionen Grundstücken zu bewerten und zwar regelmäßig wieder. Kein Gebäude ist wie ein anderes. Der Aufwand stünde in einem erheblichen Missverhältnis zum Steueraufkommen. Auch Erhebungsvereinfachungen werden nicht dazu führen, dass dieses Modell einfach umzusetzen ist. Im Gegenteil je ungenauer man die Gebäude bewertet, umso mehr Streitfälle wird es geben. Bei der hohen Anzahl von Gebäuden in Deutschland wäre das Gerichtswesen völlig überfordert. Die Entwickler des Nordmodells argumentieren mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip: Ein höherer Immobilienpreis hat eine höhere Leistungsfähigkeit des Steuerzahlers zur Folge. Die Schlussfolgerung ist nicht nachzuvollziehen: Weder   Einkommensverhältnisse, familiäre Verhältnisse (Kinder) oder Schulden (zum Beispiel für den Kauf der Immobilie) werden berücksichtigt. Investoren bzw. Vermieter werden über die Einkommensteuer besteuert. Das Nordmodell zielt darauf ab zusätzlich eine Art Vermögensteuer auf Immobilien einzuführen.
Eine Vermögensteuer aber nur auf eine Vermögensart, und das, ohne die Möglichkeit persönliche Leistungsbeeinträchtigungen zu berücksichtigen, ist nicht sozial gerecht. Vielleicht sogar verfassungswidrig. Davon mal abgesehen, ist vielen Immobiliennutzern der Wert der Immobilie egal, da sie nicht  spekulieren, sondern nur wohnen wollen. Aufgrund des enormen und verhältnislosen Verwaltungsaufwandes und der Streitanfälligkeit ist dieses Modell nicht empfehlenswert. Die Argumentation mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip überzeugt nicht, da die tatsächliche finanzielle Situation der Besitzer und Bewohner nicht berücksichtigt wird.

Südmodell:

Das Südmodell ist insbesondere für kleine Gemeinden in Flächenländern bestechend einfach. Es hat den geringsten Verwaltungsaufwand, da hier keine Werte von Boden oder Gebäuden ermittelt werden müssen. Die Flächendaten von Grundstücken liegen größtenteils vor oder werden in Kürze digital vorliegen. Somit sind die Steuererhebungskosten sehr niedrig, die Steuerzahlungen sind sehr stetig und somit planbarer. Die Steuererhebung ist klar, transparent, nachvollziehbar und somit wenig streitanfällig. Allerdings werden Faktoren wie Lage oder Qualität der Grundstücke und der Bebauung ausgeklammert. D.h. Grundstücke am Stadtrand neben einer Müllkippe werden genauso besteuert wie Grundstücke in Innenstadtlage mit Park, UBahn
und Theater vor der Tür. Dieses wird zu Akzeptanzproblemen führen und wirkt ungerecht. Deswegen ist auch das Südmodell nicht optimal.

Thüringer Modell:

Das Thüringer Modell möchte den Boden nach Bodenrichtwerten sowie Gebäude nach Fläche besteuern. Es bildet nicht nur einen Kompromiss zwischen dem Nord- und dem Südmodell ab, sondern ist auch überzeugend begründet: Der Bodenwert sei ein Ausdruck der Konzentration der Infrastruktur. Die Infrastruktur wird durch die Kommune bestimmt. Somit sei es gerecht höherwertige Böden höher zu besteuern. Gebäudewerte andererseits seien die
Leistung des Eigentümers. Eigentümer haben mit ihrem (finanziellen) Einsatz den Zustand des Gebäudes geschaffen. Deswegen möchten die Verfasser dieses Modells nur die Gebäudeflächen besteuern, die wiederum in einem proportionalen Verhältnis zur Nutzung der Infrastruktur stehen. Gebäudewerte tun dies nicht. Der Verwaltungsaufwand ist überschaubar, da die Bodenrichtwerte quasi vorliegen und die Gebäudeflächen leicht zu ermitteln sind. Außerdem leuchten die Argumente für diese beiden Kriterien ein, sie sind gut zu vermitteln. Damit würde dieses Modell auch eine hohe Akzeptanz
in der Bevölkerung erfahren.

Bodenwertsteuermodell:

Das Bodenwertsteuermodell folgt der Argumentation des Thüringer Modells, dass Bodenwerte dort am höchsten sind, wo sich Infrastrukturmaßnahmen am meisten konzentrieren. Somit sei es gerecht höherwertige Böden höher zu besteuern. Desweiteren aber seien Gebäude die Leistung des Eigentümers bzw. des Nutzers und nicht der Kommune und sollten daher grundsätzlich nicht besteuert werden. Gebäude sollten auch deshalb nicht besteuert werden, da Modernisierungsmaßnahmen (z.B. Dämmungen) zu höheren Steuern führen könnten. Gleichzeitig führt der Verzicht auf eine Gebäudebesteuerung zu einer sehr verwaltungsarmen Steuererhebung eine Bodenbewertung ist im Vergleich zu einer Gebäudebewertung der sehr viel unaufwändigere Teil. Die Bodenrichtwerte stehen bereits bundesweit digital zur Verfügung (siehe oben). Stadtplaner erhalten sehr viel mehr Lenkungsmacht: Baurechte führen zu höheren Bodenwerten, höhere Bodenwerte führen zu höheren Steuern, höhere Steuern zu einem erhöhten Anreiz tatsächlich zu bauen.

Dieses Modell wird sehr bevorzugt von Naturschutzverbänden wie dem NABU. Es könnte helfen, Natur und Landschaft vor weiterer Zersiedelung zu bewahren: Teurere, unbebaute innerstädtische Flächen würden eher bebaut, und somit würde die Notwendigkeit, in den Außenbereichen zu bauen, sinken. Dieses Modell ist also das grünste aller vier Modelle!

Fazit

Bodenwerte zu besteuern erscheint gerecht. Gebäudewerte zu besteuern erscheint unverhältnismäßig. Aus grüner Sicht ist das Bodenwertsteuermodell sehr reizvoll. Aus verwaltungstechnischen Gründen steht das Bodenwertsteuermodell dem Südmodell kaum nach. Somit erscheint das  Bodenwertsteuermodell das sinnvollste der diskutierten Modelle zu sein. Wer jedoch aus Akzeptanzoder Kompromissgründen nicht auf die Besteuerung von Gebäuden verzichten möchte, sollte sich für das Thüringer Modell aussprechen.