Positionspapier der LAG Mobilität und Verkehr: Neubau der A26-Ost Hafenpassage Hamburg

Grüne Denkanstöße zum Autobahnneubauprojekt

Positionspapier der LAG Mobilität und Verkehr, Hamburg, Stand vom 14.01.2022

Forderung dieses Positionspapiers

Die aktuelle Situation ist dadurch gekennzeichnet, dass die Erde sich mit rasender Geschwindigkeit erhitzt, was in der Zukunft völlig ungewisse Risiken birgt. Daher ist es das Ziel des Übereinkommens von Paris gem. Art. 2 Abs. 1, die Erderwärmung auf deutlich unter 2 °C, möglichst 1,5 °C zu begrenzen. Insofern ist die Vermeidung von Treibhausgasen das oberste Gebot. Eine Bestätigung fand dies im März 2021 in einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts1 zu Verfassungsbeschwerden gegen das nationale Klimaschutzgesetz: Demnach muss die CO2-Einsparung über alle Sektoren bis 2030 90 % betragen. Auch der Verkehrssektor, der aktuell 18,6 % der CO2-Emissionen ausmacht, steht damit vor der immensen Herausforderung, innerhalb von nur 19 Jahren eine CO2-Reduktion von 90 % zu erreichen.

Die A26-Ost widerspricht diesem Reduktionspfad massiv und darf nicht gebaut werden.

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Handlungsrahmen unserer Partei

Die aktuelle Beschlusslage der Hamburger GRÜNEN ist im Beschluss des Landesausschusses zu „Zukunftsperspektiven für Hamburg südlich der Elbe” vom 13.08.2019 in Ziffer 5 enthalten, der aufgrund des damals gültigen Koalitionsvertrages aus 2015 vorsichtig formuliert: „Die A26-Ost steht den Grundsätzen einer zukunftsorientierten Mobilität diametral entgegen und behindert auf lange Sicht die Umsetzung einer nachhaltigen,

klimafreundlichen und stadtgerechten Verkehrsentwicklung in Hamburg.” Weiter „fordern wir eine Überprüfung der Planungen für eine Köhlbrandquerung. Diese muss einen kritischen Blick auf die bisherige Konzeption der A26-Ost beinhalten, da die praktisch zeitgleiche Realisierung zweier Straßenquerungen der Süderelbe in Zeiten der Verkehrswende weder verkehrspolitisch sinnvoll noch finanziell darstellbar erscheint.”

Im derzeit gültigen Koalitionsvertrag mit der SPD aus 2020 ist der Bau der A26-Ost verankert: „Hamburg unterstützt den Bund beim Bau der BAB A26 (Hafenpassage) (…)“ (vgl. S. 52f.). Dieses Bekenntnis gilt auch für alle anderen im Bundesverkehrswegeplan enthaltenen Projekte (vgl. S. 112). Im Widerspruch dazu stehen im Kapitel Umwelt und Klimaschutz, dass sich die Koalitionspartner den Zielen des Pariser Klimaabkommens verpflichtet sehen und ihre Politik am dort vereinbarten 1,5-Grad-Ziel orientieren. Im Zuge dessen solle Hamburg „Modellstadt für den Klimaschutz“ werden (vgl. S. 61).

Im Bundestagswahlprogramm unserer Partei wird auf Seite 35 die Prüfung aller nicht im Bau befindlichen Abschnitte von Bundesfernstraßen gefordert. Die Prüfung soll nach Klimarelevanz und Umweltbedeutung sowie dem derzeitigen Bedarf durchgeführt werden. Bis zum Abschluss dieser Prüfung sollen keine irreversiblen Fakten im Fernstraßenbau geschaffen werden („Moratorium“).

Rechtliche Einordnung

Das Projekt A26-Ost ist gesetzlich beschlossen, jedoch gibt es bisher für alle drei Bauabschnitte noch kein Planrecht. Allerdings sind die Planungen für die A26-Ost bereits weit fortgeschritten. Obwohl bei der Aufstellung des Bundesverkehrswegeplans (BVWP) für die A26-Ost etwaige Alternativen2 nicht geprüft wurden, hielt diese Maßnahme Einzug in den Bundesverkehrswegeplan 2030 (Projekt A26-G10-HH; S.104 Entwurf BVWP) und in das Fernstraßenausbaugesetz vom 23.12.2016 (Projekt 507 mit der Priorisierung “Vordringlicher Bedarf”).

Die Bewertung der Maßnahme A26-Ost schließt im Bundesverkehrswegeplan mit einem sehr hohen Nutzen-Kosten-Verhältnis von 3,3 bei damals veranschlagten Kosten von 861,6 Mio. € ab. Selbst bei der inzwischen eingetretenen Verdoppelung der Kosten auf 1.767,2 Mio. € (S. 43 Finanzierungs- und Realisierungsplan 2021-2025 der Autobahn GmbH vom 23.11.2020) bleibt das Nutzen-Kosten-Verhältnis immer noch mit 1,4 über dem geforderten Wert von 1,0, da dem Projekt im Jahr 2016 ein besonders hoher monetärer Nutzen von 2.469,7 Mio. € zugerechnet wurde.

Der Bundesverkehrswegeplan prognostiziert für die A26-Ost 32.000 Kfz am Tag, wovon der sogenannte induzierte Verkehr einen Großteil ausmacht. Dies ist der zusätzliche Verkehr, den es ohne die A26-Ost nicht geben würde. Das bedeutet also ein im Vergleich zum Status quo höheres Verkehrsaufkommen mit entsprechend höheren Umweltbelastungen wie verkehrsbezogenem Lärm und dem höheren Ausstoß von Luftschadstoffen (Stickstoffoxide (NOX), Kohlenmonoxid (CO), Kohlenwasserstoffe (HC), Feinstaub und Schwefeldioxid (SO2)).

§ 4 Fernstraßenausbaugesetz sieht nach Ablauf von fünf Jahren eine Überprüfung vor, ob der Bedarfsplan aus 2016 der Verkehrsentwicklung anzupassen ist. Dabei sind die Belange der Raumordnung, des Umweltschutzes und des Städtebaus einzubeziehen. Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) hat im September 2021 neue Verkehrsprognosen in Auftrag gegeben und will die Untersuchungen zur Überprüfung des Bedarfsplans im Jahr 2023 abschließen.3 Dabei sind laut BMVI auch die Festlegungen des Klimagesetzes zu berücksichtigen (BMVI im Januar 2021).

Eine besondere Bedeutung erhält diese Überprüfung durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom März 2021. Demnach steht der Bau der A26-Ost der verfassungsrechtlich verbindlichen Klimaneutralität gem. Art. 20a Grundgesetz entgegen, nachdem alle Staatsgewalt jede Handlung am Ziel der Klimaneutralität auszurichten haben.4

Der derzeitige Stand der drei Bauabschnitte der A26-Ost ist:

  • Abschnitt 6A (AK HH-Süderelbe (Verknüpfung mit A7) bis AS HH-Hafen Süd): Planfeststellungsantrag im September 2021, Bauvorbereitung ab 2022, Bau ab Ende 2023
  • Abschnitt 6B (AS HH Moorburg bis AS HH Hohe Schaar): Planfeststellungsantrag im Dezember 2021, Bau ab Mitte 2024
  • Abschnitt 6C (AS HH-Hohe Schaar – AD Süderelbe (Verknüpfung mit A1)): nach der Bearbeitung der rund 300 Einwendungen erfolgt im Jahr 2022 der überarbeitete Planfeststellungsantrag, Bauvorbereitung ab Anfang 2023, Bau ab Ende 2024

Veränderte Rahmenbedingungen für die A26-Ost

Der Bedarf für die Maßnahme A26-Ost ist aufgrund überholter Wachstumsprognosen für den Hafen fragwürdig. Für diese Bedarfsbegründungen wurde jeweils Bezug zum Hafenentwicklunsplan von 2012 genommen. Dieser geht noch von einem Jahresumschlag i.H.v. 25 Mio. TEU5 aus. Ein aktuelles Gutachten im Auftrag der Hamburg Port Authority (HPA) prognostiziert einen Jahresumschlag von 11,1 bis 14 Mio. TEU im Jahr 2035.6 Inwiefern die bisherigen Verkehre, insbesondere diejenigen, die für die A26-Ost prognostiziert sind, durch den Ausbau der bestehenden Haupthafenroute als Tunnel unter dem Köhlbrand auf diesen verlagert werden können, wird nicht beachtet.

Das selbst nach Verdoppelung der Baukosten weiterhin positive Nutzen-Kosten-Verhältnis von 1,4 wird jedoch absehbar deutlich geringer ausfallen, und zwar aufgrund geringerer Umschlagsprognosen im Hafen und kürzerer Nutzungsdauer in Folge sich ändernder Anforderungen durch autonome Fahrzeuge (schmalere Fahrstreifen und Trennung des autonomen. Güterverkehrs mit 40 km/h vom schnelleren Personenverkehr). Außerdem ist das mögliche Nutzen-Kosten-Verhältnis von 1,4 unter der Annahme entstanden, dass ein wesentlicher Teil des prognostizierten Verkehrs durch die Verlagerung vom schienengebundenen ÖPNV auf die Straße erzeugt wird (induzierter Verkehr).

Grundsätzlich beruhen solche Nutzen-Kosten-Berechnungen, die die Grundlage für Auswahlentscheidung darstellen, allein auf Wirtschaftlichkeitskriterien. Diese Wirtschaftlichkeitsüberlegungen umfassen vorrangig individuelle Vorteile wie bspw. monetär bewertete Zeitgewinne. Bereits diese Grundsatzarithmetik ist mit dem Gewicht der Belange des Klimaschutzes unvereinbar. Insofern leiden die Planfeststellungsbeschlüsse an einem Abwägungsdefizit.7

Neben dem Betrieb, der durch induzierten Verkehr vermehrt Emissionen evoziert, werden bereits mit dem betonintensiven Bau der Maßnahme (Brücke, Aufständerung, Überdeckelung) erhebliche Mengen an CO2 verursacht (graue Energie). Zum hohen Energieeinsatz während der Bauphase kommen weitere negative Umweltauswirkungen im Trassenverlauf:

  • Zerschneidung des Landschaftsschutzgebiets „Moorburg”
  • Inanspruchnahme und Teilversiegelung von wertvollen Niedermooren (Käthnermoor, Schulmoor und Burgmoor)
  • Flächenverbrauch und Bodenversiegelung
  • Sperrwirkung für Menschen und Tiere
  • Verlärmung

Des Weiteren birgt jedes Großprojekt ungewisse Baurisiken. Diese Risiken können signifikante Auswirkungen auf bestehende Infrastrukturanlagen nach sich ziehen: Die Kreuzung der A26-Ost mit der Bahnverbindung zwischen Hamburg-Hauptbahnhof und Hamburg-Harburg birgt beim Bau die Gefahr einer Havarie wie beim Tunnel Rastatt. Eine solche Havarie würde den kompletten Zusammenbruch des Güter- und Personenverkehrs im Knoten Hamburg zur Folge haben (Ausfall von 200.000 Pendler*innenfahrten im Nahverkehr pro Tag und Zusammenbruch des gesamten Schienengüterverkehrs nach Skandinavien).

Zielkonflikte der A26-Ost

Straßenverkehrsprojekte wie der Neubau der A26-Ost sind in keiner Form an den derzeitig verbindlichen Klimaschutzzielen ausgerichtet und vereiteln darüber hinaus erhebliche Minderungspotentiale für den Verkehrssektor.

Im Allgemeinen unterscheidet sich die Dimension der Verfehlung der Klimaschutzziele 2030 im Verkehrssektor deutlich von der Zielverfehlung in anderen Sektoren. Werden in anderen Sektoren (mit Ausnahme der Landwirtschaft) bezogen auf die Ziele des Bundes-Klimaschutzgesetzes 2019 eher geringere Zielverfehlungen prognostiziert, ist das Defizit im Verkehrssektor mit ca. 50 % erheblich. Aufgrund der Tatsache, dass Straßenbauprojekte eine Lebensdauer von mehreren Jahrzehnten aufweisen und damit langfristig sowohl finanziell als auch hinsichtlich der Ausrichtung der Mobilität auf den motorisierten Individualverkehr Pfadabhängigkeiten für lange Zeiträume schaffen, ist der weitere Autobahnausbau vor Art. 20a Grundgesetz und den Freiheitsrechten künftiger Generationen nicht zu rechtfertigen.8

Die politisch gewollte Verkehrswende kann im Falle des Baus der A26-Ost nicht in Richtung einer klima- und umweltverträglicheren Mobilität vollzogen werden. Vielmehr kommt es mit der A26-Ost zu einer Verlagerung vom ÖPNV auf die Straße: Fahrten, die bislang mit dem ÖPNV, vor allem der parallel verlaufenden S-Bahnlinie 3, zurückgelegt wurden, werden auf die Straße verlagert. Unter der Berücksichtigung der im Verkehrssektor erforderlichen, umfassenden Emissionsminderungen und der daraus resultierenden Neujustierung der Mobilität ist es wenig sinnvoll, den Bau der A26-Ost durchzuführen, wenn zum jetzigen Zeitpunkt nicht klar ist, ob die A26-Ost in ihrer Lebensdauer überhaupt noch gebraucht wird oder gar nicht genutzt werden darf.

Aus diesen Gründen ist nicht zu erwarten, dass unter Berücksichtigung des Ziels der Klimaneutralität ein konkreter und langfristiger Bedarf für die A26-Ost prognostiziert werden kann. Doch nach geltender Rechtslage dürfte die Planfeststellungsbehörde eine solche Überprüfung dürfte die Planfeststellungsbehörde gar nicht durchführen – jedenfalls nicht mit einem abweichenden Ergebnis. Die Planfeststellungsbehörde müsste vielmehr aufgrund der Bindungswirkung des Fernstraßenausbaugesetz davon ausgehen, dass das jeweilige Projekt, das der Bundesverkehrswegeplan 2030 vorsieht, unbedingt gebraucht wird, in hohem öffentlichen Interesse steht und dringlich realisiert werden muss.9

Appendix: Alternativen zum Autobahnneubauprojekt A26-Ost

Drei Viertel aller Bundesbürger sind laut einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Kantar im Auftrag des NABU aus dem Jahr 2021 der Überzeugung, in Deutschland gebe es genügend Straßen. Der Fokus solle auf der Instandhaltung bestehender Autobahnen liegen. 41 % der Befragten begrüßten es, wenn der Neubau von Autobahnen generell gestoppt würde. Nur 15 % sprachen sich dagegen aus. Besonders hohe Zustimmungswerte von jeweils rund 80 % erzielten Aussagen, die einen Verzicht auf den weiteren Ausbau des Straßennetzes in Aussicht stellten, wenn dadurch das Klima und die Artenvielfalt geschützt sowie der Flächenverbrauch gestoppt werden könne.10

Im nachfolgenden Abschnitt werden Alternativen zum Autobahnneubauprojekt A26-Ost aufgezeigt. Unterteilt ist dieser Abschnitt in Personen- und Güterverkehr.

Personenverkehr

ÖPNV (als Alternative zum MIV):

  • Zweite Schienenquerung der Norderelbe z.B.
    • S-Bahn nahe A7 von Altona nach Bostelbek
    • U4 über Reiherstiegviertel nach Rönneburg oder Eißendorf mit Abzweig S-Wilhelmsburg – Kirchdorf Süd
    • Wiederaufbau der ehemaligen Straßenbahnlinie 2 auf dem Abschnitt Hauptbahnhof – Harburg.
  • Stromversorgung und Signaltechnik S-Bahn kurzfristig für längere Züge und dichtere Takte verbessern
  • notfalls Batterie-elektrische Züge als Verstärker
  • Notfallplan für Sperrung des Bahnverkehrs mit Bereitstellung exklusiver Busspuren zwischen Harburg – Wilhelmsburg – Hauptbahnhof
  • Hammerbrook-Berliner-Tor-Weiche (ermöglicht die Fahrt Harburg – Flughafen ohne Umsteigen)
  • Express-Bus Hausbruch – Othmarschen (diverse Varianten im Vor- und Nachlauf)
  • Nordtangente Schienenverkehr in Hamburg vom Pinneberger-Ast über alle kreuzenden Schnellbahnen bis zur künftigen S4 Ost
  • ÖPNV-Spuren einrichten
  • Fahrspuren für das voll-automatisierte Fahren ausstatten (intelligente Straße)
  • neue Bedienformen mit bemannten Mini-Bussen ausprobieren und später schrittweise automatisieren
  • Tarifsystem ändern: weite Strecken im SPNV kostengünstiger anbieten, insbesondere ungenutzte Sitzplätze an den Linienenden äußerst günstig anbieten, um es aus Klimaschutzgründen attraktiv zu machen, weite Autofahrten vom Umland in die Stadt durch SPNV zu ersetzen. Denn Kosten entstehen, wenn der Zug eingesetzt wird, nicht da, wo der Fahrgast zusteigt. So gesehen gibt es keinen Grund, die Fahrgäste an den äußersten Linienenden stärker zu belasten.

Radverkehr (als Alternative zum MIV)

  • Durchgängige Rad(schnell)wege
  • Mit PV überdachte Rad(schnell)wege zum wetterunabhängigen Radfahren
  • Engstellen im Radverkehr beseitigen, so z.B. Veddel Nord, Veddeler Straße, Kornweide
  • zuverlässige Bereitstellung der nötigen Fahrstuhlkapazität am Alten Elbtunnel
  • Vernünftige und auffindbare Ausschilderung der Routen
  • Verbindliche und StVO konforme Festlegung der Routen
  • Bei Sperrungen Umleitungen verbindlich ausschildern
  • Sicherstellung der Querungsmöglichkeit des Köhlbrands (bisher am Kattwyk) für den Rad- und Fußverkehr
  • Köhlbrandbrücke für MIV, Fuß und Rad erhalten (von den vier Terminals liegen drei vor der Köhlbrandbrücke)

Güterverkehr

Seit Jahrzehnten heißt es: „Güter gehören auf die Schiene“. Der Hamburger Hafen hat bereits eine hohe Quote für den Eisenbahnverkehr – mit Potenzial. Doch wie sollen Güter in Zukunft bewegt werden? Passt die Maßnahme A26-Ost in diese Vision oder wird mit ihr eine Autobahn gebaut, für die es in einigen Jahren schon keine zugehörigen Fahrzeuge mehr geben kann?

Güter auf der Straße

Der heutige LKW wird so ab 2045 nicht mehr existieren können. Der mittlerweile wohl als Allheilmittel angesehene Wasserstoff wird dies nicht ändern können. Wird dieser per Brennstoffzelle im Fahrzeug wieder zu elektrischer Energie, so gehen zwischen den Anschlussklemmen der Elektrolyse und denen der Brennstoffzelle 80 % der Energie verloren. Der Elektromotor selbst hingegen, mit zugehörigem Umrichter, lässt sich sehr verlustarm konstruieren. Die verbleibenden 20 % Wirkungsgrad sind doppelt so schlecht wie der durch den 2. Hauptsatz der Thermodynamik prinzipiell im Wirkungsgrad begrenzte Verbrennungsmotor mit etwa 40 % Wirkungsgrad, im LKW teilweise bis nahe 50 %. D.h. die Wasserstofflösung verbraucht etwa doppelt so viel elektrischer Energie als bisher in Form von Kraftstoff auf Basis von Mineralöl verwendet wurden. Noch schlechter, und deswegen hier nicht betrachtet, schneiden synthetische Kraftstoffe und das Verbrennen von Wasserstoff ab.11

Es stellt sich so dar, dass der LKW per Akku nicht sehr weit kommt. Dies gilt auch für die Bahn, wobei dort das Gewicht weniger kritisch ist. Für die Bahn gibt es aber für die Langstrecke rund 100 Jahre bewährte Betriebserfahrung mit der Mittelspannungsversorgung per Fahrleitung (15 kV; 25 kV). Diese liefert auch genug Leistung zum Laden der Akkus von emissionsfreien Loks, die mittlerweile die letzten Meilen auch ohne Fahrleitung zurücklegen können.12

Für den LKW kommt wegen der schlechten fehlenden Erdung nur der Betrieb an zweipoliger Niederspannung (2 × 375 V) in Frage, wie auf der A1 bei Reinfeld. Dieses System scheint nicht zu überzeugen. Wasserstoff hat einen verheerend schlechten Wirkungsgrad (< 20 %), weitere Lösungen sind nicht bekannt. Induktive Stromversorgung in der Fahrbahn ist vermutlich weniger störanfällig und kostengünstiger. Hierzu bedarf es noch weiterer Untersuchungen.

Insofern stellt sich die Frage, wieso ein Hafen, der sich in europäischer Konkurrenz sieht, auf einen Landverkehrsträger ausgerichtet werden soll, der perspektivisch bei CO2-Neutralität nur noch für den Lokalverkehr nutzbar sein wird. Die Maßnahme A26-Ost leistet diesem Landverkehrsträger für Jahre Vorschub.

Rotterdamer “Container Exchange Route” (CER)

Die CER ist ein unlängst fertig gestelltes Wegenetz ausschließlich für AGVs (Automated Guided Vehicles) von 18 km Länge. Sie verbindet die Container-Terminals auf der Maasvlakte untereinander und mit Logistikbetrieben, Container-Leerlägern, dem Zoll, einem Binnenschiffterminal und einem zentralen Güterbahnhof. Die Baukosten betrugen 230 Mio. €, die Kosten einer Umfuhr halbierten sich. Die Rotterdam Port Authority ist zurzeit. auf der Suche nach einem geeigneten Betreiber.

Die Geschwindigkeit der AGVs beträgt 40 km/h. Dadurch entstehen. weniger Lärm, geringerer Verschleiß an Fahrzeugen und Infrastruktur, geringerer Windwiderstand und kürzere Bremswege. Zudem wird das bestehende Straßennetz entlastet.

Die CER auf Hamburger Verhältnisse übertragen:

  • mit Hinterland-Terminals an den BABs, Maschen und Billwerder-Moorfleet
  • Anbindung des Gewerbegebiets Billbrook
  • Köhlbrandbrücke für Personenverkehr erhalten, kein Tunnelneubau (wg. grauer Energie), stattdessen Fähre für AGVs
  • kein Überwerfungsbauwerk Wilhelmsburg-Kornweide (wg. grauer Energie), stattdessen AGV-Umfuhr nach Billwerder-Moorfleet
  • AGV-Konvoifahrten nachts auf Autobahnen oder Standspur a la Singapur
  • Combi-Road (= Schiene mit Fahrstreifen für AGV nachrüsten)
  • Norddeutsche Hafenspange (Lübeck – HH – Bremerhaven – Wilhelmshaven = 200 km Luftlinie)

Ferner werden nachfolgend verschiedene Lösungsansätze zum effizienten Containerumschlag auf die Bahn vorgeschlagen.

CT Altenwerder modifiziert

Variante A – Simpel: Portalkran bewegt sich längs der Schiene

Die grundsätzliche Frage ist, wo Rangierabteilungen (RAbt) in das Terminal eingespeist werden. Das hochautomatisierte Terminal Altenwerder hätte derart konstruiert werden können, dass die RAbt unmittelbar in den Zwischenspeicher oder zumindest auf AGV entladen werden. Wieso dieses nicht für das Terminal Altenwerder geschah, ist nicht nachvollziehbar. Denn mit konventionellen Tragwagen bedeutet dies eine händische Entriegelung und Verriegelung der Container auf dem Tragwagen. Dafür sind aber keine besonderen Fahrzeuge nötig. Die Handgriffe entsprechen denen bei einem konventionellen LKW. Ein Portalkran kann die RAbt der Länge nach abfahren.

Variante B – Komplexer: RAabt bewegt unter dem Portalkran

In diesem Fall wird die Steuerung für die Rangierlok an eine kombinierte Steuerung von Brücke und RAbt übergeben und die RAbt passend unter dem Portalkran hindurchbewegt, sodass dieser sich nicht bewegen muss und die Container z.B. an AGV oder direkt in den Zwischenspeicher übergeben kann. Die RAbt muss sich dabei in einem Bereich bewegen können, der zuverlässig von Personen und Dingen freigehalten wird. Fernsteuerungen für Rangierloks werden seit 1995 so verwendet, dass der Rangierlokführer die Lok per „Bauchladen“ fährt, während er z.B. am vorderen Ende der geschobenen RAbt steht. Eine Einbindung in die Automatik eines Terminals scheint grundsätzlich unproblematisch, so der Betriebsbereich frei von unbefugten Personen gehalten werden kann.


CT Buchardkai Simpel

Unbenommen ist die Möglichkeit, die RAbt durch darüber in Längsrichtung hinweg fahrende Straddle Carrier passen zu ent- und beladen. So findet es derzeit am CT Burchardkai statt. Das ist ein sehr geringes Automatisierungs-Level, aber damit auch sehr robust gegenüber EDV-Störungen.

Die Lösungen bisher setzen eine Feinsortierung auf dem Terminal voraus, also die Einfahrt mit sortierter RAbt und Ausfahrt mit unsortierter RAbt.

In klassischer Rangiertechnik

Um die Containerbrücken an der Kaikante direkt zu beschicken, ist es nötig, dass die RAbt für die erwarteten Schiffe passend vorsortiert ist. D.h. außerhalb des Terminals wird der Zug so mit Containern belegt, dass diese passend auf das Schiff geladen werden können, während möglichst auf einem zweiten Gleis daneben ein Zug bereit steht mit leeren Tragwagen, die ohne Sortierung belegt werden, so wie die Container aus dem Schiff herauskommen.

Voraussetzung ist jeweils, dass es Sortieranlagen außerhalb des Terminals oder zumindest abseits der Kaikante gibt, die die Sortierung vornehmen. Solche Anlagen könnten ähnlich des KLV-Terminals Billwerder-Moorfleet aussehen.


Mit selbstfahrenden Tragwagen

Wesentlich einfacherer als ein in der Fläche frei bewegliches Fahrzeug ist ein automatisch fahrendes Schienenfahrzeug, wofür es seit den späten 1970er Jahren technische Lösungen gibt. Dabei ist nach heutigem Stand der Technik ein bei geringen Geschwindigkeiten Akku-elektrisch selbstfahrender Containertragwagen kein Problem. Vielmehr dürfte hier für den Eisenbahnbetrieb eine neue Kategorie nötig sein, die neben Zugfahrten und Rangierfahrten auch den vollautomatischen Betrieb einzelner Wagen ermöglicht. Diese könnten sich auf eingezäunten Gleisen mit passenden Weichen computergesteuert selbst in die richtige Reihenfolge bringen und auch die Container automatisch ver- und entriegeln. Der Akku kann im Zug über eine Zugsammelschiene oder durch Rekuperation der Bremsenergie geladen werden und somit auf die vorhandene Infrastruktur zurückgreifen. Nötig sind dafür automatische Kupplungen, die nicht mehr mit den klassischen Schraubenkupplungen kompatibel sind. Diese Kupplungen sind mittlerweile im Projekt DAC4EU entwickelt und offenbar auch so zukunftsfähig konzipiert, dass z. B. eine automatische Ver- und Entriegelung von Containern möglich sein wird.13

1 BVerfG, Beschluss vom 24.03.2021, 1 BvR 2656/18 u.a.

2 Nach wie vor gibt es jedoch auch im derzeit fortgeschritten Verfahren keine hinreichende Prüfung von Alternativen zu dieser Maßnahme:

  • Weder gab es eine Prüfung von verkehrsträgerübergreifenden Alternativen wie Verlagerung von Personen- und Güterverkehr von der Straße auf die Schiene und auf das Wasser (Fähren, Containertaxi, Binnenschiffe),
  • noch gab es eine Prüfung zur Führung des Kfz-Verkehrs über die Verbindung von A1 und A7 bei Maschen.
  • Weiterhin gab es keine Prüfung, ob die Köhlbrandquerung mit der Haupthafenroute den für die A26-Ost vorgesehenen Verkehr aufnehmen kann.

3 https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Artikel/G/BVWP/bundesverkehrswegeplanung-ueberpruefung-bedarfsplaene.html

4 BVerfG, Beschluss vom 24.03.2021, 1 BvR 2656/18 u.a., Rn. 198

5 1 TEU: 20 Fuß-Standardcontainer

6 https://www.hamburg-port-authority.de/fileadmin/user_upload/Endbericht_Umschlagpotenzial_Hafen_Hamburg_201016.pdf, S. 33

7 https://www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/mobilitaet/mobilitaet_bvwp_2030_rechtsgutachten.pdf, S. 25

8 https://www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/mobilitaet/mobilitaet_bvwp_2030_rechtsgutachten.pdf, S. 23

9 https://www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/mobilitaet/mobilitaet_bvwp_2030_rechtsgutachten.pdf, S. 23

10 https://www.nabu.de/news/2021/06/30095.html

11 Konkret heißt dies für das Jahr 2018 für die 4,5 *10^18 Joule im Kraftstoff (insgesamt, auch andere Verkehrsmittel) müssten dann 9 *10^18 Joule elektrischer Energie aufgewandt werden. Fotovoltaik, Wasser- und Windkraft brachten 2018 hingegen nur 0,63 *10^18 Joule, also nicht einmal ein Zehntel der Energie. Hier ist erkennbar, dass nur Batterien mit einem Wirkungsgrad von bis zu 70% einen Lösungsansatz aufzeigen.

12 vgl. Alstom Prima H4; Link: https://de.wikipedia.org/wiki/Alstom_Prima_H4

13 vgl. Video: https://www.youtube.com/watch?v=Rxo648wHPXs (3:04 min.)