Positionspapier der LAG Energie vom 25. März 2022

Der Landesvorstand Grüne Hamburg möge sich unserem Beschluss anschließen und darauf hinwirken, dass unsere grünen Senator*innen, unsere Bürgerschaftsfraktion und unsere Bezirksfraktionen unsere Forderungen prüfen, diskutieren und umsetzen.

Wir sind durch unsere Energieversorgung Beteiligte in einem Krieg. 

Wir brauchen einen Kraftakt der ganzen Bevölkerung zum Verzicht auf fossile Energien.

Wir fordern ein Sofortprogramm für Hamburg.

Deutsche Energieimporte finanzieren Russlands Angriffskrieg in der Ukraine. Deutschland ist durch den Import von fossilen Energien – Gas, Erdöl, Kohle – eng an Russland gebunden. 55% des hier verbrauchten Erdgases, 35% des Erdöls und 50% der Kohle stammen aus der Russischen Föderation. Die EU-Sanktionen haben deshalb den Energiesektor ausgenommen – zu groß erschien das Risiko von Versorgungsengpässen. Die Konsequenz ist: Bis zu eine Milliarde Euro pro Tag fließen in Putins Kriegskasse. Die im Folgenden vorgeschlagenen Maßnahmen zur Veränderung dieser Situation entsprechen dabei in vielen Punkten den für die Bewältigung der Klimakrise auch in Hamburg bereits beschlossenen Vorhaben. Es gilt, einen gesellschaftlichen Aufbruch zu organisieren. 

I. Politik und Verwaltung müssen handlungsfähig aufgestellt werden.

Die Stadt und ihre Bürger*innen müssen sich auf eine Zuspitzung der Krise vorbereiten. Schließlich ist es durchaus möglich, dass Gas-, Öl- und Kohlelieferungen ausbleiben und es nicht gelingt, schnell genug Ersatz zu schaffen. Wie in einem solchen Fall besonders vulnerable Gruppen und sensible Institutionen vorrangig geschützt und versorgt werden können, sollte rechtzeitig geklärt und kommuniziert werden – nicht nur auf Bundesebene, sondern auch in Land und Kommune.
Die Hamburger Verwaltung – besonders auch die Bezirksverwaltungen – muss zur Energie- und Klimaverwaltung werden und mit allen Bürger*innen in Kommunikation treten. Wir brauchen eine kooperative Verwaltung, die Bürger*innen bei Energienotlagen, bei der Vermeidung von Energieverbräuchen und bei den anstehenden technischen Innovationsprozessen kurzfristig  beraten und unterstützen kann. Eine kooperative Verwaltung, die von sich aus auf Bürger*innen zugeht, um Einspar- und Umbauaktivitäten anzuregen. Bei Planungs-, Entscheidungs- und Umbauprozessen für Energieproduktion und -nutzung (vom Photovoltaik-Ausbau über regenerative Heizsysteme und Gebäudesanierung bis zu Wärmenetzen) muss die Verwaltung zur kreativen und handlungsfähigen Partnerin der Bürger*innen werden. Der Senat muss die dafür notwendigen Ressourcen in der Senatsverwaltung und in den Bezirken kurzfristig bereitstellen.

II. Verständigung in der Stadtgesellschaft

Der  Abschied von den fossilen Energien kommt spät – gemessen an ihrer Rolle bei der Finanzierung von Kriegen und der dramatischen Zuspitzung der Klimakrise, sogar zu spät. Die Stadtgesellschaft muss sich über diese Situation verständigen.Neben den Institutionen der repräsentativen Demokratie sollten dafür unterschiedliche Kommunikationsmöglichkeiten entwickelt und genutzt werden.Notwendig ist dafür öffentliche Kommunikation. So sollte für die nächsten Wochen eine Veranstaltungsreihe geplant werden, die mit einer Zwischenbilanz des seit mehr als 2 Jahren beschlossenen Klimaschutzprogramms – das zugleich ein Programm zur Vermeidung fossiler Energienutzung ist – beginnt. Wie können wir schnellstmöglich auf fossile Ressourcen verzichten?
Hamburg spricht, Hamburg handelt.

III. Unsere Forderungen:

Kurzfristige Maßnahmen

Wir fordern, dass

  1. der Senat für die nächsten 5 Sonntage den Verzicht der Nutzung von mit fossiler Energie betriebenen Kfz  (mit Ausnahme von ÖPNV, Rettungsfahrzeugen und Notdiensten) in Hamburg beschließt. 
  2. in ganz Hamburg im innerstädtischen Bereich Tempo 30 eingeführt wird, auf Ausfallstraßen kann Tempo 40 erlaubt werden.
  3. die Verbraucher*innen bei der Einsparung von Heizenergie beraten und unterstützt werden. Viele Menschen möchten spontan handeln. Und es spricht viel dafür, dass durch Verzicht auf Komfort auch die Zahlungen für Heizenergie wirksam reduziert werden können indem man z. B. die Heizung um ein Grad herunter dreht und Klimaanlagen, wenn sie nicht unbedingt benötigt werden, abschaltet. Politische Vorschriften helfen hier nur begrenzt – zumal insbesondere ältere Menschen auf Wärme angewiesen sind. Aber Politik kann für gute Beratung und Unterstützung sorgen.  
  4. der Senat in öffentlichen Diskussionsveranstaltungen die Maßnahmen entlang der Verbrauchs- bzw. Emissionsquellen Verkehr, Gebäude, Energie und Industrie darstellt, so dass sie in einer zusammenfassenden Diskussion bewertet werden können. 
  5. Hamburg alle Bezugsquellen für Energierohstoffe, über deren Kauf die Stadt selbst bzw. stadteigene Gesellschaften entscheiden, überprüft. Wo immer das möglich ist, werden Lieferungen aus Russland gestoppt und durch andere Lieferungen ersetzt. 
  6. Hamburg ein Sofortprogramm für die Installation von Photovoltaik-Anlagen auf allen geeigneten Gebäuden, die sich direkt oder indirekt im Eigentum der Stadt befinden, auflegt. 
  7. alle Gebäudeeigentümer*innen in Hamburg angesprochen und zur Installation von Photovoltaik-Anlagen auf allen geeigneten Dächern motiviert werden. 
  8. der Senat alle Gebäudeeigentümer*innen in Hamburg anspricht und sie zu kurzfristigen Maßnahmen sowie zur Planung von Sanierungen motiviert. Derartige Maßnahmen werden von der Bundesregierung und von der Stadt Hamburg schon jetzt umfangreich gefördert. Die meisten Gebäudeeigentümer*innen in Hamburg haben durch die Steigerung der Immobilienwerte in den letzten Jahren ihr Vermögen deutlich gesteigert. Wir, die Stadtgesellschaft, dürfen erwarten, dass sie sich mit Maßnahmen gegen die Energie- und Klimakrise engagieren. Der Senat sollte sich auf diese Verantwortung jetzt beziehen.  
  9. die seit mehr als 2 Jahren angekündigte „Machbarkeitsstudie“ zur Gebäudesanierung durch die Bausenatorin sofort in der jetzt vorliegenden Fassung veröffentlicht wird. Diese Studie ist bisher nur der Immobilienwirtschaft und der Baubehörde bekannt. Angesichts der Rolle, die fossile Energien bei der Finanzierung eines Krieges spielen, muss die Hamburger Zivilgesellschaft umgehend informiert und an den anstehenden Diskussionen und Maßnahmen beteiligt werden.

Mittelfristige Maßnahmen
Wir fordern, dass  

  1. der Verzicht auf Kohlenutzung in der Fernwärme und ihr klimaneutraler Umbau weiter mit absolutem Vorrang behandelt wird. 
  2. die Regeln für die Vergabe von Flächen für Wohn- und Gewerbegebäude verändert werden. Künftig sollen sie ausschließlich für  Bauvorhaben, die keinerlei fossilen Rohstoffverbrauch nach sich ziehen, zur Verfügung gestellt werden.
  3. städtische Förderungen ausschließlich für Neubauten mit dem Mindeststandard EFH-40 vergeben werden.
  4. Hamburg  im Bundesrat die Durchsetzung von Sanierungspflichten bei sehr schlechter Bauqualität sowie eine Pflicht für Gebäudeeigentümer*innen, Sanierungspläne für ihre Objekte bzw. ihr jeweiliges Portfolio zu erstellen und vorzulegen, unterstützt.
  5. der Senat den Flughafen verpflichtet, die Slots für Kurzstreckenflüge – sie machen derzeit 20% aller Flüge aus – zu schließen und Kontakt zu anderen Flughafenstandtorten (Berlin, Köln, Frankfurt, München) aufzunehmen, um dort eine ähnliche Entscheidung zu erreichen.
  6. Hamburg ein Sofortprogramm für die energetische Sanierung aller städtischen Gebäude beginnt. Soweit sie nicht an die Fernwärme angeschlossen werden können, müssen sie vollständig mit erneuerbaren Energien beheizt werden.