Positionspapier der LAG Planen Bauen Wohnen: Vorgaben für Projekte mit Investor*innen (und auch städtischen Vorhabenträger*innen)

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Vorgaben für Projekte mit Investor*innen und auch städtischen Vorhabenträger*innen

Dieses Papier wurde von den Mitgliedern der „AG Vorgaben für Investoren“ der „LAG Planen, Bauen, Wohnen“ entwickelt, um unseren Fraktionen in den Bezirken und der Bürgerschaft Empfehlungen gemäß grüner Programme für Forderungen an die jeweilige Verwaltung oder Fachbehörde an die Hände zu geben. 

In der LAG PBW beschlossener Stand vom 15. Juni 2022. Die so ergänzte Fassung wird ohne Einwände beschlossen.

1. Befreiungen und städtebauliche Verträge

Befreiungen werden in den Bauausschüssen erteilt, wenn ein*e Vorhabenträger*in größer bauen möchte, als im aktuell gültigen Bebauungsplan für ein Gebiet ausgewiesen ist und dies politisch beschlossen wird. Bei Befreiungen können und sollten Beteiligungsformate (ab 6.000qm/Geschossfläche) finanziert durch die Vorhabenträger*innen bei der Verwaltung eingefordert werden, da die Sitzungen in den Bauausschüssen nicht-öffentlich sind und Ergebnisse der Befassung in den Ausschüssen und dem Mailverkehr mit der Verwaltung der Vertraulichkeit unterliegen. Die Informationen können nur durch die Vorhabenträger*innen selbst öffentlich gemacht werden. Diese Formate sollten in Präsenzform und begleitendem digitalem Format als Hybridveranstaltungen angeboten werden, um möglichst viele Menschen niedrigschwellig zu beteiligen.

Auszug aus Drs. der Hamb. Bürgerschaft 20/6888 „… Wann darf über welche Inhalte von Bauvorhaben, die in den Bauausschüssen in nicht öffentlicher Sitzung behandelt wurden, mit wem gesprochen werden? Grundsätzlich darf über Inhalte, die in Bauangelegenheiten in nicht öffentlicher Sitzung behandelt und nicht für vertraulich erklärt wurden, anschließend berichtet werden, soweit es sich nicht um personenbezogene Daten sowie Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse handelt. …“ *

Weiterhin sollten wir einfordern:

a) einen Energiestandard gemäß Effizienzhausstufe 40Plus, im Bestand 55Plus (Plus für eigene, autarke erneuerbare Energieversorgung, wie bspw. Photovoltaik). Gebäude mit Effizienzhausstufe 40 benötigen 40% Primärenergie und verursachen 55% Transmissionswärmeverlust verglichen mit einem nach gesetzlicher Mindestanforderung im Gebäudeenergiegesetz (GEG) gebautem Gebäude (Stand 17. März 2022). Durch das „Plus“ wird der Primärenergiebedarf noch weiter gesenkt. 

Für nachhaltige, zukunftsfähige Energieversorgung bieten sich Quartierskonzepte mit unterschiedlichen Energiequellen, wie Geothermine, Windenergie, Abwasserwärme, Produktionsabwärme, Photovoltaik, Solarthermie und Spitzenlastheizkessel an.

Die Förderung von energetischen und ökologischen Maßnahmen durch die Hamburger Investitions- und Förderbank (IFB) ist laut Umwelt-Fachbehörde BUKEA und der IFB nicht mehr möglich, wenn die Maßnahme durch eine gesetzliche Vorgabe oder einen Beschluss eingefordert und damit nicht mehr als freiwillig bezeichnet werden kann. Daher sind solche Maßnahmen als Angebot der Vorhabenträger*innen vertraglich so zu formulieren, dass der Bezirk oder die Stadt das Angebot annimmt. 

In der BUKEA wird überlegt diese Vorgabe zu verändern, ggf. braucht es dazu einen unterstützenden Antrag auf Landesebene oder eine §27 BezVG Anregung aus den Bezirken.

b) ein Anforderungspaket der zu erstellenden Wohnungsgrößen, der Zimmeranzahl und der anzubietenden Miethöhen (nicht nur für den Erstbezug) an die Vorhabenträger*innen je nach politischer Entscheidung zur Entwicklung eines Quartiers (sollen Familien einziehen, oder eher Senior*innen oder in Ausbildung befindliche meist jüngere Menschen, Menschen mit Behinderungen)

Nach Vorgabe des Bündnisses für das Wohnen soll ein Anteil von 35% an Wohnungen mit sozial geförderten Mieten im Bezirk erreicht werden. Zur Förderung sozialer Durchmischung kann aber in einzelnen Bauvorhaben auch individuell ein höherer oder niedrigerer Anteil vereinbart werden.
Info: Das Statistikamt Nord zeigt jährlich wie die Haushalte geschnitten sind und was in den Stadtteilen sich daraus ergebend an Wohnungsgrößen und Zimmeranzahl abzuleiten ist.

Wenn der Anteil an sozial  gefördertem Wohnraum oder entsprechenden Mieten ohne Förderung im Bezirk insgesamt über 35% gesteigert werden kann, kommt dies der Bedarfslage zu Gute. 

c)  Sicherstellung ausreichender Besonnung auch bei Nutzung der Mindestabstandsregel  H=0,4 ggf. durch Abstaffelung oberer Geschosse auf der Süd/Südwestseite der Gebäude oder offene Bauweise: Für Wohnungen in Hamburg sollten wir eine Mindestbesonnung von 1,5 Std. am 1. Februar und 4 Std. am 21. März fordern. Das entspricht in etwa der Mindestanforderung der alten DIN 5034 und ist nach der Nach DIN EN 17037 möglich.

Diese Forderungen könnten als Koppelgeschäft gemäß §11 Satz 2 BauGB und §56 Satz 2 VwVfG wirkungslos werden und sind anfechtbar, wenn der Vorhabenträger ein Baurecht ohne neuen B-Plan oder ohne Befreiung hätte. Wenn aber ein neuer B-Plan oder eine Befreiung zum Baurecht für das geplante Vorhaben notwendig ist, das mit einem städtebaulichen Vertrag abgesichert werden soll, greift der Tatbestand nicht. *

Ein ausgehandelter städtebaulicher Vertrag kann bei größeren Projekten im Anhang eines notariell beglaubigten zeitlich befristeten Angebotes an den Bezirk oder/und die Stadt FHH abgegeben werden, bspw. um die Freiwilligkeit der Verpflichtungen im städtebaulichen Vertrag zu dokumentieren, ohne dass der Stadtplanungsausschuss, die Bezirksversammlung oder die Bürgerschaft diesem zugestimmt hat. Er ist in diesem Zeitraum nicht bindend und sollte parallel ein Bebauungsplan erstellt werden, den der Vorhabenträger erwartet, gilt weiterhin §1 Satz 3 BauGB: „(3) … Auf die Aufstellung von Bauleitplänen und städtebaulichen Satzungen besteht kein Anspruch; ein Anspruch kann auch nicht durch Vertrag begründet werden.“ So kann sich der Bezirk, bzw. die FF quasi per Zug-um-Zug Geschäft vor Unwägbarkeiten auf Seiten der Vorhabenträger absichern. *

Erst wenn der Bezirk oder die FHH seitens der Politik oder/und der Verwaltung das Angebot annehmen möchte, sollte hier unbedingt ein entsprechender politischer Beschluss hinterlegt werden, der die Annahme des Angebotes und die Genehmigung des Bebauungsplanes in gleichem Zuge genehmigt. Sollte es Unregelmäßigkeiten beim Vorhabenträger geben, und soll das Angebot daher nicht angenommen werden, wäre es gut, dieses vor der Öffentlichen Auslegung, mindestens aber vor der Befassung im Ausschuss mit den Ergebnissen dieser zu beschließen, damit es nicht gemäß §33 BauGB zu einer Vorweggenehmigungsreife kommt. Auch sollte sich die Verwaltung noch nicht mit den Ergebnissen der Auslegung befasst haben um die Vorweggenehmigungsreife zu vermeiden. *

2. Auswahl der Vertragspartner*innen und extreme Bauverzögerungen

Da Spekulanten gelegentlich auf den ersten Blick nicht von Projektentwicklern zu unterscheiden sind, wird die Verwaltung deren Referenzen einholen, die Finanzlage und die Geschichte des Unternehmens ggf. unter Mithilfe des Rechtsamtes oder externer Fachanwaltskanzleien prüfen. 

Wenn Eigentümer*innen nicht ins Bauen kommen, muss der Baufortschritt nachweislich dokumentiert sein, um die Fristen prüfen zu können. In städtebaulichen Verträgen wird üblicherweise eine Baufortschrittsliste mit Strafzahlungen eingearbeitet. 

Wenn darüber hinaus bei geschaffenen Baurecht nach 3 Jahren die Bautätigkeiten nicht begonnen wurde, ist der Stadt das Grundstück zum Einkaufspreis plus Inflation, Anteil an den Kosten der Planung (nur, soweit Planung übernommen wird) und der Beteiligung per Prüfauftrag an die Verwaltung zu empfehlen. Beim Ankauf von Grundstücken der städtischen Liegenschaftsgesellschaft (LIG) sollte das Grundstück bei fehlender Bautätigkeit zum Ankaufspreis zzgl. Inflation und Anteil (zur Vermeidung von Geschäftsmodellen) an  Beteiligungskosten zurückgegeben werden. Sollte der Verzug nachweislich dokumentiert an explodierenden Baukosten liegen, wäre eine Verlängerung der Fristen vertretbar und die vertragliche Regelung per Prüfauftrag an die Verwaltung zu empfehlen. 

Vertragsstrafen in Städtebaulichen Verträgen, die auf die Vermeidung von Share Deals abzielen, könnten an der entgangenen Grunderwerbsteuer ausgerichtet werden. Hier könnte die Bürgerschaft der Fachbehörde eine Prüfung empfehlen.

3. Kleinteilige Forderungen bei Befreiungen und in Verträgen

Gemeinschaftsräume (Indoor) und -orte (Outdoor).

Mobility Hub (gut, ausführlich beschreiben) und sichere Radabstellbereiche vorsehen.

Entsiegelung und Versiegelung durch Vorhabenträger in m² berechnen und ausweisen lassen, um bei Bauantragsverfahren die netto m² Versiegelungsquote im Blick zu haben.

Biodiverse Retentionsdächer min. 15cm Aufbau.

Vor Fassaden sollten Pflanzbereiche für bodengebundene Fassadenbegrünung, Vorgärten oder Vorflächen für Mikrozentren bzw. Nahversorgungseinrichtungen erhalten oder erschaffen werden. Aufenthaltsqualität sollte im öffentlichen Raum auch ohne Konsum angeboten werden.

Beteiligungsverfahren sollten für die öffentliche Plandiskussion und Stadtteilwerksätten präsenter beworben werden, niedrigschwelliger durchgeführt werden und sich an alle Gruppen in der Bevölkerung richten. Eine aufsuchende Beteiligung ist bei großen Veränderungen wichtig. Teilweise liegt ein langer Zeitraum zwischen Beteiligung und Vorhabenbeginn. Ergebnisse aus Werkstätten sollten daher gut und wiederkehrend kommuniziert, bspw. durch bleibende Plakate oder Modelle im Projektraum aufgestellt werden.
Auch ein Blick auf „A Ladder of Citizen Participation“ von Sherry R. Arnstein, der schon 1969 einen wichtigen Beitrag zu Beteiligungsprozessen leistete, lohnt sich.

Es sollten auch Beteiligungsprojekte in den Quartieren wie bspw. „Lebendiges Zentrum“ oder „Magistralenbebauung“ durchgeführt werden.

Erhaltenswerte Nutzungen wie Handwerksbetriebe und Kulturstätten bei Eigentumswechsel sicherstellen, gerade bei Umwandlung von Gewerbe in Wohnen

Es können mehr sich nicht störende Nutzungsmischungen gefördert werden, wie bspw. Freiwillige Feuerwehr unten und oben Azubiwohnanlage (konkret in Harburg) oder Handwerksbetriebe, Kleinproduktionen unten und Wohnungen oben (konkret Rissen, Altona). Auch andere soziale, kulturelle oder Bildungseinrichtungen, Gesundheitszentren und Wohnnutzungen lassen sich gut kombinieren. Dies ist über städtebauliche Verträge oder Befreiungen regelbar.

4. Ökologische Qualitäten

Verlorene städtebaulichen Qualitäten durch Befreiungen, Vorschlag zur Heilung:

Eine klare Richtung und Ziele als Grundlage für einen Stadtteil oder Bezirksteil erarbeiten. Ein Bezirksentwicklungsplan ist nicht unbedingt hilfreich, wenn das Entwicklungsziel nicht klar beschrieben ist.. Eher kann die Umsetzung der bezirklichen Klimaschutzkonzepte mit Bezug auf Kapitel und Bebauungsthemen in städtebaulichen Verträgen und Auslobungstexten für Wettbewerbe klar definiert und vorgegeben werden. 

Riemchen empfehlen sich im Sinne des Materialverbrauchs anstelle von Vollklinkern an Straßen zugewandten oder Wetterseiten im Sinne der Nachhaltigkeit einzufordern, auch wenn die Vollklinker noch vielerorts gefordert und gefördert werden..

Fazit

Ein Beschluss der genannten Empfehlungen als Vorgaben ist für die Verwaltungen ein bindendes Dokument und die beschlossenen Punkte können regelhaft in die Prozesse und Checklisten eingearbeitet werden. Der Einstieg in die Gespräche mit möglichen Vorhabenträger*innen, Planer*innen und Architekt*innen ermöglicht eine offene und transparente Verhandlung vom Start weg ohne häufiges Nachkaten im Prozess, was die eigene Verhandlungsposition im Verlauf verschlechtern würde, da sich zumeist auch bei klarer Kommunikation Änderungen ergeben können. Diese würden mit unvollständigen Forderungen zu Beginn dann zu vielen zu verändernden Punkten führen, von denen dann naturgemäß auch mehr unter den Tisch fallen würde. „Die Schraube sollte am Anfang möglichst gerade in das Gewinde eingedreht werden.“
frei zitiert: Robert Habeck zu Koalitionsgesprächen nach der Bundestagswahl

*Die Vorgehensweise ist unbedingt mit dem Rechtsamt und ggf. einer erfahrenen Fachanwaltskanzlei auf Neuigkeiten in der Rechtsprechung abzustimmen.