Hamburg hat sich auf den Weg gemacht zu einer menschengerechten Verkehrspolitik. Die begonnene Mobilitätswende ist die Grundlage für einen klimagerechten, sicheren und flächengerechten Verkehr in Hamburg. Ein lebendiges und attraktives Hamburg braucht zudem lebenswerte öffentliche Räume. Straßen machen einen Großteil dieser öffentlichen Räume aus. Sie prägen die Lebensqualität und die Urbanität unserer Stadt.
Anspruch einer gelingenden Mobilitätswende muss sein, Mobilitäts-, Erreichbarkeits-, Teilhabe-, Erholungs-, Umwelt- und Klimaschutzerfordernisse miteinander zu vereinbaren. Ein wesentliches Instrument zum Erreichen dieses Ziels ist eine stadtverträgliche Regelgeschwindigkeit im Kfz-Verkehr. Denn in der Stadt produziert der motorisierte Verkehr seine höchste Verkehrsleistung und damit große negative Auswirkung auf Mensch und Umwelt. Gleichzeitig profitieren hier die Menschen besonders von einer niedrigeren Geschwindigkeit des Kfz-Verkehrs.
Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit ist das Mittel der Wahl, um die Verkehrssicherheit, Lebensqualität und Klimaschutz zu maximieren:
Die Reduzierung der Fahrgeschwindigkeit von 50 auf 30 km/h reduziert sowohl die Unfallhäufigkeit als auch die Unfallschwere. Tempo 30 gleicht die Fahrgeschwindigkeiten der Verkehrsteilnehmenden an und erhöht damit die objektive und subjektive Sicherheit im städtischen Raum. Tempo 30 führt außerdem zu einer deutlichen Senkung des Lärmpegels und kann zu einer Senkung der Schadstoffemissionen beitragen. Damit verbessert Tempo 30 das Leben an den großen Straßen und Quartiere können wieder zusammenwachsen. Tempo 30 macht die Straßen zudem attraktiver für die klimafreundliche Mobilität mit dem Fahrrad und zu Fuß.
Derzeit setzt die bundesweit geltende Straßenverkehrsordnung (StVO) einen engen rechtlichen Rahmen, nach dem Abweichungen von der innerörtlichen Regelgeschwindigkeit von 50 km/h begründet werden müssen und in der Regel auf das nachgeordnete Straßennetz und/oder besonders schutzwürdige Einrichtungen beschränkt bleiben. Eine Regelgeschwindigkeit von 30 km/h würde daher die Beweislast umkehren und so zu einer deutlichen Vereinfachung führen.
Gleichwohl schöpfen die Straßenverkehrsbehörden in Hamburg die Möglichkeiten zur Ausweisung von Tempo 30 im Rahmen der StVO derzeit nicht aus. Eine systematische und proaktive Einrichtung von Tempo 30-Strecken im Umfeld schutzwürdiger Einrichtungen (z.B. Kitas, Schulen, Altenheime) findet ebenso wenig statt wie eine Reduzierung des Straßennetzes mit besonderer Bedeutung für den Kfz-Verkehr, das die Ausweisung von Tempo 30-Zonen verhindert.
Immer mehr Städte in ganz Europa setzen inzwischen auf konsequentes Tempo 30. Zuletzt entschied sich mit Paris eine der größten Städte Europas für diesen Schritt. In Spanien gilt seit Mai 2021 auf allen innerörtlichen Straßen mit einer Fahrspur pro Richtung Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit. Zuvor haben bereits Brüssel, Oslo und Helsinki Tempo 30 zur Regel auf ihren Straßen gemacht.
Über 160 Städte aus ganz Deutschland haben sich inzwischen der Initiative „Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten“ angeschlossen. Auch mit Hamburg in ihrer Größe vergleichbare Metropolen wie Berlin oder Köln gehören der Initiative an. Sie bekennen sich zur Mobilitäts- und Verkehrswende, fordern mehr Spielräume für Kommunen bei der Anordnung von Tempo 30 und sehen Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen als integrierten Bestandteil eines gesamtstädtischen Mobilitätskonzepts und als Strategie zur Aufwertung öffentlicher Räume.
Unsere Forderungen lauten deshalb:
- Hamburg setzt sich auf Bundesebene für eine Reduzierung der Regelgeschwindigkeit innerorts auf 30 km/h ein.
- Hamburg schließt sich der Städteinitiative „Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten – eine neue kommunale Initiative für stadtverträglicheren Verkehr“ an und setzt sich hierfür im Deutschen Städtetag ein.
- Bis zur Änderung der Regelgeschwindigkeit auf Tempo 30 nutzt Hamburg die Spielräume der bundesrechtlichen Vorgaben besser aus, beseitigt die bestehenden Einschränkungen durch Hamburger Verwaltungsvorschriften und setzt dadurch Tempo 30 häufiger und eigeninitiativ um.
Begründung
Tempo 30 führt durch verschiedene Effekte wie Sicherheitssteigerung, Lärmreduzierung und Emissionsminderung zu einer gesteigerten Lebensqualität im städtischen Raum (s. Umweltbundesamt, 2017, Wirkungen von Tempo 30 an Hauptverkehrsstraßen).
Sicherheit
Bei einer Verminderung der Fahrgeschwindigkeit von 50 km/h auf 30 km/h reduziert sich der Anhalteweg auf die Hälfte, die Aufprallenergie ist bei einem Unfall nur noch ein Drittel so groß. Die Geschwindigkeiten der verschiedenen Verkehrsteilnehmenden werden angeglichen. Dadurch gewinnen die Straßen auch ihre Funktion als multifunktionale Orte zurück, die mehr sind als Verbindungen von A nach B. Insbesondere für Kinder und mobilitätseingeschränkte Menschen erhöht sich die Sicherheit im Straßenraum durch Tempo 30 deutlich, da die verminderte Geschwindigkeit den Reaktionsspielraum auf beiden Seiten deutlich erhöht.
Lebensqualität
Umweltschutz steht synonym für Lebensqualität. Dies könnte sich kaum deutlicher zeigen als durch den Kfz-Verkehr verursachten Lärm- und Luftschadstoffemissionen. Die Einführung von Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit kann hierbei einen wichtigen Beitrag zu einer höheren Lebensqualität leisten, da eine verringerte Fahrgeschwindigkeit zu deutlich weniger Lärm und Luftverschmutzung führt.
Weniger Lärm
Hamburg gehört deutschlandweit zu den Hotspots der Lärmbelastung durch den Straßenverkehr. Weit über 100.000 Hamburger*innen sind tagtäglich gesundheitsbeeinträchtigend von Verkehrslärm betroffen. Punktuell werden Schalldruckpegel erreicht, die das Hörvermögen schädigen können (beispielsweise bis zu 80 dB(A) Hamburger Straße).
Die Zeit für entschlossene Maßnahmen zum Schutze der Gesundheit und zur Steigerung der Lebensqualität der Menschen in Hamburg ist überfällig. Die Einführung einer innerstädtischen Regelgeschwindigkeit von 30 km/h kann hierzu einen wesentlichen Beitrag leisten. Untersuchungen zu bestehenden Tempo 30 Zonen an Hauptverkehrsstraßen zeigen eine deutliche Senkung des Lärmpegels im Vergleich zu einer Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h.
Weniger Luftverschmutzung
In Puncto Luftreinhaltung werden die jüngsten Richtwerte der WHO nach Messungen des Hamburger Luftmessnetzes flächendeckend und permanent drastisch überschritten. Laut der WHO ist Luftverschmutzung eine der größten Gefahren für die menschliche Gesundheit mit bis zu 7 Millionen vorzeitigen Todesfällen pro Jahr weltweit, in Deutschland sind es mehr al 70.000 pro Jahr (laut Europäischer Umweltagentur). Bei einer geeigneten Umsetzung und entsprechender Beibehaltung des Verkehrsflusses kann Tempo 30 außerdem zu einer Senkung der Schadstoffbelastung und damit zu einem gesunden Stadtklima beitragen.
Klimaschutz
2020 stieß der Verkehrssektor in Hamburg durchschnittlich über 10.300 t CO2 täglich aus (vgl. Statistikamt Nord, Energie- und CO2-Bilanzen für Hamburg, 2020). Dies entspricht knapp 28 % des gesamten CO2 Ausstoßes von Hamburg und zeigt, dass im Verkehrssektor ein großer Handlungsbedarf zur Senkung der klimaschädlichen Emissionen besteht. Eine Verringerung der Regelgeschwindigkeit kann bei der gleichzeitigen Umsetzung geeigneter Begleitmaßnahmen zur Emissionsverringerung beitragen. Gleichzeitig wird die Attraktivität des Straßenraums für Nutzende des Umweltverbundes erhöht (durch erhöhte Sicherheit, Lärmminderung etc., s.o.). Dies befördert den Umstieg vom motorisierten Individualverkehr zu umweltfreundlicheren Verkehrsmitteln und trägt somit zu einer klimafreundlicheren Mobilität bei.
Die Situation in Hamburg
Die aktuelle Gesetzeslage verlangt eine Prüfung im Einzelfall, um Tempo 30 einzuführen und von der innerörtlichen Regelgeschwindigkeit von 50 km/h abzuweichen. Die Einführung von Tempo 30 in Hamburg ist durch die Anordnung der Straßenverkehrsbehörden sowie durch die Einrichtung von Tempo 30-Zonen durch die Behörde für Verkehr und Mobilitätswende möglich. Häufig bringt die Prüfung auf Seiten der Straßenverkehrsbehörden aber das Ergebnis mit sich, dass die Voraussetzungen für Tempo 30 nicht erfüllt seien. Meist wird die übergeordnete Bedeutung der betreffenden Straße für den Kfz-und/oder den Busverkehr angeführt.
Um kurzfristig die Einführung von Tempo 30 in Hamburg zu erhöhen, ist einerseits die Anpassung der entsprechenden Verwaltungsvorschrift notwendig, indem die entsprechenden Regelungen und Anforderungen an die bauliche Gestaltung gelockert bzw. um Gegenargumente wie den besonderen Schutz von Schulwegen ergänzt werden. Andererseits muss eine Überprüfung der Klassifizierung des Straßenverkehrsnetzes erfolgen, mit dem Ziel, die Zahl der Straßen zu reduzieren, denen eine übergeordnete Bedeutung für den Kfz-Verkehr und/oder den Busverkehr zugeschrieben wird. Insbesondere Straßen mit geringen Breiten in Wohngebieten sollten regelhaft herabgestuft werden.