Stellungnahme der LAG-Bildung von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu den im März 2022 veröffentlichten Entwürfen der Bildungspläne
Wir begrüßen grundsätzlich eine Überarbeitung der Bildungspläne, um die Schüler*innen in Hamburg auf die künftigen gesellschaftlichen und individuellen Herausforderungen gezielter vorzubereiten. Wir unterstützen insbesondere die im Allgemeinen Teil der Bildungspläne verfassten Leitperspektiven „Wertebildung / Werteorientierung“, „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ und „Leben in einer digitalen Welt“.
In den Rahmenplänen zu den einzelnen Fächern und den Bestimmungen zur Leistungsbewertung wird jedoch deutlich, dass diese Leitperspektiven keineswegs als Richtschnur gedient haben können, sondern eher andere, rückwärtsgewandte Vorstellungen von Schule und Lernen ihren Ausdruck fanden; mit fatalen Folgen für die Schüler*innen und ihre Lernprozesse.
- Stoffdichte in den Fachteilen
Die umfassenden Vorgaben der Lerninhalte in den Bildungsplänen legen das künftige Unterrichtsgeschehen in den Schulen in einem hohen Maß fest. Sie konterkarieren so die Kompetenzorientierung der Bildungspläne und wirken der Umsetzung moderner Lernsettings entgegen, die den einzelnen Lernenden gerecht werden und deren Selbstständigkeit erhöhen. Außerdem erschweren sie die Entwicklung bildungsrelevanter und zukunftsorientierter Kompetenzen und reduzieren die sozialräumliche Profilierung der einzelnen Schulen.
Diese Stofffülle
- setzt Lehrende und Lernende unter erhöhten Zeitdruck. Schon vor der Pandemie hat fast jede*r zweite Schüler*in Stresssymptome gezeigt1. Die Argumentation, dass die Bildungspläne eine „Überforderung durch unnötige Faktenhuberei verhindern“2 sollen, wird durch die hohe Stofflastigkeit der vorgelegten Pläne konterkariert.
- hat zur Folge, dass viele Themen nur kurz angerissen werden können, anstatt in einer längeren Auseinandersetzung mit weniger Themen tiefgreifende Lernerfahrungen und Kompetenzentwicklung zu ermöglichen. Auch gibt es weniger Spielraum, um auf aktuelle Themen, die die Kinder und Jugendlichen beschäftigen, einzugehen.
- verhindert eine schülergerechte Auswahl geeigneter Inhalte und verringert so die Chancengerechtigkeit3. Nur wenn die Schulen die Möglichkeit haben, den Kompetenzerwerb an Inhalte zu knüpfen, die die Lebenswirklichkeit ihrer Schüler*innenschaft und aktuelle gesellschaftlichen Entwicklungen aufgreifen, wird einer weiteren Verstärkung der Bildungsungerechtigkeit entgegengewirkt. Diesen Fokus lassen die Entwürfe der Bildungspläne nicht erkennen.
- konterkariert die Umsetzung der in unseren Augen hochrelevanten Leitperspektiven. Diese sind zwar in einer umfassenden Vorrede ausformuliert, scheinen aber in der Ausgestaltung der einzelnen Fach-Bildungspläne nicht mitgedacht zu sein und werden in den Lerninhalten kaum wiedergefunden. So wird zum Beispiel im A-Teil in Bezug auf die Leitperspektive BNE die Wichtigkeit von „außerunterrichtlichen Aktivitäten, Programmen, Projekten, [..] Besuch außerschulischer Lernorte, [..] Wettbewerben etc.“4 herausgestellt, die Anforderungsdichte des „Stoffs“ in allen Fächern nimmt aber jeglichen Spielraum (bzw. Zeit) für derlei Aktivitäten. Auch vor dem Hintergrund, dass die Corona-Pandemie gezeigt hat, wie wichtig soziale Einbindung und somit auch Aktivitäten außerhalb des Unterrichts für die psychosoziale Gesundheit sind, erscheint uns deren Reduzierung fahrlässig.
- erschwert eine Profilierung der Schulen und die konkrete Ausgestaltung dieser schulischen Identität durch Aktivitäten und Vernetzung im Stadtteil, weil auch diese (Unterrichts-)zeit beansprucht.
- lässt die Profiloberstufe – ohnehin schon geschwächt durch die inhaltlichen Vorgaben des zentralen Abiturs – zu einem bloßen Nebeneinander von vorgegebenen Fächern verkommen, da kein Spielraum für die Bearbeitung relevanter Fragestellungen aus der Perspektive der verschiedenen Profilfächer bleibt; fächerübergreifendes Lernen ist offensichtlich nicht mehr vorgesehen.
Auch an diesem Beispiel wird deutlich, wie die Ausweitung von Fachinhalten die Ausbildung zukunftsrelevanter Kompetenzen, wie hier des interdisziplinären Denkens, vereitelt. Fachwissen wird in der (Arbeits-)Welt der Zukunft leicht zugänglich sein, die Kompetenz damit umzugehen und es in einen anwendungsbezogenen, die Engführung fachlicher Sichtweisen übergreifenden Kontext einzuordnen ist das, was Schulen im 21. Jahrhundert fördern sollten! Insbesondere die Berücksichtigung der Leitperspektiven im regulären Unterricht bedarf transdiziplinärer Sichtweisen.
Wir fordern eine erkennbare Beibehaltung der Kompetenzorientierung als Leitlinie für den Unterricht. Diese ist in den jetzt vorgelegten Bildungsplänen zugunsten eines Stofflehrplans in den Hintergrund gerückt. Kerncurricula sollten die Kompetenzorientierung „konkretisieren und ergänzen“5, nicht aushöhlen und sich als Kerncurricula auf wenige curriculare Vorgaben beschränken.
Wir fordern, dass die Stoffdichte der derzeitigen Entwürfe deutlich reduziert wird, um den Schulen und den Schüler*innen mehr Freiraum für zukunftsorientiertes und chancengerechtes Lernen zu geben.
Wir wünschen uns, dass die Leitperspektiven aus dem A-Teil ausreichend Raum in den fachlichen Teilen erhalten und fachübergreifender Unterricht ein stärkeres Gewicht erhält. Die Fachteile sollten in Umsetzung der im A-Teil formulierten Prinzipien erstellt werden bzw. komplett überarbeitet werden.
- Vorgaben zur Leistungsbewertung
a) Klausuren
Das Festschreiben des Klausurformats als einzige Möglichkeit schriftlicher Leistungsbewertung und die Erhöhung deren Wertung gegenüber der laufenden Unterrichtsarbeit (50:50 statt 40:60) ist in seinen Begründungen falsch und manifestiert in seiner Wirkung eine anachronistische Lernkultur. Die verpflichtende Integration “digitaler Werkzeuge“ bleibt vage und wirkt nicht zu Ende gedacht.
- Die BSB begründet das künftige Verbot von Klausurersatzleistungen damit, dass schwache schriftliche Leistungen in den Abschlussprüfungen verbessert werden sollen.6 Klausuren sind aber kein Lernformat, sondern ein Prüfungsformat. Sich schriftlich verständlich, strukturiert und differenziert ausdrücken zu können, Beispiel durch Erproben verschiedener Textformate, in Schreibkonferenzen mit anderen, durch kriterienbasierte Selbstkorrektur und Überarbeitung von Texten. Diese trainierenden Formate fließen in die Note der „laufenden Kursarbeit“ ein, die jetzt zugunsten der Klausurformate niedriger gewichtet werden soll.
- Das außerdem angeführte Argument, eine Höhergewichtung der laufenden Unterrichtsarbeit (bisher 60 % der Note) sei ungerecht „gegenüber bedächtigen und zurückhaltenden Schülerinnen und Schülern“7 geht offenbar von einem Frontalunterricht aus, bei dem Schüler*innen ihre Leistungsfähigkeit durch lernen Schüler*innen nicht durch das Schreiben von Klausuren, sondern zum einzelne mündliche Beiträge zeigen. Die Bildungspläne selbst beschreiben aber die Vielfalt laufender Unterrichtsarbeit (von mündlicher Mitarbeit, schriftlichen Schulaufgaben bis zu Projektmitarbeit und Wettbewerben)8. Individualisierende Lernsettings, die selbstständige, oft digitale, Bearbeitung eigener Forschungsfragen, die gemeinsame Erarbeitung von Aufgabenstellungen im Team sind zeitgemäße Unterrichtsformate, die längst in Hamburger Schulen Praxis sind. Die Bewertung der so erworbenen Kompetenzen muss angemessen in der Leistungsbewertung gewichtet werden.
- Abgesehen davon ignoriert dieses Verständnis von Leistungsmessung die Formate der Auswahlverfahren, denen sich Schüler*innen heute in der freien Wirtschaft stellen müssen – diese sind kollaborativ, kreativ und kommunikativ, nicht aber auf eine einzelne schriftliche Leistung fixiert. So nachvollziehbar der Fokus auf die Abiturvorbereitung ist, so wünschenswert wäre es, wenn Schule vor allem auch die Anforderungen des Lebens nach der Schulzeit in den Blick nähme.
- Wichtige zukunftsrelevante Kompetenzen sind in einer Lernkultur, deren wichtigstes Rückmeldeformat Klausuren in Einzelarbeit sind, schwer erlernbar. So werden zum Beispiel die Kompetenzen „Kollaboration“ und „Kreativität“ durch kompetitive Klausurformate eher verhindert als gefördert. Auch kritisches, vernetztes und interdisziplinäres Denken könnte durch alternative Formate wie beispielsweise Projektdokumentationen, Moderationen von Podiumsdiskussionen oder der schon etablierten Team-Präsentationen deutlich besser gezeigt werden.
- Durch die Förderung einer wenig partizipativen und selbstbestimmten Lernkultur und einer eindimensionale Feedbackkultur wirken die angestrebten Veränderungen der Prüfungskultur auch der Leitperspektive BNE entgegen. Auch hier zeigt sich die Inkonsistenz zwischen postulierten Leitperspektiven und der offenbar anders gesetzten Rahmenvorgaben.
- Die Erhöhung der Anzahl von Prüfungsleistungen, die schon daraus resultiert, dass die besondere Lernaufgabe (Sek I) bzw. Präsentationsleistung (GyO) nun zusätzlich zu den Klassenarbeiten bzw. Klausuren erbracht werden muss, forciert weiter das „Learning for the test“ und verringert die Zeit für Vorbereitung und Durchführung guten Unterrichts.
- Die Überarbeitung der Bildungspläne ist Bestandteil der Vereinbarungen zum Schulstrukturfrieden von 2019 und im rot-grünen Koalitionsvertrag von 2020 festgelegt. Die Veränderung der Prüfungskultur hingegen ist ein eigenständig hinzugefügtes Element, das in der Koalition nicht abgestimmt wurde und außerdem der noch ausstehenden Vereinbarungen der KMK zu Gymnasialen Oberstufe vorgreift.
Wir lehnen die Höhergewichtung von Klausuren und das Verbot von Klausurersatzleistungen ab.
Wir fordern im Gegenteil die Förderung alternativer Überprüfungsformate während des Unterrichts und in den Abschlussprüfungen im Sinne einer neuen Prüfungskultur, um eine umfassende Ausbildung zukunftsrelevanter Kompetenzen zu fördern.
b) Einbindung digitaler Werkzeuge
- Der verpflichtende Einsatz „digitaler Werkzeuge oder Medien“ in mindestens vier schriftlichen Leistungen pro Jahr in Sek I + II ist sehr schwammig formuliert, auch die Formulierung „unter Einsatz des Computers“9 hilft nicht weiter. Würde eine Klassenarbeit am Computer geschrieben werden, so müsste sichergestellt werden, dass die Schreibgeschwindigkeit, z.B. über das 10-Finger-Schreiben, bei der Leistungsbewertung keine Rolle spielt oder die entsprechenden Fertigkeiten im Unterricht ausreichend trainiert wurden, um Bildungsungerechtigkeit nicht zu verschärfen. Bei jedwedem Einsatz digitaler Endgeräte müsste die Ausstattung der Schulen sicherstellen, dass alle Schüler*innen mit gleichwertigen Geräten arbeiten.
- Auch bei diesem Thema scheint eine Verwechslung von Lern- und Prüfungsformaten vorzuliegen. So stärkt eine Klassenarbeit/Klausur mit einem undefinierten digitalem Element die digitale Kompetenz der Schüler*innen nicht. Wie und wann die notwendigen Kompetenzen erworben werden, bleibt – zumindest an dieser Stelle – unklar.
Wir begrüßen einen didaktisch sinnvollen Einsatz digital unterstützten Lernens, halten die Überprüfungsformate für dieses Ziel aber nur bedingt geeignet.
Wir fordern die Sicherstellung der Chancengerechtigkeit durch Verankerung des für derartige Formate notwendigen Kompetenzerwerbs an den Schulen und die Gewährleistung gleichwertiger digitaler Werkzeuge bei Leistungsfeststellungen.
- Prozesskritik
Wir begrüßen die Installation eines Beteiligungsverfahren, an dem auch die Öffentlichkeit mitwirken kann, halten den Einbezug allerdings für zu spät und zu intransparent.
Eine frühzeitige Kommunikation der Rahmensetzungen hätte Rückmeldungen mit echter Chance auf Umsetzung ermöglicht – dass zum jetzigen Zeitpunkt beispielsweise zum Thema „Stoffdichte“ noch einmal über 6000 Seiten Bildungspläne innerhalb eines halben Jahres angepasst werden, erscheint unwahrscheinlich.
Offen und intransparent bleibt, was mit den Stellungnahmen geschieht:
Werden diese der Öffentlichkeit zugänglich gemacht? Und inwieweit lassen die „Beratungen der Behörde“ sich von inhaltlicher Kritik tatsächlich beeinflussen – zumindest, sofern diese Kritik nicht öffentlichkeitswirksam vorgebracht wird?
Um die zahlreichen Stellungnahmen, die bis Ende Juni eingereicht werden, ernsthaft zu prüfen und die Pläne daraufhin grundlegend zu überarbeiten, ist die Zeitspanne bis zum Herbst 2022 zu kurz. Wir fordern, die Umsetzung der Pläne um mindestens ein Jahr zu verschieben.
Wir wünschen uns eine Transparenz darüber, welche Themen vom Fachpublikum kritisiert werden und welche Schlussfolgerungen die BSB daraus zieht.
Auch die Einflussmöglichkeiten im Zeitraum der Erörterung in den Schulen vor dem Inkrafttreten im August 2023 sind nicht dargestellt. Der Prozess, in dem jetzt jede Schule ihre schuleigenen Curricula, ggf. auch ihre Oberstufenprofile und ihre Lernprozesse anpassen und überarbeiten müssen, ist ein Kraftakt. Es bedarf größtmöglicher Unterstützung für die Schulen, die in einem Schuljahr, das immer noch von den Auswirkungen der Pandemie betroffen sein wird, diese zusätzliche Anstrengung leisten müssen.
Wir begrüßen, dass das Definieren von Kerncurricula dazu genutzt wird, den Schulen Umsetzungshilfen bereit zu stellen. Wichtig ist, dass diese Umsetzungshilfen auf binnendifferenzierten und inklusiven Unterricht ausgelegt sind.
Wünschenswert wäre, dass die Umsetzungshilfen nicht statisch gesetzt bleiben, sondern in einem agilen, digitalen Wissensmanagement aufgehen und gute Beispiele und Anregungen aus den Schulen eingespeist werden können und mittels Schlagworten, Such- und Bewertungssystemen eine Übersichtlichkeit geschaffen wird, die es jedem Fach- und Jahrgangsteam und jeder Lehrkraft ermöglicht, in kurzer Zeit passende Grundlagen für die Unterrichtsvorbereitung zu erhalten.
In diesem System sollten auch zeitgemäße Prüfungsformate dargestellt und weiterentwickelt werden können. Praktische Erfahrungen, fachdidaktische Expertise und Feedback-Möglichkeiten können den Transfer erleichtern und eine Vernetzung unter den Praktikern und Interessierten ermöglichen.
Schließlich sollten die Kerncurricula in einem geregelten, kontinuierlichen Prozess aktuell gehalten und an schulische oder gesellschaftliche Entwicklungen im Sinne der Leitperspektiven angepasst werden.
Wir wünschen uns eine Unterstützung der Schulen bei der Anpassung der schulinternen Curricula.
Die Schulen brauchen Zeit, die Pläne auf das Profil und die Spezifika ihrer Schule anzupassen und die Fertigstellung sollte so rechtzeitig erfolgen, dass Eltern und Schüler*innen diese vor der Entscheidung für eine Schule einsehen können.
Die Umsetzungshilfen sollten auf inklusiven, binnendifferenzierten Unterricht ausgelegt sein und den Schulen rechtzeitig, idealerweise bereits während der Erarbeitung schulinterner Curricula, spätestens aber zum Inkrafttreten der Bildungspläne bereit stehen. Auch dies spricht für eine Entzerrung und ggf. Verschiebung der Termine.
Wir regen die Integration der Umsetzungshilfen in eine anwendungsorientierte, offene Wissens-, Material- und Austauschplattform an, die Synergien zwischen den einzelnen Schulen, Fach-/Jahrgangsteams und Lehrkräften schafft sowie die stetige Weiterentwicklung des Unterrichts fördert.
Wir wünschen uns außerdem einen definierten Prozess, der die Aktualität der Kerncurricula im Sinne der Leitperspektiven sicherstellt.
- Fazit
Der vorgelegte Entwurf der Bildungspläne geht über die Vereinbarungen im Schulstrukturfrieden weit hinaus, weicht die Kompetenzorientierung auf und behindert, insbesondere durch die Stofflastigkeit und die unflexible Festschreibung und Höhergewichtung der Klausur als Rückmeldungsformat, die zukunftsorientierte Entwicklung des Lernens an Hamburger Schulen.
Die richtigen und wichtigen Leitperspektiven finden sich in der Ausgestaltung der Pläne lediglich als Verweise wieder und wurden offenbar nicht für eine Rahmensetzung in der Erarbeitung genutzt.
Der Grundsatz, Schüler*innen ein größtmögliches Maß an Mitgestaltung von Unterricht und Erziehung zu ermöglichen10, damit sie ihren Bildungsprozess in eigener Verantwortung gestalten können, wird in den Bildungsplänen nicht umgesetzt. Kinder und Jugendliche
erhalten kaum Freiräume zur echten Übernahme von (Eigen-)Verantwortung und zum nachhaltigen Einbringen ihrer Perspektiven. Dies ist aber notwendig, um die eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen motiviert erkunden und entwickeln zu können. Ohne diese Selbstlernkompetenzen wird das digitale Zeitalter nicht zu bewältigen sein.
Erstaunlich und erschreckend ist, dass die Themen Inklusion und Bildungsgerechtigkeit, also den expliziten Blick auf alle Kinder und Jugendliche in ihren jeweiligen Begabungen, in den Bildungsplänen nur eine Randnotiz zu sein scheint. So findet sich lediglich in Bezug auf die Grundschule der Satz, dass diese „dem Grundsatz des gemeinsamen Lernens und der Chancengerechtigkeit verpflichtet“11 sei und teilweise drohen die Inhalte der Bildungspläne die Ungerechtigkeit sogar noch zu verstärken (s. o.). Diese blinde Stelle ist 20 Jahre nach dem „Pisa-Schock“ und vor dem aktuellen Hintergrund der Verschärfung der Bildungsungerechtigkeit in der Pandemie befremdlich. Jegliches bildungspolitische Handeln sollte darauf ausgerichtet sein, Bildungsarmut entgegenzuwirken und Chancengerechtigkeit zu verbessern.
1 https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/77981/Fast-jeder-zweite-Schueler-leidet-unter-Stress
2 Anschreiben zum Beteiligungsverfahren bei der Beratung der Entwürfe der Bildungspläne von Rainer Köker, BSB am 24.03.2022.
3 So sind beispielsweise Grimms „Kinder- und Hausmärchen“ oder Jean Pauls „Rede des toten Christus vom Weltgebäude herab“ (vgl. https://www.hamburg.de/contentblob/15944900/d7cef09df448a811e405002e2ddce73e/data/deutsch-gyoentwurf-2022.pdf, S. 44, pdf-Seite 47) für Jugendliche mit deutsch-bildungsbürgerlichem Hintergrund deutlich anschlussfähiger als für Jugendliche aus Familien mit Migrationsgeschichte oder aus nicht-akademischen Elternhäusern.
4 https://www.hamburg.de/contentblob/16017762/80c62daf1d08b58e517e0e7233d0eb14/data/a-teil-dl.pdf, Seite 6
5 https://www.gruene-hamburg.de/wp-content/uploads/2020/06/Koalitionsvertrag-SPD-Gr%C3%BCne-2020.pdf und https://www.hamburg.de/contentblob/12789186/e847e1dd83e1ebf9f8248869f074810f/data/schulfrieden-rahmenvereinbarung.pdf
10 Vgl. §3 (6) HmbSG https://www.landesrecht-hamburg.de/bsha/document/jlr-SchulGHAV31P3
11 https://www.hamburg.de/contentblob/16017762/80c62daf1d08b58e517e0e7233d0eb14/data/a-teil-dl.pdf, S. 19