Die hier dargestellte Position ist der Arbeitsstand der Arbeitsgemeinschaft, den wir zur weiteren Diskussion veröffentlichen, aber kein Beschluss von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Landesverband Hamburg.
Hamburgs Schulen zukunftsfähig und gerecht machen!
Positionspapier der LAG-Bildung von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Hamburg zur Weiterentwicklung der Gymnasialen Oberstufe.
An Hamburgs Schulen sollen Jugendliche lernen, die Chancen und Herausforderungen unserer Zeit mutig, innovativ und kreativ anzunehmen und sich aktiv für die Gestaltung unserer demokratischen Gesellschaft einzusetzen. Sie brauchen Unterstützung, um sich in der Masse verfügbarer Informationen zu orientieren. Überfachliche Sichtweisen, vertieftes Verständnis und Werteorientierung sind dabei unerlässlich. Lernen wird insgesamt vernetzter, digitaler und informeller, die Kommunikation schneller. Auch ist die Schülerschaft in der Oberstufe heterogener geworden: die Jugendlichen bringen vielfältige Herkunftsgeschichten, unterschiedliche Lernvoraussetzungen, Begabungen und Interessen mit. Diese Vielfalt zu nutzen, ist eine Chance für mehr Bildungsgerechtigkeit.
Deshalb hat die Bundesarbeitsgemeinschaft der Grünen die Forderungen der Potsdamer Erklärung des Bündnisses für ein zukunftsfähiges Abitur mit erarbeitet. Die Kernthesen der Potsdamer Erklärung sind:
- Zukunftsfähige Lernkultur: für fachübergreifendes und selbstverantwortetes Lernen in Projekten und an lebensnahen Themen
- Weiterentwicklung der Prüfungsformate. Die Leistung soll kreativ, praktisch, reflektiert und auch im Team gezeigt werden können – auch im Abitur
- Zeit für Vertiefung, für intensives Verständnis, für eigene Fragestellungen, Betonung von Qualität statt Quantität
- Individuelle Bildungswege: schnelle Wege für Durchstarter, mehr Zeit für intensivere Unterstützung: Abitur im eigenen Takt
Wir meinen: Auch die Oberstufe in Hamburg sollte sich künftig an diesen Forderungen orientieren. So ist auch das von SPD und Grünen beschlossene Pilotprojekt zur „Flexiblen Oberstufe“ ein wichtiger Schritt hin zu einer individualisierten Lernkultur.
Wir Grünen möchten eine intensive öffentliche Debatte zur Weiterentwicklung unseres Abiturs. Sie ist nicht nur für Schüler*innen und Eltern wichtig, sondern auch für die Gesellschaft insgesamt: Über 50% aller Hamburger Schüler*innen machen Abitur und benötigen zukunftsorientierte Kompetenzen für die Aufgaben und Herausforderungen der Zukunft.
Warum muss die Diskussion gerade jetzt geführt werden? Die KMK hat im letzten Jahr eine neue Vereinbarung für die Gymnasiale Oberstufe beschlossen. Sie ermöglicht zusätzliche Gestaltungsräume, die die Länder bei der anstehenden Veränderung ihrer Verordnungen nutzen können. Ab dem Sommer 2027 gelten die neuen Regelungen für alle, die in die Gymnasiale Oberstufe einsteigen. Die Behörde arbeitet an einem Entwurf der neuen „APO-AH“, der Ausbildungs- und Prüfungsordnung zum Erwerb der allgemeinen Hochschulreife. Stand Ende September 2025 sind die Inhalte nicht bekannt.
Unsere Vorschläge für eine zukunftsgerechte Oberstufe
Wir Grünen werben für Mut bei allen Akteuren, auch in der Oberstufe echte Reformschritte im Sinne einer zeitgemäßen Lernkultur zu gehen.
Seit vielen Jahren hat Hamburg eine Profiloberstufe: Dabei wählen die Schüler*innen in der Studienstufe Profile von Fächerkombinationen, die das Ziel haben, projektorientiert und – wie von der KMK gefordert – auch fächerübergreifend zu lernen. Viele interessante Lernprojekte konnten in den letzten Jahren an Hamburger Oberstufen realisiert werden.
Wir wollen die Profiloberstufe, die das so dringend notwendige Lernen über Fächergrenzen hinaus ermöglicht, stärken und beleben. Die Profiloberstufe lässt sich mit einer Rückkehr zu 5-stündigen „Leistungskursen“ und in der Regel 2–3-stündigen „Grundkursen“ (wie sie die meisten anderen Länder vorsehen) gut verbinden. 5-stündige Kurse auf erhöhtem Niveau erleichtern die Vertiefung und 2–3-stündige Kurse auf grundlegendem Niveau entlasten den Stundenplan vieler Schüler*innen.
Bisher verlangt Hamburg von seinen Schüler*innen mehr Verbindlichkeit, als die KMK-Vereinbarung für alle Länder festlegt. Das verringert die Wahlmöglichkeiten der Schüler*innen, führt zu zeitlicher Belastung und Motivationsverlust. Wir Grünen stehen zur Vergleichbarkeit der Abiturregelungen. Aber wir erwarten, dass zukünftig die Belegauflagen auf die Festlegungen der KMK-Vereinbarung beschränkt werden. So erhalten Schulen und Schüler*innen Raum für individuelle Schwerpunktsetzungen.
Vor allem aber muss sich die Aufgaben- und Prüfungskultur verändern: In Zeiten einfacher KI-Nutzung halten wir kreative Produkte sowie die Reflexion des Arbeitsprozesses für besonders geeignet, den Transfer des Gelernten nachzuweisen.
Darüber hinausgehende Reformschritte soll das Pilotprojekt zur „Flexiblen Oberstufe“ mit einer Flexibilisierung der Bildungswege erproben: ein Abitur im eigenen Takt. Dafür sollten interessierte Schulen innovative eigene Konzepte entwickeln können und dabei mit Ressourcen und Beratung unterstützt werden. Wir werden das Pilotprojekt aktiv begleiten und unterstützen.
Konkret schlagen wir für die neue APO-AH vor:
1. Die Schüler*innen wählen ein Profil, bestehend aus
- einem Fach auf erhöhtem Niveau (5-stündig)
- einem weiteren Fach auf mindestens grundlegendem Niveau (2–3-stündig)
- dem Fach Seminar als Projektfach, welches z. B. auch zur Begleitung einer besonderen Lernleistung im Profil als 5. Prüfungsfach dienen kann (siehe Punkt 6)
2. Hamburg kehrt zurück zu 5-stündigen Leistungskursen sowie grundsätzlich 2–3-stündigen Grundkursen. Bei 4-stündigen Kursen auf erhöhten Niveau wären die Hamburger Schüler*innen sonst gegenüber denen aus den Nachbarländern benachteiligt, wenn sie – bei weniger Lernzeit – die gleichen Abituraufgaben bearbeiten müssen.
3. Die Zahl der Pflichtkurse auf erhöhtem Anforderungsniveau wird nach KMK-Vorgaben auf drei beschränkt (5-stündig). Nur ein Kernfach muss auf erhöhtem Niveau belegt werden. Es werden keine über die KMK-Anforderungen hinausgehenden Belegauflagen festgelegt. (Bisher gibt es in Hamburg die Verpflichtung, zwei der drei Fächer „Kernfächer“ Mathe, Deutsch, durchgängig unterrichtete Fremdsprache auf erhöhtem Niveau zu belegen. Hier möchten wir die Wahlfreiheit erhöhen.)
4. Die Vorgabe klassischer schriftlicher Klausuren beschränkt sich auf die Abitur-Prüfungsfächer. Die Entwicklung moderner Überprüfungsformate in den anderen Fächern wird gestärkt.
5. Die Möglichkeit, nur die drei Fächer auf erhöhtem Niveau im Abitur schriftlich prüfen zu lassen (analog Niedersachsen),sollte diskutiert werden. Die Prüfungsfächer auf grundlegendem Niveau würden mündlich bzw. mit neuen Prüfungsformaten wie Reflexion einer Projektarbeit geprüft.
6. Ein 5. Prüfungsfach als fächerübergreifende Projektprüfung, die sich beispielsweise aus einem Projekt des Profils ergibt, wird verpflichtend eingeführt. Diese kann sich an den Bedingungen der „Besonderen Lernleistung“ orientieren. Dies ermöglicht den Schüler*innen eine eigene Schwerpunktsetzung bei der Abiturprüfung und eröffnet mehr Freiheit bei der Kombination der Prüfungsfächer.
7. Die Vorstufe der Stadtteilschulen wird flexibilisiert. Insbesondere für das erste Halbjahr entscheiden die Schulen, mit welchen Lernangeboten sie gezielt auf die besonderen Stärken und Schwächen, Interessen und Begabungen ihrer Schülerschaft reagieren. Die APO-AH sollte die großen Spielräume nutzen, die die KMK-Vereinbarung hier bietet.
8. Wir fordern eine deutliche Reduzierung der Bildungsplaninhalte nach der Evaluation. Hier schlagen wir eine Vorgabe im Sinne des 50:50-Prinzips vor: 50% Kerncurriculum mit Inhalten und Kompetenzen, die auf die Abiturprüfung verweisen und 50% durch die Fachkonferenz der Schule festgelegten Inhalte.