Nachfolge für das Kohlekraftwerk Wedel

Hintergrund:

Mit dem Volksentscheid vom September 2013 hat die Hamburger Bevölkerung sich mehrheitlich für den Rückkauf der Energienetze ausgesprochen.1 Im Rahmen der darauf folgenden Verhandlungen hat der letzte SPD-Senat mit Vattenfall eine Kaufoption für das vollständige Fernwärmenetz vereinbart, an dem Hamburg
bisher nur mit 25,1% beteiligt ist. Die Kaufoption bietet der FHH die Möglichkeit das Netz in 2019 zu jeweils vereinbarten Preisen übernehmen. Die Vereinbarung enthält für den Ersatz des abgängigen und veralteten
Kohlekraftwerkes in Wedel zwei mögliche Varianten: a) das GuD-Szenario („Innovationskraftwerk“,s.u.) oder b) ein Alternativszenario. Dabei wurden für beide Varianten bereits zwei alternative Mindestpreise (bezogen auf 100%) vereinbart. Sofern in Wedel eine GuD-Anlage von Vattenfall gebaut werden sollte, liegt der Mindestpreis bei 1.150 Mio. Euro, wenn keine Entscheidung für den Bau einer GuD-Anlage in Wedel gefällt werden sollt, würde der Mindestpreis 950 Mio.
Euro betragen. Die Entscheidung über die beiden Varianten soll noch in 2015
fallen, weil die Variante a) noch von Vattenfall zu bauen wäre und dann in 2019
von der FHH zu einem entsprechend höheren Kaufpreis mit übernommen würde.2
GuD’s sind Gas-und-Dampf-Kraftwerke die besonders effizient Strom aus
flüssigen oder gasförmigen fossilen Brennstoffen erzeugen. Bei
Wärmeauskopplung verringert sich allerdings der elektrische Wirkungsgrad
deutlich. Die Hauptkritikpunkt an dem (von Vattenfall bereits 2011 in der
energiepolitischen Vereinbarung mit der FHH) vorgesehenen GuD-Kraftwerk ist
aber, dass dieses wie jedes Großkraftwerk den Umbau des Fernwärmenetzes hin
zu einem modernen Netz mit verlustärmeren niedrigen Temperaturen zu
Einspeisung von Erneuerbaren Energien und industrieller Abwärme verhindern
würde. Eine solche Lösung wäre langfristig nicht systemdienlich.
1 Der Abstimmungstext beim Volksentscheid war wie folgt: „Senat und Bürgerschaft
unternehmen fristgerecht alle notwendigen und zulässigen Schritte, um die
Hamburger Strom-, Fernwärme- und Gasleitungsnetze 2015 wieder vollständig in die
Öffentliche Hand zu übernehmen. Verbindliches Ziel ist eine sozial gerechte,
klimaverträgliche und demokratisch kontrollierte Energieversorgung aus
erneuerbaren Energien“.
2 Siehe auch hier http://www.hamburg.de/energiewende/4110666/ergebnisvolksentscheid/
Stand: 16.09.2015
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Bereits im Positionspapier zum Cluster Ökologie und Ökonomie vom Mai 2014
hatte die LAG Energie folgende Punkte zum Umbau der Wärmeversorgung in
Hamburg gefordert:
„• Wir fordern die Ausarbeitung einer Strategie für eine nachhaltige
Wärmeversorgung für Hamburg mit einer CO 2 -freien oder CO 2 -armen
Wärmeerzeugung auf Basis von Gas, industrieller Abwärme, Wärmepumpen
und erneuerbaren Energiequellen für klimafreundliche Wärme. Dabei muss die
Stadt bzw. die städtische Planung zukünftig auch die Kooperation zwischen
Wärmeerzeugung und Wärmeabnehmer besser koordinieren. Um
Fehlplanungen vorzubeugen und die richtige Wärmestrategie entwerfen zu
können, muss vorab eine langfristige Bedarfsanalyse im Wärmebereich für
Hamburg aufgestellt werden.
• Absenkung des Temperaturniveaus im Fernwärmenetz nach Maßgabe der
verbraucherseitigen Senkung des Endenergiebedarfs. Die
Temperaturabsenkung reduziert die Netzwärmeverluste und damit die
Betriebskosten des Netzes und ermöglich die dezentrale Wärmeeinspeisung
aus Motor-BHKW und erneuerbaren Energiequellen.
• Die Netze müssen für den Ausbau der Erneuerbaren Energien fit gemacht
werden (Flexibilisierung) und die notwendige Netzinfrastruktur für eine
Vollversorgung mit regenerativer Energie schnellstmöglich bereitgestellt
werden. Auf Seiten v.a. der großen Endverbraucher muss das
Lastmanagement ausgebaut werden. Versorgungsseitig hat sich die Technik
der zentralen Großkraftwerke auf Basis von Kohle und Atom überholt. Wir
brauchen ein modernes Netz, welches die Anforderungen (100% Ökoenergie)
von übermorgen bewältigen kann.“
Zuletzt hatte die vormalige Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt einen
Gutachten- und Konsultationsprozess zum Ersatz für das Kohlekraftwerk Wedel
beauftragt, an der Stakeholder aus Politik und NGO’s beteiligt waren. Das
Gutachten von BET liegt nunmehr vor und beschreibt verschiedene Kombinationsmöglichkeiten
als Alternativen zum o.g. GuD-Szenario, darunter auch solche mit
einem kleineren GuD, als auch mit vergleichbar effizienten und flexiblen Gas-
Motoren, und auch solche Varianten mit Einbindung von Biomasse und
industrieller Abwärme.
Vor diesem Hintergrund hat die LAG Energie am 24.08.2015 folgende
Eckpunkte zum Wedelprozess einstimmig beschlossen:
 Langfristiges Denken
 Frühere Übernahme (HGV 1.7.2012 kauft 25,1 % von Vattenfall,
Sperrfrist bis 1. Juli 2017), mit dem Vorteil von:
◦ Datentransparenz
◦ Mitarbeiterübernahme
◦ Mehr Handlungsmöglichkeiten
 Entscheidung für „Alternativ-Szenario“ (statt GuD-Szenario laut
Kaufoption)
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 Einsatzreihenfolge pro Klimaschutz
 städtische Wärmeplanung
◦ Bedarfsdeckung
◦ Gebäudesanierung
◦ Erzeugung
 Dezentrale Lösung mit KWK + Mieterstrom
 Weg von (Preis-)Monopolstrukturen hin zu Öffnung Wettbewerb
◦ für industrielle Abwärme, dezentrale Einspeisung EE
 Transparenz der Preise
 Alle Daten auf den Tisch für Hydraulik und Versorgungssicherheit
Zur Erläuterung der einzelnen Punkte:
a) Langfristiges Denken:
Bei der anstehenden Investitionsentscheidung bezüglich der
Fernwärmeversorgung sollte stärker in die Zukunft geschaut werden. Bei der
Fernwärmeversorgung handelt es sich um eine wichtige Infrastruktur für die
Energieverteilung.
Der bisherige Gutachten- und Konsultationsprozess war stark auf einen Ersatz für
das Kohlekraftwerk Wedel fokussiert, statt sich mir einer langfristigen
Umgestaltung der gesamten Hamburger Wärmeversorgung zu beschäftigen.
Insofern wurden wichtige Fragestellungen bisher nicht aufgeworfen bzw.
wesentliche Punkte nicht intensiv genug betrachtet, um langfristig eine sinnvolle,
klimafreundliche Wärmeversorgung in Hamburg gewährleisten zu können.
b) Frühere Übernahme (HGV 1.7.2012 kauft 25,1 % von Vattenfall,
Sperrfrist bis 1. Juli 2017), mit dem Vorteil von Datentransparenz,
Mitarbeiterübernahme und mehr Handlungsmöglichkeiten:
Der frühere Kauf ist nur möglich bei gegenseitigem Einvernehmen der
Vertragspartner. Ob hierzu die Bereitschaft besteht, und zu welchen Bedingungen
ist offen. Er hätte allerdings eine Reihe von Vorteilen insbesondere der höheren
Planungssicherheit durch Zugriff auf alle Netzdaten, die der FHH bisher nicht
vorliegen.
c) Entscheidung für „Alternativ-Szenario“ (statt GuD-Szenario laut
Kaufoption)
Nach dem bestehenden Vertrag ist das GuD in Wedel mit 390 MW thermisch zu
groß dimensioniert. Laut BET-Gutachten wären 250 MW thermisch ausreichend,
um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Die Alternativszenarien gem. BET
sehen eine Reihe unterschiedlicher Kombinationen u.a. mit Wärmepumpen, fester
(holzartiger) Biomasse und industrieller Abwärme vor. Insbesondere die
industrielle Abwärme hat auch das Potential, die Wärmegestehungskosten zu
senken, was in der Executive Summary und in zwei sich darauf beziehenden
Abendblattartikeln falsch wiedergegeben ist.
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d) Einsatzreihenfolge pro Klimaschutz
Die Einsatzreihenfolge der Kraftwerke für die Hamburger Wärmeversorgung sollte
mit Blick auf die Hamburger CO2-Bilanz und zugunsten des Klimaschutzes und
geändert werden (z.B. Fahrweise der Kohleheizkraftwerke Wedel und Tiefstack nur
mehr in Spitzenlast oder Reserve statt Mittellast). Außerdem sollen CO2-freie bzw.
CO2-ärmere Erzeuger vorrangig in das Fernwärmenetz einspeisen dürfen.
e) städtische Wärmeplanung: Bedarfsdeckung, Gebäudesanierung,
Erzeugung
Es wird eine langfristige kommunale Wärmeplanung benötigt, die die künftige
Bedarfentwicklung auch vor dem Hintergrund der energetischen Sanierung und
des Neubaus in den einzelnen Quartieren mit berücksichtigt. Um dabei
Fehlplanungen vorzubeugen und die richtige Wärmestrategie entwerfen zu
können, muss vorab eine langfristige Bedarfsanalyse im Wärmebereich für
Hamburg aufgestellt werden.
f) Dezentrale Lösung mit KWK + Mieterstrom
Bei der Wärmebedarfsplanung sollen neben der energetischen Sanierung auch
dezentrale Lösungen z.B. mit KWK und Mieterstrom-Modellen beachtet werden.
g) Weg von (Preis-)Monopolstrukturen hin zu Öffnung Wettbewerb für
industrielle Abwärme, dezentrale Einspeisung EE
Dezentrale Lösungen sind geeigneter, Netztemperaturen zu senken, hydraulische
Probleme zu verringern und dezentral vorhandene Erneuerbare Energien etwa aus
Solarthermie, Abwärme von Großbäckereien, Brauereien etc. mit einzubinden.
Fernwärmenetze sind in der Bundesrepublik bisher nicht reguliert, weder die
Preisgestaltung noch die Einspeisung und Durchleitung von Wärme. Wir brauchen
eine Fernwärmeverordnung, die die hier bestehenden Interessenkonflikte regelt
und die BUE mit der Aufsicht bevollmächtigt.
h) Transparenz der Preise
Die Netzentgelte und Fernwärmepreise müssen für alle Hamburg Bürgerinnen
und Bürger bezahlbar bleiben und es sollen nicht die Gewinne des Unternehmens
im Vordergrund stehen. Gleichzeitig wollen wir wollen Transparenz über alle
wichtigen Investitionsentscheidungen für eine nachvollziehbare und transparente
Preisgestaltung.
i) Alle Daten auf den Tisch für Hydraulik und Versorgungssicherheit
Bis zum jetzigen Zeitpunkt herrscht große Ungewissheit über den tatsächlichen
Fernwärmebedarf, nachdem Vattenfall weder dem Planungsbüro des Gutachten
BET noch der Stadt als Mitgesellschafter die wesentlichen Daten zu den
hydraulischen Betriebsbedingungen, zur Netzstruktur sowie zum tatsächlichen
Jahres- und tageszeitabhängigen, örtlich aufgelösten Bedarf offen zu legen.
Eine fundierte Entscheidungsgrundlage unter Beachtung aller wesentlichen
Punkte ist zum aktuellen Zeitpunkt nicht gegeben.