Kommunikation und Beteiligung 2.0

Mit dem Beschluss „Mehr Kommunikation – bessere Beteiligung“ vom 31. Januar 2012 hatten wir uns Kommunikations- und Entscheidungsstrukturen gegeben, die mehr Information, Transparenz und Beteiligungsmöglichkeiten geschaffen haben. Um nun in der veränderten Situation als Regierungspartei dieses Mehr an Kommunikation und Beteiligung der letzten Jahre fortzuschreiben, möge die Landesmitgliederversammlung den folgenden Beschluss fassen.

Petitum:

Mit dem Eintritt in die zweite rot-grüne Koalition in Hamburg stehen die GRÜNEN vor großen Herausforderungen. Die politische Landschaft hat sich in den letzten Jahren geändert. Das Thema Beteiligung ist, nicht zuletzt als Kernanliegen eines GRÜNEN Regierungsstils, in der Mitte der Gesellschaft angekommen und macht das Regieren in der Stadtrepublik Hamburg komplizierter, aber auch interessanter und chancenreicher. Gleichzeitig sind inzwischen deutliche Probleme erkennbar, mit einem Teilzeitparlament und einer durch das Wahlrecht stärker lokalen als thematischen Verankerung von Abgeordneten, Senat und Verwaltung effektiv zu kontrollieren.

Ehrlich gesagt: Unsere bisherigen Regierungsbeteiligungen waren in der allgemeinen Lesart der Stadt nicht so erfolgreich, wie unsere damaligen Ankündigungen erwarten ließen. Gerade deswegen müssen die Hamburger GRÜNEN jetzt beweisen, dass sie sich selber treu bleiben und als Regierungspartei Anerkennung in der Stadt erreichen können.

Neben den inhaltlichen Anliegen unserer Partei sollte also unser strategisches Ziel sein, dass die Stadt mit unserer Arbeit als Regierungspartei zufrieden sein kann. Unserer Meinung nach wird das nicht dadurch erreicht, dass wir uns übermäßig an den Mainstream in der Stadt anpassen, wir unseren Veränderungsimpuls aufgeben und unsere Haltungen, Werte und Überzeugungen hinten anstellen. Wir müssen im Gegenteil auch in der Regierungsbeteiligung Klarheit in Werten, Haltung und politischer Linie haben, den Mut, programmatisch weiter zu denken – und den Erfolg, dass wir ganz konkret sichtbar und über die eigene Zielgruppe und Wählerschaft hinaus erfolgreich sind. Wir müssen in unserem Regieren pragmatisch bleiben, große und kleine Veränderungen ermöglichen und das Vertrauen gewinnen, dass unsere Arbeit in dieser Regierung von der Stadt breiter getragen wird, als unser Wahlergebnis sich in Prozenten darstellt.

Wer wie wir jetzt mit regiert, muss seine neue Rolle aktiv annehmen:

  • Wir tragen in den nächsten fünf Jahren Verantwortung für die gesamte Stadt und nicht nur für die Menschen, die uns gewählt haben.
  • Wir brauchen einen professionellen Umgang mit dem, was Hamburg heute schon ausmacht und müssen gleichzeitig für mehr Vielfalt und Gerechtigkeit, für mehr Veränderung überkommener Strukturen und für mehr Verantwortung für Menschen und Umwelt in unserer Stadt eintreten.
  • Wir werden zu Recht daran gemessen, ob wir bei unserer dritten Regierungsbeteiligung nachhaltige Spuren in der Stadt hinterlassen und gleichzeitig die Bürgerinnen und Bürger Hamburgs dabei aktiv beteiligen.
  • In Hamburg gibt es verschiedene Akteure, die Veränderungen scheuen– leider auch oft die notwendige. Daher müssen wir die treibende Kraft zum Neuen bleiben und auch dort weiter denken, wo wir uns heute noch nicht durchsetzen können.

Unsere Arbeit muss also zwei Ziele vereinen: Wir brauchen Professionalität in der täglichen pragmatischen Regierungsarbeit und müssen immer wieder von Neuem das Vertrauen der Stadt gewinnen, dass wir das können. Und wir brauchen Mut, eine klare Haltung und den Anspruch, kritisch und strategisch weiter zu denken, wohin wir mit der Stadt wollen, für welche Veränderungen wir stehen und dass wir diese Veränderungen wollen und uns und der Stadt zutrauen.

Wenn wir diese Herausforderungen bestehen wollen, brauchen wir Klarheit über die Rollen und Aufgaben GRÜNEr Akteurinnen und Akteure und müssen das, was wir mit Wahlprogramm und Koalitionsvertrag der Stadt als neue Kultur der Beteiligung versprochen haben, auch für uns selbst als GRÜNE in Hamburg einlösen. Wir werden darauf angewiesen sein, dass unsere Senatorinnen und Senatoren, die Fraktion, der Parteivorstand, die Bezirksfraktionen und –vorstände, die Landesarbeitsgemeinschaften und alle anderen Funktions- und Mandatsträgerinnen und -träger gut zusammenarbeiten, mit Blick auf das Regierungshandeln an einem Strang ziehen und die Hamburger GRÜNEN gleichzeitig ein Ort für Kontroverse, Debatte und Austausch bleiben. Nicht alle können und dürfen dabei dasselbe tun, aber alle müssen ihre Rolle und ihre Aufgabe verantwortungsvoll ausfüllen:

  • Die GRÜNEN Senatsmitglieder, ihre Staatsrätinnen und Staatsräte und die sie unmittelbar unterstützenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung organisieren auf Basis des Koalitionsvertrages das praktische und tägliche Handeln von Regierung und Verwaltung. Sie sind und bleiben dabei GRÜNE, aber sie dienen der Stadt, nicht der Partei. Sie tragen die Hauptverantwortung für die Umsetzung des Vertrages und für ein Frühwarnsystem gegenüber der Partei bei kritischen Themen außerhalb des Vertrages.
  • In der GRÜNEN Bürgerschaftsfraktion liegen die fachlichen Kompetenzen sowie die personellen Ressourcen zur inhaltlichen Begleitung des Regierungshandelns. Sie sichert in den Parlamentsausschüssen und dem Bürgerschaftsplenum das Regierungshandeln und begleitet die Umsetzung des Koalitionsvertrages konstruktiv. Sie vertritt die GRÜNE Position auch in den Bereichen, in denen die GRÜNEN Behörden nicht originär zuständig sind. Es ist die Aufgabe der Bürgerschaftsfraktion, für die GRÜNEN Positionen in der Stadt zu werben und ihr Handeln in der Bürgerschaft aktiv in die Partei zu kommunizieren. Hierzu wird sie regelmäßig online informieren. Zusammen mit der Partei muss sie gerade auch in Regierungszeiten Programm und politische Konzepte weiterentwickeln. Die Bürgerschaftsfraktion wird sich aktiv in die strategische Entwicklung der Hamburger GRÜNEN einbringen. Zusammen mit unseren GRÜNEN Regierungsmitgliedern einerseits und der Partei andererseits streitet die Fraktion insbesondere bei Fragen, die noch nicht durch den Koalitionsvertrag abgedeckt sind, für GRÜNE Positionen und versucht diese konstruktiv mit dem Koalitionspartner, aber auch den vernünftigen Oppositionsfraktionen umzusetzen
  • Das gilt ganz überwiegend auch für die Arbeit der GRÜNEN Fraktionen in den Bezirksversammlungen – nämlich dort, wo wir in den Bezirken an rot-GRÜNEN Koalitionen beteiligt sind. Sie unterstützt die programmatische Arbeit des Landesverbandes durch ihr Fachwissen und durch die dezentrale Perspektive vor Ort.
  • Die GRÜNE Partei, an der Spitze der Landesvorstand, aber auch Landesausschuss und Landesmitgliederversammlungen, Landesarbeitsgemeinschaften, Kreisvorstände und alle Funktionsträger*innen sind nicht unmittelbar an der Regierung beteiligt und haben weder die Kapazitäten noch das Mandat, in administrative Einzelfälle hineinzuregieren und sie an Stelle der dafür Verantwortlichen zu entscheiden. Aber der Landesvorstand hat die Aufgaben, Kommunikation und Beteiligung in die Mitgliedschaft so zu organisieren, dass kritische Rückmeldungen früh und konsequent gegeben werden können und bei wichtigen Entscheidungen kontroverse Debatten und Meinungsbildungsprozesse ermöglicht werden. Daraus folgt auch die Chance und die Verantwortung, GRÜNE Politik in Hamburg trotz Regierungsverantwortung ohne Denkverbote weiter zu entwickeln, zusammen mit GRÜNEN Senatsmitgliedern und Fraktion eine klare politische Linie zu entwickeln. Unsere Mitglieder, insbesondere die Aktiven vor Ort in Kreisverbänden und Bezirksfraktionen haben darüber hinaus eine wichtige Rolle und Verantwortung, wenn sie frühzeitig auf Probleme, Widerstände und Kritik hinweisen, die lokal entstehen oder auf Korrekturen von Regierungshandeln drängen. Gleichzeitig sind sie die Akteure, die bei guter Einbindung gut informiert vor Ort Sorgen und Gerüchten frühzeitig entgegentreten können. Der Landesvorstand sollte deshalb dazu beitragen, dass dieser Austausch zwischen Mitgliedern und Entscheidungsträgern im Bedarfsfall vertrauensvoll und unkompliziert möglich ist.

Wenn wir diesen Rollen gerecht werden wollen, geht es jetzt darum, die guten Erfahrungen mit dem Aufarbeitungsprozess nach der schwarz-GRÜNEN Koalition zu nutzen, das 2012 vom Landesausschuss beschlossene Arbeitsprogramm „Mehr Kommunikation – bessere Beteiligung“ weiter zu entwickeln und an die Herausforderungen der jetzigen Regierungsbeteiligung anzupassen. Dazu machen wir folgende Handlungsvorschläge:

1. Mut zu Kommunikation und Beteiligung in GRÜNEN Gremien

Wir müssen auch in der Regierungssituation sicherstellen, dass politische Leitentscheidungen der GRÜNEN in Hamburg in klaren und transparenten Verfahren, durch legitimierte Gremien und nachvollziehbar und mit der Chance zur innerparteilichen Diskussion getroffen werden. Außerdem müssen Kritik und Verbesserungsvorschläge aus der Partei in das Regierungshandeln einfließen. Deswegen ist es eine der wichtigsten Aufgaben des neuen Landesvorstandes, einen Prozess zu organisieren, in dem die Gremien der GRÜNEN in Hamburg diesen Einfluss und diese Rückkopplung zum Handeln von Senat und Fraktion stärken.

An vielen Stellen hat der alte Landesvorstand in Umsetzung der Beschlüsse zu Kommunikation und Beteiligung schon Neuerungen eingeführt, die sich bewährt haben und auf denen aufgebaut werden kann. Dies umfasst die Stärkung und Politisierung bestehender Gremien wie des Landesausschusses und der Landesvorstandssitzungen ebenso wie neue Dialogformate, die für die parteiinterne Debatte eingeführt und erprobt wurden. Es zeigt sich, dass die Arbeit der Parteispitze besser wird, wenn sie vorher den Dialog mit der Basis und den Funktionsträgerinnen und Funktionsträgern sucht. Grundlage für all das war und bleibt organisatorisch ein langfristig angelegter Sitzungskalender für die Gremien der Partei, die frühzeitige Ankündigung von inhaltlichen Schwerpunktsetzungen für die LMV und den LA, aber auch die Steigerung von Transparenz und Demokratie durch das veränderte informelle Antragsverfahren für die Leitanträge des Landesvorstandes auf den Parteitagen. Vor allem aber müssen die Gremien von Landesvorstand, Fraktion und Senatorin und Senatoren als Ort der wichtigen politischen Debatten und Entscheidungen genutzt und damit weiter politisiert werden. Wir sind aber auch der Überzeugung, dass unsere Partei Orte braucht, an denen wir über mehr als Tagespolitik und Regierungsgeschäft reden und wo wir gemeinsam um die programmatische Weiterentwicklung ringen können.

Deshalb wollen wir folgende Organisation unserer Beschlussgremien sichern:

a. Landesvorstand

Gerade bei einer Regierungsbeteiligung, die wegen ihrer notwendigen Einbindung in Senats- und Koalitionsabsprachen in der Regel nicht für „GRÜN pur“ stehen kann, muss der Landesvorstand (LaVo) als strategisches Zentrum unserer Politikentwicklung ausgestaltet werden. Hier werden zwischen den Landesmitgliederversammlungen (LMV) und Landesausschüssen (LA) die für die GRÜNE Partei wichtigen Entscheidungen getroffen und die Rückkopplung mit für uns wichtigen Entscheidungen von Senat und Fraktion organisiert. Das heißt:

  • Wenn sich politische Probleme ankündigen, muss der LaVo davon erfahren, darüber diskutieren können und über die (Teil-)Öffentlichkeit seiner Sitzungen allen Mitgliedern die Möglichkeit zur Beteiligung geben.
  • Die Sitzung des Landesvorstands ist der Ort, an dem ganz offiziell und legitimiert strategische Fragen unter Beteiligung von Senat und Fraktionsspitze in regelmäßigen Abständen diskutiert werden sollen, bei Bedarf zweigeteilt in einen parteiöffentlichen und einen internen Teil. Diese strategischen Diskussionen dienen vor allem der guten Vorbereitung wichtiger Entscheidungen und Weichenstellungen, die einer breiteren Legitimation bedürfen. Außerdem soll hier das Zusammenspiel zwischen Partei, Fraktion und Senat in grundlegenden Fragen immer wieder neu justiert werden.
  • Der Landesvorstand sollte wie in den letzten Jahren regelmäßig Landesarbeitsgemeinschaften (LAGen), Kreisvorstände (KV) und andere Gruppen der Partei zu seinen Sitzungen oder (wie bei LaVo-KV-Treffen) zu gemeinsamen Sitzungen einladen, um thematisch oder regional ausgerichtet Input und Rückkopplung für seine politische Arbeit, aber auch die Aktivitäten von Fraktion und Senat zu organisieren.

Dafür braucht der LaVo klare Zuständigkeiten und eine klare Verantwortung. Der/die Vorsitzende und der/die stellvertretende Landesvorsitzende sind das Bindeglied der Partei in die alltägliche Regierungsarbeit. Sie nehmen deshalb an den wöchentlichen grüninternen Senatsvorbesprechungen mit Senator/innen, Staatsrät/innen und Fraktionsvorstand teil. Daher ist es auch ihre Verantwortung, aus der alltäglichen Regierungsarbeit in den Landesvorstand zurück zu kommunizieren. Wie in der Vergangenheit ist jedes Mitglied im Landesvorstand Kontaktperson für einen Kreisverband und jeweils zwei bis drei Landesarbeitsgemeinschaften, GRÜNE Jugend und GRÜNE Alte. Das bedeutet nicht, an jeder Sitzung teilzunehmen, aber erfordert ein aktives Aufeinander zugehen von beiden Seiten, um eine kurzen direkten Austausch über aktuelle politische und organisatorische Probleme zu sichern.

b. Landesausschuss

Der Landesausschuss ist das höchste beschlussfassende Gremium zwischen den Landesmitgliederversammlungen. Er ist der Ort, an dem der Landesvorstand notfalls auch aufgrund einer kurzfristigen Einberufung Entscheidungen herbeiführen kann, die einer breiteren Legitimierung bedürfen. Er sollte aber auch ein Ort sein, an dem regelmäßig ein kritisch-konstruktiver Blick auf die Arbeit von Regierung und Fraktion organisiert und der strategische Blick auf die Linien GRÜNER Politik gewahrt wird. Zudem sollte der LA verstärkt genutzt werden, um GRÜNE Positionen gegenüber der Öffentlichkeit und auch dem Koalitionspartner zu unterstreichen. Im LA sind zudem GRÜNE aus den Kreisverbänden vertreten, so dass der LA zu einer dezentralen Einbindung der Mitgliedschaft beiträgt. Damit das gelingt, brauchen wir eine möglichst längerfristige Planung von Terminen und Themen des LA, aber auch eine wenn nötig kurzfristige Vor- und Nachbereitung der Sitzungen in den Kreisverbänden. Senat und Fraktionsspitze sollten aus diesen Gründen regelhaft beim LA vertreten sein. Entscheidungen des Landesausschusses bedürfen zudem guter Vorbereitung. Es ist Aufgabe des Landesvorstandes und der jeweils für ein Thema inhaltlich Verantwortlichen, diese sicherzustellen.

c. Landesmitgliederversammlung

Die Landesmitgliederversammlung ist das Gremium mit der höchsten politischen Legitimation in der GRÜNEN Partei. Sie darf gerade in der Regierungszeit nicht zu einer Jubelveranstaltung der GRÜNEN Senatsbeteiligung werden, sondern muss über die Themen und Entscheidungsfragen offen und kritisch diskutieren, die jenseits der Herausforderungen der Tagespolitik wichtig sind und Grün in Hamburg ausmachen. Gleichzeitig wollen wir hier auch Rechenschaft über das Erreichte, über die Gestaltung Hamburgs in unserem Sinne ablegen. Die LMV ist aber natürlich auch ein Ort der Rückkopplung, der kritischen Debatte und der öffentlichen Bestärkung GRÜNER Regierungsarbeit. Dafür soll auf den LMVen ein aktueller Teil vorgesehen werden, der durch alternative Diskussionsangebote (Fish-Bowl, Weltcafe) ergänzt wird, in denen Anliegen direkt mit den Spitzen von Senat, Partei und Fraktion diskutiert werden können. Für Vorbereitung und Transparenz der LMV sind weiterhin der informelle Antragsschluss, die Nutzung von OpenSlides und die Planung und Vorbereitung in den Kreisverbänden sehr wichtig.

d. Landesarbeitsgemeinschaften

Die Landesarbeitsgemeinschaften sollten in der Regierungsarbeit ihre wichtige Arbeit weiter professionalisieren. Dafür ist es notwendig, dass die Fachabgeordneten der Bürgerschaft die LAGen in die Arbeit von Fraktion und Senat einbinden. Andererseits ist die inhaltliche Arbeit der LAGen für die Partei zu wertvoll, als dass sie absolut von der Begleitung der Regierungsarbeit kompensiert werden darf. Weil LAGen mehr sein müssen als bloße Begleiter der Regierungsarbeit brauchen wir die LAG-Sitzungen als Orte, wo Interessierte zu Expertinnen und Experten werden und Stoff zum Weiterdenken und zur Kritik entwickeln, der in die Arbeit von LaVo, Fraktion und Senat einfließen kann. Darüber hinaus sind die LAGen wichtige Impulsgeber für die Weiterentwicklung GRÜNER Programmatik. Diese Rollen sollen und dürfen sie über die Begleitung der Regierungsarbeit nicht vergessen, sondern müssen diese im Gegenteil verstärkt wahrnehmen.

2. Mut zu neuen Formen der Beteiligung

Wir haben gemeinsam in den letzten Jahren eine ganze Reihe neuer Formaten entwickelt und erprobt, die gerade in der Regierungssituation fortgeführt und weiterentwickelt werden sollten.

  • Die guten Erfahrungen mit offenen LaVo-Werkstätten sollten genutzt werden. Dieses Format kann etwa einmal im Jahr vor einer LaVo-Klausur oder als ‚Zukunftswerkstatt‘ bzw. ‚Denkfabrik‘ vor einer exekutiven oder parlamentarischen Befassung zentraler Themen eingesetzt und verantwortlich vom LaVo vorbereitet werden, um mit allen Interessierten in eine Debatte über die Schwerpunkte und Hauptanliegen der Politik des Landesverbandes zu kommen.
  • Zudem bietet sich das Format der Un-Konferenz an, um der ganzen Partei die Gelegenheit zu geben, ohne feste Tagesordnung mit ihren Anliegen und Rückfragen in ein direktes Gespräch zu kommen, neue Themen auf die Tagesordnung zu setzen und damit zu erfahren, dass die GRÜNEN auch als Regierungspartei eine Partei von Debatten und Diskursen bleiben wollen. Es bietet sich deswegen an, solche Un-Konferenzen ebenfalls etwa jährlich bis anderthalbjährlich stattfinden zu lassen.
  • Zu interdisziplinären Themen sollten bei Bedarf Cross-LAG-Projekte eingerichtet werden, die zu einem sinnvollen Zeitpunkt Input für die programmatische Weiterentwicklung und gegebenenfalls auch für die Arbeit des Senats und der Fraktion liefern können.
  • In den letzten Jahren ist es den GRÜNEN in Hamburg darüber hinaus zunehmend gelungen, soziale Medien für Informationsaustausch und Diskussionen nutzbar und dadurch manche „Kohlenstoffdebatte“ überflüssig zu machen. Dies finden wir weiter wichtig, besonders um auch diejenigen Mitglieder einzubinden, die familiär, beruflich oder sonstig stark eingebunden sind und daher nur begrenzt Abendtermine wahrnehmen können. Auch wenn wir entsprechenden kommerziellen Angeboten kritisch gegenüber stehen und sie nicht als Ersatz für legitimierte Entscheidungen betrachten werden, hat hier gerade die (inoffizielle) GRÜNE Facebook-Gruppe zu viel Austausch, Diskussionen und Informationsaustausch beigetragen. Sie ist der virtuelle Marktplatz, auf dem sich GRÜNE Mitglieder zum Austausch treffen. Daher sollte sie als informelles parteiinternes Forum fortgeführt und von den Verantwortlichen in Senat, Fraktion und Partei aktiv als schnelle Rückkopplungsinstanz verstanden werden. Dabei sollen die Verantwortlichen ihre Information jedoch auch zeitgleich in das offizielle Mailforum einstellen, da dies andere Mitglieder erreicht als de Facebookgruppe. Zusätzlich sollte der Landesverband prüfen, ob ein (offizielles) LV-Hamburg-Forum im GRÜNEN Wurzelwerk eingerichtet und genutzt werden kann, um Diskussionen in einem (relativ) vertraulichen parteiinternen Rahmen auch online führen zu können.
3. Mut zum verantwortlichen Umgang mit unseren Ressourcen

Unsere Partei hat rund 200 Funktions- und Mandatsträgerinnen und -träger, die in verschiedensten Ebenen und Gremien GRÜNE Politik machen. Unsere Mitglieder sind oft vielfach in Berufs- und Privatleben eingebunden. Wir haben gemeinsame Ziele für die Stadt, aber auch gemeinsame wie unterschiedliche Erwartungen an interne Kommunikation und Beteiligung sowie externe Kommunikation und Beteiligung. Dafür brauchen wir ein gemeinsames Verständnis und vor allem gemeinsame Verabredungen. Wir müssen unsere gemeinsamen Stärken und Ressourcen zusammenführen und effektiv nutzen, schon aus Verantwortung für das Zeitbudget und die Arbeitsbelastung unserer Mitarbeiter/innen, unserer Mitglieder und natürlich auch von uns selbst. Deshalb kann die ganze gemeinsame Arbeit in den verschiedenen Gremien nur klappen, wenn wir eine transparente und klare gemeinsame Arbeits- und Jahresplanung voranstellen. 

Für eine gute Zusammenarbeit wird es wichtig sein, dass sich der Fraktionsvorstand und der geschäftsführende Landesvorstand in regelmäßigen Abständen austauschen, und vertrauensvoll die gemeinsame Arbeitsplanung besprechen. Dies gilt ebenso für die Abstimmung des Landesvorstandes mit den Kreisverbänden und den Landesarbeitsgemeinschaften sowie der Bürgerschaftsfraktion mit den Bezirksfraktionen

Diese Planung muss klären: Was steht regulär im Jahr an? Welche regelmäßigen Aktionen gibt es und wer koordiniert diese in diesem Jahr? Welchen programmatischen Themen widmen wir uns in diesem Jahr? Und an welchem Ort und bei welchem Akteur ist welcher Schritt der programmatischen Weiterentwicklung jeweils angesiedelt? Wer kommuniziert was und wie in die Stadt? Oder ganz kurz gesagt: Wer macht was wann wo?

Innerhalb dieser gemeinsamen Arbeits- und Jahresplanung müssen wir Prioritäten setzen, den jeweils betriebenen Aufwand definieren und uns vor allem die gemeinsame Freiheit nehmen und den zeitlichen Raum lassen, sie bei aktuellen Entwicklungen auch wieder umzuwerfen.

4. Mut zum Teilen von Herrschaftswissen

In der Regierungssituation erarbeiten GRÜNE Funktionsträgerinnen und -träger, ihr Umfeld von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und politischen Weggefährtinnen und -gefährten, aber auch LAGen oder Kreisverbände viel administratives Erfahrungs- und auch Herrschaftswissen. Nur wenn es uns gelingt, dieses Wissen möglichst breit zu teilen, sind wir als Partei in der Lage, möglichst gleichberechtigt zwischen „Insidern“ und „normalen Mitgliedern“ zu diskutieren und zu gemeinsamen Entscheidungen zu kommen. Wir brauchen deshalb Strukturen, in denen Erfahrungen im Umgang mit Regierungs-, Parlaments- und Verwaltungsfragen die politischen Debatten der Partei nicht dominieren, sondern besser und realitätsnäher machen.

Ein wichtiges Mittel dazu ist ein Konzept von Nachwuchsförderung, dem sich alle GRÜNEN Akteurinnen und Akteure (und nicht nur die Gremien der Partei) verpflichtet fühlen. Der neue Landesvorstand ist aufgefordert, hierzu einen neuen Anlauf zu machen – und auch Fraktion und Senatsvertretung der GRÜNEN in solche Planungen aktiv einzubeziehen, z.B. über Veranstaltungen zu aktuellen Schwerpunkten der Regierungsarbeit vor Ort in den Kreisverbänden, die oftmals der erste Ort für ein Engagement bei den GRÜNEN sind.

5. Mut zu klaren Rollen: Wer bei uns Führung bestellt, bekommt Transparenz, Beteiligung und Verantwortung

Wir haben unsere SenatorInnen in die Regierung geschickt, weil wir sie für genau die richtigen halten und denken, dass sie die richtigen Entscheidungen für uns treffen werden. Wir erwarten Führung von Ihnen, aber dies erfordert auch eine gemeinsame Haltung zu Beteiligung, Transparenz und Verantwortung. Nicht jede Detailfrage erfordert einen Grundsatzbeschluss und nicht alle Hamburger GRÜNEN können und müssen überall dabei gewesen sein, damit eine Entscheidung legitim ist. Umgekehrt muss aber stets klar sein, wer Entscheidungen vorbereitet und getroffen hat und Kritik an solchen Entscheidungen muss jederzeit möglich bleiben.

Wir GRÜNE haben ein hohes Maß an Vertrauen in die Arbeit von GRÜNEN Senatorinnen und Senatoren. Das ist gut so und soll auch diesmal so sein. Entscheidend ist aber auch, dass in bedeutenden Krisensituation nicht einsam im Amtszimmer, auf dem Gang in der Burchardstraße oder einem informellen Zirkel entschieden wird, sondern je nach Sachlage die geeigneten Gremien der Partei entscheiden, die Beteiligung, Transparenz und Verantwortung sicherstellen können. Das werden in der Regel die schnell handlungsfähigen Gremien Landesvorstand und Landesausschuss, vielleicht aber bei strategischen Leitentscheidungen auch eine Landesmitgliederversammlung sein. Durch die parteiöffentliche Beratung im Landesvorstand oder die Vorbereitung des Landesausschusses durch jenen wird dabei sichergestellt, dass in einer ernsthaften Krise der Landesvorstand als Ganzes Verantwortung übernehmen kann und muss und so eine kritische Rückmeldung aus der Partei als auch eine hohe Geschlossenheit erreicht werden können.

Die Legitimation von Entscheidungen durch Gremien ist wichtig, entbindet aber diejenigen, die sie als Senat, Fraktion oder Vorstand vorbereiten, nicht davon, hinterher auch für Fehlentscheidungen Verantwortung zu übernehmen: Wer eine Mehrheit überzeugt, ist trotzdem immer noch verantwortlich dafür, sie auf den – falschen oder richtigen – Weg geführt zu haben. Wer Beteiligung bestellt und Wissen teilt, gibt damit seine Führungsverantwortung nicht ab.

6. Mut zu den notwendigen Ressourcen für eine starke GRÜNE Partei

Der Landesverband benötigt für eine starke Rolle in einer Zeit der Regierungsbeteiligung eine gut ausgestattete Landesgeschäftsstelle und einen Landesvorstand, der professionell agieren kann. Eine Grundlage legt ein Haushalt der Partei, der die Landesgeschäftsstelle und den Landesvorstand entsprechend ausstattet und Rücklagen für die nächsten Wahlkämpfe bildet. Dies setzt voraus, dass auch Regierungsmitglieder und Fraktion dies als gemeinsame Verantwortung verstehen und entsprechend der Beschlusslage ihren finanziellen Beitrag dazu leisten.

Doch die Stärkung der Partei geht über diesen Moment hinaus: Auch in finanziell besseren Zeiten haben wir auf allen Ebenen knappe Ressourcen. Dies haben wir insbesondere in den letzten drei Wahlkämpfen auf vier Ebenen (Bezirk, Land, Bund, Europa) deutlich gemerkt. Je mehr wir quer über die Ebenen kooperiert und Ressourcen zusammengelegt haben, desto besser waren wir. Gleichzeitig machen wir vieles immer noch doppelt, erfinden das längst erfundene Rad mit hohem Aufwand immer wieder neu. Deshalb sollten wir die nächsten Jahre ohne Wahlkampf nutzen, um uns die Strukturen innerhalb der Hamburger GRÜNEN noch einmal grundlegend anzusehen: Wie läuft das Zusammenspiel zwischen Landesverband, Kreisverbänden und Landesarbeitsarbeitsgemeinschaften? Wer hat welche Stärken? Wo gibt es Schwächen? Welche Strukturen haben sich bewährt, welche werden als Hindernis empfunden? Mit der Satzungskommission hatten wir in der letzten Legislatur erste grundlegende Schritte unternommen, unsere parteiinternen Spielregeln zu entrümpeln und zu verbessern. Der nächste Schritt ist eine Struktur- und Satzungskommission, die sich neben der Satzung selbst auch die politischen, finanziellen und organisatorischen Beziehungen zwischen den verschiedenen Organen, Ebenen und Arbeitsgemeinschaften der Partei vornimmt und in einem offenen transparenten Prozess diskutiert, wie unser gemeinsames Arbeiten in einer Stadt, die gleichzeitig Bundesland ist, die ein einzigartiges neues Wahlrecht hat und eine fortentwickelte starke direkte Demokratie am besten funktionieren kann. Die Vorschläge dieser Kommission werden frühzeitig mit den Gremien der Partei und der Bürgerschaftsfraktion rückgekoppelt.

7. Mut zur Kommunikation mit der Stadt

Wir GRÜNE wollen uns nicht einfach nur mit uns selbst beschäftigen. Kommunikation ist zunächst und vor allem die Kommunikation mit den Menschen in der Stadt. Wir wollen GRÜNE Ideen, GRÜNE Politik und GRÜNE Erfolge in die Stadt tragen. Wir wollen Menschen bei der Weiterentwicklung GRÜNER Politik beteiligen und Rückmeldung zu GRÜNER Politik bekommen. Der Dialog ist wichtig, um eine Resonanz auf unser alltägliches Handeln zu erhalten und diese auch in unsere Entscheidungsprozesse in der Partei, in den Fraktionen, im Senat zurückzuspielen.

Die Kommunikation mit der Stadt ist nicht allein Aufgabe des Landesverbandes. Wir verstehen sie als gemeinsame Verantwortung aller Ebenen der Partei und der Fraktionen. In der Öffentlichkeit und vor Ort präsent zu sein, ist aber wichtig, wenn der Landesverband in der neuen Lage der Regierungsbeteiligung eigene und vielleicht auch einmal andere Duftmarken setzen soll. Deswegen wird der Landesvorstand mit eigenen Veranstaltungen in der Stadt präsent sein müssen, aber auch von den anderen Akteuren auf Landes- und Bezirksebene eingebunden und eingeladen werden müssen, wenn dieses sinnvoll ist. Wir benötigen Veranstaltungsreihen und Informationsformate zu zentralen Themen GRÜNER Politik ebenso wie den organisierten Dialog mit Multiplikatorinnen und Multiplikatoren in Unternehmen, Verbänden, Vereinen, Kultur. GRÜNE Politik von der Landesebene muss es auch dezentral in den Bezirken zum Anfassen und Erleben geben. So wollen wir beim Thema Radverkehr und Mobilität in einem gemeinsamen Vorgehen von Bürgerschaftsfraktion, Bezirksfraktionen und Kreisverbänden Schritt für Schritt aufzeigen, wie sich die Situation für den Radverkehr verbessert – mit Wirkung für alle Menschen vor Ort und mit Auswirkungen auf Umwelt, Mobilität und Zusammenleben für die ganze Stadt.