Nein heißt Nein! – Reform des Sexualstrafrechts notwendig

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Sexualisierte Gewalt, sexuelle Bedrohungen oder sexuelle Belästigung sind leider Erfahrungen, die viele Frauen im Laufe ihres Lebens machen.

Ungefähr jede siebte Frau wird in ihrem Leben Opfer von gewalttätigen sexuellen Übergriffen. Wir müssen potentielle Opfer daher ausnahmslos vor sexualisierter Gewalt schützen und intensive Präventionsarbeit leisten, die Taten müssen konsequent verfolgt werden. Das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung ist ein Kernwert von Bündnis 90/DIE GRÜNEN. Daher setzen sich die Grünen auf Bundes- und Landesebene schon lange für eine Reform des Sexualstrafrechts ein. Deutschland hat die Istanbul-Konvention1, das Übereinkommen des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und zur Bekämpfung von häuslicher Gewalt, bereits unterzeichnet. Die daraus resultierenden Forderungen wurden bisher jedoch nicht vollständig in deutsches Recht umgesetzt. Nicht einvernehmliche sexuelle Handlungen stehen in der Bundesrepublik bis heute nicht voraussetzungslos unter Strafe. Wir wollen das ändern. Es muss gelten: Nein heißt Nein, ohne Wenn und Aber!

Lücken des Sexualstrafrechts

Aktuell enthält das Sexualstrafrecht in Deutschland Lücken, die eine konsequente Verfolgung sexualisierter Gewalt und Bedrohung entgegenstehen. Opfer sexualisierter Gewalt müssen aktiven Widerstand nachweisen oder sich in einer objektiv schutzlosen Lage befinden. Ein Nein reicht nicht aus, um den Tatbestand des sexuellen Missbrauchs zu erfüllen. Der überraschende Griff an die Brust bleibt bisher für den Täter straflos. Auch führen bei Opfern häufige Reaktionen wie Schockstarre oder Angst dazu, dass ein „aktiver Widerstand“ nicht geleistet wird. Dabei darf auch nicht vergessen werden, dass die Täter meist aus dem nahen sozialen Umfeld stammen. Das Strafrecht geht von einem idealisierten und unrealistischen Opferbild aus. Die Strafbarkeitsschwelle ist daher sehr hoch, viele Taten sind nach derzeitigem deutschen Strafrecht kaum zu ahnden. Die Lücken des Sexualstrafrechts führen so weit, dass Beratungsstellen für Opfer teilweise sogar von einer Anzeige abraten, damit sich die Opfer nicht einer anstrengenden Gerichtsverhandlung aussetzen müssen, an dessen Ende keine Verurteilung steht. Auch der aktuell vorliegende Referentenentwurf der Bundesregierung geht hier nicht weit genug. Er stellt zwar zusätzlich sexuelle Handlungen unter Strafe, die einen Überraschungsmoment ausnutzen, lässt aber andere Übergriffe gegen den Willen der/des Betroffenen straflos. Es liegt, wenn es nach dem Entwurf geht, weiterhin eine hohe Beweislast auf dem Opfer, sich aktiv gewehrt zu haben.

Wir fordern: Das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung muss ausnahmslos geschützt werden! Die Menschen erwarten zu Recht, dass das Sexualstrafrecht entsprechend angepasst wird. Die Grünen in Hamburg unterstützen daher den Beschluss der Bürgerschaft und die kürzlich initiierte Bundesratsinitiative des Senats, die eine vollständige Umsetzung und Ratifizierung der Istanbul-Konvention beinhaltet.

#ausnahmslos gegen sexualisierte Gewalt

Die sexuellen Angriffe in der Silvesternacht haben diese Diskussion in der Öffentlichkeit befördert. Denn bei den über mehreren Hundert Strafanzeigen, die nach der Silvesternacht gestellt wurden, handelt es sich nach aktueller Gesetzeslage bei den wenigsten um eine Sexualstraftat.

Der überwiegende Anteil von Anzeigen wurde erst nach der medialen Berichterstattung getätigt. Der öffentliche Aufschrei hat offensichtlich Frauen Mut gemacht Anzeige zu erstatten, dies ist nicht immer so. Meistens zeigen Opfer sexualisierter Gewalt die Taten nicht an, u.a. weil sie Angst haben, dass ihnen nicht geglaubt wird. Dies ist nach Silvester zum Glück anders. Wir begrüßen diese Entwicklung und setzen uns dafür ein, dass die Taten auch konsequent geahndet werden können.

Die Vorfälle der Silvesternacht sind inakzeptabel – unabhängig davon, welche Herkunft die Tatverdächtigen haben. Die Tatverdächtigen kommen nach bisherigen Erkenntnissen aus Ländern, die in besonderer Weise von patriarchalen Strukturen geprägt sind. Bereits die Aufschrei-Debatte vor drei Jahren hat gezeigt, dass wir in unserer Gesellschaft eine Auseinandersetzung über Geschlechterrollen, insbesondere über Männerbilder und sexualisierte Gewalt, brauchen. Die aktuelle Diskussion macht dies nochmal deutlich und zeigt auf, dass diese Debatte durchaus auch milieuspezifisch geführt werden muss. Diese Erkenntnis darf aber nicht zu einer pauschalisierenden Verurteilung von Gruppen führen. Wir wollen daher Projekte und Debatten unterstützen, die eine kritische Auseinandersetzung und Reflektion von Geschlechterrollen, Männerbildern und dem Zusammenhang zu (sexualisierter) Gewalt fördern. Wir begrüßen außerdem die Intervention einiger Feminist*innen, die sich in ihrem Aufruf #ausnahmslos gegen sexualisierte Gewalt und gegen Rassismus einsetzen.

Präventionsarbeit und Schutz für Opfer sexualisierter Gewalt

Bildung, Aufklärung und Integration sind Schlüssel für eine Gesellschaft, die sexualisierte Gewalt nicht akzeptiert und die nicht wegschaut, wenn Menschen Opfer von sexueller Belästigung werden. Daher muss es eine umfassende Aufklärungs-, Bildungs- und Präventionsarbeit an Schulen, Hochschulen und in den Integrationskursen geben. Außerdem müssen die bestehenden, sehr wertvollen Beratungsstellen für Opfer sexualisierter Gewalt gestärkt werden. Präventionsarbeit heißt daher auch Opferschutz und muss früh und umfassend ansetzen. Sie geht bei Aufklärung und Beratung in der Kita los und umfasst Menschen aller Altersklassen. Für frühzeitigen und wirksamen Schutz vor sexualisierter Gewalt – immer und überall! Denn alle Menschen haben ein Recht auf ein Leben frei von Gewalt. Die sexuelle Selbstbestimmung muss voraussetzungslos geschützt werden.