Positionspapier der LAG Tierpolitik: Jagd

Veröffentlicht durch die Landesarbeitsgemeinschaft Tierpolitik Bündnis 90/Die Grünen Hamburg am 12.04.2022

Einleitung

Auf den folgenden Seiten findet sich die Position der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Tierpolitik der Hamburger Bündnisgrünen wieder:

Nach Aufnahme des Tierschutzes ins Grundgesetz 2002 ist er fundamentaler Bestandteil unserer Verfassung und zu vollziehendes Staatsziel. Laut § 1 Tierschutzgesetz (TierSchG) darf niemand ohne vernünftigen Grund einem Tier Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen. Die Jagd als Teil des Primärsektors, also fundamentaler Bestandteilt unseres Wirtschaft- und Ernährungssystems, und traditionsreichem Handwerk hat sich wie jeder Umgang mit Tieren dem Tierschutz unterzuordnen. Laut der Kommentierung von Lorz und Metzger zum Tierschutzgesetz gilt ein Grund als vernünftig, „wenn er als triftig, einsichtig und von einem schutzwürdigen Interesse getragen anzuerkennen ist und wenn er unter den konkreten Umständen schwerer wiegt als das Interesse des Tieres an seiner Unversehrtheit und an seinem Wohlbefinden“.1

So gesehen gelten Freude an der Jagd, Ausleben des Jagdtriebes, Tradition, Geselligkeit und Sammlung von Trophäen gemäß der LAG Tierpolitik Hamburg nicht als vernünftige Gründe für die Ausübung der Jagd. Selbst die Gewinnung von Nahrung muss sich der Ökologie und dem Tierschutz dabei unterwerfen. Folglich schränkt sich die Jagd auf die Tierarten ein, die aus den Gründen des ökologischen und wissenschaftsbasierten Wildtiermanagements einer notwendigen Bestandsreduzierung unterliegen. Die Art der Bejagung hat das damit verbundene Tierleid zu minimieren.

Unser Ziel ist die Überarbeitung des Hamburgischen Jagdgesetzes (JagdG HA) vom 22. Mai 1978 unter dem Aspekt des Tierschutzes. Da die Landesjagdgesetze vom Bundesjagdgesetz (BJagdG) grundsätzlich abweichen können (konkurrierende Gesetzgebung), ist ein Abgleich mit dem BJagdG für die Novelle nicht notwendig.

Wir fordern folgende Veränderungen am JagdG HA:

Jagdbare Tierarten:

Der Abschuss von Hunden und Katzen soll verboten werden.

Die Jagd von heimischen Arten, welche nicht der Nahrungsmittelgewinnung dient, ist zu verbieten. Besonders betonen wir hierbei die Jagd auf Rabenvögel sowie Füchse und andere heimische Carnivoren.234 Die Liste der jagdbaren Arten muss um die bestandsgefährdeten Arten bereinigt und auf die Tiere beschränkt werden, welche aus ökologischen Gründen einer Bestandskontrolle unterliegen. Hierzu zählen beispielsweise Huftiere wie Rothirsch, Damhirsch, Wildschwein und Reh.

Invasive Arten

Arten, welche als invasiv gelten, sind nicht zu bejagen. Bei Nachweis einer erheblichen schädlichen Auswirkung auf heimische Arten, die Artenvielfalt oder andere essenzielle Werte (z. B. Deichbau) sollen Populationen regional durch Maßnahmen des Natur- und Landschaftsschutzes reguliert werden, da deren Bejagung nachweislich nicht zu einer Reduzierung des Bestandes führen.5

Jagdzeiten

Im Jagdgesetz ist aufzunehmen, dass bei der Jagd die Vermeidung von Tierleid höchste Priorität haben muss. Die Schonzeiten während der Brut- und Setzzeiten sind für alle Tiere, auch für invasive Arten, einzuhalten. Ausnahmen sollen gestrichen werden. Statt der Ausweitung der Schonzeiten fordern wir die Definition von einer allgemeinen, artenunabhängigen Ruhephase im Wald, welche die Jagdzeiten zum Schutz der trächtigen und Junge-führenden Tiere auf drei Monate pro Jahr reduziert.

Jagdliche Tätigkeit

Die Durchführung der Jagd ist nach Tierschutzkriterien zu bewerten und neu zu reglementieren.

Die Fallenjagd lehnen wir ab. Regionale Probleme mit invasiven Arten sind durch Maßnahmen des Natur- und Landschaftsschutzes wie die Kastration von beispielsweise Waschbären zu lösen. Notfalls sollen regelmäßig überwachte Lebendfallen mit Sondergenehmigung eingesetzt werden.

Jagden mit Event-Charakter wie Fuchswochen6 oder „crow busting“7 sind explizit zu untersagen. Die Gatterjagd ist entsprechend des Bundesjagdgesetzes zu verbieten.

Nach § 3 (8) TierSchG ist es nicht gestattet Tiere auf andere Tiere zu hetzen, außer wenn dies im Rahmen der weidgerechten Jagdausübung erforderlich ist. Weidgerechtigkeit bezieht sich hierbei auf die Kombination von Tierschutz-, Umwelt- und mitmenschlichen Aspekten.8 Auf Grundlage des Tierschutzaspektes sehen wir keinen Sinn in der weiteren Ausübung der Beiz9– und der Baujagd10 mit abgerichteten Tieren. Sondergenehmigungen zur Jagd mit Raubvögeln sind abzuschaffen.

Generell sind alle Jagdarten bezüglich ihres Einflusses auf das Tierwohl zu überprüfen und sorgsam auszuwählen.

Rahmenbedingungen der Jagd

Bleimunition ist sowohl aus ökologischer Sicht und als auch im Rahmen des Tierschutzes zu verbieten.11 Der Erwerb des Jagdscheines soll an die Volljährigkeit geknüpft werden. Weiter müssen Ökologie, Tierschutz und wildbiologische Kenntnisse in der Jagdausbildung priorisiert und Schießkenntnisse jährlich überprüft werden.

Der Konsum von Rauschmitteln jeglicher Art während der Jagd muss strikt verboten werden. Pauschale Abschusspläne müssen überabeitet und anhand von lokalen Indikatoren, wie z.B. Schädigung des Waldes, durchgehend neu evaluiert werden. Dies soll durch wildbiologische Gutachten erfolgen. Rotwildbezirke und das Abschussgebot außerhalb dieser Bezirke sind aufzuheben.12

Die Trophäenjagd muss unterbunden werden. Eine Erhöhung der Population durch die Anzüchtung von Wildtieren mit dem Ziel, die möglichst größte Trophäe zu erhalten, ist abzulehnen. Der Abschuss der Tiere soll nach den Kriterien der Wirksamkeit zum Beispiel hinsichtlich des Verhältnisses von männlichen zu weiblichen Tieren erfolgen und nicht auf Grundlage der Wertigkeit von potenziellen Trophäen.

Das Training von Jagdhunden an lebenden Tieren in atypischen Kontexten, beispielsweise in Fuchsanlagen oder mit verletzten, ausgesetzten Tieren, ist gemäß § 7 (7) TierSchG zu verbieten. Die Aussetzung von Wildtieren zur späteren Bejagung darf nach § 25a JagdG HA nicht erfolgen. Die Fütterung von Wildtieren und die Anlage von Äsungsflächen (§ 25 JagdG HA) lehnen wir ab. Die Erlaubnis zur Tötung von Kaninchen und Steinmardern durch die Eigentümer*innen und Nutzungsberechtigten von befriedeten Bezirken nach § 2 JagdG HA ist zu streichen. § 6a BJagdG, welcher die Befriedung von Grundflächen aus ethischen Gründen für Grundbesitzer*innen ermöglicht, soll in das JagdG HA übernommen werden. Unangemessene, finanzielle und sonstige Hürden für die Beantragung zur Befriedung von Bezirken aus ethnischen Gründen lehnen wir strikt ab.

Wir fordern die Förderung von Alternativen zur Jagd durch medizinische Eingriffe wie geimpfte Köder. Wenn möglichen sollen ökologischen Wirkungsmechanismen stets vor dem jagdlichen Eingriff in das Ökosystem Wald bevorzugt werden.

Schlussworte

Abschließend plädiert die LAG dafür die Spannungen zwischen Wald und Wild neu zu erörtern. Der Jagd als Lösung für den vorherrschenden Konflikt ist eine geringere Bedeutung als heute zuzumessen.

Die meisten Flächen, welche in Deutschland hinlänglich als Wald bezeichnet werden, dienen dem Erwerb von Holz als Produktionsmittel.13 Das funktionsfähige Ökosystem Wald kennt keinen Überschuss an Wild und reguliert sich eigenständig.14 Lediglich der menschliche Eingriff in Biotope führt zu einer Überpopulation von Wild.15 So gesehen sollte die Praxis unserer Landnutzung hinterfragt und entsprechend politische Rahmenbedingungen weitreichend verändert werden. Dies versteht sich als gemeinsame Aufgabe und Verantwortung nicht nur für Jäger*innen sondern aller Akteur*innen rund um den Wald.16 Zum Schutz der natürlichen Verhältnisse in der Natur, der Artenvielfalt und auch des Klimas müssen Naturschutzgebiete ausgebaut und vorhandene unter höheren Schutz gestellt werden. Deutsche Naturschutzgebiete erfüllen dabei im Schnitt nur die Kategorie IV der Weltnaturschutzorganisation „International Union for Conservation of Nature and Natural Resources“ (IUCN).17 Hier herrscht aus unserer Sicht deutlicher Nachbesserungsbedarf.

Naturnaher Wälder sind zu fördern und moderne Ansätze zum Schutz der wirtschaftlich genutzten Waldflächen zu ergründen. Der Einfluss des Menschen auf den Wald ist einzuschränken.

Im Rahmen des Aufbaus von gesunden Waldökosystemen sind die Interessen des Wildes zu respektieren und bei den Maßnahmen mit einzuplanen. Die Jagd ist weder ethisch noch wissenschaftlich stets das beste Mittel zum Schutz des Waldes. Wenn der Mensch das Leben von Tieren, bewusst oder unbewusst, beeinflusst, dann hat er auch dafür Sorge zu tragen, dass die betroffenen Individuen ein artgerechtes, würdevolles Leben führen können.

1 Lorz-Metzger, TierSchG § 1 Rn 62

2 https://www.wildtierschutz-deutschland.de/single-post/Fuchs-Luxemburg

3 https://www.aktionsbuendnis-fuchs.de

4 Anmerkung: Sollte dies nicht durch das JagdG HA regelbar sein, sprechen wir uns für die Ausweitung der Schonzeiten dieser Arten auf ganzjährig aus.

5Vgl.https://www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/bund/standpunkt/wald_naturschutz_jagd_standpunkt.pdf

Vgl.https://www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/bund/standpunkt/neobiota_standpunkt.pdf

Vgl. https://www.nutria-info.com/wissenswertes/bejagungen-sind-sinnlos-1/

6 https://www.peta.de/neuigkeiten/fuchswochen/

7 Erläuterung: https://app.evangelisch.de/inhalte/7313/09-09-2012/crowbusting-kugeln-fuer-die-rabenvoegel

8 Erläuterung: https://www.jagdverband.de/waidgerechtigkeit

9 Erläuterung: https://www.jagdverband.de/rund-um-die-jagd/was-draussen-passiert/beizjagd-falknerei

10 Erläuterung: https://www.wildtierschutz-deutschland.de/single-post/2018/02/07/Baujagd

11 https://www.wwf.de/bleimunition-verbieten

12 Erläuterung: https://de.wikipedia.org/wiki/Rotwildbezirk

13 https://www.bmel-statistik.de/forst-holz/

14 https://www.silbernerbruch.org/wp-content/uploads/2018/12/Gastkommentar_EvGemmingen-Hornberg.pdf

15 https://www.nabu.de/natur-und-landschaft/landnutzung/jagd/28614.html

16 https://www.rothirsch.org/unsere-positionen/wald-wild/

17 https://de.wikipedia.org/wiki/Naturschutzgebiet_%28Deutschland%29