Der folgende Text stellt einen Beschluss der LAG Energie der GRÜNEN Hamburg vom 15.12.2022
dar. Wir fordern unsere grünen Senator*innen und unsere Bürgerschaftsfraktion auf, sich unseren
Forderungen anzuschließen und diese umzusetzen.
Nach dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine und der damit
einhergehenden Einstellung von Erdgaslieferungen aus Russland nach Westeuropa befindet sich
Deutschland in einer Energiekrise. Die damit entstandene zusätzliche Relevanz beim Ausbau der
kostengünstigen und zuverlässigen erneuerbaren Energien (hier Windenergieanlagen) über die Klima-
oder Biodiversitätskrise hinaus, gebietet die Aufhebung des praktischen Ausbaustopps der
Windenergie in Hamburg seit dem Jahre 2016 (seitdem keine Genehmigungserteilungen mehr).1
Die Windenergie hat enormes Potenzial, Europa und Deutschland unabhängiger von Drittstaaten in
der Energiegewinnung zu machen: So erklärte der Deutsche Bundestag die Errichtung und den
Betrieb von Anlagen der Erneuerbaren Energien (hier Windenergieanlagen) in seiner jüngsten Reform
des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG 2023) als „im überragenden öffentlichen Interesse“ liegend
und „der öffentlichen Sicherheit“ dienend.2 Beim Ausbau der Windenergie in Hamburg können
insbesondere die europäischen Hersteller und Zulieferer von Windenergieanlagen einen
zuverlässigen Beitrag leisten und die Wertschöpfung in Deutschland und Europa stärken.
Unsere Forderungen lauten deshalb:
- Hamburg zieht die von der Bundespolitik im Windenergieflächenbedarfsgesetz (WindBG)
geforderte Ausweisung von 0,5% der Landesfläche für Windenergie vor und weist diese
möglichst bis zum Jahr 2027 aber weit vor dem Jahr 2032 aus. Konkrete Flächenvorschläge
liegen hierfür bereits vor, bspw. vom Bundesverband WindEnergie e.V. (BWE). Zudem sollen
hierzu sämtliche Eignungsgebiete für Windenergieanlagen in Hamburg als ‚Rotor-Out‘ Gebiete
ausgewiesen werden (d.h. der Rotor darf über den Rand des Eignungsgebietes hinausragen). - Das Verwaltungsgericht Braunschweig hat in seinem Urteil vom 11.05.2022 eindeutig
klargestellt, dass Höhenbegrenzungen für Windenergieanlagen in Flächennutzungsplänen
rechtlich unzulässig sind.3 Dem Urteil folgend soll auch Hamburg unverzüglich, und ohne auf
den langwierigen Prozess einer Flächennutzungsplanänderung zu warten, rechtssichere
Genehmigungen für Windenergieanlagen erteilen, welche die bisherigen Höhenbegrenzungen
im Hamburger Flächennutzungsplan überschreiten. - Um den Ausbau der Windenergie sofort zu beschleunigen, soll in Hamburg die isolierte
Positivplanung gem. § 249 Abs. 1 BauGB zur Anwendung kommen und damit zügig
Genehmigungen auch außerhalb von bisher ausgewiesenen Eignungsgebieten für
Windenergieanlagen erteilt werden. Auf Grundlage von § 249 Abs. 1 BauGB kann Hamburg
rechtssicher einzelne weitere Flächen für die Windenergienutzung auf
Flächennutzungsplanebene ausweisen, ohne den gesamten Hamburger Flächennutzungsplan
überarbeiten zu müssen, da dies viele Jahre dauert.4
1 Genehmigung der Windparks Altengamme und Ochsenwerder vom 22. Dezember 2016 sowie Francop (Quelle:
Landesverband Hamburg des Bundesverband WindEnergie e.V. (BWE))
2 Siehe §2 des EEG 2023. Die maßgebliche Beschlussvorlage des Bundestags ist hier abrufbar:
https://dserver.bundestag.de/btd/20/025/2002580.pdf Eine übersichtliche Synopse des EEG 2023 ist hier abrufbar:
https://stiftung-umweltenergierecht.de/wp-
content/uploads/2022/07/Synopse_EEG_2023_Novelle_Bundestagsbeschluss_Stiftung_Umweltenergierecht_Stand_2022-
07-14_V3.pdf
3 Das Urteil ist unter folgendem Link abrufbar:
http://www.dbovg.niedersachsen.de/jportal/portal/page/bsndprod.psml;jsessionid=2F2CFE155E8D32FB09F13A186FD148F9
.jp26?printview=true&feed=bsnd-r-vwg&showdoccase=1&doc.id=MWRE220006341
4 Eine Erläuterung des Instruments der isolierten Positivplanung ist hier abrufbar: https://www.windindustrie-in-
deutschland.de/fachartikel/isolierte-positivplanung-als-planungsinstrument-zur-verbesserung-der-flaechenverfuegbarkeit - In ausgewiesenen Eignungsgebieten für Windenergieanlagen muss das Repowering von
Windenergieanlagen (d.h. der Ersatz älterer Windenergieanlagen durch neuere und
leistungsstärkere Modelle) möglich sein, auch wenn diese in unmittelbarer Nähe zu
Autobahnen und Bundesstraßen liegen. Auf Bundesebene ist durch §9 Abs. 1 Nr. 1 des
Bundesfernstraßengesetzes ein Abstand von 40 Metern zu Bundesfernstraßen (d.h.
Autobahnen und Bundesstraßen) für Hochbauten (hier Windenergieanlagen) vorgeschrieben.5
Hamburg soll sich dafür einsetzen, dass keine über diese 40m hinausgehenden Abstände
gefordert werden. Weiterhin ist die Errichtung von Windenergieanlagen in der Nähe von
Autobahnen und Bundesstraßen aufgrund der infrastrukturellen Vorbelastung generell zu
begrüßen. - Hamburg soll Maßnahmen ergreifen, um zu den Forderungen 2., 3. und 4. Planungssicherheit
für die betroffenen Unternehmen herzustellen. - Die Bestände von Seeadlern und anderen Brutvogelarten im Hamburger Hafen sind erfreulich
und müssen geschützt werden. Bei der Planung von Windenergieanlagen gibt es heutzutage
eine Vielzahl von Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Windenergie und Vogelschutz. Das
Hamburger Hafengebiet ist grundsätzlich, insbesondere aufgrund der geringen Einwohnerzahl,
der großen Fläche, sowie der umfangreichen gewerblichen Bebauung und
Verkehrsinfrastruktur, hervorragend für Windenergieanlagen geeignet: Konfliktpotenziale
hinsichtlich Geräusch-, Anblicks- und Landschaftsaspekten, entfallen hier. Das Hamburger
Hafengebiet hat enormes Potenzial, die Energiewende voranzubringen. Hamburg sollte es
möglich machen, Windenergie und Vogelschutz zu vereinen und die Errichtung von
Windenergieanlagen im Hamburger Hafengebiet zu ermöglichen.
Begründung:
Zu 1.) Die Bundesländer sind durch das WindBG der Bundesregierung verpflichtet, Flächen für den
Ausbau der Windenergie bereitzustellen. Für das Land Hamburg gilt der Mindestwert von 0,5% der
Landesfläche als Flächenbeitragswert (d.h. rund 3,8 km², denn die Hamburger Landesfläche beträgt
rund 755 km²). Konkret bedeutet dies, dass das Land Hamburg mehr als doppelt so viel Fläche für die
Windenergie zur Erreichung der Mindestwerte bereitzustellen hat, als dies aktuell der Fall ist. Zudem
besteht durch den fehlenden Ausbau der Windenergie in Hamburg der letzten Jahre erhöhter
Handlungsbedarf, da viele der realisierten Anlagen nicht mehr der aktuellen Anlagentechnologie
entsprechen und somit weniger erneuerbaren Strom erzeugen als potenziell bei einem Repowering
auf gleicher Fläche möglich wäre. Außerdem sind die Eignungsgebiete in Hamburg bisher als ‚Rotor-
In‘ Gebiete ausgewiesen und damit nicht vollständig anrechenbar.6 Die im WindBG vorgesehenen
Ausweisungszeitpunkte von 0,25% der Landesfläche bis Ende 2027 und 0,5% der Landesfläche bis
Ende 2032 sind vor dem Hintergrund der Energie- und Klimakrise deutlich zu spät – es gibt keine
sinnvollen Gründe, die Ausweisung nicht unverzüglich vorzunehmen.7
Zu 2.) Nach Analysen des BWE könnten die erneuerbare Stromproduktion aus Wind und die damit
einhergehende CO² Einsparung in Hamburg nahezu verdoppelt werden. Die Hälfte dieses Zuwachses
könnte allein durch Repowering – d.h. den Ersatz älterer Windenergieanlagen durch neuere und
leistungsstärkere Modelle – erreicht werden. Die neuen und leistungsstärkeren Anlagen sind jedoch
höher als ältere Windenergieanlagen. Aktuell sieht der Hamburger Flächennutzungsplan aus dem
Jahre 2013 für fünf der sechs Vorranggebiete eine maximale Gesamthöhe der Windenergieanlagen
von 150m vor (in Einzelfällen 180m).8 Windenergieanlagen mit dieser Gesamthöhe werden nur noch
von wenigen Herstellern überhaupt angeboten. Ein umfangreiches Repowering ist mit dieser
Höhenbegrenzung in Hamburg nicht möglich, da moderne Windenergieanlagen deutlich höher sind.
Dies zeigt sich eindeutig in den Zubau-Zahlen aus dem ersten Halbjahr 2021: Die durchschnittliche
5 Das Bundesfernstraßengesetz, hier abrufbar: https://www.gesetze-im-internet.de/fstrg/BJNR009030953.html
6 Siehe Seite 11 der Fußnote 8 und siehe § 4 Abs. 3 WindBG der Fußnote 7
7 Siehe § 3 Abs. 1 i.V.m. Anlage 1 des WindBG, hier abrufbar: https://www.clearingstelle-eeg-
kwkg.de/sites/default/files/2022-07/bgbl122s1353_81092.pdf
8 Anmerkung: Der FNP ist vom 17.12.2013, wurde jedoch erst im Januar 2014 im Hamburgischen Gesetzblatt veröffentlicht
und trat damit 2014 erst in Kraft, hier abrufbar: https://daten-
hamburg.de/infrastruktur_bauen_wohnen/flaechennutzungsplan_hamburg_aenderungen/pdf/FNP_133_Bild_Text.pdf
Gesamthöhe der in Deutschland in diesem Zeitraum zugebauten Windenergieanlagen betrug 207
Meter (in Hamburg wurden in diesem Zeitraum null Windenergieanlagen errichtet).9
Zu 3.) Die Alternative zum Gebrauch der isolierten Positivplanung wäre eine Änderung des aktuell
gültigen Flächennutzungsplans in Hamburg. Das Verfahren der Flächennutzungsplanänderung ist
umfangreich und langwierig und beinhaltet eine Vielzahl an (vom Baugesetzbuch vorgeschriebenen)
Arbeits- und Prüfungsschritten. Diese Verfahren strecken sich über viele Jahre. Diese Zeit hat
Hamburg im Kontext der Energie- und Klimakrise nicht mehr, der Ausbau der Erneuerbaren Energien
muss unverzüglich Fahrt aufnehmen.
Zu 4.) Der Verweis auf die Nähe zum Straßenverkehrsraum und in diesem Zuge geforderte Abstände
führen in Hamburg derzeit so weit, dass in einem ausgewiesenen Eignungsgebiet für
Windenergieanlagen ein Repowering (d.h. ein Ersatz der dort bereits stehenden Altanlagen durch
neue Anlagen) nicht genehmigt wird.10 Dies ist ebenso problematisch wie falsch: Gerade direkt an
Autobahnen angrenzende Flächen eignen sich hervorragend für den Ausbau der Windenergie:
Aufgrund des vorhandenen Verkehrslärms, sowie der bereits vorhandenen Bebauung und
Zerschneidung der Landschaft entfallen Konfliktpotenziale hinsichtlich Geräusch-, Anblicks- und
Landschaftsaspekten. Als Gegenargument wird insbesondere das Ablenkungspotenzial für
Autofahrer*innen angeführt. Dies ist (auch nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Frankfurt Oder)
nicht zutreffend – die Anlagen sind bereits auf große Entfernungen sichtbar, daher besteht kein
Überraschungseffekt, anders als beispielsweise bei Werbung entlang der Fahrbahn. Auch eine
Gefährdung des Verkehrs durch die Anlagen ist nicht gegeben: Der vom Bundesfernstraßengesetz
(vgl. §9 Abs. 1 Nr. 1) vorgeschriebene Abstand wird ab der Rotorblattspitze gemessen.11 Somit ragen
die Rotorblätter nicht über die Fernstraße und ein Eintreten von Eisabfall über einer Fernstraße ist
sehr unwahrscheinlich.12 Zudem wird der Gefahr eines Eisabfalls heute bereits standardmäßig durch
Anti-Icing-Maßnahmen oder Eiserkennungssysteme und gesteuerten Abschaltungen mit definierter
Gondelposition parallel zur Straße entgegengewirkt.13
Zu 5.) Begründung in der Forderung enthalten.
Zu 6.) Begründung in der Forderung enthalten