Gegen Sprachverbote – für die Freiheit der gendergerechten Sprache

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Im Oktober 2017 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass das allgemeine  Persönlichkeitsrecht auch Menschen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen, schützt. Als Folge trat im Dezember 2018 der  neue §45b des Personenstandsgesetzes (PStG) in Kraft, auch bekannt als „3. Option“, der nun Menschen mit „Variation der Geschlechtsentwicklung“ die Auswahl des neuen  Personenstands „divers“ ermöglicht . Somit gibt es nun insgesamt vier Möglichkeiten für den Geschlechtseintrag: weiblich, männlich, divers und ohne Eintrag (w/m/d/-). 

Diese offizielle Anerkennung der Geschlechtervielfalt durch das Bundesverfassungsgericht  und den Bundestag muss sich auch in unserer Sprache widerspiegeln. Geschlechtergerechte Sprache ist die konsequente Umsetzung dieser verfassungsrechtlichen Anerkennung. Sprache prägt die menschliche Wahrnehmung: Wer nicht genannt wird, wird nicht angesprochen. Wer nicht angesprochen wird, wird nicht erreicht.

Darauf wurde 2021 der Senatsbeschluss über die „Grundsätze für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Rechts- und Verwaltungssprache der Freien und Hansestadt  Hamburg um die Hinweise zur geschlechtersensiblen Sprache in der hamburgischen Verwaltung“ erweitert. Damit besteht für Mitarbeitende der Hamburgischen Behörden die Möglichkeit, geschlechtsneutrale Formulierungen („Studierende“ anstatt „Studentinnen und Studenten“), Umschreibungen bzw. inklusive Formen  wie Gender-Doppelpunkt oder Gender-Stern im Schriftverkehr der Verwaltung zu  verwenden und somit alle Geschlechteroptionen gleichberechtigt und diskriminierungsfrei anzusprechen.

Wo geschlechterinklusive Kurzformen benötigt werden, empfehlen der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband1 sowie die Überwachungsstelle des Bundes für Barrierefreiheit von Informationstechnik2 die Verwendung des Gendersterns („Schüler*innen“). Der Genderstern wird ebenso von der queeren Community favorisiert.

Die sprachliche Gleichbehandlung von Frauen und Männern ist wiederum schon lange im Hamburgischen Gleichstellungsgesetz festgeschrieben. Wir GRÜNE haben im Zuge der Novellierung im Jahr 2014 angebracht, dass hierbei die Vielfalt der Geschlechter Berücksichtigung finden sollte. Das Gleichstellungsgesetz soll im Laufe der Legislatur evaluiert und überarbeitet werden, u.a. um die Geschlechtervielfalt angemessen zu berücksichtigen.

Die aktuell geltenden Handlungshinweise beinhalten bewusst keine Verpflichtung zum Gebrauch einer bestimmten Form der geschlechtergerechten Sprache, sondern ermöglichen es den Bediensteten situationsangemessen geschlechtersensible Sprache zu verwenden.

Sprache ist kein unveränderliches System, sondern unterliegt einem ständigen Prozess des Wandels. Gesellschaftliche Entwicklungen sind früher oder später auch in unserer Sprache erkennbar. Unser modernes Verständnis von Geschlecht sowie der Anspruch auf Repräsentation werden daher zunehmend in unserer Gesellschaft in sprachlicher Kommunikation abgebildet.

Gendersensible Sprache inkludiert marginalisierte Gruppen und setzt dadurch ausdrücklich ein Zeichen gegen Diskriminierung aufgrund von geschlechtlicher Identität. Ein generisches Maskulinum schließt nicht nur Frauen, sondern alle Geschlechter aus, die sich nicht mit dem männlichen Geschlecht identifizieren und ist damit  diskriminierend. Das Ansprechen und sprachliche Repräsentieren aller Geschlechter resultiert in mehr Geschlechtergerechtigkeit sowie dem Abbau patriarchaler  Strukturen, vor allem, da ein rein binäres Geschlechterverständnis nicht der Realität  entspricht. Darum befürworten wir ausdrücklich diese nun geschaffene Möglichkeit und Wahlfreiheit in der Verwendung der Schriftsprache für die Mitarbeitenden der Hamburger Behörden.  Diese Wahlfreiheit möchte nun die Hamburger Volksinitiative „Schluss mit Gendersprache in Verwaltung und Bildung“ unterbinden und fordert nicht nur ein Verbot gendergerechter  Sprache, sondern auch die vorwiegende Verwendung des generischen Maskulinums. Damit möchte die Volksinitiative einen gesellschaftlichen Prozess hin zu Vielfalt und zur Gleichberechtigung aller Menschen aufhalten, mit Verboten verdrängen und ein rückschrittliches, diskriminierendes Bild in unserer Gesellschaft durchsetzen.

Die Initiative forciert dabei einen rechten Kulturkampf. Die konservativen Parteien Hamburgs haben sich bereits medienwirksam befürwortend  positioniert. So haben die AfD Hamburg und der Landesvorstand der CDU Hamburg ihre Unterstützung der Volksinitiative zugesichert.

Das Werteverständnis und Weltbild, das mit den Anliegen der Initiative vermittelt werden soll, ist spaltend. Es ist weder mit einer offenen Gesellschaft wie wir sie in Hamburg vorleben, noch mit den Grundwerten der Grünen Hamburg vereinbar.

Wir GRÜNE benutzen gendergerechte Sprache selbstverständlich und setzen uns für die Gleichstellung und Sichtbarkeit aller Geschlechter ein. Es ist nicht die Aufgabe von Minderheiten dafür zu sorgen, dass sie gleichberechtigt und frei von Diskriminierung leben können. Es ist die Aufgabe aller Menschen dafür zu sorgen, dass alle Menschen gleichberechtigt und frei von Diskriminierung leben können.

Wir, Bündnis 90/ Die GRÜNEN Landesverband Hamburg,

sprechen uns offensiv gegen die sprachliche Diskriminierung von nicht-binären Menschen und Frauen aus und verurteilen das Vorhaben der Volksinitiative „Schluss mit Gendersprache in Verwaltung und Bildung“, durch Verbote unsere Sprache regulieren zu wollen. Wir setzen uns weiterhin für die Verwendung gendergerechter Sprache ein, die inkludiert und nicht ausschließt. Wir unterstützen Hamburgs queere und frauenpolitische Organisationen bei der Aufklärung und Sensibilisierung für geschlechtergerechte Sprache.

1https://www.dbsv.org/gendern.html

2https://www.bfit-bund.de/DE/Publikation/empfehlung-zu-gendergerechter-digital-barrier