Positionspapier der LAG Tierpolitik: Wissenschaftlichen Fortschritt nicht verschleppen: Tier-freie, am Menschen orientierte Forschungsmethoden zum Standard erheben!

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Seit zwanzig Jahren steht der Tierschutz als Staatsziel im Grundgesetz. Daher erachten wir es als notwendig, die in Forschung und Lehre durchgeführten Tierversuche sowohl ethisch als auch wissenschaftlich in Frage zu stellen. In der EU-Richtlinie 2010/63/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.09.2010 wird gefordert, „Verfahren mit lebenden Tieren für wissenschaftliche
Zwecke und Bildungszwecke vollständig zu ersetzen, sobald dies wissenschaftlich möglich ist. Zu diesem Zweck zielt diese Richtlinie darauf ab, die Weiterentwicklung alternativer Ansätze zu erleichtern und zu fördern“.1 Dieses Ziel, Tierversuche zu ersetzen (Replace), findet sich, auch nach Inkrafttreten
letzter Änderungen (2021), noch immer nicht im Bundestierschutzgesetz. Somit haben es bisher alle Bundesregierungen versäumt, die Förderung von Tier-freier Forschung gesetzlich festzuschreiben. Unsere GRÜNE Bundestagsfraktion erklärt demgegenüber, die EU-Richtlinie „endlich adäquat und tierschutzkonform“ umsetzen zu wollen. Es gehe darum, Tierversuche „konsequent (zu) reduzieren und
schnellstmöglich überflüssig (zu) machen“.2 Auf Bundesebene hat die derzeitige Regierung im Koalitionsvertrag angekündigt, eine Strategie zur Reduktion von Tierversuchen zu etablieren. 3
Angesichts des technischen Fortschritts in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens, auch in der Wissenschaft, sind Versuche an Tieren nicht mehr zeitgemäß. Außerdem ist die Übertragbarkeit der Ergebnisse von Tierversuchen auf Menschen umstritten. Wieso?

  1. Zahlreiche Ergebnisse, die aus Tierversuchen gewonnen wurden, haben sich
    nachweislich als gefährlich für Menschen herausgestellt.4
  2. Die Anwendung von sogenannten „Tiermodellen“, bei denen Krankheiten
    chemisch, chirurgisch, bakteriell, viral, durch genetische Manipulation,
    Malnutrition oder Stress induziert werden, berücksichtigt oft nicht die
    tatsächlichen Pathophysiologien der entsprechenden Erkrankungen beim
    Menschen. Dies führt zu einer Verzerrung der Übertragbarkeit der
    Ergebnisse.
  3. In Bezug auf die menschliche Physiologie Einzelner zeigen sich Unterschiede in den Symptomen bestimmter Krankheiten und z.B. auch zwischen biologisch männlichen und weiblichen Körpern. Somit ist die Aussagefähigkeit von im Tierversuch gewonnenen Ergebnissen auf andere Spezien grundsätzlich anzuzweifeln.

Darum gilt es um so mehr, besagte Forschungsprozesse auf den Prüfstand zu
stellen und für den Menschen sicherere Methoden zu entwickeln.
Dafür unabdingbar ist eine Trendwende in der Verteilung von Finanzmitteln mit dem
Ziel, die Investitionen in Tier-freie Verfahren massiv zu erhöhen. Auch hier geht die
EU voran: Im Jahr 2022 etwa wurden zugunsten der Erforschung Tier-freier
Methoden 200 Millionen Euro für das Rahmenprogramm Forschung und Innovation
„Horizont Europa“, das von 2021 bis 2027 läuft, zur Verfügung gestellt.5
Der Hamburger Koalitionsvertrag von 2020 fordert dementsprechend, „alle
Möglichkeiten aus(zuschöpfen), um Tierversuche zu vermeiden“, das heißt auch
Investitionen in Human-relevante Modelle „systematisch und dauerhaft zu steigern“.6
Die am UKE neu eingerichtete Professur für Refinement, Reduction, Replacement
(3R-Verfahren) ist ein erster Schritt. Darüber hinaus trägt der „Hamburger
Forschungspreis für Alternativen zum Tierversuch“, der alle zwei Jahre in Höhe von
insgesamt 50.000 Euro ausgelobt wird, zur öffentlichen Sensibilisierung bei.
Trotz dieser Hamburger Maßnahmen wurde Anfang 2023 im UKE eine neue
„Forschungstierhaltung“ eingeweiht. Damit hat der Senat 32 Millionen Euro in das
bestehende Tierversuchs-System investiert, mit dem Argument, die neuen
Räumlichkeiten und ihre Ausstattung trügen gesetzlich vorgeschriebenen Standards
für das Personal Rechnung und ermöglichten den Tieren eine bedarfsgerechtere
Unterbringung.
Dessen ungeachtet wird von der EU die Abschaffung von „Verfahren mit lebenden
Tieren für wissenschaftliche Zwecke und Bildungszwecke“ gefordert. Hierfür gilt es
auch in Hamburg die Strukturen für einen Paradigmenwechsel vorzubereiten, denn
laut Koalitionsvertrag will der Senat „die konsequente Umsetzung der EUTierversuchsrichtlinie
in deutsches Recht (…) kritisch begleiten“.
Um Tierversuche dauerhaft zu vermeiden, ist die finanzielle Förderung von
Replacement-Methoden zu priorisieren. In den letzten Jahren wurden international
teils revolutionäre Tier-freie Verfahren entwickelt wie z.B.:

  • In-vitro-Methoden, die von dreidimensionalen Zellkulturen über Organoide(Zellkomplexe mit Organfunktion) reichen bis hin zu Organ-Chips, wobei bisher die Verbindung von zwei Organen auf einem Chip funktioniert. An Multi-Organ-Chip-Systemen wird geforscht, innerhalb derer mehrere Organ-Modelle kombiniert und in simulierten Stoffwechselprozessen miteinander verbunden werden. Der Einsatz künstlicher menschlicher Haut beispielsweise ermöglicht eine zuverlässigere und schnellere Testung von Arzneimitteln und Chemikalien, als es an Tieren möglich ist.7
  • Tier-freie Seren für Zellkulturen, wie das humane Blutplättchenlysat (hPL), das als „Abfallprodukt“ von Blutspenden gewonnen wird. Es enthält Wachstumsfaktoren und Hormone menschlichen Ursprungs und erzielt damit natürlichere Bedingungen als das fetale Kälberserum.8
  • 3D-Druck und Bioprinting: Diese Technologien ermöglichen die Herstellung von Geweben und Organen aus biologischem Material und könnten in Zukunft für medizinische Forschungszwecke und Transplantationen genutzt werden.9
  • In-silico-Methoden, die computerbasiert Vorhersagen über die Schädlichkeit oder Wirkung eines Stoffes treffen oder das Fortschreiten von Krankheiten simulieren können. KI liefert zuverlässigere und genauere Ergebnisse als Tierversuche.10
  • Bildgebende tomographische Verfahren (z.B. CT, MRT), die stetig weiterentwickelt und optimiert werden, um relevante Erkenntnisse für den Bereich der humanmedizinischen Grundlagenforschung zu sammeln. Mit bildgebenden Verfahren können beispielsweise krankhafte Veränderungen eines Organs beobachtet werden. Zudem liefern die Verfahren ein tiefer gehendes Verständnis darüber wie Wirkstoffe in Organen aufgenommen werden.11
  • Simulatoren und Virtual Reality-Darstellungen der tierischen und menschlichen Anatomie, an denen in der Aus- und Fortbildung geübt und gelernt werden kann. Studien zeigen, dass Methoden wie lebensechte Simulatoren menschlicher Patienten, die atmen, bluten, sich verkrampfen, sprechen und sogar das Sterben simulieren, oder Virtual Reality-Simulationen Mediziner:innen besser ausbilden.12
  • Epidemiologische Studien, um wissenschaftliche Vorhersage-Modelle zu entwickeln. Dazu werden im Gesundheitssystem anonym erhobene, digitalisierte Humandaten genutzt (Wissenstranslation).13
  • In vivo-Methoden: Microdosing ist eine Technik im Bereich der Arzneimittelforschung, bei der Freiwillige eine extrem kleine Dosis eines potentiellen Medikamentes verabreicht bekommen. Aufnahme, Verteilung, Verstoffwechselung und Ausscheidung des Stoffes werden mit hochempfindlichen Methoden gemessen. Eine Microdosis ist so klein, dass sie keinerlei pharmakologische Wirkung bei der Versuchsperson hat.

Die Übertragbarkeit von Ergebnissen aus Tierversuchen auf den Menschen ist oft
begrenzt und ungenau. Durch den Fokus und Ausbau Tier-freier Methoden können
medizinische Erkenntnisse erlangt werden, die spezifischer und relevanter für den
Menschen sind. Dies führt zu sichereren Medikamenten und Therapien mit weniger
Nebenwirkungen.
Um, wie im Hamburger Koalitionsvertrag gefordert, Tier-freie Methoden auch in den
gesetzlich vorgeschriebenen Sicherheits- und Wirksamkeitskontrollen (z.B. bei
Toxizitätsprüfungen) anwenden zu können, ist jedoch ein grundlegend neuer Ansatz
zur Risikobewertung nötig, der Tier-freie Verfahren zulässt.14 Die zugrunde
liegenden Gesetze, Richtlinien und Verordnungen, z.B. REACH (Registration,
Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals), europäisches Arzneibuch
sowie Regulatorien für Pestizide und Biozide, müssen dafür entsprechend geändert
werden. Gemäß einem Presseartikel der Europäische Kommission vom 03. März
2023 zur Aktualisierung der REACH-Verordnung dürfen „Testmethoden, bei denen
Tiere verwendet werden, (…) nur als letztes Mittel und nach vorheriger
Genehmigung durch die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) durchgeführt
werden“.15

Auch die USA spielen in diesem Zusammenhang eine Vorreiterrolle, indem sie die
erwähnten Tier-freien Methoden u.a. für die Medikamentenprüfung seit Dezember
2022 als zulässig erklären.16
Entsprechend der EU-Richtlinie 2010/63/EU zum perspektivischen Ausstieg aus den
Tierversuchen wird in mehreren europäischen Ländern an der Umsetzung
gearbeitet. Mit der Vision, die weltweite Führungsrolle in der innovativen Tier-freien
Forschung zu übernehmen, wurde in den Niederlanden auf Antrag des
Wirtschaftsministeriums ein Masterplan zum schrittweisen Ausstieg erarbeitet. Auch
Norwegen und Schweden arbeiten an entsprechenden Plänen.17 Um hier nicht den
Anschluss zu verlieren, sollte Deutschland auch aus ökonomischen Gründen in
dieses zukunftsträchtige Forschungsfeld investieren.
In der Wirtschaft selbst zeichnet sich ein deutlicher Wandel hin zu Tier-freien
Methoden ab, beispielhaft sind Firmen wie Merck, Roche sowie Sanofi zu nennen.
Diese Unternehmen haben das ökonomische Potenzial Tier-freier Forschung
erkannt. Sie fordern deshalb grundlegende Gesetzesänderungen.18


Fazit: Das politische Ziel lautet mithin, die entsprechende wissenschaftliche
Infrastruktur für den von der EU geforderten Paradigmenwechsel zu schaffen. Dieser
ist für die Entwicklung Hamburgs zur zukunftsorientierten Wissenschaftsmetropole
essentiell. Denn der Wissenschaft ist nicht geholfen, den methodologischen Wandel
zu verschleppen. Vielmehr gilt es, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, ihr auch
in diesem Bereich fortschrittliche Spitzenleistung zu ermöglichen.
Abgesehen davon impliziert eine nicht nur an humanistischen, sondern auch an
ethischen und ökologischen Prinzipien orientierte Politik immer auch den Respekt
gegenüber allen empfindungsfähigen Lebewesen. Dementsprechend gilt es, den
Schutz der Tiere als Lebewesen um ihrer selbst willen in jedwedem politischen
Handeln zu berücksichtigen und bestrebt zu sein, für anderen Spezies Sorge zu
tragen. Eine zeitgemäße Politik hat den wissenschaftlichen Erkenntnissen der
Leidensfähigkeit diverser Tierarten Rechnung zu tragen und die Verantwortung dafür
zu übernehmen, Tier-Leid zu verhindern.
Es ist damit unabdingbar, Tier-freie, humanrelevante Verfahren so zügig wie möglich
strukturell effektiv zu fördern.

Darum fordern wir für Hamburg (Ausführungen siehe unten):

  1. eine zeitnah terminierte Strategie in den Ausstieg aus Tierversuchen mit
    konkreten Zielen und Daten auf politischer Ebene;
  2. eine fundamentale Umverteilung finanzieller Mittel zugunsten des
    wissenschaftlichen Paradigmenwechsels;
  3. die systematische Nutzung internationaler Dokumentationen zu
    Tierversuchen;
  4. strengere Auflagen zur Durchführung von Tierversuchen;
  5. eine Stärkung der §15-Ethikkommissionen (TierSch-Gesetz);
  6. einen systematischen Wissensaustausch zwischen Verfahrensbeteiligten;
  7. eine Unterstützung und Ausweitung der Kompetenzen von
    Genehmigungsbehörden;
  8. den Paradigmenwechsel in der Ausbildung zu verankern;
  9. die Schaffung eines effizienten Forschungsumfelds für Tier-freie Methoden;
  10. die sofortige Abschaffung schwerst-belastender Tierversuche;
  11. die Schaffung der gesetzlichen Grundlage zur Anerkennung Tier-freier
    Methoden für Sicherheits- und Wirksamkeitskontrollen!

Zu 1.:
Die unverzügliche Erstellung einer Strategie in den Ausstieg aus den Tierversuchen
auf politischer Ebene.
Dazu gilt es,

  • konkret terminierte Aktionsschritte zu beschreiben, Verantwortlichkeiten und Meilensteine festzulegen samt Zwischenberichten und eventuellen Kurskorrekturen;
  • Stakeholder-Inputs durch öffentliche Konsultationen, Workshops und Anhörungen einzuholen;
  • eine Arbeitsgruppe „Replace“ in Hamburg einzurichten mit Repräsentantinnen aus den Bereichen Forschung (akademisch, industriell), Regulierung (Genehmigungsbehörden, Ethikkommission), Tierschutz- Institutionen, Fördereinrichtungen und Lehrbuch-Verlagen;
  • die Stelle einer/s expliziten Replace-Beauftragten (Wissenschaftsexpertin, geschult im Tierschutzrecht) in Hamburg zu schaffen.

Zu 2.:
Eine grundsätzliche Umverteilung der Fördermittel mit dem Ziel der Umkehrung
bei der Finanzierung von Tierversuchen einerseits und tatsächlich Humanrelevanten
Forschungsmethoden andererseits.
Zu 3.:
Die systematische Nutzung internationaler Tierversuchs-Dokumentationen zur
Schaffung einer zentralen internationalen Datenbank, in der alle Tierversuche
dokumentiert werden, d.h. ihre Ergebnisse (positive sowie negative), ihre Evaluation
sowie existierende Tier-freie Methoden.19

  • Sie ist verpflichtend zu nutzen.
  • Alle Tierversuchsvorhaben sind darin vorab zu registrieren.
  • Die Voten der Tierschutz-Kommissionen sind darin zu hinterlegen.

Zu 4.:
Strengere Auflagen zur Durchführung von Tierversuchen, das heißt:

  • vor jedem Antrag erfolgt eine verpflichtende Prüfung durchgeführter Tierversuche bzw. Tier-freier Methoden in bundesweiten und internationalen Datenbanken;
  • eine verpflichtende, systematische Evaluation jedes Tierversuchs (Review) muss als Voraussetzung für die Genehmigung gelten;
  • eine Verbesserung der Haltungsbedingungen für alle Tiere;
  • Abschaffung sog. „Reservetiere“, d.h. Tiere, die für wissenschaftliche Zwecke gezüchtet und getötet, aber nicht für solche Zwecke verwendet wurden;20
  • bis zur Abschaffung des „Reservetier“-Systems hat eine sorgfältige Zuchtplanung stattzufinden, um die Anzahl überzähliger Tiere zu minimieren. Darüber hinaus hat ihre Unterbringung Tierschutz-konform zu erfolgen.

Zu 5.:
Die Stärkung der §15-Ethikkommissionen (TierSch-Gesetz) durch:

  • die verpflichtende Einbindung der Kommission in alle Schritte des Antragsverfahrens;
  • die obligatorische Anerkennung der Kommissionsbeschlüsse für die Entscheidung im Antragsverfahren;
  • eine paritätische Besetzung der Kommission mit Vertretenden aus Wissenschaft und Tierschutz;
  • die verbesserte finanzielle Ausstattung und wissenschaftliche Einarbeitung der Tierschutz-Vertretenden zugunsten einer fundierten Antragsentscheidung;
  • mehr Verfahrenstransparenz. Dazu bedarf es einer differenzierteren Abwägung zwischen den Prinzipien des Geheimnisschutzes und dem Staatsziel Tierschutz.

Zu 6.:
Systematischer Wissensaustausch
zwischen Verfahrensbeteiligten. Dazu gilt es,
regelmäßig Konferenzen zwischen den Bundesländern, der Bundesregierung und
internationalen Stellen zu fördern (z.B. über das „Bundesnetzwerk 3R“).
Zu 7.:
Die Unterstützung und Ausweitung von Kompetenzen der Genehmigungsbehörden, durch

  • eine Behebung des Vollzugsdefizits in den Ämtern. Personelle Aufstockung und regelmäßige Fortbildungen, etwa zu Tier-freien Verfahren, sind zu gewährleisten;21
  • strengere gesetzliche Rahmenbedingungen durch eine Novellierung des Tierschutz-Gesetzes mit vollumfänglicher Umsetzung der EU-Vorgaben in deutsches Recht;
  • die Nutzung von Datenbanken wie EURL ECVAM DB-ALM oder NATDatenbank; 22
  • die Erstellung und verpflichtende Nutzung einer ständig zu aktualisierenden Negativliste (siehe Ärzte gegen Tierversuche). In ihr sind alle Tierversuche zusammengefasst, die durch Tier-freie Methoden ersetzbar oder nicht auf Menschen übertragbar sind. Förderungen solcher Tierversuche sind sofort einzustellen und Genehmigungen nicht mehr zu erteilen;
  • unangekündigte, personell-wechselnde Kontrollen in allen Einrichtungen, die Tierversuche praktizieren, mindestens einmal jährlich;
  • Videoüberwachung der Tierhaltung (datenschutzkonform und in Abstimmung mit dem Betriebsrat).

Zu 8.:
Den Paradigmenwechsel in der Ausbildung verankern, durch

  • standardisierte und sanktionsfreie Ermöglichung von Tier-freier Ausbildung in allen Bereichen;
  • die Etablierung einer Vorlesungsreihe im Grundstudium zu Tier-freien, humanrelevanten Forschungsmethoden (z.B. Organoide, Sphäroide, 3D Biodruck, Computer-gestützte Verfahren und KI);
  • die regelmäßige Einladung von Gast-Dozierenden, die mit diesen Methoden arbeiten;
  • die Einführung neuer Hauptstudiums-Module zur Tier-freien Forschung;
  • die Förderung von Veranstaltungen wie Summerschools, Workshops, Symposien;
  • die thematische Sensibilisierung an der Universität (Dialog mit allen beteiligten Fachschaften);
  • die Kommunikation mit Lehrbuch- und Schulverlagen.
  • Schulung der Ausbildenden.

Zu 9.:
Die Schaffung eines effizienten Forschungsumfelds für Tier-freie Methoden durch,

  • eine zentrale Bereitstellung von Schlüsseltechnologien („Core-Facilities“) als
  • Infrastruktur am UKE, um allen Forschenden Großgeräte, technische und
  • personelle Expertise disziplin- und einrichtungsübergreifend zur Verfügung zu
  • stellen;
  • die Vereinfachung und Unterstützung von Validierungsprozessen neuer
  • Methoden, auch durch Büros und Fachpersonal für Forschende in
  • Validierungsprozessen;
  • die massive Erhöhung von Förderpreisen für Tier-freie Methoden mit Fokus
  • auf das Replacement;
  • eine Unterstützung von Kampagnen über erfolgreiche Tier-freie
  • Forschungsmethoden;
  • die Schaffung eines Kompetenz-Zentrums für Tier-freie Forschung (1RZentrum)
  • zwischen den Ländern Hamburg, Schleswig-Holstein,
  • Niedersachsen und Bremen (ähnlich dem neuen Einstein-Zentrum Berlin).

Zu 10:
Die EU-konforme sofortige Abschaffung schwerst-belastender
Versuchsmethoden
ist in deutsches Recht zu übernehmen und in der
wissenschaftlichen Praxis umzusetzen.23
Zu 11:
Damit Tier-freie Methoden auch in den gesetzlich vorgeschriebenen Sicherheits- und
Wirksamkeitskontrollen (z.B. bei Toxizitätsprüfungen) akzeptiert werden, bedarf es
eines neuen Ansatzes zur Risikobewertung. Die zugrunde liegenden Gesetze,
Richtlinien und Verordnungen müssen dafür, so wie in den USA jüngst geschehen,
entsprechend geändert werden.24

Quellen

1 https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2010:276:0033:0079:de:PDF
2 https://www.gruene-bundestag.de/themen/tierschutz
3 https://www.bundesregierung.de/resource/blob/974430/1990812/1f422c60505b6a88f8f3b3b5b
8720bd4/2021-12-10-koav2021-data.pdf?download=1, S. 44
4.https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4594046/, https://www.aerzte-gegentierversuche.
de/de/wissen/argumente/wissenschaftliche-argumente

5 https://germany.representation.ec.europa.eu/news/sicherheitstests-von-chemikalien-eukommission-
beschliesst-neue-verfahren-ohne-tierversuche-2023-03-03_de.
6 https://www.gruene-hamburg.de/wp-content/uploads/2020/06/Koalitionsvertrag-SPD-Gr%C3%Bcne-
2020.pd f , S. 175.

7 https://www.bmbf.de/bmbf/de/forschung/gesundheit/lebenswissenschaftlichegrundlagenforschung/
alternativen-zum-tierversuch.html.
8 https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0142961215008753.
9 https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0142961209000052?via%3Dihub.
10 Thomas Luechtefeld and others, Machine Learning of Toxicological Big Data Enables Read-
Across Structure Activity Relationships (RASAR) Outperforming Animal Test Reproducibility,
Toxicological Sciences, Volume 165, Issue 1, September 2018, Pages 198–212,
https://doi.org/10.1093/toxsci/kfy152.
11 https://www.bmbf.de/bmbf/de/forschung/gesundheit/lebenswissenschaftlichegrundlagenforschung/
alternativen-zum-tierversuch.html.

12 Zemanova MA, Knight A. The Educational Efficacy of Humane Teaching Methods: A Systematic Review of the Evidence. Animals (Basel). 2021;11(1):114. Published 2021 Jan 7. https://www.mdpi.com/2076-2615/11/1/114.
13 https://www.researchgate.net/publication/335335799_Was_ist_Translationale_Medizin_Zu_Begriff_Geschichte_und_Epistemologie_eines
_Forschungsparadigmas.
14 Vgl. Next Generation Risk Assessment (NGRA) – https://www.altex.org/index.php/altex/article/
view/2472.
15 https://germany.representation.ec.europa.eu/news/sicherheitstests-von-chemikalien-eukommission-
beschliesst-neue-verfahren-ohne-tierversuche-2023-03-03_de.

16 The FDA Modernization Act 2.0 – https://www.congress.gov/bill/117th-congress/senate-bill/5002/text.
17 https://www.ausstieg-aus-dem-tierversuch.de/vorbilder.
18 https://www.aerzte-gegen-tierversuche.de/de/news/merck-chefin-erwartet-ein-baldiges-endeder-
tierversuche, https://www.aerzte-gegen-tierversuche.de/de/news/schweiz-neues-institut-zuhumanrelevanter-forschung-gegruendet.

19 Vgl. European Union Reference Laboratory for Alternatives to Animal Experimentation,
Database on Alternative Methods (EURL-ECVAM, DB-ALM oder NAT-Datenbank).
20 Das waren 2021 allein in Deutschland 2.554.560 Tiere bzw. 2017 in der EU insgesamt
12.597.816 Tiere, vgl.: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?
uri=CELEX:52020DC0015&from=EN,
https://www.bf3r.de/de/verwendung_von_versuchstieren_im_jahr_2021-309160.html.

21 Vgl. EU-Lernplattform „Modules for Education and Training Platform for Laboratory Animal Science
and Alternatives to Animal Use“ (ETPLAS).
22 Vgl. etwa https://nat-datenbank.de/.

23 Richtlinie 2010/63/EU der EU, Anhang VIII „Klassifizierung des Schweregrades“.
24 Dabei handelt es sich z.B. um die REACH-Verordnung (Registration, Evaluation, Authorisation
and Restriction of Chemicals), europäisches Arzneibuch sowie Regulatorien für Pestizide und
Biozide.