Mit klarer Haltung und konsequentem Handeln gegen Putins Angriffskrieg

BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Hamburg verurteilen den völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieg in der Ukraine und stehen solidarisch an der Seite der Ukrainer*innen und aller in der Ukraine vom Krieg betroffenen Personen.
Wir stehen auch solidarisch an der Seite all jener in der russischen Zivilgesellschaft, die unter schwersten Bedingungen deutliche Kritik am Krieg der eigenen Regierung üben und unter politischer Verfolgung leiden. Wir stellen uns überdies entschieden gegen Anfeindungen und Übergriffe gegen ukrainische sowie russischstämmige und russisch sprechende Menschen in unserer Stadt.

Wladimir Putins Krieg verändert die geo- und sicherheitspolitische Situation fundamental. Wir mussten auf brutalste Art und Weise feststellen, dass die Autokraten dieser Welt schonungslos Gewalt zur Durchsetzung ihrer Interessen nutzen. Darauf müssen wir in der Europäischen Union gemeinsame Antworten finden und entschlossen handeln. Nie zuvor war europäisches Handeln so wichtig wie jetzt. Wenn wir eine beständige Friedensordnung schaffen wollen, müssen wir uns ernsthaft und konsequent mit der – auch militärischen – Verteidigungsfähigkeit unserer Demokratien auseinandersetzen. In dieser Zeitenwende müssen wir den Blick auch über Russland hinaus weiten. Der russische Angriffskrieg zeigt, dass unsere wirtschaftlichen Verflechtungen eine Sicherheitsfrage sind. Es gilt, sich auch mit unseren Abhängigkeiten zu Autokratien wie China auseinanderzusetzen und sich schnellstmöglich von ihnen zu lösen. Es ist richtig, dass in einer „Zeitenwende“ alte Wahrheiten nicht mehr gelten. Gleichwohl ist es bei alledem nicht geboten, einfache Antworten in einer Zeit zu geben, in der viele Fragen noch offen sind.

Ein sehr großer Teil unserer Gesellschaft ist zurecht besorgt über den Krieg und dessen Auswirkungen auf unser aller Leben. Es ist unsere Aufgabe – auf allen politischen Ebenen – dem Ausdruck dieser Ängste ohne Verurteilung Raum zu geben und einen offenen Austausch darüber zu ermöglichen. Insbesondere die sozialen Folgen werden unsere Gesellschaft in den nächsten Monaten und Jahren erheblich herausfordern. Der gesellschaftliche Zusammenhalt ist stark bedroht und muss mehr denn je in den Mittelpunkt unseres Handelns rücken.

Infolge des Angriffskriegs Russlands mussten Millionen Menschen fliehen. Überwiegend Frauen und Kinder haben über Nacht ihr Zuhause verlassen, um Schutz in Nachbarländern zu suchen.
Hamburg steht an der Seite aller Geflüchteter aus der Ukraine und explizit auch an der Seite aller Menschen auf der Welt, die sich derzeit auf der Flucht befinden.

Der russische Angriffskrieg hat uns mit voller Wucht vor Augen geführt, wie gravierend die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern aus Russland ist. Eine fortbestehende Abhängigkeit ist nicht tragbar, da sie zum einen Putins Krieg finanziert und zum anderen höchst klima- und umweltschädlich ist. Daher brauchen wir einen Kraftakt, der uns alle mit einschließt: Bürger*innen, Unternehmen und nicht zuletzt die öffentliche Hand. Nur gemeinsam kann es uns gelingen, uns unabhängig zu machen. Auch in Hamburg brauchen wir dafür schnellstmöglich ein gezieltes Programm zum beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren Energien und zum solidarischen Energiesparen.

Sicherheitspolitische Lage umfassend denken

In den letzten Monaten hat sich unter dem Eindruck des völkerrechtswidrigen Angriffs auf die Ukraine gezeigt, dass wir unsere Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit dringend stärken und die Bundeswehr besser ausstatten müssen. Wir müssen in unsere Sicherheit investieren und diese Sicherheit breit denken, um Frieden langfristig zu gewährleisten. Dabei geht es uns um einen umfassenden Sicherheitsbegriff, der militärische Sicherheit beinhaltet, aber bei weitem nicht allein. Zu einem modernen Sicherheitsverständnis im 21. Jahrhundert gehören Krisenfrüherkennung, zivile Krisenprävention und -bearbeitung, genauso wie eine funktionierende Abwehr gegen Desinformationskampagnen oder Cyber-Angriffe auf kritische Infrastrukturen. Deswegen ist das auf Investitionen in die Bundeswehr beschränkte Sondervermögen für uns ein Kompromiss mit Licht und Schatten.

Die Bundeswehr hat ohne Zweifel unter dem jahrzehntelangen Missmanagement im Beschaffungswesen und im Verteidigungsministerium gelitten. Sie verfügt nicht über genügend Material, um sich voll handlungsfähig zu zeigen. Eine angemessene Ausstattung zur Gewährleistung der grundlegenden Bündnis- und Verteidigungsfähigkeiten sind notwendig, wenn wir fähig sein wollen, unsere Werte und unsere Freiheit falls nötig auch militärisch zu verteidigen. Sicherheit ist im Jahre 2022 aber viel mehr als Bundeswehr.

Investitionen in unsere Sicherheit

Es ist gut, dass der Bund nun das Geld zur Behebung der Defizite bei der Ausstattung der Bundeswehr bereitstellt. Wir bedauern jedoch, dass dem Sondervermögen kein erweiterter Sicherheitsbegriff zugrunde liegt und keine Mittel daraus in Cybersicherheit, für Krisenprävention, humanitäre Hilfe und internationale Zusammenarbeit fließen. Die Bereitstellung zusätzlicher Gelder für diese Bereiche aus dem regulären Bundeshaushalt sind grundsätzlich gut. Vor dem Hintergrund des erklärten Ziels der Einhaltung der Schuldenbremse besteht aber die Gefahr, dass an anderen wichtigen Stellen gespart wird. Gerade im Hinblick auf die aktuell hohe Inflation und besonders stark steigenden Energie- und Lebensmittelpreisen wäre eine Politik der sozialen Kälte fatal. In der aktuellen Situation müssen wir bereit sein, zusätzliches Geld auch auszugeben. Wir GRÜNE fordern deshalb weiterhin die Ergänzung der Schuldenbremse des Bundes durch eine Investitionsregel. Auch die Koalitionspartner im Bund sind aufgefordert, in einer Zeitenwende bestehende Überzeugungen zu hinterfragen und anzupassen.

Wir begrüßen darüber hinaus, dass die Ampel auch die überfällige Reform des Beschaffungswesens der Bundeswehr auf den Weg bringt. Denn in den letzten Jahren ist es trotz gestiegenen Wehretats nicht gelungen, die Mängel der Bundeswehr zu beheben. Wir erwarten eine bedarfsgerechte Ermittlung notwendiger Militärausgaben, damit kein Geld in ineffiziente Strukturen fließt. Auch über das Beschaffungswesen hinaus braucht es Reformen bei der Bundeswehr. Bündnis 90/Die Grünen Hamburg setzt sich dafür ein, dass endlich eine strukturelle Antwort auf das zunehmend transparent werdende Rechtsextremismus-Problem der Bundeswehr gefunden wird.

Selbstverteidigungsrecht der Ukraine gewährleisten

BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Hamburg bekennen sich ausdrücklich zum Selbstverteidigungsrecht der Ukrainer*innen. Die Waffenlieferungen der Bundesregierung an die Ukraine sind vor diesem Hintergrund ein gebotenes, wenn auch bei weitem nicht das einzig notwendige Mittel. Wir befürworten und unterstützen die Fortsetzung und wo möglich Beschleunigung der Lieferung benötigter Ausrüstung an die Ukraine und dabei auch die Erweiterung der Lieferung auf schwere Waffen und komplexe Systeme etwa im Rahmen des „Ringtausches“ mit Partnerländern, damit die Menschen in der Ukraine ihr Recht auf Selbstverteidigung ausüben können. Eine stetige Prüfung, ob weitere Waffen abgegeben werden können, wird genauso befürwortet wie das aktive Zugehen auf andere Länder, um ihnen einen „Ringtausch“ anzubieten. Gleichzeitig muss absolut klar sein, dass Waffenlieferungen in Krisengebiete auch in Zukunft die Ausnahme bleiben.

  1. Grundsätzlich gilt weiterhin das Exportverbot von Rüstungsgütern in Kriegs- und Konfliktgebiete. Wir fordern von der Bundesregierung, dass sie das Rüstungsexportkontrollgesetz vorantreibt und begrüßen, dass Annalena Baerbock schärfere Regelungen angekündigt hat.
  2. Um Putin nicht nur mit Waffenlieferungen, sondern wirtschaftlich und innenpolitisch in die Knie zu zwingen, müssen die massiven, gegen den russischen Machtapparat verhängten politischen, wirtschaftlichen und finanziellen Sanktionsmaßnahmen aufrechterhalten, Schlupflöcher kontinuierlich geschlossen und gemeinsam mit den europäischen Partnern die Ausweitung vorangetrieben werden. Auch in Hamburg müssen die Sanktionen gegen russische Oligarchen bzw. Personen auf der EU-Sanktionsliste entschlossen durchgesetzt und bestehende Vermögenswerte weiter eingefroren werden.

Offensiv Hürden abbauen und Integration ermöglichen

Seit dem 24. Februar sind ca. 3,5 Millionen Ukrainer*innen in Europa auf der Flucht, ca. 26.000 von ihnen werden bis Ende Juli in Hamburg ankommen. Darunter sind viele Frauen mit Kindern, Senior*innen sowie Menschen mit Behinderung, Pflegebedarf schweren Erkrankungen oder Verletzungen. Aber auch aus anderen Ländern kommen weiterhin Menschen nach Hamburg auf der Suche nach einem sicheren, freien und selbstbestimmten Leben.
Hamburg ist eine solidarische Stadt und bietet Geflüchteten aus Kriegsregionen Schutz und Teilhabe am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben. Das bedeutet eine Bereicherung für unsere Gesellschaft, aber auch einen erheblichen organisatorischen, logistischen und humanitären Kraftakt für Senat, Bezirke und die gesamte Stadtgesellschaft. In Hamburg haben alle gemeinsam in den letzten vier Monaten dabei Großartiges geleistet und auf eindrucksvolle Weise Unterbringungsmöglichkeiten in privaten Wohnräumen wie öffentlichen Einrichtungen geschaffen. Wir lassen niemanden allein, das schließt explizit auch alle Menschen ein, die sich derzeit auf der Flucht befinden.

Die Entwicklungen der letzten Wochen machen deutlich: Deutschland braucht für die Zukunft eine Integrationsoffensive mit einer ausreichend und gut strukturierten gesetzlichen und finanziellen Begleitung durch die Bundesregierung. Der Beschluss der Regierungschef*innen der Länder vom 7. April 2022 bekennt sich zu seiner Mitverantwortung bei der Finanzierung dieser Aufgabe: Die von der Bundesregierung zur Verfügung gestellten Mittel können und müssen jetzt allen Geflüchteten zugutekommen. Der Koalitionsvertrag bietet die Grundlage für eine bundesweite Integrationsoffensive. Aber auch parteiübergreifend besteht in vielen Bereichen Einigkeit, dies wurde kürzlich durch das Treffen der Integrationsminister*innen aus Bund und Ländern in Hamburg deutlich. Nun bedarf es der schnellen Umsetzung vorhandener Beschlusslagen in der Bundes- und Landesgesetzgebung:

  1. Oberste Priorität ist, die Geflüchteten in Deutschland und Hamburg gut zu versorgen und sicher unterzubringen. Für eine nachhaltige Integration in die Gesellschaft und auf dem Arbeitsmarkt ist es jedoch essentiell, einen breiten Zugang zu Sprachkursen und anderen Bildungsmöglichkeiten zu schaffen. Deshalb ist es wichtig und richtig, dass auch Schutzsuchende aus der Ukraine einen Rechtsanspruch auf Zugang zu den Erstorientierungskursen, den Integrations- und Sprachkursen finanziert durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und die berufsbezogene Deutschsprachförderung erhalten. Unser Grundsatz lautet: Integrationskurse müssen für alle Geflüchteten geöffnet werden und ausreichend finanziert und verfügbar sein. In Hamburg sind wir uns dieser Notwendigkeit schon lange bewusst und ermöglichen über das Landessprachenprogramm schon lange Geflüchteten den Zugang zu Sprachkursen, denen der Bund diesen bislang verwehrt.
  2. Gute Förderung geht einher mit einer breit aufgestellten Migrationsberatung für Erwachsene und Jugendliche. Außerdem wird ein massiver Ausbau der Angebote in der Kinderbetreuung durch Bundesmittel benötigt.
  3. Das gesamtstaatliche Bekenntnis zu einem schnellen und unbürokratischen Einstieg in den Arbeitsmarkt sowie zu einer maximalen Unterstützung von Kindern und Jugendlichen in unseren Bildungseinrichtungen ist zentral für ein neues Verständnis im Umgang mit Geflüchteten in Deutschland. Wir profitieren davon, dass Zugewanderte Abschlüsse und Qualifikationen mitbringen. Damit diese zügig anerkannt werden und eine gute Integration möglich ist, müssen Kapazitäten aus- und bürokratische Hürden abgebaut werden: Die Beratungsstellen zur Anerkennung benötigen ausreichend Beratungskapazität, um ihrer Lotsenfunktion zügig gerecht werden zu können. Für nicht-reglementierte Berufe müssen die Instrumente der Kompetenzfeststellungsverfahren bei nicht vorhandenen Nachweisen der beruflichen Qualifikationen ausgebaut und angewandt werden. Bei den reglementierten Berufen muss eine schnelle und einheitliche Anerkennung von Berufs- und Bildungsabschlüssen sichergestellt werden. Hierfür sind die zuständigen Stellen entsprechend mit Personal auszustatten und notwendige Qualifizierungsmaßnahmen und Prüfungskapazitäten müssen geschaffen werden. Wir begrüßen, dass erste Hürden gesenkt werden, vergleichbare Verfahren muss es aber für alle Menschen mit ausländischen Abschlüssen geben. Wir fordern die finanzielle Sicherheit für Bund und Länder durch die Freigabe von Mitteln der Europäischen Union. Wir sind auf die zeitnahe Genehmigung der nationalen Programme der EU-Fonds (ESF+) und der Veröffentlichung des Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds-Förderaufruf (AMIF) angewieseni, damit bei Bedarf Finanzierungslücken zwischen den Förderperioden geschlossen, die Eingliederungs- und Verwaltungsbudgets der Jobcenter weiterhin auskömmlich ausgestaltet werden. Nur so kann das Jobcenter den gestiegenen Empfängerzahlen gerecht und mindestens eine qualitativ gleichbleibende Betreuungsintensität ermöglicht werden.
  4. Es muss Schluss sein mit der restriktiven Integrationspolitik von CDU/CSU geführten Regierungen! Das Staatsbürgerschaftsrecht muss jetzt zügig den realen Lebensverhältnissen von Eingewanderten angepasst, bürokratische Hürden zum Erwerb der Staatsbürgerschaft abgebaut werden und eine doppelte Staatsbürgerschaft (Mehrstaatigkeit) möglich sein. Auch das Aufenthaltsrecht muss nun rasch reformiert werden. Gerade für Menschen, die viel zu lange im Status der Duldung verharren, soll es mit dem Chancenaufenthaltsrecht und dem schnelleren Zugang zu den Aufenthaltstiteln für gut integrierte Geduldete bessere Bleibeperspektiven geben. Es ist gut, dass der erste Gesetzentwurf hierzu nun vorliegt. Er darf aber keine neue Hürden aufbauen. Und auch die noch fehlenden Vorhaben wie Abschaffung der Arbeitsverbote und erleichterter Familiennachzug müssen schnell folgen.

ALLE Geflüchtete in den Blick nehmen

Die rasche und unbürokratische Aufnahme von tausenden Geflüchteten aus der Ukraine war die richtige und einzig denkbare Reaktion auf den russischen Angriffskrieg. Wir dürfen und werden auch diejenigen nicht vergessen, die noch immer nach Schutz suchen, und unterschiedliche Gruppen von Geflüchteten dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden.

  1. Es braucht sichere Fluchtwege für alle Menschen, die Schutz benötigen. Wir haben in Afghanistan und in der Ukraine gesehen, wie Fluchtrouten für von Krieg und Terror bedrohte Menschen geöffnet und Luftbrücken organisiert worden sind. Diese Solidarität müssen wir auch im Umgang mit anderen Krisenländern zeigen.
  2. Wir fordern eine gezielte Integrationsoffensive, die mit breiten Gesetzespaketen noch dieses Jahr starten muss. Wir wollen den Aufbruch zu einer Gesellschaft der Vielen: Wir wollen Diskriminierung systematisch abbauen und eine antirassistische und feministische Einwanderungsgesellschaft von staatlicher Seite aktiv fördern.
  3. Etwa 60.000 internationale Studierende waren nach UNESCO-Angaben unmittelbar vor Beginn des Krieges allein an ukrainischen Hochschulen eingeschrieben. Hauptherkunftsländer waren Indien, Marokko, Aserbaidschan, Turkmenistan, Ägypten und Nigeria. Sie studieren nicht in ihren Herkunftsländern, weil ihnen das aufgrund der politischen Situation unmöglich ist oder weil die Studiengebühren für sie unbezahlbar sind. Wir begrüßen es, dass Hamburg diesen geflüchteten Studierenden aus Drittstaaten übergangsweise die Chance gibt zu klären, ob sie die Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel zum Zweck des Studiums in Deutschland erfüllen können.
    Wir fordern, dass diese Chance bundesweit allen aus der Ukraine geflohenen Studierenden gegeben wird. Um den Wechsel in den Aufenthaltstitel für das Studium schaffen zu können, benötigen die Studierenden außerdem zügigen Zugang zu Sprachkursen und zur Immatrikulation an den Universitäten. Rechtliche Hebel müssen bewegt werden, um das Bildungs- und Beschäftigungspotential von Geflüchteten besser zu nutzen und aktivieren zu können. Dafür ist es erforderlich, den Zugang zu und den Verbleib in Ausbildung, Qualifizierung und Beschäftigung sowie einen gegebenenfalls erforderlichen Aufenthaltszweckwechsel weiter zu erleichtern und aufenthaltsrechtlich durch eine Aufenthaltserlaubnis abzusichern. Wir fordern den Aufenthaltstitel für Ausbildung und Studium und damit eine stärkere Durchlässigkeit bei den Aufenthaltszwecken zu ermöglichen. Nur mit einer Flexibilisierung der Aufenthaltszwecke im Aufenthaltsrecht können wir den heutigen Veränderungs- und Anpassungserfordernissen in Bildung und Beruf besser gerecht werden.
  4. Nicht nur Studierende, sondern auch viele andere Menschen aus Drittstaaten lebten vor dem Krieg in der Ukraine, teilweise mit einem unsicheren Aufenthaltsstatus, da die Pandemie eine Registrierung schwierig machte. Diese Menschen fliehen vor dem gleichen Krieg wie ukrainische Staatsbürger*innen. Dementsprechend darf hier nicht bürokratisch differenziert werden, denn auch Menschen aus Drittstaaten und ohne Aufenthaltsstatus in der Ukraine haben ein Recht auf Sicherheit in Deutschland. Dazu gehört so wie bei ukrainischen Staatsbürger*innen ein schneller Zugang zum Arbeitsmarkt, Krankenversicherung und Sozialsystemen. Es darf nicht sein, dass Menschen, die gerade vor einem Krieg geflohen sind, nun noch eine Abschiebung fürchten müssen. Deutschland darf hier nicht die Fehler der vergangenen Fluchtbewegungen wiederholen. Daher fordern wir vom Hamburger Senat und der Bundesregierung, hier alle Spielräume zu nutzen, die durch die Massenzustromrichtlinie der EU eröffnet werden und ukrainische Staatsangehörige und Drittstaatler*innen aus der Ukraine gleichzustellen.
  5. Gerade der Krieg in der Ukraine und die Flucht vieler Menschen mit Pflegebedarf und Behinderung hat gezeigt, dass wir unsere Strukturen für diese Menschen noch besser ausbauen müssen. Deutschland ist nach der EU-Richtlinie 2013/33 dazu verpflichtet, Menschen mit besonderem Schutzbedarf zu identifizieren und entsprechend zu versorgen. Deshalb müssen die Verfahren zum Screening und zur Feststellung besonderer Schutzbedarfe ausgebaut und systematisch implementiert werden. Es muss entsprechende Unterbringungsmöglichkeiten geben, in denen pflegebedürftige Menschen und Menschen mit Behinderung gemeinsam mit ihren Angehörigen angemessen betreut wohnen können. Nicht alle Flüchtlinge mit psychischem Leid benötigen eine vollumfängliche Psychotherapie. Dennoch sind die Angebote für Beratung, Unterstützung und Therapie bei psychischem Leid und Traumata unzureichend. Dieses sind dringend auszubauen. Wir begrüßen, dass SPD, GRÜNE und FDP im Bundestag vorhaben, Sprachmittlung im Gesundheitswesen als gesetzliche Leistung im SGB V zu verankern. Das ist ein elementarer und wichtiger Schritt bei der Erkennung und Behandlung von psychischen Traumata. Wir begrüßen es auch, dass ukrainische Geflüchtete seit dem 1. Juni Ansprüche nach SGB II statt nach Asylbewerberleistungsgesetz haben. Dies ermöglicht unter anderem den vollständigen Zugang zur Gesundheitsversorgung. Dieser Wechsel macht aber deutlich, wie absurd und menschenverachtend der eingeschränkte Leistungskatalog für die Gesundheitsversorgung im Asylbewerberleistungsgesetz ist. Es muss endlich Schluss sein mit der Beschränkung auf die Behandlung unmittelbarer Schmerzen und akuter Erkrankungen. Stattdessen brauchen alle Geflüchtete einen unmittelbaren Zugang zur Gesundheitsversorgung.

Soziale Gerechtigkeit durch gezielte Maßnahmen im Bund und Land

Schon als Folge der Corona-Pandemie, aber nochmal stark beeinflusst durch den russischen Angriffskrieg, durch globale Bottle-Necks im Transportsektor, hat die Inflationsrate in Deutschland im Mai 2022 7,9 % erreicht; daneben stehen die aktuellen Energiepreiserhöhungen. Insbesondere für Menschen mit geringem Einkommen, Rentner*innen, Alleinerziehende und Studierende und/oder im Sozialleistungsbezug sind die massiven Preisanstiege bei Lebensmitteln und fossiler Energie kaum zu bewältigen. Daneben wurden die Regelsätze im SGB II, AsylbLG und SGB XII über Jahre systematisch klein gerechnet. Das muss sich ändern, denn soziale Entlastungspakete können aufgrund des großen finanziellen Volumens nicht alleine von den Bundesländern getragen werden, sondern müssen auf Bundesebene finanziert werden.
Vor Ort können wir dazu beitragen, indem wir die öffentliche Daseinsvorsorge ausbauen und gleichzeitig günstig halten – das kommt insbesondere Menschen mit geringem Einkommen zugute.

  1. Mit der Umstellung auf das Bürgergeld brauchen wir eine signifikante Regelsatzerhöhung und einen Anpassungsmechanismus, der die Regelsätze dauerhaft armutsfest und inflationssicher macht. Wir setzen uns dafür ein, dass die Reform des SGB II zügig voran geht. Gleiches gilt für die Einführung der Kindergrundsicherung, eines der zentralen Projekte der Ampel-Koalition, mit der wir endlich Kinderarmut beenden wollen.
  2. Trotz Entlastungspaketen in Milliardenhöhe: die Preise steigen so schnell und stark, dass sich nicht nur Transferleistungsbezieher*innen, sondern auch Menschen mit niedrigen Einkommen immer schwerer mit Grundnahrungsmitteln versorgen können. Wir fordern die Bundesregierung auf, weitere Maßnahmen im Ernährungsbereich vorzunehmen und die Versorgungssituation bestmöglich abzusichern. Die Preise am Energiemarkt schießen durch die Decke, weil wir uns zu abhängig von fossilen Energien und von Russland gemacht hatten. Hier müssen wir die Ursachen am Energiemarkt und bei der Energieversorgung angehen und überproportionale Preissteigerungen sozial gerecht bestmöglich abfedern. Von Energiepreisen hängen in Deutschland auch die Lebensmittelpreise stark ab. Daher muss gezielt geholfen werden: Neben der dringend notwendigen Anhebung der Hartz IV Regelsätze, sind auch finanz- und steuerpolitische Instrumente, wie die von den Verbraucherschutzminister*innen geforderte temporäre Aussetzung der Umsatzsteuer auf Grundnahrungsmittel, rasch zu prüfen. Als kurzfristige Definition von Grundnahrungsmitteln sollte die Gruppe 1 bis 3 des DGE-Ernährungskreises (Deutsche Gesellschaft für Ernährung) herangezogen werden.
  3. Für den langfristigen sozialen Ausgleich wollen wir die Einnahmen aus der CO2-Besteuerung als Klimageld an alle Bürger*innen auszahlen.
  4. Vor besonderen Problemen stehen viele derzeit besonders bei den Stromkosten, da sie diese – anders als die Heizkosten, die über die Kosten der Unterkunft finanziert werden – aus dem Regelsatz bezahlen müssen. Deswegen haben wir GRÜNE uns in der Bürgerschaft bereits erfolgreich für die Fortführung und Intensivierung der Arbeit des Runden Tisches zur Vermeidung von Energiesperren unter Federführung der Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft (BUKEA) eingesetzt. Daneben werben wir bei den Energiegrundversorgern für die Einführung eines Härtefallverfahrens. Die BUKEA fördert eine Energiesparberatung bei der Caritas für Sozialleistungsbezieher*innen und unterstützt einen Kühlschranktausch mit 200 Euro. Dies ist ein guter Ansatz, den wir ausbauen wollen, denn wir wissen: Arme Haushalte können sich keine neuen energiesparenden Elektrogroßgeräte leisten. Wenn alte Geräte kaputt gehen, werden diese häufig durch gebrauchte Geräte ersetzt. Dabei wirken sich neue sparsame Geräte nicht nur positiv auf die Klimabilanz, sondern auch auf das Budget der Haushalte aus. Daher wollen wir arme Haushalte bei der Anschaffung von neuen energiesparenden Elektrogroßgeräten deutlich besser unterstützen.
  5. In Hamburg wollen wir in einem ersten Schritt die Übergewinne unserer Energieunternehmen nutzen. Zum einen wollen wir dabei, wo regulatorisch erlaubt, Entlastungen für die Kund*innen möglich machen. Zum anderen finanzieren wir weitere Investitionen in den Klimaschutz. Auch dadurch wird der essenziell notwendige Klimaschutz nicht zu einem weiteren Belastungsfaktor für Menschen mit geringen Einkommen. Darüber hinaus unterstützen wir die GRÜNEN Bestrebungen, eine Übergewinnsteuer auf Bundesebene für alle kriegsgewinnenden Industrien wie Rüstung und internationale Öl- und Gasunternehmen einzuführen.

Durch offensive Energiepolitik fossile Unabhängigkeit erreichen

Deutsche Energieimporte finanzieren Russlands Angriffskrieg in der Ukraine, und Deutschland ist durch den Import von fossilen Energien – Gas, Erdöl, Kohle – eng an Russland gebunden. 35% des hier verbrauchten Erdgases, 12% des Erdöls und 8% der Kohle stammen aus der Russischen Föderation. Obwohl sich die Zahlen in den vergangenen Wochen schon drastisch reduziert haben, fließt weiterhin jeden Tag sehr viel Geld in Putins Kriegskasse. Mit unserem Hamburger Klimaschutzgesetz und dem Klimaplan sind wir in Hamburg auf Drängen von uns GRÜNEN bereits vorangegangen mit der Transformation zur Klimaneutralität. Im Angesicht der aktuellen Energiekrise wollen und müssen wir einen gesellschaftlichen Aufbruch organisieren und den bereits eingeschlagenen Weg der Transformation weiter intensivieren und beschleunigen.

Politik und Verwaltung müssen handlungsfähig sein

Unsere Stadt und die Bürger*innen müssen auf Krisen vorbereitet sein. Sollte es zu Engpässen bei Gas-, Öl- und Kohlelieferungen kommen, müssen besonders vulnerable Gruppen und sensible Institutionen vorrangig geschützt und versorgt werden können. Wir brauchen ein transparentes Vorgehen und eine transparente Kommunikation in die Bevölkerung. Wir brauchen eine kooperative Verwaltung, die Bürger*innen bei Energienotlagen, bei der Vermeidung von Energieverbräuchen und bei den anstehenden technischen Innovationsprozessen kurzfristig beraten und unterstützen kann. Mit den verschiedenen Beratungsangeboten der Energielotsen hat die Umweltbehörde begonnen, die nötigen Strukturen aufzubauen und verfügt über das Knowhow, die Bürger*innen aktiv anzusprechen und sowohl Mieter*innen als auch Eigentümer*innen bei Planungs-, Entscheidungs- und Umbauprozessen für Energieproduktion und -nutzung – vom Photovoltaik-Ausbau über regenerative Heizsysteme und Gebäudesanierung bis zu Wärmenetzen – zu begleiten. Diese Strukturen – auch auf bezirklicher Ebene – müssen erweitert werden. Dafür müssen die notwendigen Ressourcen aus Bund und Land schnellstmöglich abgerufen und bereitgestellt werden. Die Umweltbehörde sowie die Bezirksämter müssen in der aktuellen Situation kreative und handlungsfähige Partner der Bürger*innen sein.

Verständigung in der Stadtgesellschaft

Gemessen an ihrer Rolle bei der Finanzierung von Kriegen und der dramatischen Zuspitzung der Klimakrise, drängt der Abschied von fossilen Energien. Die Stadtgesellschaft muss sich über diese Situation verständigen. Die Beratung mit der Wissenschaft ist unverzichtbar, wenn wir Politik für die Zukunft machen wollen. Mit dem Klimabeirat hat der Senat ein dafür wichtiges Gremium bereits geschaffen.
Neben den Institutionen der repräsentativen Demokratie müssen unterschiedliche Kommunikationsmöglichkeiten entwickelt und genutzt werden. Notwendig ist dafür eine öffentliche und transparente Kommunikation in die Bevölkerung.

Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs gilt es, sofort zu handeln. Wir sehen dabei kurzfristige und mittelfristige Maßnahmen vor, um umgehend Energie zu sparen und den Weg in die Energiesouveränität zu beschleunigen.

Kurzfristige Maßnahmen:

  1. Wir fordern, dass das Potenzial der Energieeinsparungen – auch im privaten Gebäudebestand – im vollen Umfang erkannt und angesteuert wird. Dazu gehört auch, dass der Senat eine öffentliche Kampagne aufsetzt, die niedrigschwellig umsetzbare Energiesparmaßnahmen verständlich macht. Des Weiteren soll innerhalb dieser Kampagne auf die bestehenden Beratungsangebote durch die Hamburger Energielotsen hingewiesen werden. Diese Beratungsangebote sollen darüber hinaus ausgeweitet werden. Außerdem sollen Gebäudeeigentümer*innen proaktiv über die Förderungen aus Bund und Land für Gebäudesanierungen informiert werden. Um Potenziale und Möglichkeiten der Gebäudesanierung transparent zu machen, muss die seit mehr als 2 Jahren angekündigte „Machbarkeitsstudie“ zur Gebäudesanierung in der jetzt vorliegenden Fassung veröffentlicht werden.
  2. Wir brauchen dringend eine konkrete Planung für die Installation von Photovoltaik-Anlagen auf allen geeigneten Gebäuden, die sich direkt oder indirekt im Eigentum der Stadt befinden.
  3. Um den Einbau neuer Gasheizungen schnellstmöglich zu beenden, muss es zügig ein Förderprogramm für den Tausch von Gasheizungen gegen solche auf Basis von erneuerbaren Energien mit Schwerpunkt Wärmepumpen geben. Dadurch wird ein starker Anreiz geschaffen, schon jetzt bei Heizungstausch auf Gasheizungen zu verzichten, bevor das Bundesordnungsrecht ab 2024 greift und die Bürger*innen dazu gesetzlich verpflichtet werden. Die dafür notwendigen Mittel muss der Senat bereitstellen.
  4. Wir begrüßen, dass das 9-Euro-Ticket nicht nur verbund-, sondern deutschlandweit gilt. Mit dem 9-Euro-Ticket entlasten wir die Hamburger*innen um einen dreistelligen Millionenbetrag – das ist ein großer und wichtiger grüner Erfolg. Die ungebrochene Nachfrage nach dem 9-Euro-Ticket zeigt den großen Bedarf nach günstigen und klimafreundlichen Verkehrsmitteln. Gerade in Anbetracht der Inflation und der steigenden Energiepreise besteht die Notwendigkeit den ÖPNV besonders für Menschen mit niedrigem Einkommen zugänglicher zu machen. Für die effektive Entlastung ärmerer Menschen braucht es den politischen Willen auf Bundes- und Landesebene. Wir setzen uns daher für ein Folgeangebot des 9-Euro-Tickets ein, das dauerhaft günstige ÖPNV-Nutzung ermöglicht und werden den ÖPNV weiter konsequent ausbauen, um die wachsende Nachfrage zu decken. Dafür fordern wir auch den Bund auf, die Regionalisierungsmittel weiter zu erhöhen. Darüber hinaus fordern wir ein Tempolimit von 130 km/h auf Autobahnen sowie die notwendige Rechtsgrundlage, um in den Städten einfacher und mehr Tempo 30 zu ermöglichen.

Mittelfristige Maßnahmen:

  1. Der Verzicht auf Kohlenutzung in der Fernwärme und ihr klimaneutraler Umbau muss weiter mit absolutem Vorrang behandelt werden.
  2. Wir müssen als Stadt unserer Vorbildrolle zur Unterstützung des verbindlichen Transformationspfades bis 2030 gerecht werden und demgemäß zukünftig städtische Bauvorhaben klimaneutral planen, bauen und betreiben. Hierzu sind geeignete Kriterien zu entwickeln bzw. vorhandene Zertifizierungssysteme anzuwenden.
  3. Bezugnehmend auf das „Osterpaket“ des Bundes, müssen die städtischen Förderungen bei Neubauten ausschließlich für Vorhaben mit dem Mindeststandard EFH-40 vergeben werden.
  4. Die energetische Sanierung des Gebäudebestandes ist ein wichtiger Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit, da dadurch die finanzielle Belastung durch hohe Nebenkosten für Mieter*innen gesenkt wird. Daher soll Hamburg im Bundesrat die Durchsetzung von Sanierungspflichten für Gebäude mit den schlechtesten Energiestandards sowie eine Pflicht für Gebäudeeigentümer*innen, Sanierungspläne für ihre Objekte bzw. ihr jeweiliges Portfolio zu erstellen und vorzulegen, unterstützen.
  5. Kurzstreckenflüge machen in Hamburg derzeit 20% aller Flüge aus. Wir wollen, dass diese Slots reduziert werden und ein gemeinsames Verständnis mit anderen Flughafenstandtorten (Berlin, Köln, Frankfurt, München) erreicht wird. Gleichzeitig müssen wir uns weiterhin zielgerichtet für die Verbesserung einer attraktiven europaweiten Bahninfrastruktur einsetzen. Kommunikative Maßnahmen der Stadt Hamburg könnten darüber hinaus im öffentlichen Raum für einen Umstieg vom Flugzeug auf die Bahn (z.B. im ÖPNV) werben.
  6. Wir brauchen endlich einen Plan für die energetische Sanierung aller städtischen Gebäude, auch um nachhaltig Geld einzusparen. Soweit sie nicht an die Fernwärme angeschlossen werden können, müssen Gebäude überwiegend mit erneuerbaren Energien beheizt werden. Hierbei sollen verfügbare Bundesmittel abgerufen werden.

iDer AMIF ist das zentrale EU-Förderprogramm zur Finanzierung von Maßnahmen in den EU-Mitgliedstaaten und ermöglicht Maßnahmen unter anderem für Geflüchtete aus der Ukraine (siehe Richtlinie §2 c). Bei Bedarf können über diesen Fond Finanzierungslücken zwischen den Förderperioden geschlossen werden, wodurch die Eingliederungs- und Verwaltungsbudgets der Jobcenter weiterhin auskömmlich ausgestaltet werden können. Damit können Jobcenter den durch Geflüchtete gestiegenen Empfängerzahlen gerecht und mindestens eine qualitativ gleichbleibende Betreuungsintensität ermöglicht werden.