Vom Ihr zum Wir – Grüne Vision für Hamburg 2030 entwickeln

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In den vergangenen Jahren haben wir uns als Landesverband intensiv um unsere programmatische Weiterentwicklung gekümmert und mit dem Clusterprozess und dem Bürgerschaftswahlprogramm einige Lücken geschlossen. Doch natürlich muss sich die programmatische Arbeit einer Partei auch fortlaufend an gesellschaftlichen Veränderungsprozessen orientieren. Die derzeit markanteste Herausforderung, der wir uns auch als Stadtstaat täglich stellen, ist die Entwicklung hin zu einer durch Einwanderung immer vielfältiger werdenden Gesellschaft.

Die Europäische Union steht vor einer großen Aufgabe. So viele Geflüchtete wie nie zuvor suchen derzeit in Europa und in Deutschland Schutz vor Krieg und Verfolgung. Darauf muss sich unsere Gesellschaft einstellen und dafür muss die Infrastruktur geschaffen werden. Wir sehen die notwendigen Anstrengungen und wir sehen die großen Chancen für unser Land, unsere Stadt und die Menschen. Es ist an uns, diese Chancen durch politisches Handeln optimal zu nutzen.

Die öffentliche Meinung bewegt sich zwischen zwei Polen: „Wir schaffen das“ sagt die eine Seite . Die andere Seite ruft nach Obergrenzen und versucht, das Recht auf Asyl auszuhöhlen. Wir als GRÜNE in Hamburg beziehen ganz klar Position für ein „Wir schaffen das“. Wir wollen die große Hilfsbereitschaft und die Willkommenskultur stärken und weiterentwickeln. Dazu gehört ein gesamtgesellschaftliches Selbstverständnis als Einwanderungsland. Wir sind der festen Überzeugung, dass eine interkulturelle Öffnung der Gesellschaft möglich ist und wir wollen alles tun, um diese zu erreichen. Die Basis sind die Werte unseres Grundgesetzes. Trotz erwartbarer Rückschläge und Missverständnisse stehen wir zu diesem Zukunftsprojekt. Hamburg ist europäisch und weltoffen. Wir wollen Europas völkerrechtlicher Verantwortung in der Welt gerecht werden. Wir wissen auch, dass es Hamburg nur gut geht, wenn es Europa gut geht. Deswegen leistet Hamburg seinen Beitrag für die Lösung europäischer Probleme.

In Hamburg kommt es nicht darauf an, wo man herkommt, sondern was man hier vorhat. Im Mittelpunkt steht der einzelne Mensch, der sich selbstbestimmt entwickeln und im Gemeinwesen mitbestimmen können soll. Wir beleben den Gedanken der Stadtrepublik neu: Alle Menschen die hier wohnen, haben die gleichen Rechte und gestalten gemeinsam unsere Stadt.

Immer wieder gibt es Angriffe auf unsere demokratischen Werte. Das gilt sowohl für die erschreckende Zunahme von Brandstiftungen und anderen Gewalttaten gegen Geflüchtete und ihre Unterkünfte, als auch für diejenigen, die für solche Taten den politischen Vorwand liefern. Auch die Terroranschläge in Paris und vielen anderen Städten, die unsere Offenheit und die gemeinsamen demokratischen Werte in der Europäischen Union angreifen, ändern nichts an unserer Überzeugung. Wir lassen uns diese Werte nicht nehmen. Wir verteidigen sie, indem wir sie jeden Tag leben. Wir verteidigen Sie gegen den Islamischen Staat ebenso wie gegen die Faschist*innen in Deutschland und Europa.

Ein weiterer wichtiger Veränderungsprozess ist der demografische Wandel. Das ist in Deutschland keine neue Entwicklung, sondern schon viel diskutiert worden, vor allem im Hinblick auf den Arbeitsmarkt und die möglichen Folgen für unser Gesundheitssystem. Welche konkreten Auswirkungen eine alternde Gesellschaft auf alle Bereiche unserer Stadt hat, haben wir noch nicht hinreichend debattiert.

Wie können wir diese Entwicklungen positiv gestalten? Wie können wir als Gesellschaft offener werden? Wie ist unser Bild vom Alter? Was bedeuten eine alternde Gesellschaft und die Integration vieler Neu-Hamburger*innen für unseren Arbeitsmarkt? Wie soll unser gemeinsames Leben in Hamburg aussehen? Wie sorgen wir für ein gutes, und gesundes Leben für Jung und Alt? Wie gewährleisten wir auch im hohen Alter möglichst viel Selbstbestimmung? Und wie müssen wir unsere Stadt baulich weiterentwickeln?

Selbstbestimmung als Ausgangspunkt verlangt auch, dass die Bürger*innen an den Prozessen unseres Gemeinwesens tatsächlich mitwirken können. Es bedarf mehr und nicht weniger Demokratie. Es kommt vor allem auf die Stärkung des demokratischen Dialogs an, also auf den breiten Bereich unterhalb direkter Demokratie. Demokratische Mitwirkung ist ein Prozess, der wechselseitig verpflichtet: Nicht nur die staatlichen Akteure müssen bei der Realisierung von Vorhaben mitwirken, auch die Bürgerinnen und Bürger müssen mithelfen, anpacken und auf andere Rücksicht nehmen.

Die Digitalisierung ist eine weitere Entwicklung, die Chancen und Risiken für die Gesellschaft mit sich bringt. Heute können wir via E-Mail, Smartphone und soziale Netze mit Menschen auf der ganzen Welt kommunizieren. Informationen können wir im Internet recherchieren oder auch selbst bereitstellen. Wer mag, kann via Smartphone auf dem Heimweg schon einmal den Backofen anstellen und auch das selbstfahrende Auto wird bereits getestet. Für die Energiewende bieten neue Technologien wie intelligente Netze („Smart Grids“) interessante Potentiale. All diese Entwicklungen prägen schon heute unser Leben. Doch welche Chancen bieten sie für viele Lebensbereiche, etwa Kommunikation, Mobilität, Gesundheit, Bildung, Energieeffizienz und auch demokratische Willensbildungsprozesse? Wie können sie Hamburg als Innovationsstandort stärken? Und welche Risiken bergen diese Entwicklungen zugleich? Die Autonomie über unsere Daten darf in der digitalen Welt nicht durch unkontrollierte Datensammlungen oder eine umfangreiche Überwachung beeinträchtigt werden. Wie stellen wir sicher, dass die Selbstbestimmung über die eigenen Daten und die Privatsphäre nicht gefährdet werden? Auch die Stadt muss durch sichere Netze und IT die vertraulichen Daten ihrer Bürger*innen besser schützen. Die Vorkommnisse im Deutschen Bundestag haben uns allen gezeigt, wie gefährdet auch öffentliche Netze sind. Wir wollen auch in der digitalen Welt die Partei der Bürgerrechte sein!Durch die beschriebenen Entwicklungen sind wir als Partei in Hamburg herausgefordert, besonders in vier Politikfeldern bisherige Positionen zu hinterfragen, neu aufgekommene Probleme zu diskutieren und Lösungen zu entwickeln: a) Stadtentwicklung ist mehr als nur Beton – für ein gesundes Leben in nachhaltigen Quartieren, b) Vielfalt als Chance und Herausforderung, c) Bildung von Anfang an für alle und d) Um Demokratie zu erhalten müssen wir sie leben und verteidigen.

Bei den Wahlen in vier Jahren wird es darauf ankommen, dass wir klar benennen können, was sich in dieser Stadt durch uns zum Positiven verändert hat, an welchen Punkten wir die entscheidenden Weichen gestellt haben und wo wir noch hinwollen. Dafür brauchen wir als GRÜNE Partei in Hamburg zwei Dinge: Eine Vision davon, wie wir uns die Gesellschaft und das Miteinander vorstellen und eine konkrete Programmatik. Daran wollen wir gemeinsam in einem integrierten Prozess arbeiten.

1. Die Themen

a) Stadtentwicklung ist mehr als nur Beton – für ein gesundes Leben in nachhaltigen Quartieren

Hamburg ist eine moderne, attraktive und beliebte Großstadt mit wachsender Bevölkerungszahl. Der Druck auf die noch zu entwickelnden Flächen und deren ökonomische Verwertung ist in den vergangenen Jahren daher stark gestiegen. Viele Hamburger*innen merken das tagtäglich bei überfüllten Wohnungsbesichtigungen, an stark gestiegenen Grundstückspreisen und in überfüllten Bussen, Bahnen und Fähren. Mit der Bevölkerung wachsen auch die Anforderungen an die Infrastruktur. Wenn sich mehr Menschen in der Stadt bewegen, stoßen Straßen und öffentliche Verkehrsmittel schnell an ihre Grenzen. Lange Staus und zugeparkte Straßen lassen heute schon viele Menschen täglich fluchen. Die vielen Autos produzieren gesundheitsschädlichen Lärm und Abgase. Die Feinstaubwerte liegen an vielen Haupt-Verkehrsachsen im gesundheitsgefährdenden Bereich. Wir wollen deshalb den Lärm und die Abgaswerte verringern und gleichzeitig die Infrastruktur ausbauen, um unser zentrales Ziel zu erreichen: ein gesundes Leben in der Großstadt.

Zwischen Unterbringen und Wohnen

Das Wohnungsbauprogramm war ein richtiger Schritt zur Bekämpfung der Wohnungsnot. Ebenso wichtig waren die Umsetzung der Mietpreisbremse und die Einführung des Bestellerprinzips bei der Maklerprovision. Wir haben in den Bezirken für den Erhalt unserer Naturschutzgebiete, Feldmarken, ökologischen Ausgleichsflächen, grünen Wiesen und Freiräume gerungen, um Hamburg als grüne Stadt zu erhalten. Wie kann es uns trotz der Flächenkonkurrenz gelingen, vorhandene Grünräume zu verbinden sowie zusammenhängende Achsen etwa entlang der vielen Wasserachsen zu schaffen? Doch mit dem wachsenden Bedarf an Wohnungen stellt sich vehementer die Frage, welche Flächen für welchen Zweck verwendet werden sollen.

Wir GRÜNE streiten schon lange für die dezentrale Unterbringung von Geflüchteten, und halten sie nach wie vor für wünschenswert. Dass viele Geflüchtete trotz klarer Bleibeperspektive jahrelang fremdbestimmt und auf engstem Raum in der Folgeunterbringung leben müssen, wollen wir schnellstens ändern. Allerdings ist die aktuelle Entwicklung so, dass die von uns bisher eingeforderten Standards für eine echte Integration und Lebensperspektiven für Geflüchtete in Hamburg derzeit schwer umsetzbar sind. Auch wir suchen nun nach Gewerbeflächen, wir müssen einsehen, dass es zwischenzeitlich notwendig sein kann, auf Provisorien zurückzugreifen. Auch wir sehen, dass es schwer ist, ausreichend geeignetes Personal zu finden, das die Unterstützung, die wir uns so sehr für die geflüchteten Menschen wünschen, sichern kann. Die Flüchtlingsunterkünfte mit Perspektive Wohnen werden in der Stadt durchaus kontrovers diskutiert. Wir wollen alles dafür tun, dass keine neuen Brennpunkte entstehen. Unsere Politik stellt damit eines klar: Wir brauchen echten, menschenwürdigen Wohnraum, der Container, Zelte und ehemalige Baumärkte ersetzt. Kann auch eine bauliche Qualität die Akzeptanz erhöhen und die spätere Durchmischung der neuen Quartiere eventuell befördern?

Es wird nicht bei den 6000 Wohnungen pro Jahr aus dem Wohnungsbauprogramm bleiben können. Auch viele Hamburger*innen suchen seit Jahren vergeblich nach passendem und bezahlbarem Wohnraum auf dem ohnehin seit Jahren angespannten Wohnungsmarkt. Aktuell gibt es Initiativen – auch auf Grüner Ebene im Bund – eine gesetzliche Grundlage für eine „neue Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen“ zu schaffen. Auch Hamburg muss langfristig einen dauerhaft gesicherten Wohnungsbestand für vordringlich Wohnungssuchende schaffen. Wir müssen dafür sorgen, dass alle Menschen unabhängig vom Einkommen, Herkunft oder Geschlecht Wohnraum auch im Inneren der Stadt finden. Wir wollen eine Stadt für Alle. Nur welcher Weg ist der Richtige? Wie kann also das Wohnungsbauprogramm der Zukunft aussehen? Welche Rolle können dabei Genossenschaften, Baugemeinschaften, Unternehmen mit Gemeinwohlorientiertem Ansatz sowie neue Wohnformen spielen? Wie ermöglichen wir den Geflüchteten ein menschenwürdiges Leben und Wohnen? Wie bringen wir die verschiedenen Anforderungen an Wohnraum zusammen? Können wir ein integriertes und integrierendes Wohnungsbauprogramm entwickeln, das auch den Wohnraum für Geflüchtete berücksichtigt? Was macht ein Bauboom mit unserer Stadt? Wie verhindern wir die Entstehung von sozialen Brennpunkten? Wie können wir die Situation in bereits bestehenden Brennpunkten verbessern? Welche Bedürfnisse haben Geflüchtete für das Zusammenleben und wie können wir diesen gerecht werden?

Lebensqualität steigern – Hamburgs Grün gezielt erweitern

Die Attraktivität Hamburgs liegt neben den guten Lebens-, Freizeit- und Arbeitsmöglichkeiten vor allem im vielfältigen Grün, der Lage am Wasser und der biologischen Vielfalt. Natur ist auch in der Stadt erlebbar. Deshalb treten wir gerade hier für den Umwelt- und Naturschutz ein. Schon immer gab es Versuche, aus Grün- und Umweltschutzflächen Bauland zu machen – für die gewerbliche Nutzung oder den Wohnungsbau. Doch mit der Aufgabe, in kurzer Zeit sehr viele Menschen aufzunehmen ist der Druck immens gestiegen. Wir GRÜNE haben uns bewegt, weil auch für uns der Mensch an erster Stelle steht. Doch wir sind genauso davon überzeugt, dass Hamburg nur dann gewinnt, wenn sich die Stadt nachhaltig entwickelt.

Wie können wir Hamburg als grüne Stadt mit vielen Bäumen, Parks, Natur- und Landschaftsschutzgebieten sowie Freiflächen erhalten? Wo ist beim Flächenverbrauch unsere Schmerzgrenze? Wie bringen wir ökologisches Bauen und Modernisieren weiter voran? Wie müssen wir in Zukunft bauen? Wie gehen wir mit bestehenden Gebäuden und dem Denkmalschutz um? Bauen wir mehr in die Höhe um Flächenfraß zu vermeiden? Wo sind die Grenzen der Nachverdichtung? Wie schaffen wir einen Ausgleich für Grünflächenverbrauch in der Stadt? Wie soll die energetische Versorgung langfristig aufgestellt sein? Und wie sorgen wir dafür, dass man in Hamburg gesund leben kann ohne, dass Lärm und Feinstaub uns krank machen?

Mehr Menschen brauchen mehr Infrastruktur

Wir setzen im Verkehrsbereich auf eine Verlagerung des Verkehrs hin zu mehr Radverkehr und einer verstärkten Nutzung des HVV. Damit das gelingt, müssen die Bedingungen stimmen: nur ein umfangreich ausgebautes Radverkehrsnetz bringt die Menschen auf ihr Fahrrad. Die Kapazitäten auf den beliebten Routen des HVV müssen ausgebaut werden, damit überfüllte Busse und Bahnen nicht genauso abschrecken wie verstopfte Straßen. Eine Verkehrswende erfordert viel Kraft und Ausdauer, ist langfristig aus unserer Sicht aber unabdingbar, um die Themen nachhaltige Mobilität und Gesundheit voranzubringen. Ebenso wie beim Wohnungsbau wollen wir die Menschen vor Ort dabei bestmöglich mitnehmen. Wir wollen die Verkehrs- und Versorgungsinfrastruktur intelligent weiterentwickeln. Wir brauchen qualitatives und quantitatives Wachstum. Breitbandige Vernetzung ist eine Voraussetzung dafür, dass innovative Konzepte bei Transport, Logistik und Energieversorgung entwickelt werden können.

Was bedeutet der Bau von großen Einrichtungen am Rand der Bezirke für unsere Infrastruktur? Wollen wir die Stadt entlang von neuen S-Bahn oder U-Bahn-Stationen entwickeln? Wie bauen wir Brücken zwischen den neuen und den bestehenden Stadtteilen? Wie können wir unsere Verkehrskonzepte mit den Anforderungen zusammenbringen?

Vom Ihr zum Wir im Quartier

Wir wollen eine Vision vom Zusammenleben in Hamburg entwickeln. Eine Großstadt muss nicht zwangsläufig durch Anonymität und Egoismus geprägt sein. Menschen haben ganz unterschiedliche Bedürfnisse und Wünsche, Hintergründe und Ideen. Wie können wir erreichen, dass alte und junge Menschen sowie Menschen unterschiedlichster Kulturen und Einkommensklassen hier dauerhaft nachbarschaftlich Tür an Tür leben?

Welche Ansprüche an Beteiligung haben wir und wie wollen wir diese einlösen? Wie binden wir soziale und kulturelle Akteure in den Quartieren gut ein? Wie können wir niedrigschwellige Gesundheitsversorgung und -bildung wohnortnah organisieren? Welche Bewegungs- und Sporträume werden für unterschiedliche Altersgruppen benötigt? Wer baut hier eigentlich und für wen? Wie schaffen wir in den Quartieren auch Arbeitsplätze für die Menschen? Wie entwickeln wir die alten und die neuen Stadtteile unter dem Aspekt der Inklusion von Menschen mit Behinderung und einer älter werdenden Gesellschaft weiter? Und wie bekommen wir es hin, dass an ein gutes Miteinander und ein gutes Leben möglich sind?

b) Vielfalt als Chance und Herausforderung

Die Integrationsleistung wird nicht mit der Frage des Wohnens erledigt sein. Nachbarschaft, Freundschaften, soziale Teilhabe, Mitbestimmung und auch die Organisation von eigenen Interessen sind weitere zentrale Aspekte. Damit Integration langfristig gelingt, müssen wir unsere Hamburger Communities öffnen, ob Hafenclub, Sportverein, Stadtteilbeirat, Partei, Naturschutzverband, Kirchenchor etc. Öffnen heißt, Menschen in unseren Kreis zu holen und ihnen auf gleicher Augenhöhe zu begegnen, sie ein Teil der Gesellschaft werden zu lassen, ihnen zu helfen und sich von ihnen helfen zu lassen. Von ihren Erfahrungen zu profitieren und ihre Perspektive gelten zu lassen. Ihnen unsere Perspektive zu zeigen und sie für unser Leben zu gewinnen. Gerade wir GRÜNE wissen, dass das kein einfacher Weg ist. Es ist leichter gesagt als getan. Wir heißen die Vielfalt willkommen. Wir verstehen sie nicht als Hindernis oder Gefahr, sondern als Chance und Bereicherung. Wir brauchen aber auch eine gesellschaftliche Verständigung darüber, was der Umgang mit Vielfalt genau bedeutet. Reden wir über Integration? Reden wir über Diversity? Oder reden wir über Inklusion? Eine Assimilation im Sinne der Anpassung an eine „deutsche Leitkultur“ kann nicht unsere Antwort sein.

Ehrliche Integration bzw. Inklusion ist immer ein beidseitiger Prozess des Aufeinanderzugehens und des gegenseitigen Verstehens. Ein wichtiger Schritt ist die interkulturelle Öffnung unserer Gesellschaft. Sie ist ein Weg, der von Missverständnissen und Niederlagen ebenso geprägt sein wird wie vom gemeinsamen Verstehen lernen und vom Miteinander gewinnen. Aber wir sind überzeugt: Nur dieser Weg führt für Hamburg zu einer Zukunft, in der wir alle gemeinsam erfolgreich und zufrieden sein können. Alles andere führt in eine Sackgasse.

Auch hier stellt sich die Frage: Wie gelingt das alles? Und was bedeutet das konkret? Was sind für uns GRÜNE Maßstäbe einer gelingenden interkulturellen Öffnung? Was ist notwendig für gesellschaftlichen Zusammenhalt und gegenseitige Akzeptanz? Wie begegnen wir denen, die sich nicht öffnen wollen – und zwar sowohl bei der Aufnahmegesellschaft als auch den Neuzuwander*innen? Was müssen wir für gelingende Integration gesetzgeberisch tun? Welche Strukturen brauchen wir? Wo brauchen wir gesellschaftliche Impulse? Was sind die Grenzen staatlichen Handelns, was der Beitrag der Zivilgesellschaft?

Unbedingte Gleichstellung

Machen wir uns nichts vor: Die Gleichstellung von Frauen, Homosexuellen und Transgender sowie Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans* und Intersexuellen (LSBTI*) ist kein von allen geteiltes Ziel. Schon die Ehe für alle ist für Konservative in diesem Land noch immer eine große Hürde, die sie nicht überwinden wollen. So geht es auch vielen Menschen, die hier Zuflucht suchen. Das gleiche gilt auch für die Frage, welchen Stellenwert Frauen in der Gesellschaft haben. Unbedingte Gleichstellung ist ein Eckpfeiler dieser Gesellschaft. Wir GRÜNE setzen uns seit unserer Gründung dafür ein, dass sie Wirklichkeit wird.

Wir müssen darüber reden, was es bedeutet, wenn wir Tausende Menschen, in deren Gesellschaften die eigenständige Rolle der Frau nicht selbstverständlich ist, hier integrieren wollen. Die hoch emotionalisierten Debatten über die zahlreichen und erschreckenden Übergriffe auf Frauen in der Silvesternacht in verschiedenen deutschen Städten hat diese Herausforderung deutlich gemacht. Wir wollen uns ihr stellen. Dafür ist es nötig, dass wir nicht verdrängen, dass Sexismus und sexualisierte Gewalt nach wie vor gesamtgesellschaftliche Probleme sind, die Frauen ganz grundsätzlich betreffen.

Zusätzlich zu den bestehenden Angeboten für Frauen, brauchen wir für die geflüchteten Frauen eine Lobby, spezielle Angebote für die Integration in den Arbeitsmarkt, einen wirksamen Schutz vor Gewalt und eine medizinische Versorgung, die sowohl die physischen, als auch die psychischen Folgen von Krieg und Verfolgung kultursensibel zu verarbeiten hilft. Gleiche Angebote brauchen wir auch für LSBTI*.

Die Abhängigkeiten, in denen Frauen auf der Flucht stecken und denen sie auch hier angekommen häufig nicht entgehen können, dürfen wir als GRÜNE nicht hinnehmen. Der Schutz von Frauen vor Gewalt war viel zu lange ein blinder Fleck in der öffentlichen Unterbringung. Wir haben schon deutliche Fortschritte erreicht, wir werden den Gewaltschutz immer weiter einfordern und verbessern.

Wie gehen wir mit Menschen um, die ein Rollen- und Freiheitsverständnis haben, das unserem Grundgesetz entgegen steht? Wie können wir in Hamburg dafür sorgen, dass die absolute Gleichstellung von Frauen Realität wird? Wie können wir mit Geflüchteten über die Fragen von Emanzipation und Gleichberechtigung von Beginn an ins Gespräch kommen? Wie können wir nicht nur die Männer, sondern auch die Frauen erreichen? Welche speziellen Angebote brauchen wir?

Arbeitsmarkt

Neben Bildung und Wohnen ist Arbeit zentral für ein selbstbestimmtes Leben und für Partizipation in der Gesellschaft. Der demographische Wandel bereitet uns seit Jahren Sorgen im Hinblick auf den Arbeitsmarkt. Parallel verändert die Digitalisierung fortlaufend den Arbeitsmarkt. Alte Arbeitsplätze im Bereich der Dienstleistungen gehen verloren, neue entstehen. Gleichzeitig ändern sich Beschäftigungsstrukturen. Selbstständigkeit bzw. Freiberuflichkeit spielt eine immer stärkere Rolle. Noch ist unklar, wie sich der Zuzug so vieler Menschen in diesem Kontext auswirkt. Die Offenheit vieler Hamburger Unternehmen ist eine große Hilfe bei der Integration in den Arbeitsmarkt.

Eine eigenständige Existenzsicherung von Frauen als Basis für ihre Unabhängigkeit muss weiter unser Ziel bleiben. Ein Blick nach Schweden zeigt, dass besonders die Integration von Frauen gut gelingen kann. So sind dort 80% der Frauen mit Migrationshintergrund in der zweiten Generation gut in den Arbeitsmarkt integriert und zum Großteil in Vollzeit berufstätig sind. Zwei Punkte sind hierfür zentral: der Zugang zu (meist kostenloser) Kinderbetreuung und zu Bildungsangeboten. Beides wollen wir bereitstellen.

Wir wollen diskutieren, wie wir die Menschen in Arbeit bringen können. Wie können wir Ihnen Existenzgründungen ermöglichen? Welche Programme brauchen wir für einen Berufseinstieg oder Wiedereinstieg? Wie gehen wir mit im Ausland erworbenen Qualifikationen um? Wie bewegen wir Arbeitgeber*innen dazu, mehr Menschen eine Chance zu geben, auch wenn ihre Deutschkenntnisse nicht perfekt sind? Wie kann sich der erste Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderungen, mit psychischen Erkrankungen und anderen Handicaps öffnen? Welche Möglichkeiten bietet die Digitalisierung für neue Formen der Arbeit, neue Arbeitszeitmodelle? Wie können wir Arbeitnehmer*innen auf den Wandel der Arbeitswelt durch die Digitalisierung vorbereiten? Welche Rolle spielen künftig sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse? Sind unsere Instrumente der Beschäftigungspolitik auf diesen Wandel überhaupt vorbereitet? Auf welchen Arbeitsmarkt der Zukunft qualifizieren wir Neubürger*innen überhaupt? Wie können wir eine Kultur auf dem Arbeitsmarkt etablieren, die jedem und jeder ein Chance gibt?

c) Bildung von Anfang an für alle

Jedes Kind ist neugierig, jedes Kind will lernen. Egal, wo es geboren wurde. Lernen beginnt mit der Geburt und geht ein Leben lang weiter. Die entscheidende Frage für uns ist: Was ist nötig, damit jeder Mensch so viel und so lange wie möglich lernt? Mit Freude am Lernen, mit erkennbaren Fortschritten. Wie kann jede und jeder das eigene Potential am besten entdecken und entfalten? Zum eigenen Wohl und zum Wohl der Gesellschaft? Was bedeutet die Digitalisierung für die Bildung der Zukunft? Wie können Lernende und Pädagog*innen von der Digitalisierung profitieren? Wo sind Risiken? Was bedeutet die Digitalisierung für eine ganzheitliche und nachhaltige Bildung, wie wir sie verstehen?

In den Kitas spielt die Begleitung von Lernprozessen eine größere Rolle. Mit der Reduzierung der Schulformen auf das Gymnasium und die Stadtteilschule, mit dem Start in die Inklusion sind wir in Hamburg vor fünf Jahren wichtige Schritte gegangen, um die Rahmenbedingungen für das schulische Lernen zu verbessern. Das Übergangssystem von der Schule in den Beruf haben wir neu geordnet, die Zugänge zu den Universitäten und Hochschulen verändert. Kurz: An vielen Stellschrauben wurde gedreht, um das Bildungssystem gerechter, durchlässiger und zugleich leistungsfähiger zu machen.

Doch gleichzeitig stellen wir fest: Der Druck, der Stress im System des Lernens scheint zu steigen, nicht zu sinken. Die gemessenen Ergebnisse stellen uns ebenfalls nicht zufrieden. Druck und Stress ersticken erfolgreiches Lernen, sind Gift für gute Bildungsprozesse. Uns geht es nicht um Kuschelpädagogik, sondern um eine Pädagogik, in der alle mit Freude lernen; in der Leistung so selbstverständlich wird, dass niemand auf die Idee kommt, sie in Frage zu stellen.

Die gerechte und leistungsstarke Schule entwickeln – ideologiefrei, nüchtern und selbstkritisch

Wenn in vier Jahren der Schulfrieden ausläuft, müssen wirdeutlich machen, was in Hamburg innerhalb von zehn Jahren erreicht wurde. Was war erfolgreich? Wo stehen wir immer noch vor Herausforderungen? Welche neue Aufgaben gibt es? Wir wollen diese Bilanz schonungslos und ideologiefrei ziehen. Im Austausch mit den Menschen in der Stadt. Wir wollen um unseren Bildungsbegriff ringen, uns öffnen für Ideen. Wenn es unser Ziel ist, wieder die Bildungspartei zu sein, müssen wir vor allem eines zeigen: Dass wir selbst lernen können! Eine Partei, die als Organisation nicht lernt, nicht neugierig ist auf andere Ideen und Sichtweisen, die kann nicht erfolgreich Bildungspolitik gestalten.

Doch bei aller Offenheit: Wir GRÜNE werden weiter dafür kämpfen, dass alle Kinder gerechte Bildungschancen bekommen. Mit vielfältigen Lernwegen wollen wir jedes Kind passgenau unterstützen. Das Schulsystem muss mit der Tatsache umgehen, dass viele Kinder einen Migrationshintergrund haben. Wir als Politik haben die Verantwortung, die Grundlagen dafür zu schaffen, dass Segregation nicht Inklusion verhindert. Die Selektivität unseres Bildungssystems und die Vererbung von Armut durch mangelnde Chancen und soziale Exklusion wollen wir nicht hinnehmen. Wenngleich auch der Volksentscheid zur Primarschule verloren ging, so haben wir doch weiterhin die Überzeugung, dass Schüler*innen in heterogenen Gruppen erfolgreicher lernen und dass die neuen Formen individuellen Lernens, die wir ab 2008 vorangetrieben haben, Grundlagen für echte Chancengerechtigkeit sind. Wir werden deshalb neue Antworten auf die alten Fragen nach einem leistungsfähigen und gerechten Bildungssystem suchen, in dem Förderung bereits im Kitaalter beginnt und Lernen uns das ganze Leben lang begleitet.

Die Vielzahl der Geflüchteten stellt besondere Anforderungen an unsere Bildungs- und Sozialeinrichtungen. Die Schulen müssen eine unglaubliche Integrationsleistung erbringen. Das gleiche gilt für Kitas, Berufs- und Hochschulen, Jugendtreffs, Gemeinden, Vereine und viele andere Initiativen und Einrichtungen. Wir müssen gemeinsam diskutieren, wie wir die Stadtteilschulen jetzt besonders stärken, wie wir die selbstverantwortete Schule weiterentwickeln, wie wir die Gymnasien stärker in die zu bewältigende Aufgabe einbinden, wie wir bessere Übergänge zwischen den Bildungsinstitutionen schaffen, wie wir geflüchteten Kindern und Jugendlichen den Einstieg ermöglichen und Perspektiven mit Ihnen und für sie entwickeln. Dazu kommt immer noch die Frage, wie Inklusion wirklich gelingen kann. Strukturelle Veränderungen sind dabei nur einer von vielen möglichen Wegen auf dem Ziel zu mehr Gerechtigkeit und Leitungsfähigkeit im Bildungswesen.

Kita und Kinder- und Jugendhilfe stärken

Bildung ist der Grundstein für das Leben. Uns ist seit Jahren bewusst, dass gerade die frühkindliche Bildung eine wichtige Grundlage für den Bildungserfolg ist. Wir arbeiten bereits an einer qualitativen Verbesserung der Kita – unter anderem indem wir den Betreuungsschlüssel im Krippenbereich bis 2019 auf ein Verhältnis von 1:4 erhöhen wollen. Doch auch im Elementarbereich sind weitere Verbesserungen dringend nötig, um die Kita als Lernort weiter zu entwickeln und auch den Kindern zwischen 3 und 6 Jahren gerecht zu werden. Derzeit kommt im Elementarbereich im schlechtesten Fall eine Erzieher*in auf 12 Kinder. In der Kita stehen wir darüber hinaus vor den gleichen Herausforderungen wie in der Schule: Wie vermeiden wir zu starke Segregation? Und wie können die Kitas für Kinder und Eltern Orte werden, die bei der Integration helfen? Wie kann Bildungsbenachteiligung frühzeitig durch Förderung entgegen gewirkt werden?

Die Kinder- und Jugendhilfe bzw. die offene Kinder- und Jugendarbeit ist ein wichtiger Baustein für eine inklusive und leistungsstarke Bildungslandschaft. Welche Angebote kann sie zukünftig bereitstellen? Welchen Beitrag kann Jungendverbandsarbeit zur Integration leisten?

Berufsbildung, Universität, Weiterbildung

Nicht nur für Kinder ist Bildung zentral.. Die Bildungsbiografien vieler Einheimischer sind nicht frei von Brüchen, dem Streben nach zweiten Chancen und dem Aufstieg durch Bildung. Auch die Vorbildung der Menschen, die zu uns kommen, ist extrem unterschiedlich. Von exzellent ausgebildeten Akademiker*innen bis zu Menschen, die nie eine Schule besucht haben, sind alle erdenklichen Biografien dabei. Viele Menschen mussten ihre Bildung in der Schule oder an der Universität unterbrechen oder können ihrem erlernten Beruf seit Jahren nicht nachgehen. Wir dürfen diese Menschen nicht ausschließlich im Niedriglohnbereich verorten. Vielmehr sollte es in jeder Phase des Lebens die Möglichkeit geben, sich zu qualifizieren. Lebenslanges Lernen wird nicht nur der Schlüssel zum Erfolg einzelner sein, sondern der unserer gesamten Gesellschaft.

Unser deutsches Ausbildungsmodell, das Praxis und Berufsschule vereint, ist so erfolgreich, das wir in zahlreichen Ländern darum beneidet werden. Doch wir wir dürfen dabei nicht verkennen, dass der hohe Theorieanteil für einige junge Menschen eine große Hürde darstellt. Für all jene, die die Theorie in der Berufsschule nicht bewältigen können, brauchen wir neue Wege. Können neue, verkürzte Ausbildungsgänge für Berufe mit sehr einfachen Anforderungen eine Lösung sein? Welche Rolle kann die Modularisierung der Ausbildung spielen, so dass diese Stück für Stück aufgebaut werden kann? Welche Möglichkeiten gibt es, die fehlende Grundbildung noch im Erwachsenenalter nachzuholen?

Der Zugang zu Hochschulbildung ist von immenser Bedeutung. Wir GRÜNE haben dies immer mit der Forderung nach offenen Hochschulen und einer guten Ausstattung unterstrichen. Die Hamburger Hochschulen zeigen sich offen für die neue Situation und machen spezielle Angebote für Geflüchtete. Doch auch hier stellen sich Fragen nach der Anerkennung, der Übergänge und der Chancengerechtigkeit, die beantwortet werden müssen. Zudem können die Hochschulen auch bei der Entwicklung von Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen einen wichtigen Beitrag leisten.

Hier bietet die Digitalisierung von Lehrinhalten neue Optionen. Schon seit längerem werden sog. MOOCs (massiv open online courses) eingesetzt. Diese kostenlosen Onlinekurse, haben eine große Teilnehmerzahlen und kombinieren traditionelle Formen der Wissensvermittlung wie Videos, Lesematerial und Problemstellungen mit Foren, in denen Lehrende und Lernende miteinander kommunizieren und Gemeinschaften bilden. Die hochschulübergreifende Digitalisierungsstrategie, die der Senat zu Jahresbeginn beschlossen hat, strebt eine Open Online University an. Präsenzlehre soll mit den Möglichkeiten digitaler Technologien zusammengeführt werden. Ermöglichen uns diese Entwicklungen nicht, auch über einen offeneren Hochschulzugang nachzudenken? Wie werden sich das Studium und dadurch auch die Lebensbedingungen von Studierenden verändern?

Wir sollten uns in den nächsten Jahren genau ansehen, was die neue gesellschaftliche Situation für unsere Bildungsinstitutionen bedeutet. Ein langfristiger, bis zur Bürgerschaftswahl 2020 angelegter, sehr partizipativer Prozess hilft uns, eine Vorstellung von unserer Hamburger Bildungslandschaft der Zukunft zu entwickeln.

d) Um Demokratie zu erhalten, müssen wir sie leben und verteidigen

Mit den Herausforderungen der Flüchtlingssituation in Europa häufen sich auch in Deutschland die Versuche sich abzuschotten und damit Menschenrechte auf Eis zu legen. Schwierigkeiten bei der Ankunft in einer neuen Kultur und bei der Integration werden zum Anlass genommen, rechte Ressentiments zu schüren und durch die Formulierung neuer Ausschlusskritierien gesellschaftliche Veränderungen zu unterbinden.

Das destruktive Potential der rechten und der antiislamischen Populist*innen ist gewaltig. Es geht in deren Propaganda darum Muslim*innen gegen Christ*innen, Araber*innen gegen Jüd*innen, Deutsche gegen Türk*innen und Migrant*innen gegen Einheimische auszuspielen. Diese Schubladen helfen nicht weiter und wir wollen sie nicht bedienen. Wir sollten den Fokus auf das richten, was verbindet und nicht auf das, was uns vermeintlich trennt.

Wir versuchen als Demokrat*innen, diesen rechten, antiislamischen und antidemokratischen Bestrebungen etwas entgegenzusetzen. Doch auch wir appellieren häufig einfach: „Integriert euch“. Damit tragen wir zu der Wahrnehmung bei, dass kulturelle, ethnische, religiöse und soziale Vielfalt zwangsläufig ein Problem sein müssen. Und das, obwohl wir Grüne wissen, dass diese Vielfalt nicht notwendigerweise im Widerspruch zu unseren Werten steht.

Bei aller Kritik an den anti-islamischen Populist*innen, ist uns klar: islamistischer Extremismus ist genauso eine Bedrohung für unsere Demokratie, wie der wachsende Rechtsextremismus in unserem Land. Islamistischer Extremismus kommt jedoch nicht nur von außen zu uns, sondern entsteht ebenso hier in Deutschland. Gerade junge Menschen scheinen besonders empfänglich für die Propaganda der Extremist*innen zu sein. Wie kann unsere Strategie für den Kampf gegen islamistischen Extremismus und Terror aussehen, die eingebettet ist in ein allgemeines Verständnis, dass Muslim*innen nicht gleich Extremist*innen sind?

Deutschland hadert damit, Migrant*innen allzu schnell die Möglichkeit einzuräumen, deutsche Staatsbürger*innen zu werden. Die Staatsbürgerschaft gibt es als Belohnung für gelungene Integration. Was für ein Widerspruch! Dies beruht auf dem Gefühl, sich abgrenzen zu wollen – so lange bis der andere so geworden ist wie man selbst. Erst dann darf er oder sie auch „mitspielen“.

Hamburg nimmt die Menschen ernst mit ihren Anliegen und Meinungen. Die Entwicklung der direktdemokratischen Elemente und breiter Bürgerbeteiligungsverfahren zeigen dies. Wenn wir wollen, dass sich Menschen in Deutschland für unsere Demokratie und ihre Möglichkeiten begeistern, müssen wir ihnen dann nicht auch möglichst früh einen Zugang zu demokratischer Mitbestimmung geben? Sollten wir nicht schon zu einem früheren Zeitpunkt eine Einbürgerung anstreben? Gerade die jüngsten Entscheidungen, die durch Volksentscheide und Referenden herbeigeführt wurden, führten nicht zum von den regierenden Parteien gewünschten Ergebnissen. Doch haben sich die Parlamente deshalb entmachtet? Oder sind es die Lobbyverbände, die vor allem einen Steuerungsverlust zu beklagen haben? Bürgerbegehren sind zu einem wichtigen Element der bezirklichen direkten Demokratie geworden. In der Vergangenheit haben wir jedoch immer wieder erlebt, dass es auch bei Anliegen, deren Umsetzbarkeit aus rechtlichen Gründen offensichtlich nicht möglich ist, dennoch Bürgerentscheide herbeigeführt wurden. Diese bleiben dann im Ergebnis wirkungslos. Mit welchen Regelungen oder Instrumenten kann dies in Zukunft vermieden werden? Mit Sorge betrachten wir die stärker werdende soziale Spaltung in unserer Stadt, die auch Auswirkungen auf die Wahlbeteiligung hat. Wie können wir wieder mehr Menschen von Politik begeistern, ihr Vertrauen in die politischen Institutionen stärken und sie in das politische Geschehen einbinden?

Von besonderer Bedeutung für die Demokratie ist die zunehmende Digitalisierung. Wie können wir die Möglichkeiten der politischen Teilhabe in einer digitalen Welt besser nutzen? Wir haben in einem ersten Schritt durchgesetzt, dass es in Zukunft auch Online-Petitionen bei der Hamburger Bürgerschaft gibt, damit wir für die politische Teilhabe im Netz nicht nur auf private Online-Petitions-Plattformen angewiesen sind. Hamburg ist mit seinem Transparenzgesetz bundesweit beispielgebend. Doch wo müssen Politik und Verwaltung für die Bürger*innen noch transparenter werden? Wie können wir politische Teilhabe und die Demokratie weiter stärken? Eine Digitalisierung ohne Regeln birgt auch Gefahren für die demokratischen Prozesse. In einer digitalen Welt gilt es, unsere Freiheit als Grundvoraussetzung eines demokratischen Gemeinwesens in besonderer Weise zu schützen. Das bedeutet zum einen Freiheit vor Überwachung. Hier besteht Handlungsbedarf! Das haben die Überwachungsskandale der vergangenen Jahre eindrucksvoll gezeigt. Aber bereits das Sammeln von Daten und Erstellen von Nutzerprofilen schränken unsere Freiheit ein. Die Möglichkeiten einer intransparenten Beeinflussung von Willensbildungsprozessen durch Google und Co. sind ebenfalls nicht mit unseren demokratischen Prinzipien zu vereinbaren. Hamburg ist ein wichtiger Standort digitaler Angebote und hat daher eine besondere Verantwortung für den Datenschutz. Die Stimme für den Datenschutz sind wir Grüne! Die EU-Datenschutzgrundverordnung stellt einen Meilenstein dar: Sie schafft Rechte für Verbraucher*innen, und ermöglicht es, die Souveränität über die eigenen Daten wieder zu erlangen. Erstmals schafft sie einen einheitlichen Datenschutzstandard in Europa. In Deutschland werden vor allem für die Bundesländer noch erhebliche Spielräume bestehen bleiben. Wie wollen wir diese Spielräume nutzen? Wie können wir einen möglichst konsequenten Datenschutz erreichen? Der Senat hat jüngst die „Strategie Digitale Stadt“ beschlossen. Verwaltungsangebote sollen zunehmend niedrigschwellig und kundenfreundlich digital zur Verfügung gestellt werden. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung! Dabei muss aber stets gewährleistet sein, dass die Autonomie über unsere Daten erhalten, die Privatsphäre geschützt und eine Überwachung einzelner Bürgerinnen und Bürger ausgeschlossen bleibt.

Viele ältere Menschen sehen sich dadurch in manchen Bereichen abgekoppelt von den aktuellen Entwicklungen und Angeboten. Wie kann das ganze auch für sie kundenfreundlich sein? Wie können wir diese Entwicklung auch als Weiterentwicklung unserer Demokratie betreiben? Wie sorgen wir dafür, dass mehr Menschen partizipieren können? Welches Wissen und welche Kompetenzen braucht man und wie kann man sie in Hamburg erlangen? Und sollte nicht jede und jeder freien Internetzugang haben, wenn es die Voraussetzung dafür ist, Verwaltungsangebote wahrnehmen zu können?

2. Der Prozess

Der Landesvorstand wird beauftragt einen Programmprozess bis 2020 zu organisieren, der zunächst die Auswirkungen der Entwicklung Deutschlands zu einem Einwanderungsland und des demographischen Wandels auf Hamburg in den Blick nimmt. Ausgehend hiervon soll eine erste Vision vom gesellschaftlichen Zusammenleben in Hamburg für 2030 entwickelt werden. Der Landesvorstand wird weiter beauftragt, die Stadtentwicklung, Inklusion/Diversity, Bildung und Stärkung unserer Demokratie zu Schwerpunktthemen des Programmprozesses zu machen. Vor dem Hintergrund des Beschlusses Kommunikation und Beteiligung 2.0 soll auch dieser Programmprozess transparent und beteiligungsorientiert sein und zudem den Dialog mit Expertinnen ebenso suchen, wie mit den Hamburgerinnen und Hamburgern. Verschiedene Schritte und Formate, die durchaus parallel erfolgen können, sollen daher gewährleistet sein.