Am 7. Oktober 2023 verübte die fundamentalistisch-terroristische Hamas einen beispiellosen Terrorangriff auf Israel. Mit brutaler Gewalt ermordeten Terroristen etwa 1.200 Menschen, darunter überwiegend Zivilist*innen, und nahmen mehr als 240 Geiseln. Es war der größte Massenmord an Jüdinnen und Juden seit dem Holocaust. Wir verurteilen diesen völkerrechtswidrigen Angriff aufs Schärfste. Das Leid der Opfer und ihrer Angehörigen ist unermesslich. Wir fordern die unverzügliche Freilassung aller noch verbliebenen Geiseln. Bereits vor dem 7. Oktober und auch danach greift die Hamas Israel immer wieder mit Raketen an. Die Hamas hat das Ziel, den Staat Israel zu vernichten. Israel hat das grundlegende Recht auf Selbstverteidigung. Das Existenzrecht Israels und die Sicherheit von Jüdinnen und Juden sind für uns unverhandelbar. Die Hamas muss ihre Waffen niederlegen und den bewaffneten Kampf gegen Israel dauerhaft beenden. Nur so kann der Weg für eine politische Lösung des Konflikts geebnet werden.
Als Reaktion auf den Terrorangriff hat die israelische Regierung eine massive Militäroperation gegen den Gazastreifen eingeleitet, die sich zu einem vollumfänglichen Krieg entwickelt hat. Nach nun fast 21 Monaten andauernder Kampfhandlungen zeigt sich ein verheerendes Bild: Nach Angaben der Vereinten Nationen bzw. des Gesundheitsministeriums in Gaza wurden zwischen dem 7. Oktober 2023 und dem 9. Juli 2025 mindestens 57.680 Palästinenser*innen getötet und 137.409 Palästinenser*innen verletzt. Seit der Wiedereskalation der Feindseligkeiten am 18. März 2025 wurden 7.118 Menschen getötet und 25.368 verletzt. zwischen dem 2. und 9. Juli wurden 668 Palästinenser*innen getötet und 2.817 verletzt. Die Zahl der Todesopfer unter den Menschen, die versuchen, Zugang zu Nahrungsmitteln zu erhalten, ist seit dem 27. Mai 2025 auf 773 Todesopfer und mehr als 5.101 Verletzte gestiegen ist. Das sind die direkt getöteten. Die Zahl der Menschen, die aufgrund des fehlenden Zugangs zu grundlegenden Dienstleistungen unabhängig von direkter Gewalteinwirkung an vermeidbaren Ursachen gestorben sind, ist nicht bekannt. Aber die Regel ist, dass die Zahl der indirekt Getöteten – also Menschen, die durch Kriegsfolgen wie Hunger, Krankheiten, zerstörte Infrastruktur oder fehlende medizinische Versorgung sterben – oft drei- bis fünfzehnmal höher liegt als die Zahl der direkt durch Gewalt Getöteten. Zwei Drittel der Opfer sind Frauen und Kinder, also offensichtlich keine Hamas-Kämpfer.
Die humanitäre Lage ist katastrophal: Die gesamte Bevölkerung leidet laut UN unter akutem Hunger, über 70.000 Kinder sind schwer unterernährt.2 Die Hilfslieferungen reichen bei weitem nicht aus. Berichte über Gewalt an Verteilzentren und Einschränkungen der humanitären Hilfe stellen eine dramatische Zuspitzung der humanitären Krise dar. 3
Besonders alarmierend ist auch die Zerstörung der zivilen Infrastruktur. Das Gesundheitssystem ist nahezu vollständig zusammengebrochen. Bei dem israelischen Angriff auf das Al-Ahli-Krankenhaus im April 2025 wurde das letzte vollständig funktionierende Krankenhaus in Gaza-Stadt zerstört. Alle zwölf Hochschulen im Gaza-Streifen wurden zerstört, was eine ganze Generation ihrer Bildungs- und Zukunftschancen beraubt. Hierzu muss allerdings erwähnt werden, dass die Hamas zivile Einrichtungen – darunter Schulen, Krankenhäuser und Wohnhäuser – systematisch für militärische Zwecke nutzt und die dort lebende Bevölkerung als menschliche Schutzschilde instrumentalisiert. Diese Praxis stellt eine schwere Verletzung des humanitären Völkerrechts dar.
Auf der anderen Seite hat die Kriegsführung Israels nach Einschätzung zahlreicher unabhängiger Beobachter*innen mittlerweile Ausmaße angenommen, die mit den Grundsätzen des humanitären Völkerrechts nicht mehr vereinbar sind. Die andauernde Blockade von humanitärer Hilfe und das gezielte Aushungern der Zivilbevölkerung gelten im Völkerrecht als Kriegsverbrechen. Die systematische Zerstörung ziviler Infrastruktur, insbesondere von Krankenhäusern, Schulen und Universitäten, verstößt gegen grundlegende Prinzipien des humanitären Völkerrechts.
Der im Mai 2025 verabschiedete Plan zur „Eroberung“ des Gazastreifens4 muss ebenfalls auf das Schärfste verurteilt werden. Sowohl eine dauerhafte Besetzung palästinensischer Gebiete als auch die Annexion besetzter Gebiete verstoßen gegen geltendes Völkerrecht.
Der Internationale Gerichtshof (IGH) hat in mehreren Beschlüssen – zuletzt im Mai 2024 – bindende Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung angeordnet. Israel setzt diese bislang nicht hinreichend um.
Deutschland sollte gegenüber der israelischen Regierung klar und konstruktiv kommunizieren, dass nationale Sicherheit nicht auf Kosten grundlegender Menschenrechte und völkerrechtlicher Verpflichtungen gewahrt werden kann. Um glaubwürdig zu bleiben, müssen wir uns angesichts systematischer Missachtung der angeordneten Maßnahmen zu den Entscheidungen des IGH bekennen.
Auch die Bundesspitze der Grünen, u.A. unsere Bundesvorsitzende Franziska Brantner, haben sich kürzlich für Einschränkungen bei Waffenlieferungen sowie für Sanktionen gegen Israel im Rahmen der völkerrechtswidrigen Siedlungspolitik ausgesprochen. Auch die damaligen Grünen Bundesminster*innen Annalena Baerbock und Robert Habeck haben sehr früh bereits eine schriftliche Garantie Israels gefordert, dass deutsche Waffen für Israel nicht für völkerrechtswidrige Einsätze eingesetzt werden. Gleichzeitig muss Israel in der Lage sein, sich gegen diejenigen zu verteidigen, die es sich zum Ziel gemacht haben, den Staat Israel zu vernichten. Seit dem 7. Oktober 2023 wurden über 21.000 Raketen auf Israel abgefeuert5, von denen über 90 Prozent durch die israelische Raketenabwehr abgefangen wurden. Trotzdem starben allein durch die iranischen Angriffe 28 Israelis, rund 1.400 wurden verletzt.6
Erklärtes Ziel der Führung des Iran ist es, Israel zu vernichten. Israel und die USA haben nun im Juni 2025 im Rahmen einer koordinierter Militäraktion iranische Atomanlagen angegriffen. Die Lage in der Region hat sich dadurch dramatisch verschärft. Der Iran trägt durch seine Unterstützung terroristischer Gruppen wie der Hamas und der Hisbollah erheblich zur Destabilisierung der Region bei. Trotzdem und trotz der Bedrohung Israels durch Iran sind die militärischen Angriffe Israels und der USA auf iranisches Staatsgebiet völkerrechtlich höchst umstritten und stehen im Verdacht, gegen das Gewaltverbot der UN-Charta zu verstoßen. Sie müssen daher kritisiert und einer unabhängigen völkerrechtlichen Prüfung unterzogen werden. Wir fordern alle beteiligten Akteure auf, von weiteren militärischen Schritten abzusehen und auf diplomatische Lösungen zu setzen.
Die Menschen im Iran sind nach 46 Jahren unter dem diktatorischen Regime stark gezeichnet. Immer wieder gehen sie auf die Straßen und demonstrieren für Freiheit und Demokratie – wohlwissend, dass der Iran der Staat mit den zweitmeisten Hinrichtungen weltweit ist und jede Teilnahme an einer Demonstration, jeder Widerstand, jeder zivile Ungehorsam zur Hinrichtung führen kann.
Der Krieg zwischen Iran und Israel ist vorerst mit einem Waffenstillstand beendet. Das Ergebnis dieses Krieges ist ein Regime, das sich mächtiger als zuvor präsentiert und noch lauter als zuvor die Vernichtung seiner Feinde – Israel und USA – fordert. Wir wissen, dass die iranische Zivilgesellschaft, die sich nach Freiheit und Demokratie sehnt, diese Feindschaften nicht teilt.
Die Leidtragenden sind auch hier die unschuldigen Menschen im Land, die nun mit noch härterer Repression zur Machtdemonstration des Regimes leben müssen.
Wir sind weiter solidarisch mit der iranischen Zivilbevölkerung, machen weiter auf den Kampf für „Frau, Leben, Freiheit“ aufmerksam und appellieren an die iranische Diaspora, sich nicht spalten zu lassen, sondern gemeinsam weiter zu unterstützen.
Wir stehen fest an der Seite aller Menschen, die unter diesem Konflikt leiden – sowohl der israelischen Opfer des Hamas-Terrors als auch der palästinensischen Zivilbevölkerung in Gaza sowie allen Menschen in der gesamten vom Konflikt betroffenen Region.
Auch solidarisieren wir uns klar mit Personen überall auf der Welt, die durch den Konflikt verstärkt mit Antisemitismus, antimuslimischen Rassismus und anderen Formen von Diskriminierung konfrontiert sind.
Als GRÜNE setzen wir uns für eine friedliche, gerechte und nachhaltige Lösung des Nahostkonflikts ein. Auf dem Weg dorthin muss die Bundesregierung das Existenzrecht eines palästinensischen Staates ebenso wie das Existenzrecht Israels ausdrücklich anerkennen. Ein sofortiger Waffenstillstand, die Freilassung aller Geiseln, ungehinderter humanitären Zugang, Wiederaufbau der Zivileinrichtungen und Infrastruktur und die Rückkehr zu ernsthaften Friedensverhandlungen mit dem Ziel einer Zwei-Staaten-Lösung sind unbedingt nötig.
Hamburg als weltoffene und solidarische Stadt kann und muss in dieser Situation einen Beitrag leisten. Wir sehen uns in der Verantwortung, im Rahmen der Möglichkeiten konkrete Schritte zur Verbesserung der Situation zu unternehmen.
Wir fordern die Bürgerschaft und den Senat auf,
– darauf hinzuwirken, dass die Bundesregierung alle politischen und diplomatischen Mittel nutzt, um einen dauerhaften Waffenstillstand und eine politische Lösung des Konflikts zu erreichen. Wir sehen diese Lösung in einer Zwei-Staaten-Regelung auf der Grundlage der Grenzen von 1967, bei der der Staat Israel und ein souveräner, demokratischer und lebensfähiger palästinensischer Staat Seite an Seite in Frieden und Sicherheit leben.
– auf einen Stopp für Waffen, die völkerrechtswidrig im Gazastreifen zum Einsatz kommen, hinzuwirken. Israels Recht auf Selbstverteidigung bleibt davon unberührt.
– den Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag uneingeschränkt zu achten. Personen, gegen die ein internationaler Haftbefehl besteht, müssen bei der Einreise nach Deutschland entsprechend konsequent festgenommen werden.
Konkret für Hamburg fordern wir:
– Die Einrichtung geschützter und offener Debattenorte zu Israel/Palästina in Hamburg, in denen der Fokus auf inklusivem, angstfreiem Austausch liegt.
– Förderung zivilgesellschaftlicher Organisationen, die sich der Menschenrechts- und Friedensarbeit im Kontext Israel/Palästina widmen. Mit diesen Organisationen sollen Partei und Bürgerschaftsfraktion ab September Gespräche führen.
– Die Stärkung der Forschung zu Israel und Palästina an der Universität Hamburg zusammen mit der Förderung des Studiums in Hamburg für Studierende aus Israel und Palästina.
– Die Überprüfung, inwieweit eine konkrete Anzahl an Krankenhausbetten für Verletzte aus dem Gazastreifen bereitgestellt werden können, um medizinische Versorgung zu ermöglichen.
– Die Landesstrategie gegen Antisemitismus fortzuführen und ggf. auszuweiten.
– Maßnahmen gegen antimuslimischen Rassismus zu fördern.
– Entwicklung eines schulischen Unterrichtsmoduls (in Zusammenarbeit mit der Landeszentrale für politische Bildung), um differenzierte Perspektiven zum Nahostkonflikt zu vermitteln und antisemitischen wie antimuslimischen Vorurteilen vorzubeugen, zum Beispiel nach dem Vorbild des bestehenden Projektes „Trialoge“.
1 Vgl. Unicef.de vom 05.06.2025: https://www.unicef.de/informieren/aktuelles/presse/-/gaza-news-kinder-hungrig/350376 sowie Zeina Jamaluddine, Hanan Abukmail, Sarah Aly, Oona M R Campbell, Francesco Checchi: Traumatic injury mortality in the Gaza Strip from Oct 7, 2023, to June 30, 2024: a capture–recapture analysis – The Lancet, The Lancet Volume 405, Issue 10477 p469-477 February 08, 2025
2 Vgl. World Food Programme, Stand 26.06.2025: https://de.wfp.org/krise/in/gaza
3 Vgl. Tagesschau.de vom 24.06.2025: https://www.tagesschau.de/ausland/asien/gaza-verteilzentrum-102.html
4 Vgl. ZDF vom 05.05.2025: https://www.zdfheute.de/politik/ausland/israel-gaza-eroberung-besetzung-plaene-nahost-100.html
5 Statista 27.05. 2025, siehe Raketenangriffe auf Israel im Nahostkonflikt bis 2025|
6 Abfangquoten der israelischen Raketenabwehr im „12-Tage-Krieg“: Erwartungen versus Realität