Stellungnahme zum Transparenzgesetz

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Vorbemerkung

Transparenz ist für uns Hamburger Grüne ein Eckpfeiler eines demokratischen Staates. Denn „wir sind Bürgerinnen und Bürger und keine Kunden des Staates. Wir müssen selbstbestimmt und verantwortlich handeln, um uns nicht in gegenseitiger Blockade lahm zu legen. Voraussetzungen dafür sind die Transparenz politischer Entscheidungen, der freie Zugang zu den für eine Abwägungsentscheidung notwendigen Informationen und die freie Meinungsäußerung ohne Angst vor Repression und Überwachung.“ (Programm zur Bürgerschaftswahl 2011).

In der vergangenen Legislaturperiode haben wir mit dem Hamburgischen Informationsfreiheitsgesetz (HmbIFG) die erste rechtliche Grundlage für Transparenz von Behördenhandeln gelegt. Diese rechtliche Grundlage wollen auch wir weiterentwickeln. Wir hatten uns im Bürgerschaftswahlprogramm vorgenommen, einen Open-Data-Prozess unter Berücksichtigung des Datenschutzes anzustoßen. Denn öffentlich finanzierte Daten wie digitale Karten, Statistiken und Gutachten gehören der Allgemeinheit. Wir teilen mit der Volksinitiative die Überzeugung, dass Transparenz Rechtfertigungsdruck erzeugt und deshalb zu sachgerechten und tragfähigen Entscheidungen beiträgt.

Wir begrüßen die Volksinitiative für ein Transparenzgesetz und insbesondere den Ansatz, Transparenz durch eine Veröffentlichungspflicht zur aktiven Aufgabe staatlichen Handelns zu machen. Deshalb haben wir die Volksinitiative in ihrer ersten Stufe auch gerne unterstützt.

In der Zwischenzeit haben wir uns intensiv mit dem Gesetzentwurf in seinen Details auseinandergesetzt. In verschiedenen Landesarbeitsgemeinschaften, im Landesvorstand, in der Bürgerschaftsfraktion, die eigens ein Fachgespräch mit Sachverständigen durchführte wie auch in der bürgerschaftlichen Anhörung ergaben sich für uns eine Reihe von Fragen und kritischen Anmerkungen zum Gesetzentwurf.

Als Ergebnis dieser Auseinandersetzung empfehlen wir, den Gesetzentwurf zur Stufe des Volksbegehrens zu überarbeiten. Unser Ziel ist ein Transparenzgesetz, dass wir nicht nur in den Zielen unterstützen, sondern das auch in der Praxis dafür sorgt, diese Ziele wirksam zu erreichen und das verfassungsrechtlich Bestand hat.

Daher empfehlen wir der Initiative insbesondere die Stellungnahme des Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit vom 27. Februar 2012 bei der Überarbeitung des Gesetzentwurfs zu berücksichtigen. Nur so ist der schmale Grat zwischen berechtigtem Transparenzinteresse und dem Schutz persönlicher Daten zu gewährleisten.

Zu einzelnen Regelungen im Detail

Zu § 1 Gesetzeszweck

  • „Stärkung des Vertrauens“ in die Verwaltung ist als gesetzliche Begründung bestenfalls nachrangig und in der Gesetzesformulierung jedenfalls unpassend. Dies gehört in die Begründung.

Zu § 2 Begriffsbestimmungen

  • Besondere Probleme sehen wir mit der Begriffsbestimmung von Unternehmen, die der Veröffentlichungspflicht unterliegen, wie sie in § 2 Absatz 3 Ziffern a bis c benannt sind. Im Gesetz muss klarer definiert werden, für welche Unternehmen, an denen die öffentliche Hand beteiligt ist, das Transparenzgesetz gilt: es sollte nur für die Unternehmen gelten, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen und bei denen die Stadt einen relevanten Einfluss hat (50+x Prozent Beteiligung). Grundsätzlich ist ohnehin unklar, ob ein Bundesland überhaupt eine Gesetzgebungskompetenz für Unternehmen hat – nach Art. 74 (1) GG hat der Bund Transparenzvorgaben für Unternehmen bereits abschließend geregelt. Auch dies muss noch einmal überprüft werden.

  • Allerdings sollte das Handeln der Stadt bei Unternehmen mit Mehrheitsbeteiligung der Stadt (durch HGV) durchaus transparent sein, auch wenn diese Unternehmen nicht öffentliche Aufgaben wahrnehmen.

Zu § 3 Anwendungsbereich

  • Grundsätzlich weisen wir darauf hin, dass die Willensbildung des Senates verfassungsrechtlich geschützt ist. Aus diesem Grund ist bei der Veröffentlichungspflicht von Gutachten im Gesetz eine Möglichkeit zu verankern, ein Gutachten erst einmal intern auswerten zu können, bevor dieses veröffentlicht wird. Allerdings soll es natürlich eine Veröffentlichungspflicht geben, wenn das Gutachten bereits zur Grundlage von öffentlichen Festlegungen geworden sind.

  • Der Begriff der Verträge ist sehr unklar gefasst. Auch besteht hier die Gefahr, dass das Gesetz sein postuliertes Ziel, durch Transparenz öffentliche Gelder zu sparen, konterkariert. So kann die Pflicht zur Offenlegung von Verträgen sowie von personenbezogenen Daten der Vertragspartner (siehe § 4 Abs. 3) dazu führen, dass es nicht mehr attraktiv wird, mit der Stadt Verträge abzuschließen. Zumindest läuft die Stadt Gefahr, mögliche Vorzugskonditionen zu verlieren, wenn die Vertragspartner offen legen müssen, zu welchen Preisen sie mit der Stadt Geschäfte machen und damit auch andere Kunden erfahren, welche Preise möglich sind. Natürlich soll aber Offenlegungspflicht bestehen, wenn z.B. schon heute das Vergabeergebnis – wenn auch nur zeitweise – bereits veröffentlicht wird.

Zu § 4 Schutz personenbezogener Daten

  • Weder in § 4 noch in § 3 erscheinen die Formulierungsvorschläge präzise genug und lassen wichtige Fallgestaltungen offen (z.B. den Schutz von Zuwendungsempfängern, die als Einzelpersonen erkennbar sind und Fälle mit europarechtlichen Bezügen).

  • § 4 Abs. 1 sollte in dieser Formulierung über die Unkenntlichmachung nicht der Einstieg sein wegen Nachrangigkeit. Außerdem bedarf es Erläuterungen, dass dies nur gilt, wenn keine Identifizierung aus dem Kontext möglich erscheint. Durch die Formulierung „können“ wird der Schutz personenbezogener Daten zudem zur Ermessensfrage. Dies muss scharf formuliert werden.

  • § 4 Abs. 2 verstehen wir so, dass personenbezogene Datenbeständen von der Informationspflicht  generell ausgenommen sind, da der Zugang zu diesen nur „auf Antrag“ gewährt werden soll. Wenn dem so ist, sollte dies dann auch in der Begründung erläutert werden. Die Begründung zu Abs. 2 ist ansonsten auch sachlich nicht nachvollziehbar. Stellt dieses Gesetz eine Rechtsvorschrift im Sinne der Vorschrift dar: was ist dann mit dem besonderen Schutz von Subventions- oder Zuwendungsempfängern, welche als Einzelpersonen identifizierbar sind? Die Vorgaben des EuGH für die zulässige weltweite Veröffentlichung sollten gesondert geregelt werden. Sowohl der zweite als auch der vierte Spiegelstrich sind mangels Konkretheit nicht geeignet, die aus verfassungsrechtlichen Gründen gebotene Abwägung zu programmieren. Damit unterliegt der Schutz personenbezogener Daten nach den Regelungen dieses Gesetzes einem Abwägungsprozess innerhalb der dem Gesetz unterliegenden Institutionen. Dies kann so nicht bleiben.

Zu § 5 Ausnahmen von der Informationspflicht

  • in den Ausnahmekatalog sind die Innenrevisionen sowie das „Dezernat Interne Ermittlungen“ auf jeden Fall wieder mit aufzunehmen. Unterliegen beide dem Transparenzgebot werden diese faktisch wirkungslos.

  • Die Arbeitsgruppe Scientology wurde am 1. September 2010 aufgelöst. Die Aufgaben (Beratung von Einzelpersonen und Unternehmen bis hin zur Betreuung von Scientology-Aussteigern) sind auf den Hamburger Verfassungsschutz übergegangen und unterliegen damit bereits der Ausnahmeregelung. Daher wäre zu prüfen, ob dieser Kullerpunkt zur AGS im Gesetz bleiben soll.

Zu § 7 Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse

  • In § 7 wirkt die Definition nach Abs. 1 entgegen der Begründung sehr weit. Hier empfehlen wir, die Definition des Bundesverfassungsgerichts zu übernehmen.

zu § 11 Ausgestaltung der Veröffentlichungspflicht

  • Bei § 11 (1) sollte im Hinblick auf das Informationsregister erwogen werden, konkrete Anforderungen an die Struktur des Registers und die Suchmöglichkeiten zu normieren.

  • § 11 (2) zur Veröffentlichungspflicht kann so nicht bleiben. Dieser Paragraph liefert dem Senat einen Grund, das gesamte Gesetz dem Verfassungsgericht vorzulegen und somit den Zeitplan zu gefährden. Dieses Ziel muss auf Bundesebene verfolgt werden.

  • Im § 11 Absatz 3 Satz 1 ist „nichtkommerziell“ oder ähnliches zu ergänzen. Die Nutzung, Weiterverwendung und Verbreitung der Informationen zu kommerziellen Zwecken sollte nicht frei gestellt sein.

  • Im § 11 Absatz 3 Satz 2 ist die Vergangenheitsform zu wählen: „Das gilt auch für Gutachten, Studien und andere Dokumente, die in die Entscheidung der Behörden eingeflossen sind oder ihrer Vorbereitung dienten.“ Damit wird verdeutlicht, dass der verfassungsrechtlich geschützte Willensbildungsprozess respektiert bleibt.

  • § 11 bzw. die Gesamtkonstruktion der Veröffentlichungspflicht wird eine Re-Finanzierung des finanziellen Aufwandes der Verwaltung in keiner  Weise mit geregelt. Mit bedacht werden muss an dieser Stelle außerdem die EU-RL über die Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors, die derzeit neu verhandelt wird. Es fehlen Regelungen zur Barrierefreiheit des Zugangs und zum Zugang für Internet-Nichtnutzer.

Zu § 12 Antrag

  • In § 12 (1) fehlt eine Regelung zur sicheren Antragstellung, sonst läuft es voll lesbar per offener E-Mail. Hier könnte ggf. ein Verweis auf EGovG-E und/oder De-Mail weiterhelfen.

  • In § 12 (2) ist „Stelle“ ein undefinierter Begriff.

Zu § 19 Übergangsregelungen, Inkrafttreten

  • Angesichts unserer bisherigen Erfahrungen mit städtischen IT-Projekten halten wir die in § 19 Abs. 2 genannten Frist von 12 Monaten, innerhalb derer das Informationsregister stehen soll, für unrealistisch. Es sei denn, es geht hier nicht um ein Informationsregister, das über Schnittstellen automatisiert erstellt werden soll.