1. Im November 2016 hat die LMV der Hamburger Grünen beschlossen, dass es keinen gemeinsamen Wertekonsens geben könne, der Zweifel am Existenzrecht Israels zulasse. Speziell vom IZH, Islamisches Zentrum Hamburg (in der Blauen Moschee an der Außenalster), haben wir ein klares Zeichen verlangt gegen die Teilnahme an der Al-Quds- Demonstration, auf der alljährlich die Vernichtung Israels gefordert wird. Den Senat haben wir aufgefordert, mit den Vertragspartner*innen der Staatsverträge Strategien zur Bekämpfung des Antisemitismus in deren Mitgliedsorganisationen zu entwickeln.
Ein Jahr später blicken wir zurück und stellen fest: es hat sich noch nicht genug geändert, es bleibt weiterhin viel zu tun.
Die Al-Quds-Demo fand im Juni unter reger Teilnahme von Muslimen aus dem Umfeld des IZH statt. Der Leiter der dem IZH angeschlossenen Islamischen Akademie Deutschlands, Torabi, marschierte ebenso mit wie sein Stellvertreter, so wussten Verfassungsschutz und Berliner Zeitung zu berichten. Nach wie vor bestehen Anhaltspunkte, dass das IZH maßgeblich an der Organisation dieser Demonstrationen beteiligt ist.
In den Gesprächen, die unsere hartnäckigen Vertreterinnen mit Ayatollah Ramezani, dem Leiter des IZH – und Mitglied des entscheidende politische Beschlüsse fassenden Expertenrates im Iran – hatten und haben, soll dieser sich auf seine angeblich rein religiöse Führungsposition zurückgezogen haben; er könne die Gemeindemitglieder nicht an der Wahrnehmung ihres Demonstrationsrechts hindern. Das erwarten wir auch nicht. Wir erwarten laut LMV-Beschuss vom 26.11.2016, dass er sie aktiv auffordert, nicht an der Al- Quds-Demonstration teilzunehmen.
Von solchen öffentlichen oder auch internen Aufrufen, Aktivitäten o.ä. gegen Antisemitismus und für das Existenzrecht Israels ist nichts an die Öffentlichkeit gedrungen. Im Gegenteil: der hochrangige IZH-Funktionär Torabi marschiert als Vorbild mit. – Dementsprechend ist auch eine Distanzierung von der iranischen Staatsdoktrin, dass Israel von der Landkarte verschwinden müsse, nicht zu bekommen.
Eine Anfrage im Bundestag von Manuel Sarrazin, Anja Hajduk, Volker Beck und Fraktion zu den politischen Machenschaften des IZH im Auftrag des Iran hat seitens der Bundesregierung diese Erkenntnisse bestätigt.
Der Hamburger Verfassungsschutz bleibt auch in seinem neuen Jahresbericht deutlich:
„Die iranische Staatsführung fällt zudem seit Jahrzehnten durch antiisraelische äußerungen auf, wiederkehrend wird für den Staat Israel die Bezeichnung „Krebsgeschwür“ genutzt. ..“ und
„Der aktuelle IZH-Leiter Ayatollah Dr. Reza Ramezani gilt wie seine Vorgänger als Vertreter des Revolutionsführers Khamenei in Europa und ist in der schiitischen Gemeinde als religiöser Repräsentant der Islamischen Republik Iran bekannt. Darüber hinaus ist er Mitglied des „Expertenrates“, eines Gremiums in Iran, das alle vom iranischen Parlament beschlossenen Gesetze auf Verfassungskonformität überwacht und den Revolutionsführer kontrollieren soll. ..“
Der Führung des Gottestsaates fehlt jegliches Vertrauen in die eigene Bevölkerung und Staatsform. Warum sonst vertreibt der Gottesstaat mehr als 5 Millionen seiner Bürger in die Diaspora und geht so brutal gegen Andersdenkende und Menschenrechtsverteidiger vor? Seit Gründung des Gottesstaates verabschiedet die UN-Generalversammlung nahezu jährlich Resolutionen zu Situation der Menschenrechte im Iran. Praktisch ist eine Verschlechterung der Menschenrechte im Iran feststellbar. Im Gottesstaat werden Delikte mit der Todesstrafe bestraft, die nach UN-Menschenrechtsverträgen, die teilweise Iran unterschieben hat, unter der Religions- und Meinungsfreiheit stehen.So weiß denn auch die ZEIT in einer Reportage über die liberale Moschee von Seyran Altes in Berlin zu berichten, diese sei vom Leiter des Islamischen Zentrums Hamburg als Bewegung zur Beleidigung des Islam bezeichnet worden, verknüpft mit der Aufforderung an „islamische Fakultäten“, dieser Beleidigung nicht tatenlos (!) zuzusehen.
Wir sollten dieses doppelte Spiel nicht länger hinnehmen. Selbstverständlich haben die Gläubigen der Blauen Moschee das Grundrecht der Religionsfreiheit und alle daraus resultierenden religiösen und religionspolitischen Rechte. Diese werden mit den Hamburger Verträgen mit den Religionsgemeinschaften auf eine besondere Weise wertgeschätzt und konkretisiert. Das IZH und seine Leitung sind aber auf Grund der Verfasstheit des Iran nicht nur eine religiöse Gemeinschaft sondern eine direkte Vertretung der politischen Führung des Iran in Hamburg, Deutschland und Europa. Aus der Religionsfreiheit und den Verträgen lässt sich nicht ableiten, dass wir in Hamburg die politische Haltung des IZH in irgendeiner Weise unterstützen müssen. Umgekehrt bekennen sich die Vertragspartner aber in den Verträgen beiderseitig zu den Werten der demokratischen Ordnung Deutschlands. Wir erwarten, dass diese Bekenntnis auch zu aktivem Handeln führt. Der Vertrag ist allerdings nicht mit dem IZH, sondern mit der SCHURA geschlossen. Daher erwarten wir, dass diese eine klare öffentlich erkennbare Haltung zu Aktivitäten, die gegen den Geist der Verträge verstoßen, einnimmt.
2. Jeder weiß, dass DITIB und Schura nur eine Minderheit der Musliminnen und Muslime in Deutschland vetreten, etwa 20 %. Wir wollen als Grüne nicht länger Handlanger des politisch instrumentalisierten konservativen Islam sein, sondern die hier lebenden Muslime und Musliminnen bei ihren Versuchen unterstützen, einen Islam zu entwickeln, der in einen Rechtsstaat mit Grund- und Menschenrechten integriert werden kann.
Wöchentlich gibt es zu dieser innerislamischen Diskussion Anstöße, sei es von Abdel- Hakim Ourghi, Mouhanad Korchide oder Seyran Ates, um nur einige der sich nicht unter die Dachverbände wie DITIB oder SCHURA unterordnenden Musliminnen und Muslime zu nennen, also den nicht-orthodoxen Musliminnen und Muslimen. Auch in Hamburg sollten Staat und Gesellschaft das ihnen Mögliche dazu beitragen, diese Kraäte zu stärken. Denn das sind die Muslime, deren Seelsorge und theologische Betreuung wir in Schulen, Krankenhäuser und Gefängnisse holen wollen! Den orthodoxen Islamverbänden, die nur eine Minderheit der in Deutschland und in Hamburg lebenden MuslimInnen vertreten, darf die allgemeine, ihnen überproportional zugestandene Deutungshoheit über und für islamisches Leben hierzulande nicht mehr allein zugebilligt werden.
Beschluss:
1. Die LMV fordert den Landesvorstand, die Fraktion und die Senator*innen auf, sich weiterhin dafür einzusetzen, dass seitens der SCHURA klare Zeichen ergehen, dass eine Teilnahme an Demonstrationen wie dem Al-Quds-Tag nicht mit dem gemeinsamen Wertekanon und dem Geist, in dem die Verträge mit den islamischen Verbänden geschlossen worden sind, vereinbar ist. Die LMV fordert des Weiteren den Landesvorstand, die Fraktion und die Senator*innen auf, die regelmäßigen Gespräche mit der SCHURA auch weiterhin zu führen und in geeigneter Weise den Mitgliedern der Partei darüber zu berichten.
2. Die LMV fordert darüber hinaus die Parteigremien, die Fraktion und die grünen Senator*innen auf, sich weiterhin in öffentlichen Auftritten, Veranstaltungen und Statements, v. a. aber in allen Angeboten zur Einbindung islamischer Interessen bei der Gestaltung öffentlicher Aufgaben auch auf die Stärkung der Position und auf die Mitwirkung nicht-orthodoxer Muslimas und Muslimen und ihrer Verbände als Ergänzung zu den orthodoxen Verbänden zu achten.