Für Millionen Europäer*innen ist das Mittelmeer ein Sehnsuchtsort, an dem sie entspannt ihren Urlaub verbringen und vom Alltag abschalten.
Für zehntausende Menschen aus Kriegs- und Katastrophengebieten ist das Mittelmeer hingegen ein fast unüberwindliches Hindernis, um in der Europäischen Union ihr Menschenrecht auf Bewerbung um Asyl wahrnehmen zu können. Nach einer langen und beschwerlichen Flucht über Land nehmen sie in Kauf, auf der letzten Etappe auf völlig unzureichend ausgestatteten Booten der kriminellen Schlepper in Seenot zu geraten. Dabei sind alleine in den ersten Monaten 2018 geschätzt über 1.500 Menschen ertrunken. Das Mittelmeer ist zum Massengrab geworden.
Das tägliche Leiden und Sterben an der südlichen Grenze der EU ist seit Jahren eine humanitäre und politische Krise für eine Gemeinschaft, die sich innerhalb und außerhalb ihrer Grenzen für die Wahrung der Menschenrechte und für Humanität einsetzt. Anstatt sich für eine europäische Rettungsmission einzusetzen, hat die Bundesregierung versucht durch Deals mit Libyen dafür zu sorgen, dass Menschen erst gar nicht nach Europa kommen.
Die Zustände in den Lagern Libyens sind in vielerlei Hinsicht dramatisch: Menschen leben hier zusammengepfercht, medizinisch unterversorgt, ohne ausreichende Nahrung und von Misshandlungen, Folter und Erpressung gebeutelt. Immer wieder gibt es Augenzeugenberichte darüber, dass die Menschen in Libyen gegen ihren Willen in die Boote geprügelt werden, nachdem man ihnen und ihren Verwandten alles genommen hat.
Europa unterstützt die korrupte libysche Küstenwache mit Geld, mit dem Ergebnis, dass noch mehr Menschen sterben. Sogar Frauen und Kinder werden von der libyschen Küstenwache auf offenem Meer dem Tod überlassen.
Da es von Seiten der EU und ihrer Mitglieder allenfalls halbherzige Aktivitäten gab, um dieses vermeidbare Sterben zu beenden, setzen verschiedene private Hilfsorganisationen Schiffe vor der libyschen Küste ein. Jahrelang haben die NGOs sehr gut mit den Behörden, der Seenotrettungsleitstelle in Rom, Frontex und der Mission Sophia zusammengearbeitet. Die NGOs haben tausende Menschen mit ihren Einsätzen gerettet, schon immer unter schwierigen Bedingungen und oft mit unterlegenem Material. Sie tun das, was völkerrechtlich vereinbart ist: Sie retten Menschen aus akuter Seenot und auf Bitten der Behörden, um sie in einen sicheren Hafen zu bringen.
Seit der Wahl der rechtspopulistischen Regierung in Italien – aber nicht nur dadurch – wird die Arbeit der privaten Retter massiv erschwert: Schiffe werden stillgelegt, Retter*innen kriminalisiert und Italien verweigert sogar das Anlegen von Schiffen mit geretteten Menschen an Bord. Italien bricht internationales Recht – die europäischen Regierungen nehmen das billigend in Kauf.
Wir GRÜNEN kämpfen an verschiedenen Stellen gegen die menschenverachtende Abschottungspolitik, die sich zunehmend in der EU breit macht. Das Mittelmeer darf nicht weiter ein Massengrab sein. Wir schauen nicht zu, wenn sich die EU ihrer Probleme entledigt, indem sie Flüchtlinge in den Lagern Nordafrikas verelenden lässt. Für uns gilt: Flüchtlinge sind Menschen wie wir, mit Hoffnungen und Sorgen, mit Kindern und Familien, aber einem Schicksal, das es weniger gut mit ihnen meinte als mit uns. Für uns alle gemeinsam gelten universelle Menschenrechte.
Unsere Ideen für eine aktive Flüchtlingspolitik, die auf konsequentes Handeln, statt auf grausames Ignorieren, Aussitzen und Wegducken setzt, haben wir bereits mehrfach dargestellt. Sie muß in erster Linie von den Mitgliedsstaaten und der EU Kommission vorangebracht und gestaltet werden. Eine europäische Lösung anzustreben ist richtig.
Doch Deutschland darf sich nicht länger hinter der Verantwortungsdiffusion in Europa verstecken, die Bundesregierung und die Bundesländer müssen ihren Beitrag zu einer humanitären Lösung leisten.
Hamburg als weltoffene Hafenstadt mit einer sehr aktiven Zivilgesellschaft hat in den letzten Jahren bewiesen, dass hier Menschen Unterstützung erfahren können, die in ihren Heimatländern von Verfolgung, Not und schlimmstenfalls Tod bedroht sind. Seit Jahren bemühen sich viele Hamburger*innen, Politik, Kirchen und Vereine darum, dass Flüchtlinge eine neue Heimat finden. Unsere Stadt hat insgesamt etwa 52.000 Flüchtlingen Schutz geboten. Das ist ein großer Erfolg. Dieses großartige Engagement gilt es stets zu würdigen und zu unterstützen. Diese Strukturen ermöglichen es, auch weiterhin Platz für Geflüchtete anzubieten und sie umfangreich zu betreuen.
Am Sonntag, den 2. September sind über 16.000 Menschen dem Aufruf von Seebrücke Hamburg, einer überparteilichen zivilgesellschaftlichen Bewegung, und vieler unterstützender Organisationen gefolgt und haben in eindrucksvoller Weise dafür demonstriert, dass Hamburg sich für Geflüchtete engagiert, die über das Mittelmeer nach Europa kommen. Gemeinsam mit ihnen unterstützen wir als grüne Partei den Hamburger Appell für Seenotrettung und einen sicheren Hafen in Hamburg.
Für uns GRÜNE ist das eine abermalige Bestätigung dafür, dass die Mehrheit der Hamburgerinnen und Hamburger will, dass Menschen nicht im Mittelmeer ertrinken. Gerade als Hafenstadt ist es uns ein zentrales Anliegen, dass die Seenotrettung funktioniert und stets oberste Priorität hat.
Der Landesausschuss beschließt daher:
– Wir fordern die Europäische Union auf, ihrer Verantwortung nachzukommen und wieder gemeinschaftlich an europäischen Lösungen zu arbeiten. Das gilt sowohl für die langfristige Strategien der Fluchtursachenbekämpfung als auch für einen solidarischen und völkerrechtlichen Umgang mit den Herausforderungen der Migration.
Es ist daher zentral, dass die Staaten Europas die Seenotrettung und die damit verbundene Möglichkeit in Europa Asyl zu beantragen, ausbauen und dauerhaft absichern.
– Die Grünen Hamburg begrüßen ausdrücklich das Engagement von NGOs, die mit viel Aufwand, Kraft und Herzblut dort Leben retten, wo die europäische Staatengemeinschaft versagt. Die perfide Kriminalisierung von Seenotretter*innen verurteilen wir aufs Schärfste, ihnen gilt unsere politische Solidarität.
– Wir fordern die Bundesregierung und das Bundesinnenministerium auf, sich mit den Mittelmeerländern solidarisch zu zeigen. Diese können die Herausforderung nicht alleine lösen. Europäische Lösungen können auch von unten entstehen, wie das Bündnis solidarischer Städte zeigt.
– Wir wollen, dass sich Hamburg dieser Bewegung anschließt. Wir wollen einen sicheren Hafen bieten! Das Bundesinnenministerium kann sich nicht hinter Hamburg und vielen anderen Städten verstecken, die bereit sind, solidarisch zu sein.
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