Positionspapier der LAG-Tierpolitik – Tierschutzgerechte Regulierung der Stadttauben-Population: Wir benötigen ein nachhaltiges Tauben-Management für Hamburg!

Kontext

Die heutigen Stadttauben sind Nachkommen entflogener Haus- und Ziertauben. Zusätzlich werden die Bestände durch gestrandete und verirrte Brieftauben aufgefüllt, die entweder nach den ihnen ab­verlangten hunderte Kilometer langen Wettflügen nicht zurückgefunden haben oder die Strecke nicht bewältigen konnten. Stadttauben sind daher verwilderte bzw. verwaiste Haustiere. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 BArtSchV gehören sie zu den wildlebenden Wirbeltieren, die einen allgemeinen Schutzstatus genießen und gemäß § 2 BJagdG nicht dem Jagdrecht unterliegen. Nach dieser und nach weiteren Bestimmungen des TiersSchG (vgl. §§ 1, 13, 17) dürfen Stadttauben nicht verfolgt, gefangen oder getötet werden. Um jedoch die Bestände zu regulieren, setzt Hamburg auf die Strate­gie der Aushungerung und damit auf ein Fütterungsverbot (Taubenfütterungsverbotsverordnung vom 1. April 2003).

Weil sie aber in Städten und Ortschaften kein artgerechtes Futter finden, ernähren sie sich notge­drungen von Müll oder menschlichen Essensresten. Die schlechte Ernährung führt zu gravierenden gesundheitlichen Problemen bei den Tieren, was etwa der so genannte „Hungerkot“ signalisiert. Doch die Verwahrlosung und Leid erzeugende Mangelernährung wirkt sich – wider der politischen Intention – nicht auf die Brutfähigkeit der Tauben aus, denn selbst unterernährte Tiere müssen brü­ten, weil ihnen ein „Brutzwang“ angezüchtet wurde. Dass sie sich fünf bis sieben Mal im Jahr fort­pflanzen, ist mithin nicht über einen Futtermangel regulierbar.

Hinzu kommt, dass es verwilderten Stadttauben aufgrund ihrer genetisch bedingten Standorttreue, anders als nicht domestizierten Wildtieren, keineswegs möglich ist, über mehrere Kilometer (etwa auf Feldern) Futter zu suchen. Sie sind auf standortgebundene Nahrung angewiesen.

Als Felsenbrüter nutzen Stadttauben städtische Bauten als Nistplätze (Balkone, Mauernischen, Brü­cken, leerstehende Gebäude etc.). Aufgrund städtebaulicher Bedingungen und verschiedener Ver­grämungsmaßnahmen sind aber zu wenig Brutplätze vorhanden, was zu erheblichem Stress bei brü­tenden Tieren führt. Abwehrmethoden wie Netze, Gitter, Spikes, Pasten und Spanndrähte bergen zu­dem erhebliche Verletzungsgefahren und werden zu Todesfallen für die Tiere (z.B. erhängen sie sich in Netzen oder spießen sich auf Spikes auf). Diese sind damit zur Verdrängung der Vögel aus Tier­schutzsicht klar abzulehnen.

In Hamburg wurden 2018 im Tierheim Süderstraße, dem Franziskus-Tierheim, in der Wildtierstati­on Sparrieshoop und bei Gandolfs Taubenfreunden rund 1900 verletzte, ausgehungerte und ander­weitig in Not geratene Tiere abgegeben, wobei 2020 voraussichtlich die 2000er-Grenze erreicht werden könnte. Da zur Inobhutnahme von wildlebenden Tieren keine kommunalen Gelder bereitge­stellt werden, vermag etwa das Franziskus-Tierheim keine Tauben mehr aufzunehmen, so dass die Hauptlast ihrer Rettung das Tierheim des Hamburger Tierschutzvereins in der Süderstraße sowie Pflegestellen von Gandolfs Taubenfreunden und Hamburger Stadttauben tragen.

Infolgedessen, dass Tauben in der Öffentlichkeit nicht selten als Belästigung wahrgenommen wer­den, gilt es nach Tierschutz-konformen Wegen zu suchen, die Tauben im öffentlichen Raum tierge­recht unterzubringen.

Ziel sollte es sein, der Stadttaube in Hamburg ein tiergerechtes Leben zu ermöglichen und dabei für überschaubare, gesunde Tierbestände zu sorgen. Doch ohne nachhaltiges und zeitgemäßes Tauben-Management wird es weiterhin hunderte verwaiste und verelendete Tiere und deren Kot auf öffent­lichen Plätzen geben.

Um dem entgegen zu wirken, wurde ein Modell entwickelt, das bereits von einigen Kommunen (Augsburg, Aachen, Köln, Düsseldorf Essen, Frankfurt, Bremen u.a.) erfolgreich erprobt wurde.

Tierschutzkonforme Bestandsregulierung

Weil die in Hamburg praktizierte Strategie der Aushungerung keineswegs tierschutzkonform ist, wird auf ein einschlägiges Programm verwiesen, welches eine auf das Wohl der Tiere abzielende Ausrichtung einer Populationsbeschränkung wildlebender Tauben intendiert (vgl. das Augsburger- und das Aachener-Modell). Dieses zeichnet sich dadurch aus, dass in Ballungsgebieten fachgerecht geführte Taubenschläge eingerichtet werden, in denen die Tiere ausreichend artgerechtes Futter, fri­sches Wasser sowie Nistplätze vorfinden. Sie werden regelmäßig gereinigt und veterinärmedizi­nisch betreut.

Indem die Taubeneier im frühen Stadium durch Attrappen ersetzt werden, ist die Chance groß, den Bestand wirksam zu regulieren. Die jeweils angestrebte Bestandsgröße sollte im Vorfeld zwischen den verschiedenen Akteuren in den Bezirken abgestimmt werden.

Der innerartliche Konkurrenzdruck bzw. der „Dichtestress“ verringert sich, was die Taubengesund­heit fördert. Da sich die Tiere überwiegend in und an ihrer Behausung aufhalten, werden sie vom öffentlichen Raum ferngehalten. Weil Kot vornehmlich in den Schlägen abgesetzt wird, werden nicht nur Verunreinigungen in den Innenstädten verringert, sondern auch die Kosten für Stadtreini­gung und Denkmalpflege. Abgesehen davon lässt sich der Kot gesunder Tiere leichter entfernen als der „Hungerkot“ verelendeter.

Gemäß den einschlägigen Darstellungen zur Umsetzung des besagten Modells belaufen sich die Kosten für Taubenschläge oder Taubentürme etwa auf 12.000-16.000 Euro für einmalige Baukos­ten, hinzu kämen jährlich etwa 4000-5000 Euro Unterhaltskosten sowie Personalkosten auf 450 Eu­roebene, im Jahr also etwa 5400 Euro.

Einwände und Entgegnungen

Erstens, trotz aller absehbarer Erfolge der Tauben-Häuser für die dort lebenden Vögel, käme es den­noch zu Abwanderungen von Tieren in den öffentlichen Raum, wenn nicht alle (etwa geschlechts­reif gewordene Jungtiere) in den vorgesehen Brutstätten einen Nistplatz fänden. Diese suchten dann die im öffentlichen Raum freigewordenen Nistplätze auf und gingen dort auf Futtersuche.

Indes: Gemäß Gandolfs Taubenfreunden könne dem entgegengehalten werden, dass es genau des­halb wichtig wäre, zumindest an den Brennpunkten so viele Taubenschläge zu bauen, wie Tauben (Schwärme) vorhanden sind, u.z. möglichst zeitgleich oder zumindest zeitnah aufeinanderfolgend. Die Anzahl der Schläge sei dabei variabel. Hamburg-Mitte benötige etwa schon im Gebiet des Hauptbahnhofes und der Mönckebergstraße ähnlich viele Schläge wie Hamburg-Bergedorf insge­samt (ca. 4). Mit beginnender Reduktion der Taubenpopulation könnte die Anzahl der Schläge auch wieder reduziert werden.

Zweitens, nach Umsetzung des Modells in verschiedenen Kommunen vermochte eine wissenschaft­lich belegte Reduzierung des örtlichen Tauben-Bestandes in Ermangelung profunder Zählungen bis­her nicht belegt werden können.

Indes: Nach Kenntnis von Gandolfs Taubenfreunden gäbe es tatsächlich noch keine wissenschaftli­che Studie darüber. Gelänge es aber, die Tauben an die Schläge zu binden (s. Pkt 1 u. Pkt 4) handele es sich um ein einfaches Rechenbeispiel: Jedes gelegte und entnommene Ei bedeute eine Taube we­niger. Hier gelte es zu beachten, dass Stadttauben auch ohne Taubenschläge und bei Futterentzug (momentaner Zustand) brüteten, da das Brutverhalten angezüchtet sei und nicht vom Nahrungsan­gebot abhänge.

Fazit: Nur mit ausreichend Taubenschlägen könnten die Anzahl der Tauben reduziert werden, und zwar in der Menge, wie Eier entnommen würden.

Drittens, bereits die Suche nach geeigneten Standorten, die für die Tiere attraktiv genug erscheinen, ist aufgrund der Vielzahl privater Gebäude im städtischen Raum außerordentlich aufwendig.

Indes: Gemäß Gandolfs Taubenfreunden wären wichtige Standortgeber die Deutsche Bahn, die Hamburger Hochbahn AG, die Sprinkenhof AG (Verwaltung öffentlicher Gebäude), die großen BID’s (Business Improvement Districte) und die Hamburger Einkaufszentren (ECE, Edeka Group). Alle genannten seien stark von der Tauben-Problematik betroffen. Teilweise würden die örtlichen Tauben- bzw. Tierschutz-Vereine bereits um Unterstützung gebeten. So signalisiere die Deutsche Bahn große Probleme mit Stadttauben und der BID am Tibarg hätte bereits vor zwei Jahren Interes­se an einem Taubenschlag bekundet. Das EKZ Billstedt würde 1-2 Taubenschlägen bauen, auch Marktkauf Bergedorf zeige sich offen, wenn zwei weitere Standortgeber mitzögen. Dort sei sogar schon der Standort auf dem Parkdeck bestimmt worden. Für Standortsuche und Vertragsverhandlun­gen empfehlen Gandolfs Taubenfreunde eine*n von der Stadt Hamburg bestellte*n Tierschutz- oder Taubenbeaufragte*n.

Viertens, die in Hamburg bereits bestehenden Taubenschläge und -türme (etwa auf dem Gelände des Hamburger Tierschutzvereins oder in der Böckmannstraße 40 nahe dem Hauptbahnhof) werden teils nicht ausreichend fachgerecht betreut und offenbaren sich dementsprechend verwahrlost.

Indes: Gemäß Gandolfs Taubenfreunde hänge der Erfolg eines Taubenschlages im Wesentlichen davon ab, wie attraktiv er für die Tauben gestaltet werde. Hierzu gehörten neben dem richtigen Standort eine taubengerechte Innenausstattung, z.B. Verblendung von Nistzellen (Höhlenbrüter), Brutzellen nicht zu nah aneinander bauen (Revierverhalten), eventuell Trennung von Brut- und Fut­terraum um Ruhe zu schaffen, mehrere Anflugbretter (dominante Täuber blockieren diese gerne), wilde Brutplätze im Umfeld entfernen, eventuell einige Tauben ausbrüten lassen um einen Bruter­folg vorzutäuschen. Dementsprechend sei Erfolgsvoraussetzung eines Taubenschlages die Beobachtung der Tiere während des laufenden Betriebs, um ggf. Anpassungen vorzunehmen. Unerlässlich sei neben der täglichen Futter- und Wassergabe die regelmäßige Reinigung und Desinfizierung ei­nes Schlages, um Krankheiten/Parasiten gar nicht erst aufkommen zu lassen.

(Vgl. zudem die Schriftlichen Kleinen Anfragen (Ska) der LINKEN 20/12139, 20/12727)

Zur Relevanz eines professionellen Tauben-Manage­ments für Hamburg

In Hamburg gibt bereits an folgenden Standorten Tauben-Schläge (April 2020):

  • Böckmannstraße/Steindamm auf der Moschee: ehemals finanziell unterstützt von der Stadt, betrieben vom Tierheim Süderstraße, wurde im April zurückgebaut, seit Ostern 2020 ist ein Schwarm von 400 Tauben ohne Unterkunft und Futter;
  • kleiner Schlag im Mäuseturm des Hauptbahnhofes: finanziell betrieben von der DB, betreut von den Hamburger Stadttauben;
  • Mümmelmansberg am Havighorster Redder: finanziell betrieben von der SAGA, betreut von den Hamburger Stadttauben;
  • Taubenhort (Container) auf dem Gelände des Tierheims Süderstraße.

Zur aktuellen Situation in Hamburg: Da die bestehenden Schläge von den Tieren gut angenommen werden, sind sie z.T. überfüllt. Das führt dazu, dass Tauben nur zum Fressen in den Schlag kom­men und sich – entgegen der politischen Intention – außerhalb Brutplätze suchen. Es gilt daher, an öffentlichen Tauben-Brennpunkten ausreichend Taubenschläge zu bauen, weil das Bestandsregulati­onskonzept (Augsburger-Modell) sonst nicht funktioniert. Zudem birgt ein Betrieb durch Ehrenamt­liche das Risiko, dass die Bestandskontrolle nach dem beschriebenen Modell in den Schlägen nicht fachgerecht beobachtet wird, so dass Fehler nicht aufgedeckt und der Betrieb nicht optimiert wer­den kann. Abgesehen davon müsste, damit das oben beschriebene Konzept zur Bestandskontrolle der Tauben effektiv greift, ein Netzwerk aus Taubenschlägen entstehen, die sich gegenseitig entlas­ten, damit der Betrieb in einzelnen Schlägen für die Tiere zum Brüten nicht zu hektisch wird.

Die Corona-Krise hat in vielen Städten zu einem unübersichtlichen Fütterungs-Wildwuchs geführt. In Ermangelung eines städtisch organisierten tierschutzkonformen Tauben-Managements und des stattdessen in Hamburg praktizierten gesetzlichen Fütterungsverbots, verschärfte sich infolge des allgemeinen Lock-Downs in den Innenstädten u.a. durch die Schließung der Gastronomie-Betriebe die Tauben-Not. Das führte in einigen Teilen der Stadt vermehrt zu illegalen Fütterungen. Auch das offenbart: die vom Senat zur Bestandsregulierung von Tauben praktizierte Strategie des Aushun­gerns mittels eines schlichten Fütterungsverbots ist zu kurz gegriffen. Vielmehr muss ein gesetzli­ches Fütterungsverbot mit regulierten Fütterungen einhergehen. Kurzum: zur Bestandskontrolle braucht es ein organisiertes tierschutzkonformes Tauben-Management.

Gemeinsam systematisch und nachhaltig das Tauben-Elend bekämpfen!

In der letzten Legislatur gab es von CDU, FDP und immer wieder von der LINKEN parlamentari­sche Initiativen, die sich mit der tierschutzkonformen Bestandskontrolle der Stadttauben befassen (21/11093, SKA LINKE, 21/12502, SKA LINKE, 21/15902, SKA LINKE, 21/16510, Antrag LINKE, 21/16642, Antrag FDP, 21/17812, SKA CDU). Abgesehen davon, dass sich hier zahlreiche Ideen zur politischen Umsetzung finden, verdeutlichen diese SKAs und Anträge einen fraktions­übergreifenden Konsens, hier politisch Lösungen für Hamburg zu finden. Das birgt Chancen. Zu­dem kann die Strategie der Aushungerung als ineffektiv und nicht mehr zeitgemäß erachtet werden.

Die LAG Tierpolitik der Hamburger GRÜNEN meint darum, dass die Zeit reif ist, schnellstmöglich mit verschiedenen Beteiligten zusammen konstruktiv über das Thema ins Gespräch zu kommen und Lösungsoptionen zu erarbeiten, um in Hamburg gemeinsam systematisch nach fachgerechten und nachhaltigen Wegen aus dem Tauben-Elend zu suchen und damit – zugunsten der Tiere und den sich durch sie belästigt fühlenden Menschen – ein professionelles Tauben-Management aufzubauen.

In unserem aktuellen Regierungsprogramm steht auf S. 134: „Wir wollen ein tierschutzkonformes Konzept entwickeln, das zur Regulation der Taubenpopulationen in der Stadt beiträgt.“

Wir fordern daher:

  • Stadt-übergreifend an Brennpunkten von Taubenschwärmen die Einrichtung ausreichend vieler kontrollierter Taubenschläge in den Bezirken.
  • Eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden auf Landes- und Bezirksebene, potenziellen Standort-Eigentümer/innen, zuständigen Vereinen und ehrenamt­lich engagierten Tierfreund*innen (Runder Tisch), die Voraussetzung dafür ist, um mit ver­einten Kräften in Hamburg einen systematischen und nachhaltigen Weg aus dem Tauben-Elend (Tauben-Management) zu finden.
  • Die Einholung der Expertise von einschlägigen Tierschutzorganisationen (wie z.B. Gandolfs Taubenfreunde Hamburg oder den Hamburger Stadttauben e.V.) und von Kommu­nen, die bereits positive Erfahrungen mit der Realisierung von Modellen Tierschutz-konfor­mer Bestandsregulierung gemacht haben.
  • Zur Vermeidung eines unübersichtlichen Flickwerks von Einzelprojekten: die Bestellung eine*s städtischen Beauftragten zur Umsetzung und Koordinierung des zu etablierenden Tauben-Managements, angesiedelt etwa in einem Fachamt zum Management des öffentli­chen Raumes, der Park- und Baumpflege.
  • Verankerung der Umsetzung eines Stadt-übergreifenden tierschutzkonformen Tauben-Managements für Hamburg als politische Zielsetzung im Koalitionsvertrag, die eine konstruktive Zusammenarbeit mit allen Bezirken impliziert, um dort jeweils an Brennpunk­ten effektiv, d.h. ausreichend fachlich kontrollierte Taubenschläge einzurichten.
  • Aufgrund der heißen Sommer die Einrichtung von Wassertränken im städtischen Raum für Vögel und Insekten.
  • Die Reform gesetzlicher Regelungen der Taubenzucht und des Brieftaubensports (vgl. Drs. 21/12502, SKA LINKE).