Seit Jahren spitzt sich die Lage an den europäischen Außengrenzen immer weiter zu. Seit Jahren gelten Menschenrechte nicht mehr universell, der Tod von flüchtenden Menschen wird in Kauf genommen und Rettende werden kriminalisiert.
Die Lage in den Camps an den Außengrenzen ist eine Seite dieser unmenschlichen Asylpolitik. So sind zum Beispiel die Lager auf den griechischen Inseln überfüllt und die dort lebenden Menschen leben unter vollkommen unwürdigen Bedingungen. Laut der Uno-Flüchtlingshilfe lebten im Januar 2021 19.000 Menschen in den „Aufnahme- und Identifikationszentren“, die lediglich für 5400 Menschen konzipiert sind.
Sie leben in Zelten ohne ausreichenden Zugang zu sanitären Einrichtungen oder medizinische Versorgung. Die Kinder im Lager haben keinerlei Zugang zu Bildung. Diese Zustände sind katastrophal und das schon seit Langem. Und seit Langem wird auch bereits über europäische Lösungen geredet und doch werden nie welche gefunden. Besonders dramatisch zeigt sich die Situation an den Außengrenzen in der globalen Corona-Pandemie, vor der die Menschen in den Lagern kaum geschützt sind. Nach dem Brand im Camp Moria im letzten Jahr wurde versprochen, dass sich diese Zustände nicht wiederholen würden. So sagte Ylva Johannsen, die zuständige EU-Kommissarin nach dem Brand im Camp Moria, es solle „keine Morias“ mehr geben und „Wir können nicht akzeptieren, dass Menschen unter diesen Bedingungen leben“. Und doch werden diese weiter akzeptiert, vielmehr hat die Lage sich seitdem noch verschlimmert, die Menschen leben inzwischen auf einem hochgiftigen Militärgelände. Bei Regen ist das neue Lager regelmäßig überschwemmt, Menschen schlafen in Zelten mit Pfützen. Aufgrund der schlecht verlegten Stromleitungen und des Kochens im Freien kommt es vermehrt zu Bränden. Babys werden in nassen Zelten von Ratten gebissen, traumatisierte Kinder versuchen sich selbst das Leben zu nehmen, allein 2020 gab es 50 Suizidversuche.
Auch im Camp Lipa in Bosnien-Herzegowina ist die Lage seit Langem katastrophal. Nachdem es dort ebenfalls zu einem Brand kam, leben die 900 Menschen dort auch heute noch in Zelten unter katastrophalen Bedingungen. Und die EU schaut zu. 1553 geflüchtete Menschen wurden nach dem Brand im Camp Moria in Deutschland aufgenommen. Damit erklärt die Bundesregierung die Aufnahme für beendet. Mehr als 240 Bundestagsabgeordnete appellierten kurz vor Weihnachten nochmals an die Bundesregierung mehr Menschen aufzunehmen. Mehr als 360 Landtagsabgeordnete unterstützten diese Forderung in einem von Hamburg initiierten eigenen Appell. Viele Kommunen, Städte und Länder, auch Hamburg haben sich bereit erklärt, mehr Menschen aufzunehmen. Die Zivilgesellschaft, allen voran die Seebrücken-Bewegung, fordert die Evakuierung der Lager.
Die Bundesregierung beendete stattdessen die Aufnahme und verweist darauf, dass nun auch andere Länder aufnehmen müssten. Doch das wird zumindest kurzfristig nicht passieren – diese Weigerung zu helfen, wird auf dem Rücken der geflüchteten Menschen ausgetragen. Der Vorschlag, der EU-Kommission für ein neues EU-Asyl und Migrationspaket von September 2020 sieht vor, weiterhin an der Dublin-Regelung festzuhalten. Deutschland hat eine besondere, historische Verantwortung und muss als wirtschaftsstärkstes Land der EU vorangehen. In Hamburg wird die Absurdität der aktuellen Asylpolitik der Bundesrepublik Deutschland besonders deutlich: Hamburg erklärte sich nach dem Brand in Moria dem Bund gegenüber bereit, 500 Menschen aufzunehmen. Da der Bund aber insgesamt nur 1553 Menschen aufnehmen wollte und noch viele andere Kommunen bereit waren, Geflüchtete aufzunehmen, wurde Hamburg nur die Aufnahme von 209 Menschen genehmigt. Umso wichtiger sind die Vor-Ort-Hilfen, die vom Staat aber besonders auch von vielen zivilgesellschaftlichen Organisationen geleistet werden. Aus Hamburg sind u.a. der Hamburger-Hilfskonvois und Medical Volunteers International an den EU-Außengrenzen aktiv und versorgen die Geflüchteten mit dem Nötigsten. Diese unmenschliche und rassistische Geflüchtetenpolitik muss sich endlich ändern. Im Entwurf des GRÜNEN Bundestagsprogramm fordern wir:
„Wir wollen eine humanitäre Aufnahmepolitik, bei der der Bund und die Länder kooperativ zusammenarbeiten und die die Aufnahmebereitschaft von Kommunen und Ländern nicht mehr ignoriert. Länder und Kommunen sollen mehr Mitsprache- und Gestaltungsmöglichkeiten erhalten, wenn es um die humanitäre Aufnahme Geflüchteter geht. Mit einer Änderung der Zustimmungsregel zwischen dem Bundesinnenministerium und den Ländern von Einvernehmen in Benehmen wollen wir klarstellen, dass sich Bundesländer künftig über den Königsteiner Schlüssel hinaus selbständig und frei für die Aufnahme von Geflüchteten entscheiden können. Der Bund soll weiter die finanziellen und infrastrukturellen Aufgaben erfüllen.“
Wichtiger noch ist aber unser Ziel einer grundlegend veränderten deutschen und europäischen Asylpolitik. Wenn es eine Politik für Geflüchtete gibt, die ihrer Verantwortung aus Perspektive der Menschenrechte gerecht wird, dann werden Landesaufnahmeprogramme eine gute Ergänzung dieser Politik sein, aber nicht notwendig, um menschenrechtskonforme Asylpolitik überhaupt erst zu ermöglichen. Wir wollen keine Trostpflaster innerhalb des gescheiterten Dublin-Systems, die die Länder in die Rolle bringen, entscheiden zu müssen, wem das Recht auf eine menschenwürdige Perspektive gegeben werden kann und wem nicht. Wir wollen eine veränderte Asylpolitik, die jedem Menschen gerecht wird. Im Entwurf für unser Bundestagswahlprogramm ist dies wie folgt beschrieben:
„Der Blockade einer gemeinsamen und humanen Flüchtlingspolitik zwischen den Mitgliedstaaten begegnen wir mit folgendem Plan: In gemeinschaftlichen von den europäischen Partnern geführten Einrichtungen innerhalb der EU an den rechtsstaatlich und europäisch kontrollierten EU-Außengrenzen sollen die Geflüchteten registriert werden und einen ersten Sicherheitscheck durchlaufen. So wissen wir, wer zu uns kommt, und werden zugleich unserer humanitären Verantwortung gerecht. Die Menschen, die nach Europa kommen, müssen medizinisch und psychologisch erstversorgt und menschenwürdig untergebracht werden. Unter Berücksichtigung persönlicher Umstände wie familiärer Bindungen oder der Sprachkenntnisse bestimmt die EU-Agentur für Asylfragen den Aufnahme-Mitgliedstaat. Der zugrunde liegende Verteilmechanismus stützt sich zunächst auf die Bereitschaft von Regionen und Städten, Geflüchtete freiwillig aufzunehmen. Wer das tut, erhält Hilfe aus einem EU-Integrationsfonds. Reichen die Aufnahmeplätze nicht aus, weiten alle Mitgliedstaaten im Verhältnis von Bruttoinlandsprodukt und Bevölkerungsgröße verpflichtend ihr Angebot aus oder leisten einen mindestens gleichwertigen Beitrag zu den Gesamtkosten. Das Asylverfahren findet im aufnehmenden Mitgliedstaat statt. Die Kommission stellt sicher, dass die gemeinsamen Regeln und Mindeststandards eingehalten werden. Wir werden mit handlungswilligen Ländern und Regionen vorangehen, um die derzeitige katastrophale Situation an den Außengrenzen zu beenden. Geschlossene Lager, Transitzonen oder europäische Außenlager in Drittstaaten lehnen wir ab.“
Solange wir auf Bundesebene aber keine veränderte Asylpolitik und keinen anderen Umgang bei der Aufnahme von Geflüchteten haben, erwarten wir, dass sich Hamburg für eine Änderung dieser Politik stark macht. Hamburg hat mit der Bereitschaft, mehrere hundert Geflüchtete aufzunehmen, einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, dass sich der Bund überhaupt bewegt. Nun, nachdem die Aufnahmeprogramme des Bundes demnächst erschöpft sind, sollte Hamburg ein Landesaufnahmeprogramm für mindestens 1000 Menschen auf den Weg bringen, um den Druck auf den Bund weiter zu erhöhen.
Wir als Bündnis 90/Die Grünen Hamburg setzen uns dafür ein und wirken auf allen Ebenen darauf hin
- ein eigenes Hamburger Landesaufnahmeprogramm für mindestens 1000 Menschen von den europäischen Außengrenzen umzusetzen,
- dass Hamburg
- gemeinsam mit anderen Bundesländern auf die Bundesregierung einwirkt, weitere Aufnahmeprogramme für eine schnelle und unkomplizierte Hilfe zu starten,
- dass Hamburg vor Ort weiterhin Hilfe leistet – finanziell und mit Sachleistungen,
dass der Bund
- jede Anstrengung unternimmt, um trotz der Handlungsunfähigkeit der EU, deutlich mehr Menschen in Not aufzunehmen,
- Bemühungen der Bundesländer, Menschen aufzunehmen, nicht im Wege steht und sein Einvernehmen zu beantragten Landesaufnahmeprogrammen erteilt,
- auf europäischer Ebene für eine Asylpolitik eintritt, die den Zugang zum individuellen Asylverfahren, den Zugang zum Rechtssystem und menschenwürdige Unterbringung ermöglicht.