Grüne Bildungspolitik für Hamburg: transparent, gemeinsam und zukunftsgerichtet

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Grüne Bildungspolitik für Hamburg: transparent, gemeinsam und zukunftsgerichtet

Unsere Gesellschaft befindet sich im Wandel. Rahmenbedingungen unseres Lebens verändern sich stetig, mit enormer Geschwindigkeit; global und lokal. Dies fordert uns alle heraus.

Als Individuen und als Gesellschaft stehen wir diversen Krisen wie Kriegen und Inflation gegenüber, die uns Sorgen bereiten und Kluften schaffen.

Mit großer Sorge beobachten wir, dass rechtes Gedankengut zunimmt und Populist*innen menschenverachtende Narrative und Demokratiefeindlichkeit schüren. Hass und Hetze, Antisemitismus, Antiziganismus, Islamfeindlichkeit und weitere Formen von Diskriminierung werden offen und ungeniert geäußert; in digitalen – ebenso wie in Räumen des alltäglichen Lebens.

Wir sind als politische Akteure aufgerufen, uns klar gegen jede Form der Menschenverachtung und Diskriminierung zu stellen, die Menschen für den Erhalt unserer Solidargemeinschaft zu begeistern, ihre Teilhabe zu ermöglichen und unsere Demokratie zu stärken.

Denn: Unsere Demokratie ist fragil und sie ist nicht selbstverständlich.

Gleichzeitig sehen wir ein enormes Potenzial in unserer Gesellschaft, in der Veränderungen auch Chancen bedeuten. Veränderte Berufsbilder, zunehmende Heterogenität und Diversität sowie neue digitale Möglichkeiten – das alles macht Mut und bietet viele Möglichkeiten, unsere Zukunft gemeinsam gerechter und nachhaltiger weiterzuentwickeln.

Ein wirkungsvoller Hebel dabei ist Bildung!

Im Handlungsfeld der Bildungspolitik können die Grundlagen für unser demokratisches Zusammenleben und die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft maßgeblich und wirkungsvoll angelegt werden.

Ein gerechtes und zukunftsfähiges Bildungssystem ist das Fundament für eine stabile, demokratische und zukunftsfähige Gesellschaft. Damit kommt dem Feld der Bildungspolitik eine Schlüsselrolle zu

Auf der Basis von Bildung entwickelt sich die kulturelle Identität jeder*s Einzelnen und der Gesellschaft. Durch Bildung können Menschen sich selbst als wirksame Akteure unserer demokratischen Gesellschaft erleben und sich bewusst, informiert und verantwortungsvoll in die Gesellschaft einbringen. Bildung ist eine Voraussetzung für nachhaltige Entwicklung, die Verringerung der weltweiten Armut und für ein friedliches Zusammenleben. Bildung befähigt Menschen, ihre politische, soziale, kulturelle, gesellschaftliche und wirtschaftliche Situation zu verbessern.

Nicht zuletzt hat auch das Bundesverfassungsgericht mit der Anerkennung des „Recht auf Bildung“ im Jahr 2021 die Bedeutung von Bildung als Lebensgrundlage hervorgehoben. Bildung muss demnach die Möglichkeiten schaffen, dass Menschen sich nach eigenen Vorstellungen (schulisch) bilden und ihre Persönlichkeit entwickeln können, sowie aktive Mitglieder der demokratischen Gesellschaft werden. Hierbei gilt es, vor allem politische Systemfehler auszuräumen, um Bildungsgerechtigkeit zu schaffen.1

Wir GRÜNE haben konkrete Maßnahmen, Ansätze und Ziele entwickelt, um den Schlüssel der Bildungspolitik zu nutzen: Mit Grüner Bildungspolitik wollen wir durch drei zentrale Themenschwerpunkte Rahmenbedingungen für eine zukunftsgerechte Bildung schaffen, in denen Menschen sich unabhängig von ihrer sozialen oder ethnischen Herkunft selbstbestimmt weiterentwickeln und am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können.

1. Bildungsgerechtigkeit

Die Verbesserung der Bildungsgerechtigkeit und das Verringern von Bildungsarmut ist der handlungsleitende „GRÜNE Faden“ unserer Bildungspolitik, weil nur so alle Menschen ihr Potenzial bestmöglich entfalten können und unsere demokratische Gesellschaft stabil bleibt. Wir GRÜNE setzen auf gezielte frühe Förderung, die Stärkung des Lernens im eigenen Takt, der professionellen und unterstützenden Begegnung von Vielfalt und den Ausbau von Unterstützungssystemen. Es gilt, individuelle Bildungswege ein Leben lang zu stärken und Zugang zu Bildung auf allen Ebenen und aus verschiedenen Lebenslagen und Biografien heraus zu stärken.

2. Lernkultur

Um Kinder und Jugendliche auf die Welt von morgen vorzubereiten, sind Methoden von vorgestern nicht mehr passend. Aus GRÜNER Sicht gilt es, Kompetenzen zu stärken, die in der künftigen Welt wichtig sind und dafür die Pädagogik und Prüfungskultur weiterzuentwickeln und die Schulen und Lernorte entsprechend zu gestalten. Die digitale Welt ermöglicht und benötigt neue Formen des Lernens, passend zu den individuellen Lernvoraussetzungen und den Anforderungen der Zukunft. Dabei ist es uns wichtig, die Lernenden selbst auch in ihrer Persönlichkeit und (psychischen) Gesundheit in den Blick zu nehmen und zu stärken und Lernprozesse konsequent an den Zielen der Bildung für nachhaltige Entwicklung auszurichten. Um die Lernkultur in diesem Sinne zu transformieren, möchten wir dafür sorgen, dass Schulen und andere Bildungsinstitutionen die dafür nötigen Gestaltungsräume und Unterstützung erhalten.

3. Fachkräfte

Für gerechtes und zukunftsweisendes Lernen benötigen wir gut ausgebildete, gesunde und motivierte Fachkräfte in allen Bereichen von Bildung. Anders als in einigen anderen Tätigkeitsfeldern braucht es hier selbst bei fortschrittlichster KI und Robotik auch künftig noch Menschen, die Beziehungen aufbauen und Entwicklungsprozesse begleiten können. Vor dem Hintergrund des Fach- und Arbeitskräftemangels möchten wir dafür sorgen, dass wir ausreichend Fachkräfte im Bildungsbereich gewinnen, qualifizieren und in diesem wichtigen Berufsfeld halten. Hierfür möchten wir die Ausbildungswege attraktiver machen, neue Möglichkeiten des Berufseintritts mit passgenauer Qualifizierung schaffen und die Arbeitsbedingungen attraktiv und gesundheitsfördernd mit Fokus auf das Kerngeschäft der pädagogischen Arbeit gestalten.

1. Bildungsgerechtigkeit – weil jeder Mensch wichtig ist

Es gibt ein Recht auf Bildung. Dieses Recht kommt allen unabhängig von ihrer Herkunft, ihrem Geschlecht oder ihren Voraussetzungen zu. In Deutschland hängen Bildungszugang und Bildungserfolg immer noch viel zu sehr von der Herkunft ab. Auch in Hamburg haben wir es bisher nicht geschafft, den Bildungserfolg ausreichend von der Herkunft zu lösen. Während beispielsweise Kinder aus Haushalten mit einem hohen Sozialstatus zu rund 80% die Schule mit der Allgemeinen Hochschulreife verlassen, sind es bei jenen aus einem besonders niedrigen Sozialstatus mit knapp 30% besonders wenige. Relevant ist hier, dass sich die soziale Ungleichheit hartnäckig hält – auch in Hamburg. Insgesamt steigt die Anzahl der Haushalte, die sich unter der Armutsgefährdungsschwelle befinden. Hier sind insbesondere Menschen im Alter von 18 bis 25 Jahren betroffen, aber auch Menschen über 65 Jahre und Kinder, denn: Die Armut der Kinder ist die Armut ihrer Eltern.2

Dabei ist in Hamburg offenbar jedoch nicht nur das geringe Einkommen ein Hindernis für Bildungserfolg, sondern auch der Migrationshintergrund: Von den Kindern aus einem Haushalt mit hohem Sozialstatus und ohne Migrationshintergrund erreichen knapp 82,6% die Allgemeine Hochschulreife, während nur 70,3% der Kinder auch aus Haushalten mit hohem Sozialstatus, jedoch zusätzlich mit einer Migrationsgeschichte, mit der Allgemeinen Hochschulreife eine allgemeinbildende Schule verlassen.3

Vor diesem Hintergrund ist hervorzuheben, dass 37,4% aller Hamburger*innen einen Migrationshintergrund haben. Bemerkenswert und insbesondere relevant für das Handeln im bildungspolitischen Kontext ist, dass der Anteil derer mit Migrationshintergrund bei den unter 18-Jährigen bei über 53% liegt.4

Ein zentraler Aspekt der Bildungsgerechtigkeit ist zum einen der Bildungszugang und zum anderen der Bildungserfolg.

Der Bildungserfolg bestimmt maßgeblich die Höhe des zukünftigen Einkommens und damit auch die Möglichkeit der gesellschaftlichen Teilhabe. Auch Faktoren wie Gesundheit, psychische Resilienz und Gesundheitsvorsorge werden maßgeblich vom Bildungserfolg mitbestimmt. Übergeordnet wirken sich Bildungserfolge in Deutschland also auf die aktive Teilhabe und das allgemeine Bildungsniveau in unserer Gesellschaft aus.

Wenig Zugänge in Bildung und damit weniger gelungene Abschlüsse führen dazu, dass uns wertvolle Köpfe und Kräfte verloren gehen, die unsere Gesellschaft, unsere Demokratie und unsere Wirtschaft brauchen.

Und viel mehr noch: Menschen bleiben unter ihren Möglichkeiten, sie erleben Ausgrenzung, Einsamkeit und vererben das Erleben von Ungleichheit weiter. In einer Stadt, in der perspektivisch mehr Menschen mit einem Migrationshintergrund leben werden als ohne und in der die Einkommensschere immer weiter auseinander geht, müssen wir alles daransetzen, allen Menschen gerechte Perspektiven zu ermöglichen.

Es braucht neue und weitergehende Antworten darauf, wie wir einen gerechten Zugang zu Bildung und Bildungserfolg unabhängig von Identität, Herkunft, ökonomischer Voraussetzung, religiöser Anschauung und Lebensalter ermöglichen können.

Fest steht: Schule allein kann nicht für Bildungsgerechtigkeit sorgen. Wir brauchen ein kluges Zusammenspiel politischer Zuständigkeiten und bei der Gestaltung von Institutionen. Es braucht eine gute, nachhaltige und gerechte Bildungspolitik, die alte Wege in der Bildungslandschaft neu gestaltet und neue Wege eröffnet. Nur im bereitwilligen Zusammenspiel aus sozial- und wirtschaftspolitischen Bemühungen kann es gelingen, Bildungsprozesse gerechter zu unterstützen.

Wenn wir von Bildungsgerechtigkeit sprechen, ist für uns klar, dass wir auch weiterhin die Auswirkungen der Corona-Krise und der aktuellen Krisen durch Krieg und Inflation, die die Menschen sehr unterschiedlich hart getroffen hat und trifft, in unser Handeln einbeziehen.

Sowohl Wissenschaftler*innen, pädagogische Praktiker*innen als auch Eltern sind sich einig, dass bei Kindern und Jugendlichen Probleme wie empfundener Kontrollverlust, geringe Frustrationstoleranz, soziale Ängste und psychosomatische Symptome bis hin zu Verzögerungen in der motorischen Entwicklung stärker geworden sind. Dies betrifft insbesondere Kinder aus einkommensschwachen Familien, die häufig unter beengten Wohnverhältnissen, einem Mangel an Freizeitmöglichkeiten und begrenzten Ressourcen leiden.5 Auch Auszubildende und Studierende leiden oft unter Einsamkeit und Existenzängsten; und viele Sorgepflichtige haben ebenfalls in hohem Maße Belastungen in dieser Zeit erfahren, die nicht zuletzt aus der Doppelbelastung aus Berufstätigkeit und Sorgearbeit resultieren.

Darum ist ein essentielles Element zu mehr Bildungsgerechtigkeit eine engere Kooperation zwischen Bildungsinstitutionen und weiteren Akteur*innen wie Jugendämtern und Jugendhilfeträgern.

1.1 Kinder früher fördern

Bildungsprozesse beginnen bereits weit vor dem Schuleintrittsalter, und damit liegen die Wurzeln von Bildungsungerechtigkeit bereits im frühen Kindesalter. Ungleiche Startbedingungen in den individuellen Bildungswegen führen zu ungleichen Chancen. Je früher man den ungleichen Startbedingungen entgegenwirkt, desto eher können sie abgewendet werden. Und andersherum: Je später Ungleichheit entgegengetreten wird, desto eher verfestigt sie sich und desto schwieriger wird es, sie zu überwinden. Kinder stehen im Mittelpunkt unserer bildungspolitischen Vision. Sie sind die Zukunft – und dafür müssen wir ihnen die Möglichkeit geben, sich mit allen für die Zukunft notwendigen Kompetenzen auszustatten; von Anfang an und allen Kindern. Doch auch hier stehen wir vor ungleichen Voraussetzungen, die unterschiedlich begründet sind:

Jedes dritte Hamburger Kind spricht zu Hause kein Deutsch. Auch wenn jede Sprache, die erworben wird, wertvoll ist und dem Sprachverständnis dient, so ist es dennoch essentiell, die Sprache gut zu beherrschen, in der in Institutionen kommuniziert wird und mit der man auch vollumfänglich gesellschaftlich teilhaben kann. Daher hat Sprachkompetenz einen großen Einfluss auf den Bildungserfolg von Menschen. Kitas sind hier von hoher Relevanz, da Kinder im Kitaalter ihr Sprachvermögen entwickeln.

Neben der Sprache werden in Kitas zahlreiche andere Kompetenzen wie Motorik, Sozialkompetenzen durch den Umgang mit Gleichaltrigen, die Vermittlung von Regeln, Werten und Normen, Umweltkompetenzen oder auch Selbstkompetenzen gefördert.

Kurzum: Der regelmäßige Besuch einer Kita fördert die individuelle Entwicklung und erleichtert damit den Einstieg in die Schule.

Demgegenüber steht, dass der Betreuungsanspruch für ein Kind vom beruflichen Zeitumfang der Erziehungsberechtigten abhängt; zudem nehmen Eltern mit höherem Bildungsabschluss die Betreuung in der Kita eher wahr. Darüber hinaus werden Betreuungszeiten bei Geburten von Geschwistern oder bei einer Reduktion der Berufstätigkeit reduziert. Dies führt dazu, dass Betreuungszeiten jährlich stark variieren können und somit weder für das Kind noch für die Eltern eine verlässliche, kontinuierliche Basis für die Entwicklung bilden können. Den Kindern wird damit möglicherweise eine wichtige professionelle Begleitung und das Lernen mit Gleichaltrigen versagt.

Das System der frühkindlichen Bildung muss vorrangig an pädagogischen Kriterien zum Wohle des Kindes ausgerichtet werden.

Wir wollen daher

  • die Vorstellungsverfahren der Viereinhalbjährigen, die in der Praxis oftmals erst nach dem fünften Geburtstag stattfinden, auf Dreieinhalbjährige vorziehen, um so frühestmöglich gezielte Förderungen anzusetzen.
  • perspektivisch die Ausweitung des Rechtsanspruchs von 5 auf 6 Stunden inkl. Mittagessensangeboten für Kinder aus Familien mit keinem oder geringem Einkommen, um eine sinnvollere und nachhaltigere Teilhabe am Kita-Alltag und das längere Zusammensein mit Gleichaltrigen zu ermöglichen. Hierfür wollen wir auf Grundlage einer soliden Haushaltsplanung Wege erarbeiten, wie wir diesem Ziel näherkommen können.
  • eine verlässliche, mehrsprachige Ansprache für Eltern mit Informationen zum Kita-Rechtsanspruch und unserem Betreuungssystem. Diese können zum Beispiel im Rahmen der regelhaften Untersuchungen beim Kinderarzt ausgehändigt werden oder in sozioökonomisch schwachen Stadtteilen durch aufsuchende Familienarbeit.
  • die Entbürokratisierung des Kita-Gutscheinsystems und damit den Abbau von Barrieren für Familien, indem für jedes Kind nach erstmaliger Ausstellung nur noch bei notwendiger Aufstockung ein neuer Antrag gestellt werden muss. Eine signifikante Reduzierung der Betreuungszeit auf den Rechtsanspruch bei temporärer Veränderung der Erwerbstätigkeit der Eltern, zum Beispiel durch die Geburt bzw. Betreuung eines Geschwisterkindes, lehnen wir ab, denn Bildung funktioniert insbesondere bei den Kleinsten durch Bindung, Struktur und Verlässlichkeit. 
  • einen höheren Betreuungsschlüssel und eine bessere Ausstattung der Kitas in sozioökonomisch schwachen Stadtteilen, in Anlehnung an den Hamburger Sozialindex.
  • in Zusammenarbeit mit Familienzentren und dem Allgemeinen Sozialen Dienst den regelhaften Einsatz von Kita-Sozialarbeit, insbesondere in Kitas in sozial herausfordernden Lagen, um das pädagogische Personal vor Ort zu entlasten, aber vor allem um die Chancengleichheit der Kinder zu erhöhen und Familien in ihrer Erziehungskompetenz zu stärken.
  • Ein Förderprogramm für Bildungshäuser, in denen Kita und Grundschule zusammen gedacht werden, ins Leben rufen. In Bildungshäusern können Kitas und Grundschulen sowie Angebote der psychosozialen Unterstützung ein gemeinsames Bild vom Kind entwickeln und danach handeln – und daraus resultierend eine neue Lernkultur. Unser Ziel ist eine Lernkultur, die die Expertise beider Professionen nutzt. Diese engere Zusammenarbeit in multiprofessionellen Teams kann auch zum besseren Übergang von der Kita in die Grundschule beitragen. Die strikte institutionelle Trennung, die sich auch durch die Behördenzuschnitte in Hamburg ergibt, ist angesichts der Heterogenität unter Hamburgs Kindern nicht mehr zeitgemäß.

1.2 Inklusion umsetzen

Immer noch gilt: Eine kluge Stadt braucht alle Talente! Doch das geht nur, wenn das Bildungssystem und insbesondere unsere Schulen wirklich inklusiv werden.

Der Anspruch auf eine inklusive Beschulung im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention6 ist zwar formal gegeben, doch blickt man in die Realität unserer Bildungsinstitutionen, so gilt es anzuerkennen, dass uns noch viel von einem wirklich inklusiven Bildungssystem trennt. Die Schule illustriert das in besonderem Maße:  Während zwar formal alle zusammen in einer Lerngruppe lernen dürfen, wird im Schulalltag, unabhängig von ihren diversen Ausgangslagen, noch sehr stark im Gleichschritt der nächste Entwicklungsschritt gefordert. Wer dem festgelegten Tempo nicht entspricht, muss mit Frustration, Isolation und entsprechend schlechterer Bewertung rechnen. Die Konfliktlinien dieses Spannungsverhältnisses reichen von der Überforderung von Lehrkräften bei der Erstellung von Klausuren bis zum beständigen Leistungsdruck bei Lernenden. Kindern und Jugendlichen mit körperlichen oder geistigen Behinderungen kommt in der allgemeinbildenden Regelschule oftmals nicht die richtige Förderung zu, weil schlicht die Ressourcen fehlen.

Dabei verstehen wir Inklusion nicht nur als Umsetzung des Rechts von Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf, eine allgemeinbildende Schule zu besuchen. Inklusion bedeutet, die allgemeine gesellschaftliche Heterogenität anzuerkennen und bildungspolitische Strukturen zu entwickeln, die diese maximale Heterogenität wertschätzen und fördern.

Hierbei geht es uns ebenso um die, die eine individuelle Förderungen benötigen, um ihre Entwicklung zu unterstützen, wie um die, die aufgrund besonderer Begabungen stärker gefordert werden müssen.

Für uns steht Inklusion für das Recht auf gleichberechtigte Teilhabe am gesamten gesellschaftlichen Leben und umfasst alle Bereiche des öffentlichen Lebens. Im Bildungssystem verstehen wir Inklusion als einen Weg, Ungerechtigkeiten aufgrund von Unterschieden zu reduzieren.

Dank der Einigung mit der Initiative „Gute Inklusion“ wurden in den letzten Jahren vor allem mit Blick auf den Personalausbau in Schulen wichtige erste Schritte getätigt. Doch weitere müssen folgen. So geht es im Bildungswesen unter anderem darum, die Förder- und Unterstützungsangebote auszubauen – im Hochschulbereich bspw. durch den Ausbau von Studieneinstiegsbegleitungen – als auch darum, ein höheres Maß an Individualisierung in Bildungsinstitutionen zu eröffnen – im Schulbereich beispielsweise durch das Lernen im eigenen Takt. Auch die Weiterbildung, Förderung der multiprofessionellen Teamarbeit und Entlastung des pädagogischen Personals ist eine entscheidende Handlungsebene.

Wir wollen unsere Anstrengungen der letzten Jahre für mehr Inklusion engagiert fortsetzen.

Wir wollen daher

  • einen verpflichtenden sonderpädagogischen Anteil in den Lehramtsstudiengängen für die Grundschule, die allgemeinbildende weiterführende Schule und die Berufsbildung einführen.
  • individuelle Entwicklungen fördern, indem wir die Regelung der„Alles>>könner“-Schulen so ins Schulgesetz überführen, dass alle Schulen in der Leistungsbeurteilung in den Jahrgangsstufen 5, 6 und 7 entsprechend verfahren können. Damit würden ggf. differenzierte Rückmeldungen zum Leistungsstand Schulnoten ersetzen. 
  • mehr Teamzeiten für eine multiprofessionelle Zusammenarbeit an Schulen einräumen.
  • im Rahmen der Schulentwicklungspläne aufgrund der stetig steigenden Zahl von Schüler*innen mit psychischen Erkrankungen zusammen mit den zuständigen Fachbehörden und der Kassenärztlichen Vereinigung eine schulortnahe Versorgung mit psychotherapeutischen und familienunterstützenden Angeboten entwickeln. 
  • das System der Schulbegleitungen reformieren, indem Schulen ein fester, verlässlicher Personalstamm für die Schulbegleitung (systemische Ressource, „Pool“-Lösung) zukommt. Das Personal in der Schulbegleitung braucht hierbei feste, tarifliche Verträge und soll in die pädagogische Arbeit der Schule eingebunden werden (können).
  • durch Entbürokratisierung das Kind in den Fokus der Förderung und Forderung stellen, um auch unabhängig von einer Diagnose Unterstützung zu ermöglichen, indem wir eine systemische Mittelzuweisung einführen, die garantiert, dass alle Schüler*innen unbürokratisch Unterstützung bekommen können. Dabei soll ein dreistufiges System ermöglicht werden, wonach auf der ersten Stufe jede*r Schüler*in Unterstützung erhält, wenn Auffälligkeiten beim Lernen auftreten. Auf der zweiten Stufe können Maßnahmen ergriffen werden, die sie/ihn zusätzlich zum Unterricht in der Lerngruppe unterstützen. Erst in der dritten Stufe wird eine Diagnose notwendig, um Schüler*innen mit weitgehenden Maßnahmen außerhalb der Schulklasse zu unterstützen.
  • die „Erziehungs- und Bildungspartnerschaft“ zwischen Kitas, Schulen, Sozialverbänden und außerschulischen Trägern der Kinder- und Jugendarbeit sowie den Elternhäusern stärken. Dafür möchten wir neuere Ansätze interkultureller Elternpartizipation fördern, die Sozialarbeit intensivieren und an die Schulstandorte anbinden.
  • auch die Hochschulen dabei unterstützen, inklusiver zu werden, durch Fortbildungen in inklusiver Lehre und der Gestaltung von inklusiven Lehrmaterialien für Lehrende sowie durch Mentor*innenprogramme wie das mINKLUSIV an der Ruhr-Universität Bochum, um Veränderungsprozesse in der wissenschaftlichen Fachkultur und inklusive Organisations- und Personalentwicklung anzustoßen.

1.3 Ungleichheiten in Schulen entgegenwirken

Ungleichheit ist grundsätzlich nichts Negatives. Wenn aber Ungleichheit zu ungleicher Chancenverteilung führt, braucht es ausgleichende Maßnahmen. Insbesondere im bildungspolitischen Kontext können fehlende Chancengleichheiten zu nachhaltigen, einschneidenden Ungerechtigkeiten im Lebensverlauf führen.

Diese Ungleichheiten haben sich unter der Corona-Pandemie verschärft und die Folgen sind bis heute wahrnehmbar. Keine oder deutlich weniger Kontakte zu Gleichaltrigen und Pädagog*innen, während sie anhaltendem Leistungsdruck ausgesetzt waren: All das beeinträchtigte die psychische Gesundheit von fast einem Drittel der Kinder und Jugendlichen.7 Zusätzlich hatte ein großer Teil der Schüler*innen während der Pandemie einen Lernnachteil, der bis heute nicht gänzlich ausgeglichen wurde.

Dazu kommen verstärkte Sorgen und Ängste aufgrund diverser anderer Krisen, wie Ukraine-Krieg, Inflation sowie Energie- und Klimakrise.8

Ein großes Augenmerk wollen wir auf Schüler*innen mit Fluchtgeschichte legen. Diese leiden nicht nur häufig unter traumatischen Erfahrungen, sondern auch unter Sprachbarrieren.

Hinzu kommen vielfältige weitere Lebensrealitäten, die dazu führen, dass Schüler*innen unterschiedlich konzentriert, motiviert und leistungsfähig sind. So unterschiedlich Menschen sind, so unterschiedlich entwickeln sie sich auch und befinden sich im selben Alter nicht selten in unterschiedlichen Entwicklungsphasen.

Lernen steht im engen Zusammenhang mit der individuellen Entwicklung, mit individuellen Lebensbedingungen und der Selbststeuerungskompetenz- und funktioniert selten im Gleichschritt. Unser Bildungsverständnis geht vom Menschen als intrinsisch motiviertem, selbstverantwortetem Individuum aus. Diesem Verständnis entsprechend und für ein an die unterschiedlichen Lebensrealitäten von Menschen angepasstes, modernes Schulsystem, wollen wir das flexible Lernen im eigenen Takt fördern und damit einen verstärkten Fokus auf das individuelle Lerntempo, die persönliche Motivation und die Individualität der Lernenden legen.

Ein modernes Schulsystem ist flexibel und durchlässig, nicht starr. Ein modernes Schulsystem ermöglicht Wege und bildet Lernende zu selbstverantwortlichen Menschen aus, indem es auf den Einzelnen als motivierten Gestaltenden ihrer eigenen Welt vertraut.

Wir wollen, dass jeder Mensch gerechte Chancen für den Bildungserfolg und soziale Teilhabe erhält. Dies kann nur gelingen, wenn wir Übergänge im Schulsystem durchlässig und kooperierend gestalten, wenn jeder Bildungsweg individuell betrachtet wird und hierfür ausreichend Ressourcen zur Verfügung stehen.

Mit dem Programm D23+ 9, das Schulen in sozial herausfordernden Stadtgebieten in den Fokus nimmt, und dem ab 2024 greifenden Bund-Länder-Förderprogramm “Startchancen” gehen wir in Hamburg einen richtigen Weg. Diesen müssen wir so ausbauen, dass alle Schulen, die eher Kinder aus schwierigen sozioökonomischen Verhältnissen beschulen (Sozialindex 1), diese zusätzlichen Ressourcen erhalten.

Wir wollen daher

  • den stetigen Ausbau des Programms D23+ und eine Evaluation des Startchancenprogramms10 nach zwei Jahren, um ggf. Kriterien anzupassen.
  • eine bessere, struktuerelle Verzahnung des Vor- und Nachmittags in Ganztagsschulen, um Schüler*innen bestmöglich individuell begleiten zu können. Ganztagsbetreuung bzw. ganztägige Bildung ist ein wesentlicher Schlüssel für mehr Bildungsgerechtigkeit. Im Rahmen des Ganztags können Kinder Bildungsangebote in Bereichen wie Sport, Musik, Kunst oder Kultur unabhängig von den ökonomischen Bedingungen des Elternhauses wahrnehmen, oder auch individuelle Lernförderung und Forderung erhalten.
  • außerschulische Lernorte wie Schülerlabore, Musikschulen, Sportvereine und Einrichtungen zur politischen oder ökologischen Bildung stärken, um allen Kindern und Jugendlichen die Teilhabe an diesen Angeboten zu ermöglichen. Dafür müssen wir die starren Strukturen flexibilisieren und behördenübergreifend enger und struktureller zusammenarbeiten.
  • mehr bildungsbegleitende Beratungs- und Unterstützungsangebote, indem wir die schulische Sozialarbeit sowie die psychologischen Angebote der Regionalen Bildungs- und Beratungszentren durch eine systemische Mittelzuweisung (wie in 1.2 ausgeführt) stärken und ausbauen.
  • dass in Schulen mit niedrigem Sozialindex die Lehrkräfte mehr Zeit für Beratung und Unterstützung erhalten. Ebenso benötigen Lehrkräfte, die geflüchtete Schüler*innen unterrichten, ausreichend Zeit, um diese insbesondere in den ersten Monaten enger zu unterstützen und im Lernprozess zu begleiten.
  • halbjährlich verpflichtende Lernentwicklungsgespräche, um mehr Raum für die Begleitung der Entwicklung der Schüler*innen zu schaffen. Dafür müssen wir die notwendigen Ressourcen schaffen, um Lehrkräfte nicht zusätzlich zu belasten.
  • den Bezug zu Ausbildungsberufen an allgemeinbildenden Schulen stärken, indem wir Praxisklassen und andere berufspraktische Module zu Ausbildungsberufen als Elemente flexibilisierten Lernens einbeziehen.
  • das flexible Lernen im eigenen Takt stärken. Wir sehen, dass das Lernen an Schulen und Hochschulen ein ganz anderes, viel flexibleres, selbstgesteuertes und selbstverantwortetes Lernen ist. Daher wollen wir im Rahmen eines Schulversuchs die zukunftsfähige Oberstufe erproben, in der modularisiert und flexibel das selbstverantwortete Lernen, auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse und Praxiserfahrungen umgesetzt wird.
  • dass die Teilnahme an Schüleraustauschprogrammen allen ermöglicht wird und insbesondere benachteiligte Jugendliche hierzu durch Lehrkräfte und gezielte Informationen, insbesondere zu Fördermöglichkeiten, ermutigt werden.
  • die Gesundheit von Schüler*innen als eine zentrale Voraussetzung für gelingendes Lernen anerkennen und vorhandene Angebote zur interkulturellen und psychologischen Weiterbildung von Lehrkräften weiter ausbauen und psychologische Erstanlaufstellen wie z.B. das „Aktionsbündnis seelische Gesundheit“ stärken.

1.4 Berufliche Bildung stärken

Seit Jahren sind die Ausbildungszahlen rückläufig. Verursacht wird dies durch die demografische Entwicklung, abnehmendes Interesse an handwerklich-technischen Berufen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen und erhöhtes Interesse an akademischer Ausbildung. Der Mangel an Fachkräften hat bereits jetzt negative Auswirkungen auf die Wirtschaft. Gut ausgebildete Handwerker*innen sind aber auch essentiell, um die Klimakrise zu bewältigen, beispielsweise indem sie Häuser energieeffizient sanieren. Einen deutlichen Mangel an Fachkräften gibt es auch bei systemrelevanten Berufen wie z.B. Erzieher*innen und Pflegeberufen sowie im Dienstleistungssektor.

Die Corona-Pandemie hat die schwierige Lage noch einmal verschärft: Jobmessen, die Berufsorientierung an den allgemeinbildenden Schulen und Praktika konnten nicht wie üblich stattfinden. Vielen jungen Menschen fehlten deshalb Möglichkeiten zur Jobfindung und beruflichen Perspektivklärung. Betriebe mussten zeitweise schließen und kämpften zum Teil um ihr wirtschaftliches Überleben. Aus Sorge um die eigene Zukunft und aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten während der Corona-Pandemie wurden nicht mehr im gleichen Umfang wie vor der Pandemie Ausbildungsplätze angeboten.

Während der Anteil der Schüler*innen in der Berufsvorbereitung und der Ausbildungsvorbereitung sich durch Ausweitung der Angebote im Vergleich zu 2019 deutlich erhöht hat, gab es insgesamt jedoch einen starken Rückgang der betrieblichen Ausbildungsplätze.11 Wenn wir nicht gegensteuern, werden bis 2030 allein in Hamburg über 110.000 Fachkräfte fehlen.

Die allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen tun bereits einiges, um die angehenden Fachkräfte von morgen zu beraten, begleiten, unterstützen und auszubilden. Junge Menschen müssen bereits in der Schulzeit ihre persönlichen Interessen und Stärken kennenlernen, ausführlich über ihre beruflichen Möglichkeiten informiert werden, Berufspraktika absolvieren und im Bewerbungsprozess gecoacht werden, um am Ende eine gute Entscheidung über ihren beruflichen Weg zu treffen. Die Partner aus der Wirtschaft und die Schulen müssen sich dabei eng verzahnen, um nah an der Berufswelt zu sein. In den allgemeinbildenden Schulen wird dies u.a. damit erreicht, dass in den Stadtteilschulen Praxisklassen mit zusätzlichen Fachkräften und besonderen Bildungsangeboten für Schüler*innen angeboten werden, die sich gezielt auf eine Berufsausbildung vorbereiten wollen. Außerdem wurde das der Aufgabenbereich BoSo (Berufs- und Studienorientierung) fest in den Stundenplan der Mittel- und Oberstufe in den Stadtteilschulen und Gymnasien eingefügt und ausgeweitet.

Auch die Berufliche Hochschule Hamburg mit der studienintegrierten Ausbildung steigert die Attraktivität der dualen Ausbildung erheblich und ermöglicht zugleich einen Bachelor-Abschluss.

Mit der Jugendberufsagentur und dem Fachkräftenetzwerk Hamburg können zielgerichtet Unterstützungsangebote für junge Menschen im Übergang von Schule zum Beruf geleistet werden. Mit der Einzelfallförderung für benachteiligte Auszubildende, der Möglichkeit der Verbundausbildung, der finanziellen Entlastung der Betriebe durch die Übernahme der Kosten für das erste Ausbildungsjahr in der Berufsqualifizierung und dem Angebot ASA flex, der assistierten Ausbildung und ausbildungsbegleitenden Hilfen der Bundesagentur für Arbeit hat Hamburg in den vergangenen Jahren bereits viele gute Maßnahmen auf den Weg gebracht, um junge Menschen auf dem Weg in und während der Ausbildung zu unterstützen. Mit den Ausbildungsbegleiter*innen der Jugendberufsagentur haben die jungen Menschen und die Betriebe außerdem eine wichtige Ansprechperson bei Fragen und Unterstützungsbedarf.

Besonders wichtig ist auch das differenzierte Übergangssystem, in dem wir insbesondere jungen, zugewanderten Menschen Maßnahmen wie die dualisierte Ausbildungsvorbereitung (AvDual, AvM-Dual), Berufsqualifizierung sowie Berufsvorbereitung mit Teilqualifizierung (BQ, BV-TQ) anbieten. Diese haben wir auch gezielt für Menschen mit Fluchthintergrund geöffnet. Sie bieten alle Möglichkeiten, in eine Ausbildung zu kommen und diese bestenfalls erfolgreich zu bestehen. Junge Menschen werden hier in ihrer Berufswahlentscheidung unterstützt und auch darin, Ausbildungsplätze zu erhalten. Die teils integrierte Sprachförderung bietet sich besonders für Geflüchtete an.

Die meisten der 31 Berufsschulen in Hamburg wurden in den letzten Jahren umfassend saniert, um- und neu gebaut und zählen zu den besten bundesweit. Dennoch sind der Mangel und der Bedarf an Fachkräften nach wie vor groß. Daher ist es umso wichtiger, politisch alle Hebel zu nutzen, Menschen den Zugang in den Beruf zu ermöglichen.

Unsere Politik spielt eine zentrale Rolle bei der Stärkung der Beruflichen Bildung und der Bewältigung des Fachkräftemangels. Mit unseren Ideen wollen wir dabei Leitlinien aufzeigen, um die Qualität und Attraktivität der Ausbildung in Hamburg sicherzustellen.

Wir wollen daher

  • den Ausbau von dualen Studiengängen an der Beruflichen Hochschule, um Menschen die Möglichkeit zu geben, sich nicht zwischen einer Berufsausbildung und einem Studium entscheiden zu müssen.
  • eine engere Zusammenarbeit zwischen Kammern, Innungen, Ausbildungsbetrieben und Hochschulen, damit Studienabbrecher*innen die Vorteile einer beruflichen Ausbildung kennenlernen und diese als attraktive Alternative in Betracht ziehen können.
  • eine Fortsetzung und einen Ausbau von Kampagnen zur Gewinnung und Attraktivitätssteigerung der Berufsausbildung, um mehr junge Menschen für eine berufliche Ausbildung zu gewinnen.
  • den Ausbau von Mentor*innenprogrammen, die Schüler*innen während der Ausbildungszeit begleiten, beraten und unterstützen.
  • durch den gezielten Ausbau von Unterstützungsangeboten, insbesondere im Bereich der Sprachförderung, die Ausbildungsabbruchquote senken. Hierbei müssen Sprachförderangebote in den Schulalltag integriert werden, um zu gewährleisten, dass sie angenommen werden (können).
  • dass Ausbildungsbetriebe vermehrt auf Jobmessen der Hochschulcampus vertreten sind, um Studienabbrecher*innen für Berufsausbildungen zu gewinnen.
  • die flächendeckende wohnortsnahe Einrichtung von Ausbildungsvorbereitungsklassen.
  • Schulpartnerschaften mit Betrieben im Umfeld der Schule, um eine enge Verzahnung mit der Arbeitswelt herzustellen.
  • das Konzept der Produktionsschulen als alternatives Angebot weiterhin unterstützen. Wir erkennen realistisch an, dass „Schule“ einfach nicht in die Lebensrealität aller passt. Daher brauchen wir Angebote, die Menschen Entwicklungsmöglichkeiten bieten, wenn alle anderen Wege gescheitert sind.

1.5 Wege in Studium und Hochschule ermöglichen

Eine der Schwierigkeiten bei den Bemühungen um Bildungsgerechtigkeit besteht darin, dass Erfahrungen mit Bildungsinstitutionen innerhalb von Familien oft weitergegeben werden. Wissen Eltern nicht, wie man sich zum Beispiel an Hochschulen zurechtfindet oder welche Unterstützungsmöglichkeiten es gibt, kann dies zu starken Nachteilen für ihre Kinder führen. Eine Studie des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung hat gezeigt, dass viele Studierende ihr Studium abbrechen, weil sie sich an der Universität nicht gut integriert fühlen. Dies trifft besonders auf Studierende zu, deren Eltern keinen universitären Abschluss haben.

Zentral für das Alltagsleben der Studierenden ist die Finanzierung des Studierendenwerks, das nicht nur Mensen, sondern z.B. auch Studierendenwohnheime baut und betreibt. Durch Inflation und steigende Zinsen in Bedrängnis gekommen, brauchen sie strukturell eine höhere Finanzierung – eine Trendwende, die unter Rot-Grün in Hamburg eingeleitet wurde, die aber fortgesetzt werden muss. Ferner spricht vieles dafür, dass das Studierendenwerk in Hamburg, wie auch in anderen Bundesländern, die psychosoziale Betreuung Studierender übernimmt und hierfür finanziell entsprechend ausgestattet wird.

Das Gesetz nach §38 HmbHG ermöglicht Personen mit beruflicher Qualifikation den Eintritt in die Hochschule, auch wenn sie keine schulische Hochschulzugangsberechtigung haben. Dies ist grundsätzlich eine positive Regelung zur Eröffnung des Hochschulzugangs. Allerdings ist es notwendig, diese Regelung zu überarbeiten und an die Prinzipien der Sozialökonomie anzupassen. Die Anforderung von drei Jahren Berufserfahrung nach dem Abschluss einer Berufsausbildung stellt eine unnötige Barriere dar. Es ist im Interesse der Gesellschaft, dass Menschen sich in staatlichen Hochschulen unkompliziert weiterbilden können und somit z.B. Pflegeberufe attraktiver werden. Dies setzt eine größere Durchlässigkeit des Bildungssystems unter Berücksichtigung des Deutschen Qualifikationsrahmens voraus.

Wir wollen daher

  • Mentor*innenprogramme wie „arbeiterkind.de“ oder „Weichenstellung“ verstärkt unterstützen, um sich schon an den Schulen gezielt um Talente zu bemühen und um den Erfolg von Student*innen mit nicht-akademischem Hintergrund zu stärken.
  • dass die Hochschulen den Bildungshintergrund des Elternhauses abfragen und gemeinsam mit dem Studierendenwerk gezielt Maßnahmen – unter Beachtung der jeweiligen Fächerkulturen – zur Bewältigung des Übergangs von der Schule in die Hochschule fördern und fortentwickeln.
  • dass die Hochschulen sich ein Beispiel an der Hochschule für bildende Künste nehmen und Studierenden bei Bedarf eine monatliche Zahlung des Semesterbeitrags ermöglichen.
  • dass das Studierendenwerk eine strukturell höhere Grundfinanzierung erhält, auch, um künftig die psychosoziale Betreuung von Studierenden anbieten zu können.
  • ein Hochschulzugang nach §38 HmbHG nach einer abgeschlossenen Berufsausbildung und einer Lernstandsprüfung ermöglichen.

1.6 Individuelle Bildungswege ein Leben lang stärken

Für uns ist lebenslanges Lernen eine Chance, aber auch eine Notwendigkeit, um in unserer dynamischen und sich rasant verändernden Welt Schritt halten und am öffentlichen Leben teilnehmen zu können.

Ob mit 50plus im Job oder 80plus im Alltag – wir brauchen lebenslange Angebote der Aus- und Weiterbildung. Die Dreiteilung in Ausbildung, Arbeiten, Ruhestand ist nicht mehr zeitgemäß. Kaum jemand bleibt heute sein Leben lang im gleichen Beruf und beim gleichen Arbeitgeber. Und selbst dann erfordern die immer schneller auftretenden Entwicklungen unserer Zeit regelmäßige Weiterbildungen. Lernen muss als lebenslanger Prozess verstanden werden.

Auch im hohen Alter ist Wissen Voraussetzung, um weiterhin am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können. Das betrifft in großem Umfang die Digitalisierung; aber auch alle anderen Bereiche, denn wenn ich neue Entwicklungen verstehe, kann ich auch gestaltend mitwirken. Immer mehr ältere Menschen wollen sich gern engagieren oder auch länger arbeiten, denn alle Menschen brauchen Aufgaben.

Der Satz „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer mehr“ ist veraltet. Wir können alles in jedem Alter lernen. Ältere Menschen lernen allerdings anders als junge, deshalb werden Pädagog*innen gebraucht, die auf die besonderen Lernbedürfnisse eingehen können. Diese müssen beispielsweise wissen, wie sie Bevölkerungsgruppen ohne bisherige positive Lernerfahrung ansprechen können.

Wir brauchen niedrigschwellige und kostenfreie Lernangebote, die auch von Menschen mit kleinen Renten wahrgenommen werden können.

Buddy-Systeme, Mentoring, ehrenamtliche Freundschaftsprogramme, kostenfreie Kulturangebote und Hilfsangebote zwischen Schüler*innen und älteren Menschen unterstützen und können sogar helfen, Generationenkonflikte zu vermeiden (Schüler*innen erklären z.B. Smartphone, Tablet, KI, Ältere coachen beim Lesen, Rechnen oder Deutsch lernen).

Damit mehr Menschen unabhängig von ihrer sozialen Herkunft und finanziellen Ausgangslage ihr individuelles Potenzial entfalten können, brauchen wir eine bessere Verschränkung der akademischen und beruflichen Bildung mit Anschluss- und Umstiegsmöglichkeiten für individuelle Bildungswege. Zudem muss zur Vermeidung zeitraubender Umwege ein transparentes Verfahren zur wechselseitigen Anerkennung von Kompetenzen – auch solcher, die in der Praxis oder im Ausland erworben wurden – entwickelt werden.

Wir brauchen ein durchlässiges und verschränktes Bildungssystem. Bildungsangebote müssen flexibler zur Lebenssituation passen, insbesondere, weil Bildungsbiografien immer weniger linear verlaufen.

Auch deshalb muss die Abschottung zwischen Studium und Beruf überwunden werden. Zur besseren Gestaltung der Schnittstelle zwischen akademischer und beruflicher Bildung müssen sich in beide Richtungen Anerkennungsroutinen entwickeln. HAWen und einige private Hochschulen machen heute schon Angebote zur Kombination von Berufserfahrung und wissenschaftlichen Kompetenzen. Davon brauchen wir mehr – auch durch Weiterbildungsangebote von Hochschulen.

Wir wollen daher

  • eine Ausbildungsfinanzierung, die alters- und leistungsunabhängig ist.
  • durch eine verschränkte Bildungswege-Beratung Transparenz und Orientierung an der Schnittstelle zwischen Studium und Beruf schaffen.
  • dass durch die Neuordnung der Bildungsfinanzierung eine bessere Verzahnung erleichtert wird, ebenso durch Modularisierung der beruflichen Bildung.
  • die Zertifizierung von Teilqualifikationen im Studium.
  • dass öffentliche Hochschulen in Hamburg ein Konzept für die berufliche Weiterbildung entwickeln.
  • dass die öffentliche Verwaltung ihre Laufbahnsysteme öffnet und flexibilisiert, um damit zu beiderseitigem Nutzen sowohl mehr Durchlässigkeit und Chancengerechtigkeit als auch eine stärkere Diversität der Verwaltung zu fördern.
  • Inklusive, altersgerechte, sprach- und kultursensible Bildungsformate fördern und sie auch aufsuchend bewerben.
  • die lebenslange Möglichkeit zur Aus- & Weiterbildung und Qualifizierung.
  • integrierte Bildungssysteme stärken, weil sie die Durchlässigkeit erhöhen (z.B. Bildungshäuser, Langformschulen, Stadtteilzentren).
  • uns für eine Förderung und finanzielle Unterstützung zum Nachholen von Qualifizierungen künftig länger als bis zum 25. Lebensjahr einsetzen.
  • ein transparentes, allgemeingültiges Verfahren zur wechselseitigen Anerkennung von Kompetenzen zwischen Beruf und Studium – auch solcher, die in der Praxis/ im Ausland erworben wurden.

Damit Geflüchtete und andere neu Zugewanderte auf dem Hamburger Arbeitsmarkt Fuß fassen, müssen die an der Integration beteiligten Institutionen wie Jobcenter, Bildungsträger und Ausländerdienststellen besser zusammenarbeiten, um ausgehend von der aktuellen Lebenslage den Spracherwerb und die berufliche Aus- und Weiterbildung gut aufeinander abstimmen.

Für uns ist klar: Egal wie lange und in welchem Rechtsstatus jemand in Hamburg bleibt, in jedem Fall soll jede*r die Möglichkeit haben, Teil unseres Bildungssystems zu werden. Die Kraft unserer Stadt liegt in ihrer Vielfalt und in dem Versprechen, dass alle sich hier ein gutes Leben aufbauen können.

Wir wollen daher

  • eine genaue Analyse der Lage von Erwerbslosen. Darauf sollen neue Perspektiven durch angepasste Angebote geschaffen werden. Hierfür braucht es eine spezifische Datenauswertung der Datensätze der Job-Center.
  • verkürzte Wartezeiten zur Anerkennung von Abschlüssen ausländischer Fachkräfte und verkürzte Wartezeiten auf Kurs- und Prüfungstermine.
  • die Weiterentwicklung des Hamburg Welcome Center als Ort für Unternehmen und Beschäftigte, um alle Fragen rund um Arbeitsvisa und Arbeitserlaubnisse sowie Anerkennung von Abschlüssen zu regeln.
  • einen erleichterten Zugang zu Sprachkursen. Bereits jetzt finanziert die Stadt auf Landesebene eigene Kurse. Dies wollen wir beibehalten, den Bund dennoch nicht aus seiner Verantwortung entlassen und setzen uns ein für eine Ausweitung des Integrationskurszugangs, für verbesserte Lernbedingungen und für faire Arbeitsbedingungen bei den Lehrkräften in den Integrationskursen.
  • dass die Bundesebene zügig für die Abschaffung des Arbeitsverbotes von langjährig Geduldeten und die Abschaffung der Duldung Light sorgt.

Auch im Bereich der Alphabetisierung und Grundbildung wollen wir lebenslanges Lernen fokussieren. 6,2 Millionen Menschen der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter in Deutschland weisen eine geringe Literalität auf12, d.h. sie können nicht oder nicht ausreichend lesen und schreiben. Rechnerisch entspricht das in Hamburg einer Größenordnung von 145.000 Menschen zwischen 18 und 65 Jahren. Mit ansteigender Globalisierung und Migration wird eine Steigerung dieser Zahl erwartet. Angebote zum Erlernen von Schreiben, Lesen, Rechnen, finanzieller Bildung und digitalen Kompetenzen müssen daher Menschen in jedem Alter und jeder Lebenssituation bereitstehen. Ein breites Angebot an Grundbildungspfaden ermöglicht Menschen, sich in jedem Alter und jeder Lebenssituation für das Erlernen von grundlegendem Wissen wie Schreiben, Lesen, Rechnen, Finanzen und digitaler Kompetenz zu entscheiden. Dafür weist Hamburg vielfältige Angebote auf. Diese decken jedoch nicht die Nachfrage ausreichend und weisen keine gemeinsame Struktur auf. Ausgerichtet auf die Nationale Dekade für Alphabetisierung 13und Grundbildung benötigt Hamburg daher eine trägerübergreifende Koordinierungsstelle für Alphabetisierung und Grundbildung. Grundlage dieser Koordinierungsstelle sollte die Implementierung einer regionalen Strategie für Alphabetisierung und Grundbildung sein, die in enger Zusammenarbeit mit den Akteuer*innen aus der Praxis entwickelt wird.

Aufgaben der Koordinierungsstelle auf Basis der Strategie soll sein:

  • Hamburger Grundbildungsangebote bündeln, strukturieren und weiterentwickeln
  • Schulungen und Fortbildungen durchführen
  • Information und Aufklärung für Betroffene anbieten
  • die Öffentlichkeit für das Thema Grundbildung sensibilisieren
  • im regelmäßigen Austausch mit Akteur*innen aus der Praxis stehen

2. Zeitgemäße Lernkultur an Schulen – um alle Potenziale zu entfalten

Vielfältige Lebenswelten und Hintergründe der Lernenden, unterschiedliche Lernvoraussetzungen, Interessen und Begabungen können enorme Potenzial sowohl für die individuelle Entfaltung der Menschen als auch für unsere Gesellschaft bieten. Durch moderne didaktische Rahmenbedingungen haben wir die Möglichkeit, Menschen darin zu unterstützen, ihre Potenziale zu entwickeln, Zukunftskompetenzen auszubilden und sie darin zu bestärken, sich selbstbestimmt und wirksam in unsere demokratische Gesellschaft einzubringen

Ob Klimawandel, Corona-Pandemie, wirtschaftliche Entwicklungen, gesellschaftliche Heterogenität, Künstliche Intelligenz und andere Digitalisierungsfortschritte: Fest steht, dass gesellschaftliche Ereignisse ebenso wie technische Entwicklungen einen großen Einfluss auf Lernende und Lehrende und damit auch auf die Gestaltung von Lernsituationen und Bildungsprozesse haben. Es ist unabdingbar, immer wieder die Lernkultur daraufhin zu überprüfen, ob sie den aktuellen Anforderungen gerecht wird – und sie dann auch dementsprechend anzupassen und zu modernisieren.

Wir erleben, dass Berufe aussterben und sich verändern, Lebensentwürfe ganz individuell aussehen und unsere Gesellschaft immer heterogener wird. Die Anforderungen an Individuen verändern sich dabei mit der Gesellschaft.

Die gemeinsame Bewältigung von Herausforderungen, durch die Bündelung von Kompetenzen, ist heute wichtiger denn je, da die Aufgaben, vor denen wir stehen, komplexer geworden sind.

Grüne Bildungspolitik scheut sich nicht davor, Bestehendes zu hinterfragen, zu verändern und Neues auszuprobieren. Wir wollen eine Lernkultur als Bildung für nachhaltige Entwicklung in einer digitalisierten Gesellschaft. Das heißt: Durch Bildung allen Menschen in unserer Stadt den Erwerb von Basiswissen ebenso wie Handlungskompetenzen für ein selbstbestimmtes Leben in einer nachhaltigen Zukunft zu ermöglichen. Und dies wollen wir unter anderem durch individuelle, inklusive Förderung, Mitbestimmung der Lernenden am Lernprozess, flexible Lernangebote und das Lernen an den Herausforderungen unserer Zeit erreichen.

Bildungseinrichtungen müssen sich verändern, genauso wie sich die Gesellschaft verändert. Dabei – und das ist entscheidend – müssen wir nicht nur mutig sein, sondern stets transparent bleiben, den engen Dialog mit allen Beteiligten führen und die Bedürfnisse und Sorgen der Akteur*innen in den Bildungseinrichtungen ernst nehmen. Wir sind nicht diejenigen, die es besser wissen, sondern diejenigen, die den Mut haben, Voraussetzungen zu schaffen, unter denen das ausprobiert und umgesetzt werden kann, was uns die Wissenschaft rät und wozu uns die zahlreichen Herausforderungen in unserer Gesellschaft aufrufen.

2.1 Zukunftsgerichtete Bildung durch Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE)

Unsere Gesellschaft steht vor massiven Herausforderungen – ob wachsende ökonomische Ungleichheit, Klimakrise, Pandemien, Wirtschaftskrisen oder das weltweite Erstarken des politischen Rechtspopulismus. Unsere Gesellschaft ist von Krisen geprägt, die in immer höherem Takt auf uns einprasseln.

Unsere Aufgabe ist, gemeinsam die Zukunft demokratisch zu gestalten und die Krisen nachhaltig zu beantworten.

Wir wollen jeden einzelnen Menschen befähigen, in diesem Jahrhundert der großen Herausforderungen selbstbestimmt zu leben und proaktiv die Gesellschaft mitzugestalten. Dafür braucht es eine Bildung des 21. Jahrhunderts, die nicht nur digital ist, sondern eine Bildung der nachhaltigen Entwicklung dieser Welt!

Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) ist dabei nicht nur eine Phrase. Sie ist ein bildungstheoretisches und -politisches Konzept der UN und aller Länder14, die dieses ratifiziert haben. Hinter dem Begriff steckt eine weitreichende Zusammenführung vieler bildungspolitisch relevanter Ziele zu einem ganzheitlichen Konzept: Bildung für nachhaltige Entwicklung befähigt Lernende, als mündige Bürger*innen kollektiv die Gesellschaft zu gestalten und Lösungen dafür zu entwickeln, wie Menschen verantwortungsbewusst zum Schutz der Umwelt, für eine gerechte Gesellschaft und für aktuelle und zukünftige Generationen handeln können.

Wir wollen BNE auf verschiedenen Ebenen im Bildungssystem festigen: In den Inhalten, als Pädagogik und als Vorbildfunktion für die gesellschaftliche Transformation.

In Hamburg sind wir in der jetzigen Legislatur einen entscheidenden Schritt gegangen: Wir haben einen Aktionsplan zur Umsetzung der Bildungstransformation beschlossen. Mit dem „Hamburger Masterplan BNE 2030“ liegen nun zahlreiche Maßnahmen vor, die es nun umzusetzen gilt!15 Hier wollen wir ansetzen und weitermachen.

Wir wollen daher

  • für alle Bildungsbereiche die Maßnahmen des Hamburger Masterplan BNE 2030 umsetzen und dadurch die Ziele des Masterplans erfüllen. Dafür wollen wir BNE-Stabsstellen in den entsprechenden Behörden schaffen, die langfristige vollständige Finanzierung sicherstellen.
  • junge Menschen in alle Entscheidungs- und Entwicklungsprozesse einbeziehen und Strukturen zur Mitbestimmung schaffen. Dies wollen wir z.B. durch ein neues Landesgremium – ähnlich wie die Bundesbeteiligungsorganisation YouPan – sicherstellen.
  • unser pädagogisches Personal durch die Integration von BNE in die Ausbildung aller pädagogischen Berufe, von Berufsausbildung bis Studium, bei der Umsetzung unterstützen.
  • Whole-Institution-Approach in den Bildungsinstitutionen vorantreiben, um die verschiedenen Felder, die Kitas, Schulen und Unis ausmachen, am Leitbild BNE auszurichten.

2.2 Moderne Pädagogik und Prüfungskultur

Jeder Mensch lernt anders, jedes Kind und jede*r Jugendliche hat eigene Lernvoraussetzungen und -bedarfe und bringt eigene Erfahrungen mit.

Es braucht individualisierte Lernformate und vielfältige Lernzugänge, die an die jeweiligen Voraussetzungen anknüpfen und den Lernprozess genau da weiterführen, wo es sinnvoll ist. Die Individualisierung der Lernprozesse, die Offenheit für Lernzugänge und die entsprechenden Veränderungen in der Prüfungskultur der Schulen, können dabei helfen, Potenziale besser zu entfalten. Dies bedeutet nicht, dass der Erwerb von Basiskompetenzen und gemeinsamer Lerninhalte überflüssig wird. Im Gegenteil: Es braucht die individuelle und die kollektive Handlungsfähigkeit, damit eine Gesellschaft gut funktionieren kann.

Digitale Möglichkeiten zur Aufgabendifferenzierung oder Wochenpläne, Lernbüros sowie digitale Lernmedien vermehren sich im Schulsystem rasant und bieten ein enormes Potenzial. Wir wollen alle Schulen dabei unterstützen, eine moderne und für ihre Schüler*innen passende Lernkultur zu entwickeln, die individuelles und gemeinsames Lernen miteinander verknüpft und vielfältige Begabungen zur Entfaltung bringt.

Durch die Nutzung außerschulischer Lernorte erreichen wir unterschiedliche, an die Lebenswelt der Schüler*innen und den Themen angepasste, Zugänge. Diese unterstützen das nachhaltige Lernen, schaffen neue Erlebnisse und Erfahrungen und tragen zu einer stärkeren Gemeinschaft bei.

Wir wollen durch die Möglichkeit von jahrgangsübergreifenden Lerngruppen die individuellen Lernprozesse in den Fokus rücken und so eine Lernkultur ermöglichen, in der unser Schulpersonal unterschiedlichen Lerntempos gerecht werden kann.

Der stadtweite und schulformübergreifende Aufschrei nach der Ankündigung in den ersten Entwurfsfassungen der neuen Bildungspläne, die Anzahl der Klausuren zu erhöhen und ein weitgehendes Verbot von Klausurersatzleistungen einzuführen, hat gezeigt, dass es in der Stadt eine Sensibilität für das Thema “Prüfungskultur” gibt. Zum einen stellt sich dabei angesichts der immer steigenden Belastung von Lehrkräften die Frage nach den Ressourcen für Erstellung und Korrektur, zum anderen stellt sich angesichts der sich veränderten Anforderungen in der Gesellschaft und in der Berufsfeld die Frage, ob die starke Fokussierung auf Leistungsnachweise durch Klausuren tatsächlich zielführend darauf vorbereiten.

Es stellt sich die Frage, wie wir den Anforderungen einer digitalisierten und globalen Gesellschaft und Arbeitswelt, in der es immer mehr um Personale Kompetenzen, wie Teamfähigkeit und Problemlösungsstrategien geht und weniger um die reine Anhäufung von Faktenwissen, gerecht werden können. Dafür gilt es, eine pädagogische Kultur zu schaffen, die es schafft, Menschen zeitgemäß zu fördern.

Wir wollen daher

  • unsere selbstverantworteten Schulen stärken, damit diese die notwendigen Gestaltungsräume und Voraussetzungen erhalten, bestmöglich ihre Pädagogik und Prüfungskultur an ihren Schüler*innen auszurichten.
  • außerschulische Lernorte wie Schülerlabore, Musikschulen, Sportvereine und Einrichtungen zur politischen oder ökologischen Bildung stärken. Dafür müssen wir behördenübergreifend enger und struktureller zusammenarbeiten.
  • den Hamburger Schulen ermöglichen, ihre Pädagogik und ihre Prüfungskultur im Sinne einer Bildung im digitalen Zeitalter zu transformieren. Dabei ist es unsere politische Verantwortung die Schulen zu unterstützen: Durch zusätzliche Schulentwicklungstage, Entlastungsstunden für die Schulentwicklungsprozesse und geeignete Fortbildungs-, Beratungs- und Unterstützungsangebote durch das Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI).
  • neue Bewertungsformen ermöglichen, indem wir durch eine Schulgesetzänderung allen Schulen die Übernahme der „alles>>könner“ Rückmeldeformate gewährleisten.
  • eine Fortbildungskampagne zu alternativen Prüfungsformaten auflegen und dabei auch insbesondere die Möglichkeiten durch neue digitale Tools einbeziehen, um Lehrkräfte zu befähigen, bei der Wahl ihrer Prüfungsformate, im Rahmen der Richtlinien, mutiger zu sein.

2.3 Zukunftskompetenzen stärken

Eine Kita, Schule oder Uni für die Zukunft blickt nach vorne. Sie nimmt die Herausforderungen der nächsten Jahre in den Blick und bereitet junge Menschen darauf vor. Im engen Dialog müssen wir gemeinsam altgediente Bildungskanons überprüfen und durch neue ersetzen. Dazu braucht es eine gemeinsame Vision der Zukunft. Bildung für nachhaltige Entwicklung eröffnet diese: Mit den 17 Nachhaltigkeitszielen – von „keiner Armut“ über „Geschlechtergerechtigkeit“ bis hin zu „Frieden“ – definiert sie die übergeordneten Ziele in den kommenden Jahren. Sie machen klar, dass neue Fähigkeiten in der Zukunft an Bedeutung gewinnen werden. Es wird darum gehen, mit unsicheren Situationen und Krisen umzugehen. Bildung muss zugleich aber auch immer die konkreten Lebensrealitäten, Probleme und Fragen der Lernenden adressieren und zum Lerngegenstand machen.

Mit der Formel „4K“, die in den USA entwickelt wurde, stellen wir Kollaboration, Kreativität, Kommunikation und kritisches Denken in den Mittelpunkt unserer Pädagogik. Denn Problemlöse-, Reflexions- und Kollaborationsfähigkeiten sind die Basis dafür, dass Lernende zu Gestalter*innen ihrer und der gesellschaftlichen Zukunft werden.

Besonders wichtig ist uns ein enger Dialog mit allen Akteur*innen, denn nur so können wir unser Schulsystem nachhaltig strukturell weiterentwickeln.

Wir wollen daher

  • eine systematische Erfassung aller erfolgreichen Modelle von Hamburger Schulen, die eine projektbezogene Bildung praktizieren. Ausgehend davon sollen im engen Dialog mit den Hamburger Schulen und der Wissenschaft politische Änderungsbedarfe an den aktuellen rechtlichen Vorgaben (z.B. schulgesetzliche, Prüfungsordnungen) identifiziert werden und Schulentwicklungskonzepte sowie Fortbildungen entstehen. Wir wollen damit das Lernen in Projekten fördern, um den Bezug zur Lebenswelt unserer Schüler*innen als starken Grundsatz von Bildung zu verstehen.
  • das Lernen am Phänomen, nicht am Fach betonen. Hierfür wollen wir gemeinsam mit unseren Schulen anhand der bisherigen Erfahrungen an erfolgreichen Reformschulen die Fächerstrukturen hin zu projektorientiertem Unterricht entwickeln.
  • die Bildungspläne evaluieren und zu projektorientieren und fächerübergreifenden Rahmenplänen nachschärfen und dadurch den Charakter zukunftsrelevanter Bildung stärken.

2.4 Demokratiebildung

Mitbestimmung schon als Kinder oder Jugendliche zu erleben, ermöglicht die Erfahrung der eigenen Wirksamkeit. Junge Menschen können erleben, dass sie selbst einen bedeutenden Einfluss auf die eigene, unmittelbare Umgebung im Kontext Kita/Schule haben.

Sich selbst als wichtig und wertvoll zu erleben, und als wichtig und wertvoll angesehen zu werden, ist eine fundamentale Erfahrung für junge Menschen. So erleben sich Schüler*innen als Subjekte und erlernen gleichzeitig, auch andere als wertvolle und wichtige Teile der Gemeinschaft anzuerkennen. Dieses Erleben kann der Boden für ein demokratisches Grundverständnis an Schule und in der Gesellschaft bieten.

Echte Mitbestimmung von Lernenden, vor allem von Kindern und Jugendlichen, ist aber immer noch unzureichend in unseren Bildungsinstitutionen. Darum braucht es die notwendigen Grundlagen wie ausreichend Zeit, um diese zu unterstützen.

Mit der Hamburger Schüler*innenkammer und den Hamburger Allgemeinen Studierendenausschüssen haben wir wichtige Akteure, die sich für die Mitbestimmung junger Menschen in Bildungsfragen einsetzen. Für uns sind sie als die Selbstorganisationen von Lernenden wichtige Partner*innen für eine Bildungspolitik auf Augenhöhe. Sie zu stärken und mit ihnen zielführend Wege zu beschreiten, ist unser Ziel.

Wir wollen daher

  • im Sinne des Prinzips der Übernahme von Verantwortung den Lernenden ein größeres Gewicht auf die Partizipation am Lerngeschehen als auch bei der Organisation des Kita-, Schul-, Berufsschul- und Hochschullebens geben. Dafür wollen wir gemeinsam mit den Akteuer*innen einen Leitfaden für die Mitbestimmung in den jeweiligen Institutionen entwickeln, der die Einbettung von demokratischen und individuellen Mitbestimmungsstrukturen in den Bildungsorten fördert.
  • einen Klassenrat in den Jahrgangsstufen 1 bis 10 und analoge Formen der Partizipation in der Oberstufe mit entsprechender Entscheidungskompetenz zur Stärkung der Schüler*innenbeteiligung und Demokratie in Schulen durch das Schulgesetz für alle Schulen verpflichtend einführen.
  • ein Freistellungskonzept entwickeln, um das politische Engagement von jungen Menschen zu unterstützen. Nur so kann sichergestellt werden, dass allen Schüler*innen das Recht auf Mitbestimmung an demokratischen Prozessen außerhalb der Schule – wie in demokratischen, politischen Organisationen – gewährleistet wird.

2.5 Moderner Schulbau und einladende Lernorte

Eine moderne, zukunftsgerichtete Lernkultur wird niemals Früchte tragen können, wenn sie nicht durch die entsprechende Lernumgebung unterstützt wird. Wenn Menschen sich an einem Ort lange aufhalten, wenn sie dort konstruktiv, kreativ und wach sein sollen, dann muss der Ort ansprechend und einladend sein, sowie alle Sinne adressieren.

Deswegen braucht es eine Modernisierung der Hamburger Bildungsinstitutionen, vor allem mit Blick auf die Schulen und Universitäten, die nicht nur pragmatisch ist, sondern auch pädagogische Erkenntnisse und Visionen über das zeitgemäße Lernen und Lehren einfließen lässt.

Neben der Modernisierung gilt es aber zugleich, den begonnenen Ausbau fortzuführen und zu verbessern. Vor allem im Schulbereich bedeutet das, dass die begonnenen Modernisierungsprozesse des Schulentwicklungsplans (SEPLs) aus dem Jahr 2019 ggf. weiterentwickelt und mutig realisiert werden müssen.

Wir wollen daher

  • eine neue Schulbauoffensive starten, die bestehende Schulen in den Blick nimmt und gemeinsam mit den Schulen Bedarfe ermittelt und bauliche Maßnahmen umsetzt, um so die räumliche Lernumgebung an eine moderne Lernkultur anzupassen. Räume für individualisiertes Lernen, für Ruhe ebenso wie Räume für Projektlernen in Teams können Bildungsprozesse ebenso unterstützen wie flexibel nutzbare Freiflächen. Im Sinne guter Ganztagsschulen müssen Schulen ausreichend Anreize schaffen und Räume für Bewegung, Kreativität und Wohlfühlen anbieten, wie naturnah gestaltete Schulhöfe. Modernen und neuen Inneneinrichtungen kommt hier ebenso eine zentrale Rolle zu.
  • dass die Schulen noch besser bei ihren Schulbauvorhaben unterstützt werden. Dafür wollen wir längere Vorläufe und höhere Transparenz im Planungsverfahren herstellen. Zudem bedarf es einer Stärkung der Phase 0, in der Schulen pädagogische Ideen für den Bau gemeinsam mit pädagogisch-architektonischem Fachpersonal entwickeln sowie eine Ermutigung und Unterstützung für Schulen, den Ausbau und die Neugründung als Chance für moderne Konzepte des Lernens zu nutzen. Das in Hamburg vorherrschende Konzept der Flurschulen ist nicht mehr zeitgemäß.
  • dass der SEPL umgesetzt wird. Dafür gilt es zu prüfen, ob eine Verlängerung des SEPL, über 2030 hinaus, notwendig ist und auch die Sonderschulen/ReBBZ mit einbezieht. Zudem wollen wir angesichts der inflationsbedingten Baukostensteigerung mehr Geld für Schulbau zur Verfügung stellen und ggf. eine zeitweise Aufstockung der Stellen bei Schulbau Hamburg, der Abteilung Schulbau in der BSB und im LI vornehmen, um Prozesse schneller und besser durchführen und begleiten zu können.

2.6 Digitalisierung nutzen

Wir alle müssen digitale Kompetenzen entwickeln und das ständig, damit wir wirksam und selbstbestimmt am gesellschaftlichen Leben, an politischen und persönlichen Entwicklungen teilhaben können. Menschen müssen deshalb in Bildungseinrichtungen in die Lage versetzt werden, sich selbstbestimmt, mündig und autonom in der Welt, auch digital, zurechtzufinden und sich artikulieren können. Dazu bedarf es lebensbegleitender, niedrigschwelliger, altersangemessener und selbstverständlich flächendeckender Bildungsangebote.

Die Arbeit mit digitalen Lernumgebungen bietet die Möglichkeit, das Lernen individuell zu gestalten und damit Lernende passgenau zu fördern und zu fordern. Dabei sollen digitale Medien nach bildungswissenschaftlich begründeten Kriterien als Erweiterung der pädagogischen Möglichkeiten eingesetzt werden.

Schule ist der Ort, an dem junge Menschen im Umgang mit digitalen Medien unterstützt werden sollen. In keinem Lebensbereich können digitale Entwicklungen heute ausgeklammert werden. Junge Menschen sollen ihr Nutzungsverhalten, die Grenzen und Möglichkeiten technischer Entwicklungen nachvollziehen und sich auch in digitalen Zusammenhängen als selbstbestimmte, wirksame und verantwortungsbewusste Persönlichkeiten sicher bewegen.

Die Corona-Pandemie hat deutlich gemacht, wie wichtig es ist, sich in der digitalen Welt zurechtzufinden. Gleichzeitig wurden die Chancen und Risiken der Digitalisierung für junge Menschen deutlich: So hat sich die Bildungsungerechtigkeit unter anderem durch die unterschiedlichen IT-Ausstattungen und Unterstützungsmöglichkeiten im Distanzunterricht verschärft.

Die Entwicklungen von KI wie Chat GPT haben in den vergangenen Monaten gezeigt, wie rasant sich Gesellschaft und Arbeitswelt durch digitale Entwicklungen verändern. Diese Entwicklungen machen an Schulmauern nicht Halt und wirken sich auf Lebenswelten und zukünftige Tätigkeitsfelder sowie das Lernverhalten von Schüler*innen aus. Wir wollen mit den Schulen diese Innovationsprozesse systematisch begleiten und entsprechende Weiterentwicklungen von Schule, Lernen und Prüfungen ermöglichen, unterstützen und evaluieren. Dies erfordert einerseits intensive Weiterbildungs- und Vernetzungsmöglichkeiten für pädagogische Fachkräfte und andererseits die Flexibilisierung und Anpassung von Lernsettings, Inhalten und von Prüfungsformen an Schulen. Hierfür wollen wir Fortbildungen weiterentwickeln und Modellprojekte mit unterschiedlichen Formen der Ausgestaltung von Zeit- und Lernräumen zur didaktischen Integration digitaler Entwicklungen und Formate umsetzen.

Eine gut strukturierte und realisierte Digitalisierung bietet dabei die Chance, ein Stück mehr Bildungsgerechtigkeit zu schaffen.

Wir wollen daher

  • Medienkompetenzen ab dem Grundschulalter selbstverständlich als Querschnittsaufgabe in den Unterricht integrieren, denn Schule muss die Lebensrealitäten ihrer Lernenden berücksichtigen und integrieren.
  • eine am Sozialindex der Schulen ausgerichtete technische Grundausstattung der Schulen.
  • kompetente Ansprechpersonen, damit die jeweiligen Fachlehrkräfte in den Unterrichtssituationen bei technischen Problemen entlastet werden und Schüler*innen mit weniger technik-affinen Eltern schulischen Support für die Nutzung von digitalen Geräten erhalten.
  • die schulübergreifende Speicherung und Nutzbarkeit digitaler Bildungsinhalte, die durch ein anwendungsfreundliches Such- und Bewertungssystem für die Lehrkräfte leicht auffindbar werden. Dafür könnte die Weiterentwicklung des digital.learning.labs16 ein Ansatzpunkt sein.
  • die Umsetzung der KMK-Richtlinie „Lernen in der digitalen Welt“17.
  • eine Vorbereitung von hybriden Unterrichtsformen für eventuell auftretende Pandemie-Wellen im Herbst/Winter und deren Erprobung an einem Stichtag im Spätsommer an allen Hamburger Schulen sowie eine didaktische Öffnung für die Entwicklung hybrider Unterrichtsorganisation in den SekII-Bildungsplänen (Bildungsplänen der Oberstufen) und die Förderung von Modellprojekten für die Entwicklung von hybriden Unterrichtsformen oder anderen flexiblen Unterrichts- und Lernformen.
  • eine Fortbildungsoffensive zum inklusiven und individualisierten Lernen im digitalen Raum, die den Schulen auch Freiräume für den effektiven Peer-to-peer-Austausch unter Lehrkräften ermöglicht. Auch braucht es niedrigschwellige und direkte Beratungs- und Unterstützungsangebote für Schulen und Lehrkräfte, um das Lernen mit und über Medien pädagogisch sinnvoll weiterzuentwickeln.
  • dass alle Schulen einen ausgebildeten Netzwerk-Administrator*in haben. Die Schulen müssen darüber hinaus stärker in die Entwicklung von produktiven Netzwerkstrukturen für ihre Bedürfnisse einbezogen werden.
  • dass die Entwicklung der KI kritisch und konstruktiv genutzt wird. Die Potentiale der KI für das Lernen und für die Arbeit der Lehrenden werden erforscht. Genauso werden die Risiken der KI in den Blick genommen. Bildungsinstitutionen müssen hier schnellstmöglich auf dem aktuellen Stand der Erkenntnisse und handlungsfähig werden. Wir können es uns nicht erlauben, immer einen Schritt hinterher zu hinken, da, wo doch die Zukunft vorbereitet werden soll. Dies betrifft insbesondere die zeitnahe Ausarbeitung eines rechtssicheren Handlungsrahmens für die Nutzung von KI an Schulen.
  • die Nutzung der Digitalisierung im Sinne der Nationalen Weiterbildungsstrategie des BMBF, sodass alle Menschen Zugriff auf passgenaue Weiterbildungsangebote haben und niedrigschwellige Angebote zum Aufbau digitaler Grundkompetenzen vorfinden.

Hochschule und Digitalisierung

Die Möglichkeiten digitaler Lehre sind in den letzten Jahren sehr vielfältig geworden. Unser Ziel ist es, digitale Inhalte in der Hochschullehre sinnvoll mit anderen Formaten zu kombinieren und fachspezifisch weiterzuentwickeln. Darüber hinaus sollen Hochschullehrer*innen entsprechende Weiterbildungsangebote gemacht werden.

ChatGTP und ähnliche Programme stellen viele der herkömmlichen Prüfungen an Bildungsinstitutionen in Frage. Dies betrifft insbesondere die Hochschulen. In Zukunft wird eine zentrale Frage sein: Wo unterscheiden wir uns noch von künstlicher Intelligenz? Und woran erkennen wir, was von Menschen erarbeitet wurde, was real ist oder was Algorithmen generiert haben? Auch die Frage nach dem Umgang mit Bildungsdaten, d.h. wie schnell jemand lernt, was und wie er oder sie lernt, sind entscheidende Fragen. Wir schlagen daher vor, diese Diskussionen bundesweit und fachspezifisch zu führen, um geeignete Maßnahmen und Weiterentwicklungen der Curricula zu definieren.

Hybride Lehrveranstaltungen und blended learning18 können dazu beitragen, dass Studierende, die arbeiten müssen, dies einfacher mit dem Studium kombinieren und somit den Lernerfolg erhöhen können. Entsprechend sollen bewährte Strukturen, die unter Corona ad hoc etabliert wurden, verstetigt werden. Die Hamburg Open Online University bietet darüber hinaus Angebote nicht nur an Studierende, sondern auch an andere Interessierte an und kann im Kontext des lebenslangen Lernens eine wichtige Rolle einnehmen.

3. Fachkräfte stärken – für professionelle Bildung

Gut ausgebildete und motivierte pädagogische Fachkräfte, Erzieher*innen, Lehrkräfte, sozialpädagogisches und pflegerisches Personal sowie Hochschuldozent*innen: Sie sind Dreh- und Angelpunkt, wenn es darum geht, Menschen in ihrem Bildungsprozess zu unterstützen und Entwicklungsschritte zu fördern. Ihre Haltung, ihr Agieren „am Menschen“ und ihre fachlichen und sozialen Kenntnisse sind entscheidend für die Umsetzung aller Lehrpläne und Zielsetzungen. Sie schaffen die Rahmenbedingungen für gutes, gelingendes Lernen, ob in der Kita, Schule, Hochschule oder in non-formalen Bildungszusammenhängen.

Dieser großen Relevanz der Fachkräfte steht der sich zunehmend zuspitzende Fachkräftemangel und damit einhergehend auch die zunehmende Überlastung und Überforderung des bestehenden Personals gegenüber.

Aktuell fehlen beispielsweise bundesweit 173.000 Fachkräfte in Kitas; laut Bertelsmann-Stiftung werden es bis 2030 sogar 300.000 sein19. Damit würde rund 74% der Kitas nicht genügend Personal zur Verfügung stehen.

Auch in den Schulen sieht es nicht besser aus: Laut Prognosen der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission (SWK) der Kultusministerkonferenz (KMK) werden in Deutschland bis zum Jahr 2030 etwa 30.000 bis 40.000 Lehrer*innen fehlen20. Dieser zunehmende Mangel macht sich an Schulen bereits in häufigem Stundenausfall, Überlastung des Personals und in der Konsequenz sicherlich auch in der Reduzierung der Qualität des Lernens bemerkbar.

Um diesem gravierenden Mangel entgegenzutreten, bedarf es vieler ineinandergreifender Maßnahmen. Zum einen müssen sie darauf abzielen, neues Personal zu gewinnen, Menschen für diese Berufsfelder zu begeistern und dabei ungenutztes Potenzial zu nutzen. Zum anderen müssen wir einen Schwerpunkt darauflegen, dass das bereits gewonnenes Personal lange motiviert und gesund im Beruf bleibt. Dafür müssen wir Arbeitsbedingungen und Bezahlung reflektieren und verändern sowie Strukturen an die angespannte Situation anpassen. Darüber hinaus muss durch gezielte Beratung und Förderung der Anteil an Ausbildungs- und Studienabbrechern im Bereich der Lehrämter deutlich gesenkt werden.

Im Frühjahr 2023 haben wir Grüne in 15 Punkten bereits mögliche Lösungswege für den sich zuspitzenden Lehrkräftemangel an Schulen vorgestellt.21 An diesen knüpfen wir an und weiten unsere Vorschläge aus.

3.1 Gewinnung und Unterstützung von angehenden Fachkräften in allen Lebenslagen

Die pädagogische Ausbildung ist oft verbunden mit keiner oder geringer Vergütung. Entsprechend treten viele Menschen diesen Weg gar nicht erst an, obwohl sie das Interesse an einer Erzieher*innenausbildung, einem Studium oder dem Quereinstieg in den Lehrerberuf hätten.

Ein zentraler Baustein ist in diesem Zusammenhang das BaFöG. Wir haben uns auf Bundesebene sehr dafür eingesetzt, dass das BaFöG nicht nur erhöht wird, sondern auch für eine Strukturreform gekämpft, die z.B. den Kreis der Anspruchsberechtigten u.a. durch Anhebung der Altersgrenzen deutlich erhöht, um Notfallmechanismen ergänzt und die Freibeträge ebenso deutlich erhöht. Wir werden weiter im Interesse der Lernenden auf die Umsetzung des Koalitionsvertrages drängen, der neben der Realisierung der Strukturreform auch das Startchancenprogramm vorsieht. Das Startchancenprogramm hat zum Ziel, 4000 allgemein- und berufsbildende Schulen mit einem hohen Anteil sozial benachteiligter Schüler*innen zu stärken. Wichtig ist in dem Zusammenhang auch die Studienstarthilfe, die die Belastungen für Studierende aus Bedarfsgemeinschaften verringert. Ferner ermöglicht die direkte Auszahlung des Garantiebetrags der Kindergrundsicherung an volljährige Anspruchsberechtigte in Ausbildung und Studium mehr Elternunabhängigkeit. Diese wird mit Jahresbeginn 2025 aufgrund des Einsatzes unserer Grünen im Bund eingeführt.

Darüber hinaus setzen wir uns dafür ein, dass Bildungskredite der KfW mit einem festen Zinssatz von 1% (ohne Stellung von Sicherheiten) versehen werden, so dass Menschen sich unter verlässlichen Rahmenbedingungen weiterbilden können.

Der Mangel an bezahlbaren Wohnungen ist gerade in Hamburg ein großes Problem. Während große Betriebe früher oft Wohnheime für Auszubildende vorhielten, ist dies heute nur noch vereinzelt der Fall. Der bundesweite Durchschnitt für ein WG-Zimmer liegt bei 458€, Hamburger Mietpreise sind durchschnittlich noch höher, somit reicht die Wohnkostenpauschale für Bafög-Empfänger*innen von 325 € kaum für ein WG-Zimmer. Und für Familien ist die Situation oft noch schwieriger, da der entsprechend notwendige Wohnraum in der entsprechenden Preiskategorie noch rarer ist als bei Singlewohnungen.

Etliche Mangelberufe wie Erzieher*innen sind derzeit vollschulische Ausbildungen ohne jede Vergütung, Quer- und Seiteneinsteiger*innen werden schlecht bezahlt und werden gemeinsam mit Schulbegleitungen, Referendar*innen und Praktikumsbetreuenden an Hochschulen zu den Sommer- oder Semesterferien entlassen. So entsteht bei ihnen leicht ein Gefühl der Unsicherheit und fehlender Wertschätzung.

Wir wollen daher

  • eine duale Ausbildung mit angemessener Vergütung anstelle vollschulischer Ausbildungen, dort, wo Auszubildende ohnehin einen großen Anteil an Praktika im Rahmen der Ausbildung ausführen müssen.
  • den Ausbau von dualen Weiterbildungsstudiengängen an staatlichen Hochschulen.
  • dass Ausbildungsbetriebe mit mehr als 20 Auszubildenden sich an Wohnheimen oder Wohnprojekten in genossenschaftlicher Form beteiligen bzw. diese stellen oder eine Wohnpauschale zahlen.
  • im Zuge der Bund-Länder-Beratungen zur BAföG-Reform den Darlehnsanteil absenken und den Zuschussanteil erhöhen sowie die Wohnkostenpauschale ortsabhängig gestalten, damit Studierende unabhängig von ihrer Herkunft überall studieren können
  • mehr Wohnheimplätze für Studierende und Auszubildende schaffen.

3.2 Gesundheitsfördernde Rahmenbedingungen

Die Teilzeitquote bei Lehrer*innen muss dort gesenkt werden, wo sie aufgrund von vermeidbaren Überlastungen besteht. Vorab gilt es dafür zu erfassen, wie es tatsächlich um die Überlastung im Beruf und die individuelle Gesundheit der Lehrer*innen bestellt ist. Die Ergebnisse dieser Erhebung sollen für weitere, ggf. entlastende Maßnahmen dienen. Auch müssen in diesem Zusammenhang Barrieren abgebaut werden, die Lehrkräfte daran hindern, frühzeitig bei Erkrankung oder Belastung Unterstützung in Anspruch zu nehmen.

Auch unsere Erzieher*innen stehen unter enormen Druck und Arbeitsbelastung. Der Fachkräftemangel führt dazu, dass bei Krankheit von Kolleg*innen Erzieher*innen bis an ihr Limit arbeiten, oder die Einrichtung temporär schließen muss. Hoher Lärmpegel, die körperlichen Belastungen durch das Tragen der Kinder und die mit zunehmend heterogener werdenden Gruppen einhergehenden neuen Aufgaben führen dazu, dass immer mehr nicht mehr geleistet werden kann. Elterngespräche, Dokumentation von Entwicklungsverläufen, der Besuch anderer Lernorte, Kooperationen mit dem Stadtteil – diese wichtigen Tätigkeiten fallen weg, wenn eine Überbelastung vorhanden ist.

Die anhaltende Knappheit an Dauerstellen an Hochschulen und in Wissenschaftsorganisationen führt nicht nur zu Unsicherheit und fehlender langfristiger Perspektive für viele Wissenschaftler*innen, sondern hat auch erhebliche Auswirkungen auf ihre Gesundheit. Die ständige Aussicht auf befristete Verträge und der Druck, sich permanent neu beweisen zu müssen, tragen zur Entstehung von Stress, Burnout und psychischen Gesundheitsproblemen in der akademischen Welt bei.

Wir wollen daher

  • eine regelmäßige Supervision für jedes Kollegium an Schulen und Hochschulen, um die Belastungen im Alltag professionell zu verarbeiten und schnellstmöglich Lösungen für aufkommende Probleme zu schaffen.
  • als Stadt uns auch für unser Schulpersonal als eine moderne, fortschrittliche Arbeitgeberin verstehen und dies u.a. auch beim Schulbau mitdenken: Durch Ruhe- und Aufenthaltsräume können Rückzugsmöglichkeiten im langen Arbeitsalltag geschaffen werden, durch ausreichend Arbeitsräume nehmen Lehrkräfte weniger Belastungen mit nach Hause, durch Duschräume sowie mehr und gesicherte Fahrradabstellmöglichkeiten können die Bedürfnisse, die im Hinblick auf Mobilität in einer modernen Großstadt entstehen, gedeckt werden.
  • dass der Aufwand für Verwaltungsaufgaben im Alltag der Lehrer*innen reduziert wird, dafür müssen wir die Verwaltungsstellen, auch -leitungen, an den Schulen ausbauen und attraktiver machen. Auch weitere, nicht-unterrichtliche Aufgaben wie die Betreuung der IT müssen durch eigens dafür eingestelltes Fachpersonal oder Drittanbieter übernommen werde
  • unsere Fachkräfte in den Kitas, insbesondere durch die Anpassung des Betreuungsschlüssels an die sozioökonomische Lage der Kita, in Anlehnung an den Sozialindex der Schulen, personell entlasten.
  • dass an Hochschulen der Anteil an Dauerstellen von wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen kontinuierlich erhöht wird und Stellenkategorien wie der Lecturer oder Researcher ähnlich dem Bremer Modell etabliert werden. Wissenschaftliche Mitarbeiter*innen stehen unter einem besonderen Druck. Nach derzeitig gültigem Wissenschaftszeitvertragsgesetz dürfen sie nach der Promotion bis zu sechs Jahre befristet beschäftigt werden. Unbefristete Stellen jenseits der Professur gibt es kaum, was die Konkurrenz verstärkt und eine enorme psychische Belastung mit sich bringt.

3.3 Zukunftsgerichtete Personalgewinnung

Wenn wir über den Fachkräftemangel sprechen, dann geht es vor allem auch darum, neues Personal zu gewinnen. Dafür braucht es zum einen die Durchlässigkeit von Ausbildungssystemen und zum anderen die Steigerung der Attraktivität der Ausbildung zum Beruf der Lehrerin und des Lehrers.

Wir wollen daher

  • die Finanzierung des Ausbaus der Lehramts-Studienplätze, ebenso den Ausbau des Studiengangs Erziehungswissenschaften mit Schwerpunkt Sonder- und Sozialpädagogik.
  • die Diversifizierung der Zulassungsvoraussetzungen ins Lehramtsstudium, z.B. durch Eignungsgespräche, ergänzend zur Aufnahme durch den Numerus Clausus.
  • den Master of Education öffnen, um den Fach-Bachelor ins Lehramtsstudium zu führen.
  • die Prüfung einer Zusammenarbeit mit der Beruflichen Hochschule Hamburg (BHH) als Ergänzung zum grundständigen Lehramtsstudium (z.B. Beruf Erzieher*in und zwei Unterrichtsfächer)
  • mehr Plätze für den Vorbereitungsdienst (Referendariat) schaffen
  • den Vorbereitungsdienst kritisch im Hinblick auf Umfang, Intensität, und Inhalt prüfen sowie den Anteil der Prüfungssituationen verringern.
  • die regelmäßige Anpassung der fachlichen Inhalte im Studium an die Lehrpläne und Stärkung der pädagogischen Anteile (mit Blick auf Herausforderungen unserer Zeit in der Bildung: Inklusion, Digitalisierung, Bildung für nachhaltige Entwicklung, …), damit das Studium auf die tatsächlichen Herausforderungen im Beruf besser vorbereitet.
  • eine schnellere Anerkennung von ausländischen Abschlüssen in erzieherischen und pädagogischen Berufen mit qualifiziertem Einstiegs- und Weiterbildungsprogramm sowie Möglichkeiten der Verbeamtung – ggf. auch mit nur einem Fach.
  • durch qualitative Aus- und Weiterbildungsprogramme die Möglichkeiten für den Quer- und Seiteneinstieg ausbauen. Darüber hinaus sollte auch geprüft werden, ob die Altersgrenze für die Verbeamtung hoch gesetzt werden kann.
  • einen berufsbegleitenden Einstieg in den Lehrkräfteberuf ermöglichen, ggf. mit begleitender, finanzieller Unterstützung, sowie dualer Lehrenden-Ausbildung.
  • für unser Kitapersonal weiter möglichst unbürokratisch und kreativ mit allen beteiligten Akteur*innen neues Personal aus dem In- und Ausland gewinnen. Darüber hinaus wollen wir prüfen, wie die Ausbildung zur Erzieher*in zu einer vergüteten Ausbildung umgestellt werden kann.

3.4 Selbstverantwortete Schule stärken

Grüne Bildungspolitik sieht die Schulen in ihrer Autonomie und Selbstverantwortung als wichtige Akteure. Unser Ziel ist es, Schule so zu gestalten, dass alle Beteiligten – Lernende wie Lehrende, Leitungsmitglieder, pädagogisches Personal und Personal in der Verwaltung, Kooperationspartner, Schulaufsicht, Schulträger und Bildungsverwaltung – ihre Gestaltungsräume im jeweils eigenen Verantwortungsbereich nutzen und sich im wechselseitigen konstruktiv-kritischen Dialog hinterfragen und weiterentwickeln können. Erst wenn Schulen Gestaltungsräume erhalten, entsteht Verantwortung für die eigene Arbeit. Daraus erwächst wiederum Qualität. Für uns ist die Selbstverantwortung von Schulen deshalb ein wichtiger Antrieb für die Qualitätssicherung und -steigerung von Schulen.

Schulen sollen weiterhin in ihrem Profil unterschiedlich und attraktiv sein und damit ein breites Angebot darstellen und ausbauen. Um dies zu unterstützen, müssen wir die Einzelschulen in ihrer Selbstverantwortung stärken und ihnen die Freiheit einräumen bzw. Anreize setzen, damit sie ihr pädagogisches Profil schärfen können. Starke und erfolgreiche Schulen sind Schulen mit einem klaren eigenen Profil. Denn jede Schule ist anders. Erst wenn Schulen Gestaltungsräume erhalten, übernehmen sie auch in vollem Maße die Verantwortung für ihre eigene Arbeit, und daraus erwächst Qualität. Sollen sich Schulen positiv entwickeln, dann reichen keine pädagogischen Lösungen von der Stange, sondern jede Schule benötigt maßgeschneiderte Lösungen, die sie selbst (mit)entwickelt. Wir GRÜNEN geben deshalb Schulen „Freiheit in Verantwortung“, um ihr eigenes Profil und damit ihre Qualität zu stärken. Zum Kontext der „Verantwortung“ gehört auch, dass Schulen transparent Rechenschaft über ihre Entwicklungen abgeben, extern evaluiert werden und Schulen mit massiven Qualitätsproblemen enger begleitet und unterstützt werden.

Formal sind bereits heute alle Schulen in Hamburg „selbstverantwortete Schulen“. Diese Selbstverantwortung trägt entscheidend dazu bei, dass Schulen jeweils passende pädagogische Konzepte entwickeln können. Schulen in Hamburg werden jedoch faktisch noch immer durch eine Vielzahl zentraler Restriktionen der Bildungsbehörde, fehlender Anreize für die Schulentwicklung sowie unzureichender verwaltungstechnischer Unterstützung in ihrer Selbstverantwortung beschränkt. Um dies zu ändern und den vielfältigen gesellschaftlichen Ansprüchen an eine zeitgemäße Schule Rechnung zu tragen, sollten alle Schulen in die Lage versetzt werden, ihre besonderen Stärken zu definieren und konsequent zu entfalten.

Wir wollen daher

  • die Gestaltung der offenen Lernzeiten, der Stundentafeln und der inhaltlichen Vorgaben in den Bildungsplänen flexibilisieren, damit Schulen innovative pädagogische Konzepte konsequent kompetenzbezogen entwickeln und an Profil gewinnen können. Außerdem wollen wir für weiterführende Schulen im Dialog mit ihnen ein besonderes Anmeldeverfahren etablieren, in dem die Einzelschulen einen Teil ihrer Schüler*innen gemäß ihrem eigenen Profil selbst auswählen dürfen.
  • Anreize zur pädagogischen Profilierung und zur Innovation setzen, etwa durch zusätzliche Funktionszeiten oder Zeiten für die Koordination im Team, die Ausgestaltung der schulischen Profilbildung sowie die Entwicklung neuer Materialien und Projekte gemäß dem Profil. Wir wollen außerdem einen Innovationsfonds auflegen, für den sich Schulen bewerben können, um zeitlich befristet zusätzliche Ressourcen und professionelle Begleitung in der Schulentwicklung zu erhalten.
  • Das Lehrerarbeitszeitmodell auf den Prüfstand stellen und dabei insbesondere prüfen, ob den Schulen ausreichend Zeiten für die Teamarbeit und die innerschulische Kommunikation zur Verfügung stehen, um ihre Selbstverantwortung produktiv wahrzunehmen. Lehrkräfte und Schulleitungen sollen von Verwaltungsaufgaben entlastet werden. Dazu werden den Schulen zukünftig zusätzliche Ressourcen zur Verfügung gestellt. Dies soll jetzt in Abstimmung mit den Schulleitungen weiter konkretisiert werden. In diesem Prozess sollen dabei auch Eingruppierungs- und Finanzierungsfragen für Verwaltungskräfte weiter konkretisiert werden. Wir GRÜNEN wollen grundsätzlich, dass zusätzliche Stellen zum bereits vorhandenen Personal finanziert werden, sodass es nicht zu einer Finanzierung eines Teils der Kosten auf Seiten der Schulen kommt.
  • das Bildungsmonitoring für die Entwicklung von Schulen besser nutzen. Wir unterstützen die Qualitätssicherung der schulischen Profilierung durch ein stadtweites Bildungsmonitoring und kompetenzorientierte, standardisierte Abschlussprüfungen in Hamburg. Die Daten, die den Schulen zur Verfügung gestellt werden, sollen aus unserer Sicht jedoch besser auf die Evaluation von konkreten und innovativen Schulentwicklungsprozessen an Einzelschulen bezogen und adressatengerechter aufbereitet werden. Dies soll insbesondere auch Schulen in herausfordernder Lage stärker nutzen.
  • für gute Schulen Schulleitungen bilden, ausstatten und stärken. Wir erkennen die grundlegende Bedeutung der Arbeit von Schulleitungen an; sie ist für Schulen Schlüssel zu gelungener, kollegialer, vom Kind aus gedachter und qualitativ hochwertiger Bildungsarbeit. Die Leitung einer Schule setzt pädagogische Erfahrung ebenso wie Führungskompetenzen voraus. In Zeiten heterogener Lebenswelten von Schüler*innen und immer neuer Zukunftsentwürfe von Bildungs- und Arbeitsbiografien, gilt es, die Organisation agil und gleichzeitig verlässlich mit Vision, Verlässlichkeit, Innovationsfreude und Weitsicht zu leiten. Schulleitungen wollen wir durch eine Neugestaltung des Fort- und Weiterbildungsangebots besser auf die anspruchsvollen Anforderungen ihres Tätigkeitsbereichs vorbereiten.

1 https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2021/11/rs20211119_1bvr097121.html#:~:text=Das%20Recht%20auf%20schulische%20Bildung%20umfasst%20auch%20ein%20Abwehrrecht%20gegen,Schulsystem%20als%20solches%20zu%20ver%C3%A4ndern.

2 https://www.diakonie-hamburg.de/de/fachthemen/armut/daten-fakten-und-fragen-zur-armut-in-hamburg/index.html#:~:text=Die%20Armutsgef%C3%A4hrdungsschwelle%20f%C3%BCr%20einen%20Ein,zwei

3 https://www.hamburg.de/contentblob/14627024/751f112e4f55a829210e63a62a1c5e5a/data/pdf-hamburger-bildungsbericht-2020.pdf

4 https://www.statistik-nord.de/fileadmin/Dokumente/Statistische_Berichte/bevoelkerung/A_1_10_j_H/A_I_10_j21_HH.pdf

5  Ergebnisbericht Deutsches Jugendinstitut: Kind sein in Zeiten von Corona: https://www.dji.de/fileadmin/user_upload/bibs2020/Ergebnisbericht_Kindsein_Corona_2020.pdf

6 https://www.behindertenrechtskonvention.info/inklusion-3693/

7 COPSY Studie; UKE

https://www.uke.de/kliniken-institute/kliniken/kinder-und-jugendpsychiatrie-psychotherapie-und-psychosomatik/forschung/arbeitsgruppen/child-public-health/forschung/copsy-studie.html

8 fünfte Befragung der COPSY Studie; UKE

https://www.uke.de/allgemein/presse/pressemitteilungen/detailseite_128704.html

9 https://www.hamburg.de/23plus/

10 https://www.hamburg.de/bsb/pressemitteilungen/16991968/2023-03-17-bsb-neues-foerderprogramm-startchancen/

11 https://www.hamburg.de/bsb/pressemitteilungen/16998630/2023-03-21-bsb-elf-prozent-weniger-azubis/#:~:text=Insgesamt%20haben%202022%20rund%2017.370,R%C3%BCckgang%20von%2010%2C5%20Prozent.

12 Leo-Studie:

https://www.bmbf.de/bmbf/shareddocs/downloads/files/2019-05-07-leo-presseheft_2019-vers10.pdf?__blob=publicationFile&v=1

13 https://www.bmbf.de/bmbf/de/bildung/weiterbildung/alphabetisierung/alphabetisierung_node.html

14 https://www.bne-portal.de/bne/de/weltweit/bne-2030/education-for-sustainable-deve–planet-act-for-sustainability.html

15 https://www.hamburg.de/contentblob/15185278/1330dfec0260370d6eb591789abc5dd0/data/masterplan-bne.pdf

16 https://digitallearninglab.de/

17 https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/pdf/PresseUndAktuelles/2018/Digitalstrategie_2017_mit_Weiterbildung.pdf

18 blended learning: Kombination von Präsenzveranstaltungen mit online Phasen

19 https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/unsere-projekte/fruehkindliche-bildung/projektnachrichten/der-fachkraefte-radar-fuer-kita-und-grundschule-2022-ergebnisse-fuer-grundschulkinder

20 https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/2022/2022_10_07-Bericht-Leitlinien-Deckung-Lehrkraeftebedarf.pdf

21 https://www.gruene-hamburg.de/diskussionspapier-zum-lehrkraeftemangel/