Kinder – und Jugendliche sind noch immer durch Folgen der Corona Pandemie gesundheitlich belastet. Das hat der Bericht der interministeriellen Arbeitsgruppe der Bundesregierung im letzten Jahr in ihrem Abschlussbericht bestätigt. Die Aufnahme von geflüchteten Familien fordert uns zu zusätzlichen Maßnahmen heraus, um für die Gesundheit aller Kindern zu sorgen.
Ein wichtiger Teil der Früherkenneung von gesundheitlichen Problemen von Kindern und Jugendlichen sind die gesetzlich allen Kindern zustehenden Vorsorgeuntersuchungen. Die Teilnahme an den kinderärztlichen Vorsorgeuntersuchungen (U-Untersuchungen) kann in Hamburg – wie auch in den meisten anderen Bundesländern – nur retrospektiv zum Zeitpunkt der Schuleingangsuntersuchungen ermittelt werden. Während der Corona-Pandemie sind viele Schuleingangsuntersuchungen ausgefallen und Vorsorgeuntersuchungen wurden insgesamt weniger wahrgenommen. Somit ist davon auszugehen, dass viele Kinder in Hamburg in den letzten Jahren keine ausreichende Entwicklungsdiagnostik erhalten haben. Bereits im Gesundheitsreport „Gesundheit Hamburger Kinder im Einschulungsalter“ aus dem Jahr 2015 zeigte sich, dass jedes zweite Kind mit Verdacht auf eingeschränktes Sehvermögen und jedes dritte Kind mit Verdacht auf Hörproblemen zum Zeitpunkt der Schuleingangsuntersuchung noch nicht mit entsprechenden Hilfen ausgestattet war. Zusammengefasst wurde bei etwa jedem vierten untersuchten Kind mindestens eine Entwicklungsauffälligkeit festgestellt.
Um diagnostische Lücken im Bereich der Kindergesundheit zukünftig früher zu erkennen und zu schließen, soll die Teilnahme an den kinderärztlichen Vorsorgeuntersuchungen in Hamburg verbindlich werden. Gerade vor dem Hintergrund der Überlastung von kinderärztlichen Praxen ist es angezeigt, die Bedeutung der Vorsorgeuntersuchungen hervorzuheben. Wo Praxen die U-Untersuchungen nicht mehr anbieten können, sollten Angebote des Öffentlichen Gesundheitsdienst zugänglich gemacht werden.
Für die beiden Kindervorsorgeuntersuchungen U6 und U7 wurde in Hamburg im Jahr 2014 bereits ein Einlade- und Meldewesen etabliert. Die Teilnahme an den Untersuchungen wird in der Arztpraxis bestätigt und an eine zentrale Stelle in Neumünster gemeldet. Sollte diese Rückmeldung ausbleiben, wird das zuständige Gesundheitsamt informiert. Daraufhin erfolgt eine Kontaktaufnahme und bei Bedarf eine Ersatzuntersuchung durch den Öffentlichen Gesundheitsdienst. Zur Verbesserung des Monitorings sollen die Gesundheitsämter in Zukunft nicht lediglich die Fehlanzeigen aus Neumünster erhalten, sondern auch die Information über die erfolgte Teilnahme an der Vorsorgeuntersuchung und darüber, ob weitere Untersuchungen und Therapien empfohlen wurden.
Das verbindliche Einlade- und Meldewesen soll mindestens auf die weiteren U-Untersuchungen bis zum Schuleintritt ausgeweitet werden. Vorbild könnte das Gesetz für den Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGDG) im Saarland sein, wo ein verbindliches Einladungswesen von der U3 bis zur U9 geregelt ist. Auf diese Weise können Familien frühzeitig kontaktiert werden, die in den Jahren vor der Einschulung bisher nicht mit ihren Kindern in der Regelversorgung des Gesundheitssystems waren. Gleichzeitig wird sichergestellt, dass alle Familien von dem gesetzlichen Recht auf Teilnahme an den U- Untersuchungen erfahren.
Für Familien, die trotz Bemühungen keine kinderärztliche Versorgung finden konnten, soll die Untersuchung ersatzweise durch Kinder- und Jugendmediziner*innen des Öffentlichen Gesundheitsdienst übernommen werden. In Fällen, wo Familien die Untersuchung nicht wahrnehmen, soll eine fachliche Risikoeinschätzung zum Kindeswohl erfolgen , an der die Frühen Hilfen und Jugendämter beteiligt werden sowie weitergehende Diagnostik und Therapie angeboten werden.
Die Gesundheit von Kindern wollen wir verbessern indem wir:
– zur lückenlosen Teilnahme an den Vorsorgeuntersuchungen, zur Ausweitung des Einlade- und Meldewesens sowie zum Umgang mit Versäumnissen der Untersuchungen die entsprechenden gesetzlichen Grundlagen schaffen.
– das verbindliche Einlade- und Meldewesen, das in Hamburg bisher für U6 und U7 Untersuchungen gilt, wie im Saarland auf alle U-Untersuchungen bis zum Schuleintritt auszuweiten,
– dafür Sorge zu tragen, dass bei Versäumnis der Untersuchungen die Familien kontaktiert und an die Teilnahme erinnert werden,
-dafür Sorge zu tragen, dass bei Lücken der Teilnahme an den Untersuchungen eine fachliche Risikoeinschätzung zum Kindeswohl getroffen werden kann und weitere Angebote für Diagnostik und Therapie erfolgen,
– sicherstellen, dass Familien ohne Anbindungen an die ambulante kinderärztliche Versorgung die U-Untersuchungen und weitere Diagnostik und Therapie durch den Öffentlichen Gesundheitsdienst erhalten.
– sicherstellen, dass auch Familien mit Sprachbarrieren sowohl im Rahmen des verbindlichen Einladewesens, als auch bei den Untersuchungen selbst so informiert werden, dass ein voll umfängliches Verständnis der Informationen gewährleistet ist. Im Rahmen des Einladewesens sollte dies über mehrsprachige Schreiben oder auch Verweise auf online verfügbare Informationen in der jeweiligen Muttersprache erfolgen. Im Rahmen der Untersuchung selbst muss gewährleistet sein, dass im Zweifel Sprachmittlung in Anspruch genommen werden kann. Wir setzen uns auch mit Nachdruck dafür ein, dass die Vereinbarung im Koalitionsvertrag der Ampel auf Bundesebene, Sprachmittlung im Gesundheitswesen zur gesetzlichen Leistung zu machen, schnellstmöglich umgesetzt wird.