Kreative Stadt: Senatspolitik gefährdet die Elbphilharmonie

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Der Landesausschuss der GAL stellt fest:

  1. In ihrem Bürgerschaftswahlprogramm von 2004 hat die GAL angekündigt: „Die GAL unterstützt den Bau einer Musikhalle auf dem Kaispeicher A nach dem Entwurf von Herzog/de Meuron.“ Das geschah damals vor dem Hintergrund, für Hamburg neue Entwicklungsmöglichkeiten zu eröffnen, indem die Stadt nicht nur auf Hafen, Infrastruktur und Logistik setzt, sondern zu einem Zentrum der Wissenschaften und der Künste im Norden wird.

  1. Mit der Entscheidung für das Leitbild der Kreativen Stadt ist diese Orientierung weiter ausgearbeitet und verdeutlicht worden: Hamburg soll auf Technologie, Talente und Toleranz setzen, um Kreativität zu ermöglichen und allen Bewohnerinnen und Bewohnern ein möglichst gutes Leben zu eröffnen. Stadtentwicklung durch Kultur ist ein wichtiges Element dieser Orientierung und der Bau einer modernen Philharmonie auf dem alten Speicher im Elbstrom ist ein herausgehobenes Projekt, an dem diese Neuorientierung ein Symbol findet, das weit nach Europa strahlt.

  1. Die GAL Bürgerschaftsfraktion hat aus der Opposition heraus mit einem Antrag, der in der Bürgerschaft die Mehrheit gefunden hat, auf die Gestaltung des Projekts wesentlichen Einfluss genommen. Die Umnutzung innerhalb des alten Speichers von geplanten Stellplätzen auf Musikpädagogik und einen weiteren Veranstaltungsraum geht maßgeblich auf uns zurück. Gleiches gilt für die energetische Optimierung (Solarenergie, Elbwassernutzung), die öffentlich zugängliche Plaza und die Denkmalschutzinteressen hinsichtlich der alten Hafenkräne. Die Veranstaltungsplanung wird verschiedenste Musiksparten berücksichtigen.

  1. Der Senat ist dabei, dieses Projekt durch grobe Mängel in der Planung zu gefährden. Zuerst hat er die Kosten schön gerechnet und vor gut einem Jahr – gegen fachlichen Rat – verkündet, die öffentlichen Mittel für den Bau der Elbphilharmonie würden auf 77 Mio. EUR beschränkt. Nachdem er damit gescheitert ist, versucht der Senat die Öffentlichkeit immer noch über die Entwicklung der öffentlichen Zuschüsse zu täuschen. Inzwischen liegen Vertragsentwürfe vor, die Zuschüsse von 131,8 Mio. EUR für die pauschalisierten Baukosten erfordern und nicht wie vom Senat betont 114 Mio €. Das ist – noch in der Planungsphase – eine Steigerung um 54,8 Mio. EUR oder 71,2 %. Ein solches Vorgehen untergräbt die Zustimmung zum Bau der Elbphilharmonie in der Stadt.

  1. Künftige Kostenrisiken sind durch die vorliegenden Vertragsentwürfe mit Pauschalpreisgarantie begrenzt, aber keinesfalls ausgeschlossen. Angesichts der Mängel in der bisherigen Projektsteuerung bitten wir die Bürgerschaftsfraktion darauf zu drängen, dass der Senat seiner Verpflichtung nachkommt, bei drohendem Scheitern des Bauvertrages oder einzelner Vertragsbestandteile die Bürgerschaft unverzüglich einzuschalten. Gleichzeitig ist die Spendenkampagne intensiv fortzuführen, um die öffentlichen Aufwendungen möglichst gering zu halten.

  1. Der Senat gefährdet die Zustimmung zu dem Projekt aber auch durch ungenügende Kita-, Bildungs-, Sozial- und Stadtentwicklungspolitik. Weil auf diesen Feldern das Notwendige und Mögliche unterbleibt, gewinnt die Kritik an Boden, die Stadt könne sich die Elbphilharmonie aus sozialen Gründen nicht leisten. Die GAL Bürgerschaftsfraktion hat mit ihren durchfinanzierten Haushaltsanträgen zu den vernachlässigten Politikfeldern des Senats gezeigt, dass das nicht zutrifft. Die laufenden Kosten für weitreichende Verbesserungen in den Bereichen Bildung und Soziales können aus Zinseinsparungen und strukturellen Einnahmeverbesserungen finanziert werden. Eine einmalige Investition für die Elbphilharmonie tut dem keinen Abbruch.

  1. Der Senat gefährdet das Projekt durch falsche Schwerpunkte in der Investitionspolitik. Die GAL kritisiert seit Jahren die einseitige Fixierung auf den Hafen, für die bis 2015 Mittel von 3.000 Mio. EUR aufgebracht werden sollen. Die U-Bahn in die Hafencity soll 255 Mio. kosten, davon mindestens 141,5 Mio, aus dem Hamburger Haushalt, obwohl eine moderne Stadtbahn billiger wäre und für das gleiche Geld auch noch weitere Stadtteile anbinden würde. Die überdimensionierte, geschlossene Justizvollzugsanstalt Billwerder hat 97 Mio. gekostet. Die Kosten für die Elbphilharmonie konkurrieren vorrangig mit diesen Investitionen, grundsätzlich nicht mit den laufenden Ausgaben für Bildungs- und Sozialpolitik. Und als Investitionen sind sie grundsätzlich nicht nur kulturell, sondern auch wirtschaftlich gut angelegt, weil sie dazu beitragen, Hamburg ein neues Feld qualitativen Wachstums zu eröffnen.

  1. Zustimmung zum Projekt der Elbphilharmonie ist deshalb nur möglich, wenn zugleich die Kritik an der Politik des Senats fortgeführt und gerade auch in Hinblick auf die Elbphilharmonie noch einmal verschärft wird. Das kann nicht geschehen, wenn wir plötzlich ein von uns gefordertes Projekt fallen lassen und den Senat dafür kritisieren, dass er es realisiert. Sondern indem wir ihn dafür angreifen, dass er dieses Projekt auf vielen Ebenen seiner Politik gefährdet und in falsche Frontstellungen in der Öffentlichkeit bringt.

  1. Darüber hinaus wird die Elbphilharmonie von der gesamten Bevölkerung angenommen, wenn es ein Haus für alle wird und sein Bau einhergeht mit einer neuen Anstrengung in der musikalischen Erziehung für alle Kinder und Jugendliche – in der Elbphilharmonie, aber auch in den Schulen und Stadtteilen. Wenn der Senat solche Anstrengungen nicht unternimmt, wird die GAL entsprechende Konzepte weiter entwickeln und in der Bürgerschaft zur Abstimmung bringen.

Die Bürgerschaftsfraktion wird aufgefordert, sich von diesen Gesichtspunkten bei der Abstimmung über die Elbphilharmonie leiten zu lassen und in der Debatte die entschiedene Kritik am Senat vorzutragen.