Nachfolgeagenda der UN-Dekade: die Agenda 2030
In der Generalversammlung der Vereinten Nationen (VN), die Ende September 2015 in New York stattfand, wurde die genaue Zielsetzung der 2030 Agenda für Nachhaltige Entwicklung (ehemals Post 2015-Agenda) verabschiedet. Die neue Agenda folgt auf die Millenniumsentwicklungsziele (MDG’s), die 2015 auslaufen, mit einer Reihe neuer, so genannter nachhaltiger Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals, SDG’s) und wird die internationale Zusammenarbeit in zentralen Politikbereichen bis 2030 maßgeblich prägen.
Obwohl es durch die konkreten Ziel- und Zeitvorgaben der Millenniumsagenda gelang, die Aufmerksamkeit der Welt auf konkrete Missstände zu lenken und Fortschritt messbar zu machen, wurde die Bedeutung der ökologischen Nachhaltigkeit als Grundlage für eine langfristig erfolgreiche Entwicklungspolitik unterschätzt. Neben der Bekämpfung von Armut und Hunger, rückt daher das Prinzip der ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit ins Zentrum der neuen Agenda. Mit diesem Fokus soll sich die globale Entwicklungspolitik nicht mehr auf die so genannten Länder des Globalen Südens beschränken, sondern insbesondere Industriestaaten mit einem hohen Ressourcenverbrauch wie Deutschland, und somit alle gleichermaßen nach Ihren Möglichkeiten und Verantwortlichkeiten in die Pflicht nehmen.
Die komplexen globalen Herausforderungen unserer Zeit, wie Klimawandel, Verlust von Biodiversität, Armut und ein mit hohem Ressourcenverbrauch verbundenes Wirtschaften sowie Flucht und Migration, verlangen Antworten, die in unserem kollektiven Verständnis von Menschlichkeit verwurzelt sind. Vor uns liegende Risiken und Chancen erfordern einen Paradigmenwechsel, den nur Bildung im Sinne von ’Public-Awareness’ (Bewusstseinsbildung) in unseren Gesellschaften hervorrufen kann. Um einen Paradigmenwechsel in der Politik und ein Umdenken bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern zu erreichen ist die Arbeit vor Ort genauso wichtig, wie die Arbeit auf Bundes-, oder Europaebene.
Bei der Agenda 2030, die global angelegt und universell anwendbar ist, sind die gewollten Querverbindungen zwischen den Nachhaltigkeitszielen ’für die Erfüllung von Ziel und Zweck von ausschlaggebender Bedeutung’. Wir GRÜNE verstehen diese Ziele als Querschnittsthemen. Für die konkrete Umsetzung sind daher alle angesprochen. Dementsprechend sind wir alle für den Erfolg der Agenda für nachhaltige Entwicklung mitverantwortlich.
Bündnis 90/Die Grünen Hamburg wollen sich daher so früh wie möglich für eine Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele auf Bundes- und Landesebene sowie in den Bezirken einsetzen und entwicklungspolitische Akteure unterstützen. Durch die neue Nachhaltigkeitsagenda gewinnt das Motto ‚Global denken – lokal handeln‘ weiter an Bedeutung.
Nachhaltige Entwicklung erfordert faire und transparente Handelsbeziehungen.
Gerade Hamburg als Deutschlands größte Hafenstadt sollte hier mit gutem Beispiel vorangehen. Die Stadt selbst kann bei der Beschaffung Akzente setzen, indem sie den fairen Handel durch eine möglichst faire Beschaffung fördert.
Die Stadt Hamburg unterhält insgesamt neun Städtepartnerschaften, u.a. mit den Städte León und Dar es Salam. Die Städtepartnerschaft mit León hat eine lange Tradition und wurde stets mit dem Ziel betrieben, die Lebensbedingungen in León zu verbessern und damit als Stadt einen eigenen Beitrag zur entwicklungspolitischen Bildungsarbeit zu leisten. Obwohl León als „Entwicklungspartnerschaft“ angestoßen wurde, wird viel Wert auf eine gleichberechtigte Zusammenarbeit gelegt. Der kulturelle Austausch und die gemeinsame Begegnung stehen im Vordergrund. Auch in Zukunft soll bei der Zusammenarbeit die Gleichberechtigung der beiden Partner beachtet und gefördert werden.
Die Städtepartnerschaft zwischen Hamburg und Dar es Salaam ist die jüngste der neun Städtepartnerschaften. Die Partnerschaft wurde unter schwarz-grün gegründet und bereits damals betonte Christa Goetsch als Zweite Bürgermeisterin, dass es bei der Zusammenarbeit zwischen Hamburg und Dar es Salaam nicht um eine einseitige Beratung und Unterstützung gehen soll, sondern vor allem um die Begegnung von Menschen aus unterschiedlichen Kulturen und eine Verbindung, in der beide voneinander lernen. Dieses Leitmotiv der Städtepartnerschaft soll auch weiterhin der Grundsatz der Zusammenarbeit sein.
Der CO2-Ausstoß ist in Deutschland mit 9,40 Tonnen pro Person im Jahr noch immer sehr hoch. Die Folgen betreffen nicht nur insulare Kleinstaaten in der Südsee, sondern eine Erhöhung des Meeresspiegels würde auch Hamburg stark betreffen. Es liegt also im ureigensten Interesse Hamburgs, über das Pilotprojekt der Landstromversorgung von Kreuzfahrtschiffen hinaus schnellstmöglich weitere konsequente Maßnahmen zur Reduktion des CO2 Ausstoßes zu treffen.
Eine Bewusstseinsveränderung in den Industriestaaten ist Voraussetzung für eine erfolgreiche globale Entwicklung. Nur wenn bei Politik, Wirtschaft und Konsumenten die Erkenntnis reift, dass unsere knappen Ressourcen für Entwicklung und Armutsbekämpfung statt für übermäßigen Konsum eingesetzt werden müssen, kann die globale Trendwende gelingen. Eine neue Entwicklungsagende der VN kann nur dann einen neuen Geist der internationalen Solidarität und Zusammenarbeit schaffen, wenn eine entsprechende Bewusstseinsveränderung vor Ort bewirkt wird.
Bündnis 90/Die Grünen Hamburg begrüßen die geplante Neuausrichtung der VN-Entwicklungsagenda. Um sie hier umzusetzen, sind folgende Maßnahmen erforderlich:
Frieden und Sicherheit
Hamburg will als ’Welthafenstadt im Geiste des Friedens eine Mittlerin zwischen den Völkern’ sein und hat immer noch ein friedliches Image: Viele Hamburgerinnen und Hamburger glauben, die Rüstungsindustrie spiele für die Hansestadt keine Rolle. Dabei ist Hamburg ein international bedeutender Produktions- und Umschlagsplatz für milliardenteure Waffensysteme und militärisches Wissen. Speziell der Hamburger Hafen profitiert sehr vom Waffenexport. Mithin trägt Hamburg eine Mitverantwortung dafür, was mit dem Inhalt der im Hafen umgeschlagenen Container angerichtet wird.
Die Grünen Hamburg setzen sich daher für eine restriktive Rüstungspolitik und für die stärkere Kontrolle von Waffenexporten ein. Die Lage der Menschenrechte im Empfängerland und die Gefahr, dass Waffen gegen die eigenen Bürgerinnen und Bürger eingesetzt werden, müssen Schlüsselkriterien sein. Auf allen Ebenen insbesondere auf nationaler und europäischer Ebene soll sich für die Beschränkung von Rüstungsproduktion und -export eingesetzt werden. Wir fordern außerdem mehr Transparenz und eine bessere Information des Parlaments über die Ausfuhr von Rüstungsgütern über den Hamburger Hafen. Denn es besteht auch ein Zusammenhang zwischen Waffenexporten und der globalen Flucht und Vertreibung. In den Koalitionsverhandlungen haben Bündnis 90/Die Grünen Hamburg erfolgreich festschreiben können, dass die Stadt auf eine Selbstbeschränkung der relevanten Hafenunternehmen hinwirkt, keine Kernbrennstoffe mehr in Hamburg zu verschiffen. Daher sollte weiterhin angeregt werden, dass die Stadt als Anteilseigner der Reederei Hapag-Lloyd und der HHLA darauf verzichtet, selbst Atomtransporte durchzuführen. Des Weiteren sollte die Welthafenstadt und Wirtschaftsmetropole friedenspolitische Forschung im Sinne der Krisenprävention sowie der friedlichen Konfliktbearbeitung, die z.B.: am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH) und am German Institute of Global and Area Studies (GIGA) durchgeführt werden, fördern.
Initiativen aus der Zivilgesellschaft stärken und einbeziehen
Eine globale Nachhaltigkeits-Agenda darf nicht nur von oben nach unten umgesetzt, sondern muss in erster Linie aus der Gesellschaft heraus getragen werden. Entwicklungspolitische Initiativen, Vereine, Nichtregierungsorganisationen und globalisierungskritische Bündnisse gehören daher zu den wichtigsten Akteuren in der entwicklungspolitischen Bewusstseinsbildung.
Bündnis 90/Die Grünen Hamburg setzen sich für eine Stärkung und stärkere Einbindung bestehender Initiativen aus der Zivilgesellschaft ein, um ein Konzept für die 2030-Agenda sowie die ’Hamburgische Nachhaltigkeitsstrategie’ zu entwickeln. Dabei sollen auch die landesweiten Aktivitäten und Aktionen zur Entwicklungsagenda des Eine-Welt-Netzwerks Hamburg e.V. (EWNW) und dessen Kooperationspartnern unterstützt werden. Auch der Rat für Nachhaltige Entwicklung, der für die neue Wahlperiode bereits eingesetzt wurde, sollte ermutigt werden, Vorschläge zur Umsetzung der globalen Nachhaltigkeits-Agenda zu entwickeln und dem Senat vorzulegen.
Globales Lernen als wesentlicher Teil einer Bildung für nachhaltige Entwicklung
Das Bildungskonzept ‚Hamburg lernt Nachhaltigkeit‘ zur UN-Dekade für nachhaltige Entwicklung hat in besonderem Maße zur Bewusstseinsbildung für entwicklungspolitische Themen im schulischen Umfeld beigetragen. Zudem hat die UNESCO aktuell u.a. Hamburg zum so genannten Key-Partner zur Umsetzung des Weltaktionsprogramms ’Bildung für nachhaltige Entwicklung (WAP BNE)’ benannt. Die genannten Konzepte können Kinder und Jugendliche für globale Zusammenhänge sensibilisieren und sie so in die Lage versetzen, in ihrem Handeln selbst Verantwortung für globale Gerechtigkeit zu übernehmen. Die Grünen Hamburg setzen sich daher dafür ein, dass Schulen aktiv darin bestärkt werden, bestehende Angebote wie ‚Globales Lernen‘ des Landesinstituts für Lehrerbildung und Schulentwicklung in Anspruch zu nehmen, um so Curricula im Bereich Bildung für nachhaltige Entwicklung und Globales Lernen zu entwickeln.
Finanzierung des Eine Welt-PromotorInnen-Programms langfristig sicherstellen
Die Grünen Hamburg setzen sich dafür ein, dass eine langfristige Finanzierung des Eine Welt-PromotorInnen-Programms in Hamburg sichergestellt und die Vereinbarung des rot-grünen Koalitionsvertrags, dass das EWNW eine verlässliche institutionelle Förderung erhält, umgesetzt wird. Mit ihrer entwicklungspolitischen Bildungs- und Informationsarbeit sowie ihrer beratenden Funktion für zivilgesellschaftliche Akteure, leisten die PromotorInnen einen wichtigen Beitrag zur entwicklungspolitischen Bewusstseinsbildung. Das Programm wird gemeinsam vom Bund (60%) und den Bundesländern (40%) finanziert. Die erste Programmphase in Hamburg läuft Ende dieses Jahres aus. Die derzeitige Finanzierung soll auch über das Jahr 2015 hinaus weitergeführt werden. Vergleichsweise steht Hamburg hinsichtlich der Finanzierung von PromotorInnen-Stellen schlechter dar, als andere vergleichbare Bundesländer und liegt aktuell unterhalb des Verteilschlüssels.
Zivilgesellschaftliche Akteure und das Eine Welt-PromotorenInnen-Programm helfen dabei, Menschen vor Ort den Verhandlungsprozess und die Inhalte der neuen Agenda sowie deren Bedeutung für Bezirke anschaulich zu erklären. Schulen und NRO, die sich im Globalen Lernen und der Bildung für nachhaltige Entwicklung (WAP BNE) engagieren, müssen stärker finanziell gefördert werden. Daher fordern die Grünen Hamburg, dass entsprechende Bundesmittel voll ausgeschöpft werden und entsprechende Landesmittel zur Verfügung gestellt werden. Um der aktuellen Herausforderungslage und den globalen Trends der Flucht und Migration gerecht zu werden, sollte auch auf Landesebene mehr getan werden, um zum Beispiel mehr zu Flucht- und Migrationsursachen zu erforschen.
Die Behörden der Freien und Hansestadt Hamburg sowie die Bezirke als entwicklungspolitische Akteure in die Pflicht nehmen
Eine langfristige seriöse Nachhaltigkeitspolitik beginnt vor Ort. Die Grünen Hamburg sehen faire und ökologisch wie sozial nachhaltige Entwicklungspolitik als Querschnittsaufgabe, die sich thematisch und auch von den AkteurInnen her breit fächert.
Sie muss der globalen Verflechtung unserer Lebensbereiche gerecht werden, und reicht von direkter Entwicklungszusammenarbeit mit PartnerInnen in Ländern des Globalen Südens über Handel-, Außen-, Wirtschafts-, Kultur- und Umweltpolitik.
Die Grünen Hamburg setzen sich auch auf bezirklicher Ebene dafür ein, dass im Rahmen der 2030-Agenda wirksame Maßnahmen gegen den globalen Klimakollaps, die Verschmutzung der Umwelt und für eine gerechtere Welthandelspolitik ergriffen werden. Dazu gehören unter anderem die Erstellung von Klimaschutzkonzepten auf Bezirksebene (hier gibt es in Altona und Bergedorf bereits erste positive Entwicklungen) und die Teilnahme an der Fairtrade-Stadt Kampagne.
Beschluss:
Bündnis 90/Die Grünen Hamburg setzen sich dafür ein, die Ziele der UN Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung in Hamburg zu befördern, in dessen Fokus die Sicherung einer nachhaltigen Entwicklung auf ökonomischer, sozialer sowie ökologischer Ebene steht. Zusammen mit dem Eine-Welt-Netzwerk Hamburg e.V. werden die Hamburger Grünen für die Umsetzung der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) sowie des UNESCO Weltaktionsprogramms „Bildung für nachhaltige Entwicklung (WAP BNE)“ eintreten und die Nachhaltigkeitspolitik vor Ort voranbringen. Dabei wollen wir insbesondere dafür sorgen, dass die Bundesmittel des PromoterInnen-Programms des BMZ möglichst vollständig abgerufen werden.