Sexistische Werbung verhindern – Verbindliche Regeln für öffentliche Werbeflächen schaffen!

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Spätestens seit Justizminister Heiko Maas Anfang 2016 ein Verbot sexistischer Werbung ankündigte, wird das Thema gesellschaftlich immer breiter diskutiert und sorgte bereits für zahlreiche – teilweise pikant bebilderte – Schlagzeilen.

Leider ließ der Minister seinen öffentlichen Ankündigungen bisher weder konkrete Taten folgen, noch hat er in der öffentlichen Diskussion dazu beigetragen, darüber aufzuklären, was sexistische Werbung genau ausmacht und wie eine gesetzliche Regelung konkret aussehen könnte.

Dabei ist der Handlungsbedarf offensichtlich: Bereits 1997 hat das Europäische Parlament die Mitgliedstaaten sowie die Werbewirtschaft aufgefordert, „eine feste und entschiedene Stellung gegenüber Werbung einzunehmen, die beleidigende und herabsetzende Frauenstereotype präsentiert.“ Das Europäische Parlament stellte fest, die Mitgliedstaaten müssten alle erforderlichen Schritte unternehmen, um sexistische Werbung zu verhindern, da die „herabwürdigende Darstellung von Frauen zur Gewalt gegen Frauen und zum dauerhaften Ausbleiben von Chancengleichheit beiträgt.“ [1]

2013 wurde der Appell der europäischen Ebene im Rahmen einer Resolution zur Beseitigung von Geschlechter-Stereotypen [2] noch einmal erneuert.

Und es gibt auch bereits positive Beispiele in der EU: Norwegen, Island, Luxemburg und Österreich haben verschiedene Wege eingeschlagen, gegen sexistische Werbung vorzugehen.

Es bedarf auch in Deutschland einer Versachlichung der Debatte sowie konkreter politischer Handlungsvorschläge. In unserem grünen Europawahlprogramm 2014 haben wir bereits festgehalten, dass wir uns als Partei gegen jede Art von Sexismus und auch gegen sexistische Werbung stellen, weil sie Frauen aufgrund des Geschlechts abwertet und diskriminiert. Wir wollen, dass EU-weite Kriterien erarbeitet werden, die genau definieren, was sexistische Werbung ist. Als Vorbild könnten die vom österreichischen Werberat bereits definierten Kriterien dienen.

Uns als LAGen ist es ein Anliegen, die Verbannung sexistischer Werbeformen aus der Öffentlichkeit in Hamburg sowie auf Bundes- und Europaebene stärker voranzutreiben. Das kann nur gelingen, wenn der Öffentlichkeit (in Partei und Gesellschaft) verständlich wird, was sexistische und geschlechterdiskriminierende Werbung von anderen Werbeformen unterscheidet und warum sie diskriminierend ist.

Was ist sexistische (geschlechterdiskriminierende) Werbung?

Sexistische Werbung suggeriert, eine Person sei ebenso wie das Produkt käuflich.

Der österreichische Werberat hat in seinem Ethik-Kodex eine umfassende Definition sexistischer Werbung ausformuliert. Demnach handelt es sich bei geschlechterdiskriminierender (sexistischer) Werbung u.a. um solche, in der Frauen und Männer auf abwertende Weise dargestellt werden, die Gleichwertigkeit der Geschlechter in Frage gestellt wird, Unterwerfung oder Ausbeutung dargestellt wird, eine entwürdigende Darstellung von Sexualität vorliegt oder wenn Personen in sexualisierter Funktion als Blickfang dargestellt werden, ohne dass ein Bezug zum Produkt besteht.

Uns erscheint auch die Definition der NGO „Pink Stinks“, die sich für das Verbot von sexistischer Werbung durch eine Erweiterung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) einsetzt und dazu bereits konkrete Vorschläge [3] erarbeitet hat, als sehr griffig und gut verständlich:

Werbung ist demnach geschlechtsdiskriminierend, wenn sie

– sexuelle Anziehung als den ausschließlichen Wert von Menschen darstellt oder

– Frauen oder Männer auf einen Gegenstand zum sexuellen Gebrauch reduziert, insbesondere indem (weibliche) Körper oder Körperteile ohne Produktbezug als Blickfang eingesetzt werden oder der Eindruck vermittelt wird, die abgebildete Frau sei wie das Produkt käuflich.

Konkret bedeutet das: Eine Frau in Unterwäsche, die Werbung für Dessous macht, ist nicht sexistisch. Eine nackte Frau, die sich auf einem Autoreifen räkelt und für diesen werben soll, hingegen schon. Nicht Nacktheit an sich soll verboten werden, aber diskriminierende Werbung, die die Herabwürdigung und Ausbeutung eines Menschen abbildet.

Werbung beeinflusst unsere Wahrnehmung – wie wir uns selbst und das andere Geschlecht sehen. Werbung prägt, welche Vorstellung wir davon haben, wie eine Frau oder ein Mädchen zu sein hat, wie ein Mann oder ein Junge zu sein hat. Die stete Zunahme von Essstörungen junger Menschen ist nicht losgelöst zu sehen von den Identifikationsmöglichkeiten durch sexistische Werbung. Die Empfehlung von Produkten durch Zuschaustellung idealisierter Körper bedeutet für Jugendliche auch eine Empfehlung im Umgang mit ihrem Körper für den Erwerb gesellschaftlichen Status. Desweiteren reduziert sexistische Werbung das jeweils andere Geschlecht ebenfalls auf seine sexuellen Triebe und unterstellt, diese seien alleiniger Motor zur Kaufentscheidung. Damit manifestiert sie entsprechende Geschlechterrollen auch in Hinsicht auf die Triebhaftigkeit.

Warum ist eine Ächtung diskriminierender Werbung nötig?

Jeder Staat der EU ist grundsätzlich verpflichtet, auf allen Politikebenen die Gleichstellung  von Frauen und Männern zu fördern und Ungleichheiten zu beseitigen. Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union beinhaltet in Artikel 21 ein Diskriminierungsverbot – unter anderem aufgrund des Geschlechts.

Auch im Deutschen Rundfunkstaatsvertrag von 1991 ist festgehalten: „Werbung und Teleshopping dürfen nicht […] Diskriminierungen aufgrund von Geschlecht, Rasse oder ethnischer Herkunft, Staatsangehörigkeit, Religion oder Glauben, Behinderung, Alter oder sexueller Orientierung beinhalten oder fördern.“ Dies deckt sich mit unserer Vorstellung von Antidiskriminierung. Wie diskriminierende Formen von Werbung genau aussehen, dazu findet sich allerdings leider weder im Rundfunkstaatsvertrag, noch in den Verhaltensregeln des Deutschen Werberates gegen Herabwürdigung und Diskriminierung von Personen von 2014 eine genauere Definition. Deswegen muss hier nachgearbeitet werden, denn der Anspruch einer diskriminierungsfreien Gesellschaft bedeutet auch, dass wir diskriminierende Darstellungsweisen in der Werbung angehen müssen. Dies betrifft nicht nur sexistische Werbung, sondern ebenso z.B. rassistische oder behindertenfeindliche Werbung.

Was heißt das konkret für das alltägliche und politische Handeln?

Bisher kann jeder Bürger und jede Bürgerin beim Deutschen Werberat eine Beschwerde gegen diskriminierende Werbung einreichen. Die Entscheidung, ein Unternehmen auf Grund seiner Werbung öffentlich zu rügen, liegt dann allein beim Werberat, der sich allein aus Vertreter*innen der Werbeindustrie zusammensetzt. Diese wichtige Entscheidung darf aber nicht allein der Werbeindustrie überlassen bleiben, denn durch allgegenwärtiges, unausweichliches Ausgesetztsein der Bürger erhält Werbung eine werteprägende Wirkung. Zudem erscheint das Instrument der öffentlichen Rüge als wenig ausreichend.

Um deutschlandweit umfassend und wirksam gegen sexistische Werbung vorzugehen, bedarf es aus unserer Sicht jedoch der genauen Definition.

Auch auf kommunaler Ebene bieten sich Handlungsspielräume, wie die Grünen im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg mit einem Antrag deutlich gemacht haben: Dort darf keine sexistische Außenwerbung auf öffentlichen Werbeflächen platziert werden. Insofern sollte beim Überlassen von öffentlichen Werbeflächen an Vermarktungsunternehmen sichergestellt werden, dass diese sexistische Inhalte in ihren Vertragsbedingungen mit Mieter*innen ausschließen.

Der Landesausschuss hat beschlossen:

  • Bündnis 90/ Die Grünen Hamburg sehen mit Sorge, dass sexistische Werbung auch in Hamburg nach wie vor vielfach entwickelt wird und in der Öffentlichkeit zu finden ist. Geschlechterdiskriminierende Werbung verfestigt aus unserer Sicht Einstellungen und Strukturen in der Gesellschaft, die zu Benachteiligungen im Sinne des grundrechtlichen Gleichheitsgebots führen.

Wir fordern Bürgerschaftsfraktion und Senatsmitglieder daher auf:
  • sich dafür einzusetzen, dass bei Vergabe von Werberechten und beim Abschluss von Neuverträgen für Werbeflächen im öffentlichen Raum der Ausschluss von diskriminierender Werbung als Vergabebedingung formuliert wird.

  • sich, sofern möglich, dafür einzusetzen, dass auf jenen Werbeflächen, die der Stadt selbst gehören und von ihr direkt vermietet werden, keine sexistische Werbung stattfindet.

  • die bundesweite Debatte um Intitiativen zur wirksamen Ächtung sexistischer Werbung zu beobachten und gute Erfolg versprechende Initiativen zu unterstützen.

[1] Entschließung zur Diskriminierung von Frauen in der Werbung. Protokoll der Sitzung vom 16. September 1997

[2] Resolution des Europäischen Parlamentes zur Beseitigung von Geschlechter Stereotypen vom 12. März 2013

[3] https://pinkstinks.de/die-loesung/