Krisenfest, demokratisch und sozial – Hamburg in Zeiten der Pandemie

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Die Covid-19-Pandemie ist ein Schock für die Menschheit. Die rasante Ausbreitung und die Tatsache, dass wir sehr wenig über das Virus und seine Krankheitsbilder wussten, hat uns unsere Verletzlichkeit vor Augen geführt und die Gesellschaft vor neue Herausforderungen gestellt.

Wissenschaft und Forschung haben im Zuge der Pandemie neue Anerkennung und Aufmerksamkeit erfahren und für eine Differenzierung der Debatte gesorgt. Virolog*innen und Expert*innen genießen hohe Aufmerksamkeit in Zeiten von Corona, und alle Welt hofft auf erlösende Studien, erfolgreiche Forschung und neue Errungenschaften moderner Medizin. Gleichzeitig müssen wir uns bewusst sein, dass Wissenschaft allein keine politischen Entscheidungen ersetzt, sondern Politik stets auch im Spannungsfeld zwischen den Wissenschaften steht.

Gleichzeitig müssen wir lernen mit neuen Ungewissheiten leben zu müssen und auch die Erkenntnisse – zum Beispiel zu den sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Pandemie und der getroffenen Maßnahmen – in unser politisches Handeln einfließen lassen.

Doch ist es nicht nur Ungewissheit sondern auch eine zunehmende Ungleichheit, die Sprengkraft für unsere Gesellschaft bedeutet. Corona wirkt wie ein Brennglas für die bereits vorher bestehenden Probleme. Und insofern ist die Corona-Krise ist keine Krise des Gesundheitssystem allein, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die alle Lebensbereiche umfasst: Neben den viel besprochenen wirtschaftlichen Einbußen und langfristigen Folgen für unser Wirtschaftssystem, stehen die vielen jungen Familien, die über Belastung und Zerrissenheit zwischen Homeoffice, Homeschooling und Kinderbetreuung klagen. Es waren vor allem Frauen, die hier die Hauptlast in den vergangenen Monaten geschultert haben: sei es bei der Kinderbetreuung, dem Lernersatz oder der Pflege beeinträchtigter Angehöriger. Die Verteilung der Last ist sehr ungleich und durch Corona noch ungleicher geworden: Menschen, die in Armut oder an der Schwelle zur Armut leben, werden von die Corona-Hilfen kaum erfasst. Internationale Solidarität rückt in den Hintergrund; obwohl es eigentlich gerade jetzt wichtig wäre, europäische und internationale Kooperation und Solidarität zu leben. Der Multilateralismus, internationale Kooperation und ein abgestimmtes Vorgehen hätten in der Bekämpfung der Pandemie eigentlich eine zentrale Rolle spielen müssen. Gleichwohl haben gerade die hochspezialisierten deutschen Universitätskliniken selbst auf dem Höhepunkt der Krise schwerkranke Patient*innen aus anderen europäischen Ländern wie Frankreich, Spanien und Italien aufgenommen.

Auch die Politik und unsere Demokratie stehen in dieser besonderen Situation unter dem Druck sich zu beweisen.

Die Pandemie stellt auch Parteien, Parlamente und Regierungen vor neue Herausforderungen. In kurzer Zeit mussten viele schwerwiegende Entscheidungen getroffen werden. Anders als gewohnt konnten keine langen Debatte geführt werden, Ausschussberatungen erfolgen und normale Gesetzgebungsverfahren ablaufen. Stattdessen waren schnelle Entscheidungen zum Schutz der Bevölkerung gefragt, die binnen weniger Tage getroffen werden mussten. Das war richtig. Jetzt ist es allerdings an der Zeit den Blick und das politische Handeln wieder zu erweitern.

Zum einen muss es darum gehen, die ersten Lehren aus den vergangenen Monaten im Umgang mit der Corona-Pandemie zu ziehen und für eine mögliche zweite Welle im Winter vorzusorgen. Zum anderen müssen wir auch einen Beitrag dazu leisten, grundsätzlich besser auf den Ausbruch einer Pandemie vorbereitet zu sein.

Corona und Klima- zwei Krisen brauchen eine Lösung

Die Corona-Krise – so sehr sie uns auch herausfordert – ist nur ein Bruchteil dessen, was uns in der Folge der Erderhitzung erwartet: Die Klimakrise ist gekommen um zu bleiben. 2020 ist erneut eines der heißesten Jahre seit Beginn der Wetteraufzeichnungen, der Permafrostboden in Sibirien taut, es gibt verheerende Waldbrände in Australien, Brasilien oder den USA. Und auch in Deutschland beklagen die Landwirte große Ernteeinbußen.

Obwohl seit Beginn der Pandemie viel weniger Flugzeuge fliegen und die Luft- und Lärmsituation auch in Hamburg spürbar besser geworden ist, bleiben die Fragen nach Lösungen für die herannahenden Katastrophen und Kipppunkte weiter unbeantwortet.

Wir müssen die Dynamik zur Bewältigung der Corona-Krise und die zahlreichen konjunkturellen Maßnahmen mit der Bekämpfung der Klimakrise verzahnen und darauf auch das Hamburger Regierungshandeln ausrichten. Deshalb fordern wir GRÜNE, die Maßnahmen des Corona-Krisenmanagements an klimagerechte Maßstäbe zu knüpfen. Die Konjunkturpakete im Zusammenhang mit Corona werden innerhalb der Zeit, die uns bleibt, um das 1,5-Grad-Ziel entsprechend des Pariser-Klimaabkommens noch einzuhalten, die letzten großen Geldsummen aus den staatlichen Töpfen sein. Deshalb ist es umso wichtiger, hier direkt dem lebensnotwendigen Pfad zu folgen.

Um es mit den Worten des Chefs des Umweltbundesamts, Dirk Messner, zu sagen: „Wir müssen die gegenwärtige Corona-Krise so lösen, dass wir die Zukunftskrise Klimawandel, auf die wir mit ungebremster globaler Erwärmung zusteuern, gleich mit lösen. […] Alle Konjunkturpakete sollten darauf ausgerichtet sein, neben der Stützung von Beschäftigung und Wirtschaft gleichzeitig auch den europäischen Green Deal und den Klimaschutz voranzubringen. Es wäre fatal und äußerst kurzsichtig, wenn wir beim Umweltschutz jetzt Abstriche machen“ (dw, März 2020).

Um in diesem Sinne voran zu kommen, müssen wir bislang unbeschrittene Wege gehen, Probleme an der Wurzel packen und in vielen Bereichen umsteuern. Manches müssen wir auch mit Mut erproben. Es geht nicht um den Wiederaufbau des Status Quo wie vor der Pandemie, es geht darum, die offenkundigen Schwächen und Ungerechtigkeiten in den verschiedenen Bereichen grundlegend anzugehen und Hamburg so corona- und klimakrisenfest zu machen.

Risikofaktor Ungleichheit – Die Corona-Krise trifft nicht alle gleich

Solidarität ist die große Überschrift der Corona-Krise. Die eklatanten Infektionszahlen aus dem späten April so drastisch abzusenken, ist nur möglich gewesen, weil sich Millionen Bürger*innen solidarisch verhalten haben. In Hamburg haben weite Teile der Bevölkerung ihr Kontaktverhalten eingeschränkt. Sie sind einander im Supermarkt und in der Bahn mit neuer Rücksicht und dem gebotenen Abstand begegnet und haben die Widrigkeiten der Lebensumstellung auf sich genommen.

Die Corona-Krise hat nichtsdestotrotz die extreme Ungleichheit auf der Welt und innerhalb der Länder sichtbar gemacht. Überall werden Migrant*innen zuerst arbeitslos und die Frage, wer Zugang zu Impfungen haben wird und wer nicht, wird nicht nach Maßstäben der Gerechtigkeit beantwortet werden.

In den USA tragen die schwarze Bevölkerung und weitere prekarisierte Bevölkerungsgruppen ein deutlich höheres Risiko an Covid-19 zu erkranken, in Großbritannien sind es die ethnischen Minderheiten, in Brasilien die Favelas und Indigenen, in Südafrika die Wellblechsiedlungen in den Townships.

In Griechenland wurde es seit der Beginn der Krise unterlassen, die maßlos überfüllten Geflüchtetenlager aufzulösen und für eine angemessen Unterbringung zu sorgen, die der Pandemie vorgebeugt hätte. Statt Hilfe zu leisten, sah man zu, wie schließlich die ersten Covid19-Infektionen ausbrachen. Wir sind zutiefst bestürzt über die den großen Brand im Lager Moria in der Nacht vom 8. auf den 9. September, bei dem nahezu das gesamte Lager abbrannte. Menschen, die vor Gewalt, Hunger und Unterdrückung geflohen sind, haben hier keinen Schutz und keine Sicherheit gefunden. Diese Katastrophe wäre vermeidbar gewesen. Die schlimmen Zustände waren bekannt und ebenso die besonderen Risiken der Corona-Pandemie. Unvergessen sind für uns auch die vielen Toten, die ihr Leben bei der Flucht verloren haben, weil es keine sicheren und legalen Fluchtwege gibt.

Die Unfähigkeit der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union ein neues solidarisches Verteilungssystem zu finden, entlastet sie nicht vor der Verantwortung. Sie haben alle einen Anteil an dem Geschehenen.

Wir GRÜNE stehen ein für internationale Solidarität, Antirassismus, Menschenrechte und die Auflösung der weiteren menschenunwürdigen Geflüchteten-Lager. Hamburg hat Platz!

Aber nicht nur international auch in Deutschland, auch in Hamburg ist Ungleichheit bei der Bewältigung der Krise ein großes Problem. Zum Beispiel haben Hartz-IV-Empfänger*innen ein deutlich höheres Risiko, wegen Covid-19 ins Krankenhaus zu müssen. Dies liegt u.a. daran, dass viele Sozialleistungsbeziehende Vorerkrankungen haben. Und besonders im Falle einer Quarantäne sind sie von beengten Wohnverhältnissen betroffen. Gleichzeitig sind sie in vielen Belangen härter von Einschränkungen durch die Infektionsschutzmaßnahmen betroffen: Der Großteil der Familien hat keinen eigenen Garten, in dem die Kinder spielen können, und Homeschooling war ohne entsprechende digitale Infrastruktur schwierig.

Durch die Corona-Pandemie könnten sich die bestehenden Probleme der Kinder und Jugendlichen laut Wissenschaftler*innen weiter verschärfen. Schulschließungen, strikte Ausgangsbeschränkungen oder der Verlust von Angehörigen haben Kinder enorm belastet. Mit dem Rückgang der Wirtschaftsleistung könnte sich auch die Kinderarmut in Deutschland weiter verschärfen. Fachverbände warnten bereits Mitte März davor, dass Kinder in der Krise aus dem Blick gerieten und dies gerade für gewaltgefährdete Kinder und Jugendliche ein bedrohliches Szenario sei. Viele Jugendämter in der ganzen Bundesrepublik melden, dass bei ihnen weniger Fälle, z.B. Kindeswohlgefährungsmeldungen eingingen, als vor dem Ergreifen der Corona-Maßnahmen. Dies ist aber kein Anzeichen für abnehmende häusliche Gewalt, sondern die Folge der wegfallenden Kontrollinstanzen, wie Schulen und Vereine.

Ähnliche Entwicklungen meldeten die Frauenhäuser. Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, hatten im Lockdown kaum Chancen der Gewalt zu entrinnen. Sie dürfen keinesfalls noch einmal in eine solche Situation kommen. Wir wollen daher wirksame Konzepte dafür entwickeln, wie wir in Zeiten von Corona Gewaltprävention absichern und niedrigschwellige Beratungs- und Hilfsangebote und auch verlässliche, sichere Zufluchtsorte schaffen.

Auch abseits der Gewaltprävention sind Frauen in vielfacher Hinsicht besonders von den Folgen der Pandemie betroffen. Denn sie tragen die Hauptlast: Im Gesundheitssystem1, bei den finanziellen Folgen und bei der Betreuung und Beschulung der Kinder, denn auch im 21. Jahrhundert wird Care-Arbeit noch zum Löwinnenanteil von Frauen getragen. Damit sind Frauen diejenigen, auf die wir uns als Gesellschaft in der Krise erheblich stützen, während die Benachteiligung von Frauen dabei noch größer wird und sich ihre Karrierechancen verschlechtern.

Dem wirken wir GRÜNE entgegen, indem wir Frauen aus der Unsichtbarkeit holen und dafür eintreten, dass sie in allen Lebens- und Berufsfeldern gleichberechtigt vertreten sind. Ein Beispiel dafür ist unser Eintreten für ein Paritegesetz für die Hamburgische Bürgerschaft Wir unterstützen außerdem Gründerinnen und wollen gesellschaftlich insgesamt dahin kommen, dass Frauen grundsätzlich autark und frei leben zu können – auch unabhängig von Partner*innen oder versorgenden Dritten. Ein Leben ohne strukturelle Hürden und Ausgrenzung ist auch für junge Frauen sowie inter, trans und nicht-binären Personen unser Ziel. Die Corona-Krise aber verstärkt die Gefahr in alte Gender- und Rollenstereotype zurückzufallen. Ein solches Rollback dürfen wir nicht zulassen!

Alle Eltern von Kindern im betreuungsbedürftigen Alter brauchen zudem künftig verbindlichere Regeln im Arbeitsrecht, um in einer Ausnahmesituation wie der Pandemie nicht um ihren Arbeitsplatz bangen zu müssen. Kita- oder Schulschließungen durch den Staat dürfen nicht dazu führen, dass Menschen ihren Job verlieren und auf das Verständnis ihres Arbeitgebers täglich neu hoffen müssen, wenn sie ihre Kinder über längere Zeit zu Hause haben und dadurch nicht im gewohnten Umfang an ihren Arbeitsplatz können.

Das gilt auch für Sexarbeiter*innen. Sie waren monatelang faktisch mit einem Berufsverbot belegt, obwohl auch diese Branche Hygienekonzepte ausgearbeitet und vorgelegt hat. Dabei ist besonders hier wichtig, dass angemeldete Sexarbeiter*innen nicht in die Illegalität gedrängt werden, was eine Nachverfolgung von Infektionen unmöglich macht. Eine Wiederholung dieser unverhältnismäßigen langen Phase des Berufsverbots darf es im Zuge einer möglichen zweiten Welle nicht noch einmal geben.

Die Politik in der Pandemie muss ein soziales Versprechen abgeben, sie muss eine Perspektive aufzeigen, dass das Versprechen gleicher Chancen auch durchgesetzt wird. Dass Menschen ohne finanzielle Polster gut durch die Krise kommen können, dass öffentliche Daseinsvorsorge eine funktionierende Gesundheitsversorgung für alle Menschen umfasst, die digitale Grundversorgung garantiert wird und kulturelles Leben wieder möglich ist. Nicht nur die Wirtschaft braucht Konjunkturprogramme, sondern auch unsere Kinder und zwar in Form einer echten Kindergrundsicherung. Wer nicht in die Krise hinein sparen will, darf das erst recht nicht bei den Kleinsten tun.

Kinder und Bildung in der Krise voranstellen

Auch Kinder sind Grundrechtsträger*innen. Es darf uns nicht noch einmal passieren, dass sich mitten in einer Krise plötzlich niemand mehr so richtig für ihre Rechte und Bedürfnisse zuständig fühlt. Kinder und Bildung müssen endlich höchste Priorität in diesem Land haben.

Das bedeutet, dass wir in Zukunft alles daran setzen müssen, dass Schulen und Kitas geöffnet bleiben.

Um das Infektionsrisiko an Schulen zu senken, sind neben Abstands- und Hygieneregeln gute Lüftungskonzepte unerlässlich. Im Hinblick auf die kalte Jahreszeit sollten Schulen dabei unterstützt werden, Raumluftreiniger anzuschaffen. Schulhöfe spielen gerade jetzt eine noch größere Rolle und ihre Einteilung in kleine Areale macht es den Kindern nicht leichter, sich in der Pause auch mal auszutoben. Hinzukommt, dass häufig keine Unterstellmöglichkeiten für Regenwetter gegeben ist und dann teilweise gar nicht auf den Schulhof gegangen werden kann. Hier wollen wir mit den Schulen pragmatische Lösungen finden, so dass zumindest ein Teil der Schüler*innen auch bei schlechterem Wetter nach draußen kann.

Bei Neuinfektionen in Schulen, wird es immer wieder zur Absonderung (Quarantäne) für ganze Jahrgänge kommen, um größere Ausbreitungen zu verhindern. Doch auch für diese Phasen braucht es zuverlässige Konzepte, wie das Lernen in dieser Zeit gewährleistet wird. Wir wollen weg vom Home-Schooling und hin zum E-Learning. Hamburg ist mit den Lernferien einen wichtigen Schritt gegangen, um Kindern die Chance zu geben, Lernstoff aufzuholen.

Doch Schulkinder haben Anspruch auf ein pädagogisches Angebot, das dem regulären Umfang entspricht, egal, ob es als Präsenz- oder Fernunterricht umgesetzt wird. Dieses Bildungsversprechen muss eingehalten werden, dafür sind die Voraussetzungen in allen Schulen zu schaffen. Die Gestaltung und Begleitung von Fernunterricht in Fällen von Quarantäne oder Teilschließungen ist originäre Aufgabe der Schule, nicht der Eltern.

Der Bund darf sich bei der Frage der Bildungsgerechtigkeit nicht aus der Verantwortung stehlen. Für die Zeit der Pandemie brauchen wir dringend ein Kooperationsgebot bei der Bildung und Vorsorgemaßnahmen, damit gute Bildung auch unter in Zeiten von Corona gelingt.

Auch viele Student*innen sind erheblich von von den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie betroffen: Verdienstmöglichkeiten sind weggebrochen, da Jobs für Studierende häufig nicht mehr zur Verfügung stehen, zum Beispiel im Bereich der Gastronomie. Gleichzeitig können Studierende viele Hilfsangebote, die es für andere Personengruppen gibt, nicht in Anspruch nehmen. Uns in Hamburg war es wichtig, möglichst schnell und unbürokratisch zu helfen, denn der Bund hat sehr lange auf sich warten lassen. Mit der Corona-Notfallhilfe haben wir zusätzlich zu den Maßnahmen des Bundes und Senats gezielt Studierende unterstützt, die in eine finanzielle Notsituation geraten sind. Die Zahlung der Semesterbeiträge und Mieten wurde aufgeschoben. Hiermit haben die Hamburger Hochschulen, das Studierendenwerk Hamburg und die Studierendenvertretung gemeinsam ihr solidarisches Handeln zum Ausdruck gebracht.

Schon vor der Pandemie befanden sich viele Studierende in einer finanziell unsicheren Situation. Die Corona-Hilfen in Form von Darlehen konnten nur in begrenztem Maße die Zielgruppe erreichen. Viele Studierende haben einen KfW-Studienkredit aufgenommen und die Schuldenlast der Student*innen stieg insgesamt weiter an. Wir müssen verhindern, dass die Corona-Pandemie und das Unvermögen der CDU-Bundesbildungsministerin dazu führen, dass Menschen ihr Studium abbrechen müssen. Wir brauchen endlich eine grundlegende Reform der staatlichen Studienfinanzierung und wir brauchen sehr schnell einen Zugang zu existenzsichernden Leistungen für Studierende um die Folgen der Pandemie abzufedern.

Gesundheitspolitik

Die Corona-Pandemie hat uns gezeigt, wie wichtig ein gut aufgestelltes Gesundheitswesen ist. Doch sie hat auch veranschaulicht, wo unser Gesundheitssystem verwundbar ist: dort, wo politische Fehlanreize und ökonomischer Druck dazu führen, dass zwar viele Intensivbetten vorhanden sind, aber das dafür notwendige Personal fehlt. Vorsorge muss wieder zum Leitprinzip der Gesundheitspolitik werden – von der Planung bis hin zur Finanzierung. Dafür wollen wir GRÜNE uns stark machen, und wir wollen, dass Hamburg sich auch im Bund dafür stark macht.

Auch wächst die Zahl der Menschen, die völlig durchs Raster fallen und gar keinen Krankenversicherungsschutz haben. Mindestens 145.000 und damit fast doppelt so viele wie noch 4 Jahre zuvor sind es nach aktuellen Schätzungen des Statistischen Bundesamtes. Diese Menschen müssen erst Recht Angst vor einer Erkrankung haben, denn wer im Notfall letztlich die Kosten ihrer medizinischen Behandlung trägt, ist völlig unklar.

Infektionsschutz und ausreichende Behandlungskapazitäten bei klinischen Verläufen der Covid-19-Erkrankung stehen im Zentrum der Pandemiebewältigung. Gleichzeitig haben wir insbesondere während des Lockdowns deutlich gesehen, dass auch andere schwerwiegende gesundheitliche Risiken in der Pandemiesituation auftreten. Kontaktbeschränkungen und Besuchsverbote beispielsweise in Pflegeheimen können zur sozialen Isolation und einer Beeinträchtigung der seelischen Gesundheit führen. Aus Angst vor Ansteckung haben viele Menschen Gesundheitseinrichtungen gemieden und teilweise wichtige Behandlungen verschoben oder Vorsorgeuntersuchungen ausfallen lassen. Durch eine kluge Lenkung der Patient*innen in spezialisierte Krankenhäuser und Arztpraxen und gezielte Aufklärung über die tatsächlichen Ansteckungsrisiken in Gesundheitseinrichtungen wollen wir dafür sorgen, dass zukünftig keine notwendige medizinische Behandlung mehr verzögert wird. Es sollte nicht wieder dazu kommen müssen, dass teilweise ganze Abteilungen von Krankenhäusern geschlossen und für einen nicht eintretenden Notfall vorgehalten werde. Denn dadurch können teilweise lebenswichtige Behandlungen stark verzögert und auch bereits erzielte Behandlungserfolge wieder zunichte gemacht werden. Auch die gesundheitliche Vorsorge bleibt in der Pandemiesituation von hoher Bedeutung. U-Untersuchungen für Kinder oder die Krebsvorsorge dürfen nicht vernachlässigt werden. In Pflegeheimen brauchen wir Besuchs- und Testkonzepte, die es ermöglichen, dass Pflegebedürftige wieder jeden Tag Besuch empfangen können. Gerade vor dem Hintergrund, dass hochbetagte Menschen von digitalen Kommunikationskanälen nicht in gleicher Weise profitieren und häufig durch mangelnde technische Ausstattung davon abgeschnitten sind, muss eine tägliche Besuchszeit unter strengen Hygieneauflagen und mithilfe der Bestimmung von Besuchspersonen zu einem Standard werden, der zukünftig auch bei steigenden Infektionszahlen nicht mehr unterschritten werden muss. Pflegeheime sollten bei der Umsetzung von Corona-Maßnahmen unterstützt und beraten werden, damit es weder zu unnötigen Einschränkungen noch zu einer Gefährdung der Bewohnenden und/oder des Personals kommt. Gleichzeitig muss die digitale Teilhabe der älteren Generation insgesamt gestärkt werden, um gezielt drohender Vereinsamung unter Pandemiebedingungen entgegen zu wirken.

Eine effiziente Teststrategie, die das tatsächliche Infektionsgeschehen abbildet und die begrenzten Testkapazitäten dort einsetzt, wo sich Infektionen tatsächlich ausbreiten, ist für die Pandemiebewältigung maßgeblich. Wichtig ist dabei auch zu prüfen, ob antigenbasierte Schnelltests und ihre Abgabe an Endverbraucher*innen ein Teil der Teststrategie sein könnten. Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen spielen beim Infektionsgeschehen durchgehend – also unabhängig von saisonalen Effekten wie der Reiserückkehr*innen aus Risikogebieten – eine entscheidende Rolle. Teil der Teststrategie sollte ein kontinuierliches Monitoring des Infektionsgeschehens in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen sein.

In der aktuellen Situation leistet Hamburgs Wissenschaft mit der Forschung am neuartigen Coronavirus sowie für die Impfstoff- und Medikamentenentwicklung einen enorm wichtigen Beitrag für die Gesellschaft. Mit der Universität Hamburg, dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf sowie zahlreichen außeruniversitären Forschungseinrichtungen verfügen wir über herausragende Kompetenz und Qualität in der Infektionsforschung. Ziel ist es, die Kompetenzen im Bereich der Infektionsforschung in Zukunft noch stärker zu bündeln und das Engagement in der Hamburger Infektionsforschung weiter ausbauen. Wir möchten, dass einmal getroffene Corona-Schutzmaßnahmen kontinuierlich auf ihre Wirksamkeit und Verhältnismäßigkeit hin überprüft werden. Dies v.a. auch vor dem Hintergrund, dass Menschen unterschiedlich stark von diesen Schutzmaßnahmen betroffen sind bzw. durch diese eingeschränkt werden. Wissenschaftlicher Erkenntnisse und aktuelle Studien- und Forschungsergebnisse sind hierbei einzubeziehen.

 

Pandemiewirtschaft ausbauen

Ganz im Sinne des Vorsorgeprinzips wollen wir auf zukünftige Pandemien besser vorbereitet sein. Wenn pandemierelevantes Material wie Schutzkleidung, aber leider auch bereits viele Medikamente, nur noch außerhalb Deutschlands und Europas in größeren Mengen produziert werden, geraten wir in Abhängigkeiten, die gerade im Krisenfall fatal sein können. Der internationale Wettbewerb hilft genau in diesem Moment nicht.

Hamburg ist ein wichtiger Wirtschaftsstandort und soll im Zuge des Aufbaus einer Pandemiewirtschaft eine wichtige Rolle einnehmen, sodass künftig z.B. ausreichend Schutzkleidung, Masken, Medikamente und Impfstoffe zur Verfügung stehen und im Krisenfall auch schnell zusätzliche Produktionskapazitäten geschaffen werden können. Inklusionsbetrieben, Werkstätten für Menschen mit Behinderung sowie anderen Beschäftigungsträger sollten darin einbezogen werden. Mit einem pademiewirtschaftlichen Ansatz ist sicherzustellen, dass durch Rahmenverträge die Preise für bestimmte Artikel nicht ins Unermessliche steigen – dies ist sowohl für den Gesundheitssektor als auch für eine kostengünstige private Nutzung wichtig. Darüber hinaus wollen wir, dass Hamburg Materialdepots einrichtet um eine schnelle Versorgung der Bevölkerung gewährleisten.

Unsere Gesundheitsämter in den Bezirken haben eine tragenden Rolle in dieser Zeit, um die Nachverfolgung zu ermöglichen, Testergebnisse zu kommunizieren und Quarantänemaßnahmen zu steuern. Gerade wenn wir mit weiteren Lockerungen wieder mehr öffentliches Leben ermöglichen, müssen damit auch die Kapazitäten in den Gesundheitsämtern entsprechend dem im April beschlossenen Aufbau der Personalkapazitäten im öffentlichen Gesundheitsdienst angepasst werden.

Gute Pflege darf kein Bonus sein

Das ganze Land hat ihnen applaudiert, weil wir wussten, ohne sie wird es für viele schwerstkranke Menschen kein Überleben geben. Unsere Pflegekräfte sollten immerhin einen Bonus bekommen, der ihren Einsatz in der Krise würdigt. Nach aktuellen Plänen von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn soll nach den Altenpflegekräften nun auch ein Teil des Pflegepersonals in den Kliniken eine Corona-Prämie bekommen. Um als Zeichen der Wertschätzung für ihren persönlichen Einsatz aufgenommen zu werden, kommt diese Maßnahme viel zu spät. Das Personal in der Rehabilitation geht nun auch leer aus und insgesamt bleibt die Bundesregierung weit hinter dem zurück, was eigentlich im Bereich der Pflege angezeigt wäre.

Wir GRÜNE setzen uns dafür ein, dass das Berufsbild von Pflegekräften ausgebaut und auch um medizinische Aufgaben erweitert wird. So sollen zum Beispiel kurzfristig die rechtlichen Voraussetzungen für speziell qualifizierte Pflegekräfte (“community health nurses”) geschaffen werden, die wie in Kanada oder Dänemark quartiersnahe Pflege ermöglichen, Gemeinschaften stärken und eine Versorgung von strukturschwachen Regionen sicherstellen.

Gute Pflege braucht außerdem mehr Personal. Der Bedarf ist schwer zu decken. Deshalb braucht es andere Rahmenbedingungen für diesen „Knochenjob“: feste und bedarfsgerechte Personalschlüssel, eine neue Vollzeit mit 35 Stunden bei vollem Lohnausgleich und einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag in der Pflege.

Auch für unsere Pflegeheime wollen wir bestmöglich sicherstellen, dass verlässlich Besuchsmöglichkeiten und soziale Kontakte unabhängig von der aktuellen Infektionslage ermöglicht werden. Unser Anspruch ist es, alle Bürger*innen zu schützen und Maßnahmen so gestalten, dass nicht einzelne Risikogruppen langfristig isoliert werden, während zeitgleich umfangreiche Lockerungen vorgenommen werden.

Verantwortung tragen

Nicht nur der medizinische Bereich trägt in dieser Krise Verantwortung, sondern auch wir alle zusammen und jede*r für sich. Verantwortung in der Krise beginnt beim Tragen des Mund-Nasen-Schutzes. Dazu kommt, dass das Bewusstsein für ,social distancing‘ sowie gesundheitsbezogenen, achtsamen Umgang mit sich und anderen, geschärft wird. Insofern stehen auch wir GRÜNE hinter dieser Behelfsmaßnahme, wenngleich wir an das Verantwortungsgefühl der Menschen appellieren. Wir setzen uns dafür ein, dass der aktuelle Stand des Infektionsgeschehens und die daraufhin getroffenen Schutzmaßnahmen transparent und verständlich vermittelt werden, die Informationen leicht auffindbar sind, auch in leichter Sprache zur Verfügung stehen und fortlaufend aktuell gehalten werden.

Gerade in den vergangenen Wochen wurde die Debatte um Reiserückkehrer*innen aus Risikogebieten scharf geführt. Die bisherige Debatte unterschlägt, dass viele Menschen Familien im Ausland haben, die sie zum Teil schon sehr lange nicht gesehen haben, wo auch Familienmitglieder im Zuge der Krise auf Hilfe angewiesen sind oder schlimmstenfalls auch Todesfälle beklagt werden. Nicht jede Reise in ein Risikogebiet ist also der Ignoranz der Situation oder dem Egoismus geschuldet. Unser Gesundheitssystem deckt viele Risiken ab, ob nun bei Sportarten oder durch ungesunden Lebensstil. Die Reise zur Familie ins Ausland, sollte ebenso legitim sein.

Reclaim the streets – Die besondere Rolle des öffentlichen Raumes

Der Wert des öffentlichen Raums für die Menschen ist in Zeiten von Corona nochmals immens gestiegen. Der Wunsch nach Begegnung, nach Mannschaftssport, nach dem gemeinsamen Feiern von wichtigen Ereignissen im Leben, Diskussionsveranstaltungen, gemeinsames Essen, Spielen und vieles mehr, braucht noch mehr denn je Orte der Begegnung, der Teilhabe und Mitbestimmung, der Gestaltung und Kommunikation. Orte, an denen man nicht zum Konsum gezwungen wird, und die keinen Eintritt kosten.

Wir wollen lebendige Quartiere, die die dort lebenden Menschen ins Zentrum der Entwicklung stellen. Viele Stadtteile haben sich dank unserer grünen Impulse in der Stadtentwicklungspolitik mit gepflegten Parks, Grünflächen und durch die Neugestaltung des öffentlichen Raums positiv entwickelt. Diese Orte spielen jetzt in der Pandemie eine noch wichtigere Rolle, und wir wollen noch mehr Parks in Hamburg schaffen und ihre Qualität weiter steigern. Spielplätze müssen noch attraktiver werden und dürfen auch bei einem stärkeren Infektionsgeschehen nicht wieder geschlossen werden.

Der öffentliche Raum hat eine enorme Bedeutung als Ort der Begegnung, er ist aber auch entscheidend für die Mobilität. Mit Ausbruch des Virus waren viele Menschen verunsichert und haben sich auch nach Ende des Lockdowns davor gescheut, den öffentlichen Nahverkehr zu nutzen. Alle Menschen, egal ob Risikogruppe oder nicht, haben das Recht, sicher in Hamburg mobil zu sein. Dafür wurden in Bussen, Bahnen und Haltestellen bereits viele Hygienemaßnahmen umgesetzt und die Maskenpflicht eingeführt. Wir wollen, dass alle Menschen so gut wie möglich vor Infektionen geschützt sind, wenn sie mit dem HVV unterwegs sind. Das gilt gerade für den bevorstehenden Herbst und Winter. Es war daher richtig, die Taktungen trotz geringer Fahrgastzahlen nicht zu reduzieren und an einigen Stellen sogar zu verdichten. Wir wollen die beschlossenen Maßnahmen kontinuierlich evaluieren und Anpassungen vornehmen wenn notwendig.

Und wir wollen den öffentlichen Raum, auch den Straßenraum noch konsequenter für die Menschen zur Verfügung stellen. Mit der Nutzung von mehr Außen- und Parkplatzflächen für die Gastronomie ist ein erster Schritt gemacht. Doch dabei dürfen wir nicht stehen bleiben. Dass sich die Hamburger*innen in ihrer Freizeit vermehrt draußen aufhalten wollen, ist kein neuer Trend, aber er verstärkt sich im Zuge der Pandemie. Deshalb wollen wir mit Parklets und autofreien Zonen Projekte initiieren und fördern, die den Straßenraum temporär erweitern und neue Begegnungsorte schaffen. Indem wir mehr solche attraktiven öffentlichen Räume schaffen, verringern wir den Nutzungsdruck auf beliebte Flächen und Orte.

Wenn Menschen stärker als bislang auf den öffentlichen Raum unter freiem Himmel ausweichen, dann bringt das weitere Themen mit sich: Müll- und Lärmbelastungen für Anwohner*innen können steigen. Umso wichtiger ist eine Entzerrung und ein Bürger*innendialog vor Ort ebenso wie das Engagement der Stadtreinigung.

Die Corona-Pandemie führt dazu, dass noch mehr Menschen mit dem Rad unterwegs sind. Dies wollen wir neben unserem langfristigen Ziel, mehr Radwege zu bauen, auch durch mehr Pop-Up-Bikelanes unterstützen.

Natürlich gibt es auch den Wunsch, im öffentlichen Raum große Volksfeste, etablierte Veranstaltungen und Weihnachtsmärkte wieder zu veranstalten. Viele Menschen sehnen sich nach dieser alten Normalität, und natürlich ist auch eine ganze Branche abhängig davon. Uns GRÜNEN ist daran gelegen, sofern es das Infektionsgeschehen zulässt, auch solche Veranstaltungen wieder zu ermöglichen. Dabei müssen jedoch auch Hygienekonzepte und Anzahl der Teilnehmer*innen verhältnismäßig sein und dürfen unsere Gesundheitsämter in der Nachverfolgung nicht überlasten.

Grundrechtseinschränkungen dürfen kein Dauerzustand sein

Auch für verantwortliche Politiker*innen ist die Krise eine historische Herausforderung. Bei ihrem Risikomanagement mussten sie schwierige Abwägungen zwischen der staatlichen Schutzpflicht für die Gesundheit und das Leben der Bevölkerung und zahlreichen gleichwertigen Grundrechte vornehmen: z.B. der Schutz der Gesundheit und das Recht auf Versammlungsfreiheit. Das Kontaktverbot beschränkt das allgemeine Persönlichkeitsrecht, denn es gehört zur freien Entfaltung der Person, andere Menschen zu treffen. Auch die Glaubensfreiheit war durch die Untersagung und Beschränkung von religiösen Veranstaltungen betroffen.

Unsere Grundrechte haben wir vor der Pandemie selbstverständlich in Anspruch genommen. Sie wurden zum Teil erheblich eingeschränkt. Dabei müssen wir im Blick behalten, dass die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung, die unsere Grundrechte einschränken niemals anderen politische Zwecke dienen dürfen. Sie müssen immer geeignet sein, um die Pandemie zu begrenzen und sie müssen erforderlich und verhältnismäßig sein. Für den weiteren Umgang mit der Pandemie ist es unabdingbar, dass der ganz überwiegende Teil der Bevölkerung die Pandemiemaßnahmen versteht, für sinnvoll erachtet und mitträgt. Wann immer möglich, sollten Ziele und Zwischenziele der Pandemiebekämpfung klar benannt werden. Wir befürworten eine Ausdifferenzierung der Eingriffsschwelle. Nicht nur die Anzahl der Neuinfektionen (7-Tage-Inzidenz) sollte berücksichtigt werden, sondern auch die Reproduktionszahl, welche die Dynamik der Ausbreitung beschreibt, sowie die Auslastung der Intensivbetten. Daher setzen wir uns für eine Prüfung des Ampelsystems nach dem Berliner Vorbild ein. Die Einschränkung durch eine Notsituation darf kein Dauerzustand werden.

Zurzeit wird hauptsächlich per Verordnung regiert und das Parlament als Gesetzgeberin bleibt außen vor. Für die ersten Wochen und Monate der Pandemie war es in gewissem Umfang nötig, schnell Maßnahmen per Rechtsverordnung zu erlassen. Doch die Pandemie dauert an und die Hamburgische Bürgerschaft muss mehr Gewicht in Umgang und Handlungsmöglichkeiten in der Corona-Pandemie bekommen. Unsere Parlamentarier*innen haben die Aufgabe, auch Notstandsmaßnahmen öffentlich zu diskutieren, sich über ihren Sinn Gedanken zu machen und damit entscheidender Teil des schwierigen Abwägungsprozesses zu sein.

Demonstrationsrecht statt rechte Demonstrant*innen stärken

Das Demonstrationsrecht gehört zu den zentralen, vom Grundgesetz geschützten Grundrechten, ohne die unsere Demokratie nicht funktioniert. Das Bundesverfassungsgericht hat klargestellt, dass pauschale Verbote von Demonstrationen auch unter Pandemiebedingungen nicht verfassungskonform sind.

Zu Beginn der Covid-19-Pandemie wurde das Demonstrationsrecht deutlich eingeschränkt, ja im Grunde für einige Wochen außer Kraft gesetzt. Das war angesichts der extrem hohen Ansteckungszahlen mit Tausenden Neuinfektionen am Tag als zeitlich begrenzte Ausnahme im konkreten Einzelfall verhältnismäßig.

Alternative Protestformen im öffentlichen Raum waren die logische und die richtige Folge: Kreidemalereien mit politischen Forderungen, Internet-Demonstrationen oder auch Proteste in kleinen Gruppen, mit Abstandsregeln und Hygienekonzept – diese können aber das in Artikel 8 GG garantierte Versammlungsrecht nicht ersetzen. Doch nicht immer ist der Umgang mit den Demonstrierenden und ihren kreativen Formen des Protests in Hamburg verhältnismäßig gewesen.

Deshalb brauchen wir auch für eine mögliche zweite Welle, klare Leitlinien, die kreativen Protest im öffentlichen Raum auch bei dynamischem Infektionsgeschehen – unter der Einhaltung von evidenzbasierten Hygieneregeln – ermöglichen.

Genauso richtig und wichtig ist, dass die Auflagen und Einschränkungen für das Demonstrationsrecht weiter und möglichst vollständig gelockert und werden.

Die Demonstrationen von Querfront, Corona-Leugner*innen, Rechtsextremen und Verschwörungstheoretiker*innen haben eine Debatte um weitere Einschränkungen des Demonstrationsrechts entfacht. Millionen Menschen nehmen seit Monaten massive Einschränkungen auf sich. Viele sind in ihren Berufen einem erhöhtem Infektionsrisiko ausgesetzt und tragen mit ihrem Einsatz erheblich dazu bei, dass wir alle gut und möglichst gesund durch diese Pandemie kommen. Diejenigen die durch bewussten Verzicht auf Abstandsregelungen zu Tausenden demonstrieren, die Journalist*innen attackieren, bringen ihre ganze Missachtung für unser Miteinander zum Ausdruck. Das ist sehr schwer auszuhalten und auch politisch scharf zurückzuweisen. Vorstöße, deshalb das Demonstrationsrecht einzuschränken, lehnen wir ab. Das Demonstrationsrecht ist unser aller Grundrecht und wir GRÜNE werden dieses Grundrecht verteidigen. Wir dürfen nicht zulassen, dass sich Verschwörungstheoretiker*innen und Rechtsextreme in der Krise das Demonstrationsrecht zur Beute machen.

Genauso wenig dürfen wir ihnen diejenigen in die Arme treiben, die schlicht nicht mit allem einverstanden sind und die Verhältnismäßigkeit von Maßnahmen und ihre Wirkung diskutieren wollen. Mit ihnen müssen wir wieder stärker den Diskurs kommen. Behörden und staatliche Akteure müssen daher auch in den sozialen Medien noch präsenter und ansprechbarer werden.

1 Frauenanteil beim Gesundheitspersonal liegt bei 75,6 Prozent. https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Gesundheit/Gesundheitspersonal/_inhalt.html