Beschluss zur strategischen Ausrichtung der Hamburger Wasserstoffpolitik

Einleitung und grundsätzliche Überlegungen

Für den Weg in eine klimagerechte Zukunft ist eine Hamburger Wasserstoffpolitik, diesich an der Zielsetzung der Klimaneutralität bis spätestens 2035 orientiert, essentiell. Die Produktion und Nutzung von erneuerbar erzeugtem Wasserstoff bietet für Hamburg vielfältige Möglichkeiten, in allen Sektoren Treibhausgase einzusparen. Dabei ist es wichtig, dass alle Schritte der Wertschöpfungskette ökologisch, suffizient und global gerecht erfolgen. Es gilt weiterhin der Beschluss des Hamburger Landesausschusses von August 2019: Wir haben genug Energie, um alle zu versorgen,aber nicht, um sie zu verschwenden. Daher ist es wichtig, dass alle Anwendungen für Wasserstoff auf ihre Sinnhaftigkeit in Bezug auf die Verfolgung der Klimaziele geprüft werden. Beim Aufbau des Wasserstoffstandortes Hamburg steht der Klimaschutz an erster Stelle und danach folgen andere Kriterien wie marktwirtschaftliche Gewinnmaximierung. Insbesondere dürfen Wasserstoff und darauf basierende Energieträger (Drop-in-Fuels) nicht dazu dienen, die Dekarbonisierung hinauszuzögern.

Wir fordern daher die Grünen Amts- und Mandatsträger*innen dazu auf, sich dafür einzusetzen, dass Hamburg bei der Erarbeitung seiner Wasserstoffpolitik folgende Forderungen und Positionen berücksichtigt:

Forderungen und Positionen:

1. Massiver EE-Ausbau ist Pflicht. Neue Kapazitäten für Wasserstoff müssen aus erneuerbaren Energien und erneuerbaren Rohstoffen gespeist werden („100 Prozent grüner Wasserstoff“). Bestehende Wasserstoffproduktionen sollen schnellstmöglich, spätestens 2035 auf 100 % Grün umgestellt werden. Wind und Solarenergie müssen deutlich schneller ausgebaut werden, als das aktuelle EEG es vorsieht.

*Laut Studie des Wuppertal Instituts 10/2020 ist der Ausbau der Erneuerbaren Energien aktuell mindestens um den Faktor 2,5 zu langsam

2. Direkte Nutzung von EE-Strom geht vor. Wasserstoff ist der Champagner der Energiewende. Mögliche sinnvolle Einsatzbereiche sind bestimmte Prozesse der Chemie und Stahlindustrie sowie Sonderanwendungen im Verkehr, die nach jeweiligem Stand nicht batterieelektrisch zu lösen sind.

Keine sinnvollen Einsatzbereiche sind, vor allem wegen der begrenzten Verfügbarkeit von Wasserstoff und der jeweils verfügbaren Alternativen, Pkw, Heizungen und die Beimischung ins Erdgasnetz.

3. Wasserstoff muss dem Gesamtsystem dienen. Er ist keine Energiequelle, sondern eine Form der Speicherung, die mit vergleichsweise hohen Verlusten behaftet ist, der „Champagner der Energiewende“.

Das heißt für den Betrieb von Elektrolyseuren:

1. a) Wasserstoff sollte dann hergestellt werden, wenn mehr EE-Strom erzeugt als verwendet wird. Dies erfordert flexible Ansonsten entzieht die Wasserstoffproduktion dem Netz Grünen Strom, der dann durch fossil hergestellten Strom ersetzt werden muss, um die Nachfrage zu decken.

2. b) Wegen der nicht ausreichend ausgebauten Netze muss die Produktion des Wasserstoffes netzdienlich Sie muss sich an der jeweils aktuellen Lage im Stromnetz orientieren, um Erzeugungs- und Verbrauchsspitzen im Netz zu glätten und muss schon bei der Standortwahl an Engstellen ausgerichtet werden. (siehe auch Antrag der Grünen Bundestagsfraktion vom 22.4.2020: „Grüne Wasserstoffstrategie – Erneuerbare Energien als Grundstoff der Energiewende“, Drucksache Nr. 19/18733)

Das heißt bzgl. Rückverstromung: Wasserstoff kann ein Saisonalspeicher sein. Aber die Rückverstromung darf nur dann geschehen, wenn effizientere Speicher, wie z.B. Batterien oder Pumpspeicher, ausgeschöpft sind (siehe Punkt 2).

4. Effizienz und Suffizienz bleiben Trumpf. Der Energiebedarf des Einsatzgebiets muss zunächst weitest möglich reduziert sein. Effizienz und Suffizienz bleiben weiter wesentliche Elemente der Dekarbonisierung. Ferner sollte die Abwärme der Elektrolyseure genutzt werden. Das ist bei der Standortwahl zu berücksichtigen.

5. Global denken, lokal handeln. Der Wasserstoff soll vorrangig in Europa produziert werden. Zusätzlicher Import von H2 aus „Partnerländern der deutschen Entwicklungszusammenarbeit“ soll (nachrangig) zur europäischen Produktion erfolgen und steht unter dem Vorbehalt der globalen Klimagerechtigkeit sowie der Grundsätze aus dem Grünen Grundsatzprogramm und BDK-Beschluss zu Wasserstoff von 2019.

6. Hamburg ist das Labor für die Welt. Als Technologiestandort und gleichzeitig als einer der großen Abnehmer von Wasserstoff in Norddeutschland, erfüllt Hamburg alle Voraussetzungen, die Forschung zu Wasserstoffproduktion, zur Logistik und zur Anwendung voranzutreiben.

An der Hamburger Universität, den Hochschulen und Instituten soll daher die Forschung zu Wasserstoff in Zusammenarbeit mit Energieversorgern, Industrie und Gesellschaft erheblich intensiviert werden. Dadurch etabliert sich Hamburg als wichtiger Standort der Wasserstoffwirtschaft für Pilotanlagen und wird ein attraktiver Standort für Fachkräfte und Studierende. Dabei müssen innovative, der Energiewende dienliche Technologien (wie z.B. dynamische Betriebsweise von Elektrolyseuren, Systemeinbindung) im Fokus stehen.

7. Was heißt das für Hamburg? Hamburg plant u.a. ein Wasserstoffnetz im Industriegebiet südlich der Elbe, über die dort ansässigen Industriebetriebe bis 2030 versorgt werden sollen, ein eigenes Importterminal und den Bau von zwei großen Elektrolyseuren (100-MW bzw. 200 MW) am Standort Moorburg.

Hierzu die Position der LAG Energie:

  • Eine rein thermische Nutzung von Wasserstoff wird dem hohen Wert dieses Energieträgers nicht gerecht. Das gilt auch für industrielle Wärmeanwendungen ausgenommen Hochtemperaturprozesse, z.B. im Rahmen des geplanten H2-Netzes im Hafengebiet. Hier sind bevorzugt Stromanwendungen zu wählen, wobei Hochtemperaturwärmepumpen, Lastmanagement, Hochtemperaturspeicher, Batterien etc. berücksichtigt und ggf. gefördert werden sollen. Potenziale zur Steigerung der Effizienz, Senkung von Prozesstemperaturen, Bildung von lokalen Wärmenetzen und Einbindung von Solarstrom und -wärme sind zu nutzen.
  • Beim Betrieb von Elektrolyseuren ist sicherzustellen, dass er zu Zeiten eines CO2- armen Strommixes* im Netz genutzt wird. Das ist bereits bei der Wahl der Elektrolyseurtechnologie zu berücksichtigen. Ein Stromliefervertrag mit einem Windpark (Power Purchase Agreement) ist für die Erzeugung von Grünem Wasserstoff nur dann ein geeignetes Instrument, wenn er Raum lässt, auf die Dynamik im Stromnetz und auf dem Strommarkt zu reagieren. Zusätzlich sind qualitativ hochwertige Grünstromnachweise zu beziehen oder der physische Ausbau der EE in gleichwertiger Weise zu fördern. Um eine kontinuierliche Versorgung von Industriekunden mit Wasserstoff bei gleichzeitig dynamischem Betrieb des Elektrolyseurs sicherzustellen, sind entsprechende Gasspeicherkapazitäten vorzusehen.

* Gemäß einer Studie von Greenpeace Energy muss die CO2-Intensistät des Stroms unter 180 g/kWh liegen, damit Elektrolysewasserstoff klimapolitisch besser abschneidet als Grauer Wasserstoff. Wir schlagen daher vor, diesen Wert als erste Benchmark anzusetzen. Er muss schrittweise bis zur CO2-neutralität gesenkt werden und zu jeder Zeit unter der CO2-Intentensität des besten verfügbaren fossilen Wasserstoffs (inkl. blau und türkis) liegen, (vgl. auch https://www.greenpeace energy.de/politik-engagement.html)

  • Vor der Entscheidung über ein Wasserstoff-Importterminal sind verschiedene Importformen (Ammoniak, flüssiger Wasserstoff, Methanol, LOHC, ggf. weitere) umfassend zu prüfen und in Bezug auf ihre Klimawirkung über die gesamte Kette zu vergleichen. LNG-Terminals sind keine geeignete Brückentechnologie für die Energiewende, sondern zementieren fossile Strukturen. Sie lassen sich nicht ohne weiteres für den Wasserstoffimport umrüsten. Die Planung eines Wasserstoff Importterminals ist mit den Projekten in den Nachbarbundesländern und auch mit einem europäischen Terminal in Rotterdam abzustimmen. (vgl. am 11.2. erschienene Studie von Agora Energiewende).