Die G20 sind die Staatsoberhäupter der wirtschaftlich stärksten und mächtigsten Nationen der Erde. In diesen leben zwei Drittel der Weltbevölkerung und sie sind für mindestens drei Viertel der Treibhausemissionen verantwortlich. Für uns gilt: Es kann hilfreich sein, wenn führende Länder als informeller Zusammenschluss über internationale Regeln beraten. Gleichzeitig gilt: Wir kritisieren, dass die G20 eine rein informelle Nebenstruktur in der Weltpolitik darstellen und damit dem schleichenden Wandel hin zu einer Club-Diplomatie Vorschub leisten. Deshalb wollen wir die G20 langfristig stärker an die Vereinten Nationen rückbinden. Wir wollen die UNO reformieren und handlungsfähig machen.
Die Welt steht vor zahlreichen Herausforderungen. Terror breitet sich auch in Europa aus. Immer häufiger werden Weltoffenheit und Vielfalt zur Zielscheibe Fanatischer Attentäter. Viele Millionen Menschen fliehen aus ihrer Heimat vor Krieg und Verfolgung und die Auswirkungen des Klimawandels bedrohen bereits Existenzen. Für das Entstehen dieser Herausforderung tragen die G20-Staaten eine Mitverantwortung. Dieser Verantwortung müssen sie sich stellen.
Es gibt also eine Vielzahl von drängenden globalen Probleme, über die die Weltgemeinschaft reden muss. Sie muss reden, um die strukturellen Ursachen von Klimakrise, sozialer Ungleichheit, globaler Ungerechtigkeit und millionenfacher Flüchtlingstragödie anzugehen. Demokratische Grundlagen wie Meinungsfreiheit, Pressefreiheit und Frauenrechte müssen global auf ihre Durchsetzung hingewirkt werden. Dem Klimawandel muss ernsthaft und zügig begegnet werden, denn die Zeit rennt uns davon.
Die G20 müssen Teil der Lösung dieser drängenden Probleme werden. Ob die Handels-, Finanz- und Investitionspolitik der G20 die richtigen Weichen stellt, entscheidet darüber, ob wir aus der fossilen Weltwirtschaft aussteigen und den Ausschluss von Millionen von Menschen und damit die Ungleichheit beenden können. Zentral ist unter anderem, dass es auf dem G20-Gipfel ein Bekenntnis zum Pariser Weltklimavertrag gibt. Für den Gipfel in Hamburg hat Angela Merkel angekündigt, dass u.a. den Themen Klimaschutz und Energieversorgung, Afrika, Migration, Flucht und Frauenpolitik besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden soll.
Die Messehallen in der Hamburger Innenstadt bleiben ein schwieriger und herausfordernder Veranstaltungsort für einen solchen Gipfel. Nicht ohne Grund hatten wir GRÜNE die Messehallen als Veranstaltungsort abgelehnt. Innenstadt und Tagungsort sind in der zweitgrößten Stadt des Landes dicht bevölkert. Der Gipfel bringt Einschränkungen für die Hamburgerinnen und Hamburger mit sich – und das lässt sich nicht verhindern. Aber wir GRÜNE haben auch dafür gesorgt, dass der Protest auf den Straßen nicht verhindert wird. Es ist nachvollziehbar dass die Protokollstrecken frei gehalten werden müssen. Gleichzeitig ist die Allgemeinverfügung ein nachvollziehbarer, aber sehr weitgehender Eingriff in das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit, die wir nicht für das richtige Mittel halten. Deswegen werden wir uns auch weiterhin dafür einsetzen, dass der Protest an zentralen Orten der Stadt in Sicht- und Hörweite des Tagungsortes möglich ist. Wir erwarten von der Polizei eine deeskalierende Einsatzstrategie und von den Demonstrant*innen einen friedlichen Demonstrationsverlauf.
Für uns ist Hamburg eine gastfreundliche und weltoffene Stadt. Dies gilt sowohl für Staatschef*innen als auch für jene, die Kritik an ihrer Politik äußern möchten. Wir begrüßen alle Menschen von außerhalb Hamburgs, die in unsere Stadt kommen, um friedlich für eine bessere Welt zu demonstrieren und bieten damit ein Gegenbeispiel zu den sonst teils autokratischen und repressiven Veranstaltungsorten in anderen Ländern. Demonstrant*innen müssen hierfür in Hamburg auch Übernachtungsmöglichkeiten finden können. Deswegen haben wir Grüne uns bereits in der Vergangenheit für die Errichtung von Camps, z.B. des Klimacamps, ausgesprochen. Die Stadt sollte ein solches Camp an einem Ort, der mit den Sicherheitsbelangen des Gipfels vereinbar ist und unter den üblichen Auflagen ermöglichen, sofern Veranstalter*innen zuverlässig sind und sicherstellen, dass intensive Vorbereitung und die Vorlage eines guten Konzepts mit der Erfüllung von Brandschutz-, Sicherheits- und Hygienestandards gewährleistet werden und Verantwortlichkeiten und Ansprechpartner*innen klar zu erkennen sind.
Eine andere Welt ist möglich
Auch wir sind Teil des Protest für eine andere und bessere Welt. Wir rufen als GRÜNE zur Protestwelle am 2. Juli auf. An diesem Tag wollen wir unsere Sicht auf Probleme und Lösungen gemeinsam mit vielen anderen mit einem Bannermeer auf der Alster in die Stadt und in die Welt tragen. Auf dem Gipfel für globale Solidarität gibt es die Möglichkeit, am 5. und 6. Juli über Alternativen zur Politik der G20 zu diskutieren.
Aber auch während die Welt in Form ihrer Staatschefs zu Besuch ist am 8. Juli wollen wir auf die Straßen gehen. Denn wir glauben, dass es wichtig ist, ein deutliches und friedliches Zeichen zu setzen, wenn Trump, Erdogan, Putin, Salman ibn Abd al-Aziz Al Saud, Michel Temer und Xi Jinping in der Stadt sind. Diese einmalige Konstellation von Regierungschefs steht für ein autoritäres Rollback und ist über den Welthandel eng verwoben. Wir GRÜNE demonstrieren gegen ihre Politik, die Menschenrechte, Demokratie und die Zukunft unseres Planeten angreift. Wir GRÜNE kämpfen für Gleichberechtigung und für eine humanitäre Migrations- und Asylpolitik. Wir kämpfen für gerechten Welthandel und Klimaschutz. Wir zeigen Trump, Erdogan, Putin, Salman ibn Abd al-Aziz Al Saud, Michel Temer und Xi Jinping hier in Hamburg unsere Haltung: Wir stehen für Weltoffenheit, Vielfalt, Menschenrechte und Demokratie. Deshalb rufen wir alle Hamburger*innen auf, am 8. Juli mit uns zusammen zu Hamburg zeigt Haltung zu gehen.
Wir GRÜNE sind nicht zufrieden mit der Politik der G20, obwohl wichtige Themen auf der Agenda stehen. Wir sehen mit großer Sorge, wie schwierig es wird, dass der G20-Gipfel am Ende mehr hervorbringt als nur eine große Show. Leider sind die vollmundigen Versprechen der G20 in der Vergangenheit allzu oft gebrochen worden, wie z.B. bei den Investitionen in die Entwicklungszusammenarbeit: Nur wenige Staaten haben das Versprechen eingelöst, 0,7 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung hierin zu investieren. Deutschland hat im vergangenen Jahr die 0,7 Prozent nur erreicht, in dem die Ausgaben für Geflüchtete einberechnet wurden. Ohne diese hätte die Quote bei 0,52 Prozent gelegen. Dieser Unterschied zwischen Ankündigungen und Taten trägt dazu bei, dass bei immer mehr Menschen das Vertrauen in die Lösungskompetenz und den Lösungswillen der Politik erschüttert wird.
Die G20 stehen am Scheideweg: Wird es überhaupt gelingen, einen entscheidenden Schritt bei der Re-regulierung weiterzukommen oder fällt man zurück in puren Nationalismus, wo die Maxime Jeder-gegen-Jeden ist und neue Handel-, Wirtschafts- und Währungskriege drohen? Der Nationalismus als politische Idee ist zurück und er versteht sich als Gegenprojekt zur Globalisierung.
Wir GRÜNE sind da klar. Unsere Botschaft ist: Democracy First! Nur liberale Demokratien werden in der Lage sein, globale Probleme zu lösen anstatt das Heil in nationalistischen Egoismen zu suchen. Menschenrechte, Meinungsfreiheit, Gleichberechtigung und Mitbestimmung müssen international verteidigt werden. Wir fordern die Bundeskanzlerin dazu auf, diese Haltung mit in die Verhandlungen mit Putin, Trump, Erdogan, Salman ibn Abd al-Aziz Al Saud, Michel Temer und Xi Jinping zu nehmen. Wir haben aber auch konkrete Ideen und Forderungen an die Bundesregierung zu den Themen der Gipfel-Agenda.
Wir haben keinen Planeten B
Klimaschutz JETZT – Agrarwende und Energiewende einläuten
Der Kurs, den die Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer bisher eingeschlagen hat, war ein Kurs in Richtung mehr Investition und Wachstum. Nachhaltigkeit spielte hierbei immer eine untergeordnete Rolle. Beim Bau von Mega-Staudämmen oder transregionalen Autobahnen bleiben oft die sozialen und ökologischen Folgen auf der Strecke. Auch bei der demokratischen Mitbestimmung herrscht Fehlanzeige. In der Agrarwirtschaft schreitet die Industrialisierung ungezügelt voran. Die Frage der Wasserversorgung ist ebenfalls eine, die Anlass zur Sorge gibt. Den Wasserverbrauch der Agrarindustrie und die Konzentration von Markt- und Lobbymacht von Agrar- und Lebensmittelkonzernen müssen auch die G20 Staaten angehen, damit eine nachhaltige Entwicklungszusammenarbeit möglich wird. Das Menschenrecht auf Wasser darf nicht durch das Recht des Stärkeren ersetzt werden.
Die Probleme der Wasserversorgung werden durch die Klimakrise noch verschärft. Doch immer noch stecken die G20 mit 444 Milliarden Dollar viermal so viel Geld in fossile Energieträger wie in erneuerbare Energie.
Die Bundesregierung lässt in ihren Kernbotschaften zur G20 Präsidentschaft verlauten:
„(…) Ein Hauptanliegen ist dabei, die Verwirklichung der Ziele der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung und des Pariser Klimaabkommens voranzubringen. Ebenso wichtig wird sein, über zukunftsfeste Energie- und Klimakonzepte zu diskutieren.“
Doch schaut man genauer hin, muss man leider feststellen, dass die Politik der Kanzlerin weit davon entfernt ist, die selbstgesteckten Ziele zur erreichen. Vom vermurksten Erneuerbare-Energien-Gesetz bis dahin, dass die Bundesregierung 1,6 Milliarden Euro in die Kohle steckt, während China gerade 100 aktuelle Kohleprojekte eingestampft hat. Der angekündigte Ausstieg der USA aus dem Pariser Klimaabkommen bescherte Frau Merkel sogar eine Aufforderung aus den eigenen Reihen, diesem Schritt zu folgen.
Die Politik der G20 hinkt den von den Vereinten Nationen im Jahr 2015 beschlossenen Nachhaltigkeitszielen massiv hinterher. Die UN-Nachhaltigkeitsziele sind universal: Sie gelten für alle armen und reichen Staaten gleichermaßen. Sie greifen über die Grenzen der wirtschaftlichen, der ökologischen und der sozialen Säulen hinweg ineinander und haben die Intention die soziale und wirtschaftliche Ungleichheit zu beseitigen anstatt Reichtum auf dem Rücken anderer zu mehren. Hier zeigt sich der Unterschied: die G20 betreiben weitgehend eine Politik durch die Wachstumsbrille. Die G20 müssen auf einen Kurs einschwenken, der eine wirtschaftliche und soziale Entwicklung anstrebt, die das Fundament für die Sicherung der Existenzgrundlagen sowie für Nachhaltigkeit und gerechte Umverteilung, bildet.
Doch gerade in puncto Nachhaltigkeit ist die Politik der G20 unglaubwürdig und steht im Spannungsfeld zu den Zielen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals/SDGs). Beim Gipfel in China 2016 sprach man zwar davon, die Erderwärmung begrenzen zu wollen. Aber das Ganze lief nach dem Motto „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“. Alle Energiequellen und insbesondere Erdgas wurden gebilligt. Die Zusage von 2009, weniger bis gar keine fossilen Brennstoffe mehr zu subventionieren wurde nicht eingehalten.
Die G20 müssten gerade angesichts der unakzeptablen Entscheidung Trumps, aus dem Parises Klimaabkommen auszusteigen, dazu kommen einen zügigen Umstieg auf Erneuerbare Energien zu beschließen.
Wir GRÜNE fordern die Bundesregierung auf, sich beim G20 Gipfel dafür einzusetzen, dass die G20
- künftig ausschließlich auf Erneuerbare Energien setzen und die Subventionierung fossiler Energieträger beenden;
- die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen übernehmen und daraus konkrete Handlungen ableiten;
- sich klar hinter das Pariser Klimaabkommen und mindestens hinter seine Ziele stellen;
- sich für das Menschenrecht auf Wasser und gegen Deregulierung und Privatisierung in diesem Bereich einsetzen.
Fluchtursachen bekämpfen und Migration gestalten
Die Zahl der Menschen auf der Flucht wächst von Jahr zu Jahr. Weltweit sind mehr als 60 Millionen Menschen auf der Suche nach Schutz für sich und ihre Familien. Menschen fliehen vor Krieg, politischer Verfolgung und Gewalt, aber auch immer häufiger vor den Folgen der Klimakrise und Umweltzerstörung. Wir GRÜNE urteilen nicht über Fluchtgründe. Aber Flucht ist etwas anderes als Einwanderung. Für beides gilt jedoch: Mauern bauen, Zäune errichten und Europa zur Festung machen ist der falsche Weg!
Wir wollen eine aktive Flüchtlingspolitik betreiben, die für Menschen aus der Flucht sichere Wege schafft. Wir wollen die Menschen auf ihrer Flucht nicht alleine lassen. Viele Populisten von rechts, wie der Österreichische Außenminister Kurz feiern die Schließung der Balkanroute. Doch damit wurde wie so oft am Symptom herumgedoktert und die Augen wieder mal vor der Not anderer verschlossen. Deshalb ist es auch an Zynismus nicht zu überbieten, wenn die Flucht über das Mittelmeer verhindert werden soll. Wir fordern die Bundesregierung dazu auf, sich für neue und angemessene Kontingentlösungen und Seenotrettungsprogramme einzusetzen. Und wir stellen uns an die Seite derer, die gerade mit privaten Mitteln Menschen vor dem Ertrinken retten und damit unsere Menschlichkeit verteidigen, weil die Politik es nicht tut.
Nach unserem Verständnis der europäischen Werte und der Solidarität ist es Aufgabe aller Mitgliedsstaaten der EU, Flüchtlingen Schutz zu gewähren. Mit dem Türkei-Deal sind wir einer menschenrechtsbasierten Flüchtlingspolitik nicht näher gekommen. Wir wollen den Türkei-Deal beenden. Diese falsche Politik darf keine Blaupause für neue Abkommen mit Staaten in Afrika, wie Libyen, und dem Nahen Osten sein. Die aktuellen Bemühungen europäischer Regierungen de-facto die europäischen Außengrenzen durch Migrationspartnerschaften mit Staaten, in denen Menschen- und Flüchtlingsrechte nicht gewahrt sind, auszulagern lehnen wir ebenso ab wie die Umwidmung entwicklungspolitischer Gelder für menschenrechtlich problematische Grenzschutzprojekte. Die zahlreichen menschenrechtswidrigen Rücknahmeabkommen sind mit einer humanitären und modernen Asylpolitik nicht vereinbar.
Die Bundesregierung und die EU müssen mit gutem Beispiel voran gehen und ihre humanitäre Hilfe und Unterstützung für Flüchtlinge in der Türkei ausbauen.
Migration kann gestaltet werden. Deutschland ist ein Einwanderungsland, und das ist gerade vor dem Hintergrund des demographischen Wandels eine Stärke. Das war auch lange die Stärke der USA. Völlig sinnentleerte Übersprungshandlungen von Donald Trump kappen gerade diese Säule der amerikanischen Gesellschaft.
Wir GRÜNE fordern die Bundesregierung dazu auf, sich beim G20 Gipfel dafür einzusetzen,
- die Solidarität der G20 für die Bekämpfung von Fluchtursachen einzufordern und dafür weitere Partner zu suchen;
- eine internationale menschenrechtsbasierte Flüchtlings- und Asylpolitik zu betreiben;
- bürokratische Hindernisse im Einwanderungsrecht abzubauen werden, ohne dabei die nachhaltige Entwicklung in anderen Ländern zu gefährden;
- sichere Fluchtwege zu ermöglichen und gegen das Sterben auf der Flucht übers Mittelmeer vorzugehen. Dazu müssen neue und angemessene Kontingentlösungen und Seenotrettungprogramme aufgesetzt werden.
- dass keine Waffen mehr in Krisengebiete exportiert werden, da Konflikte so nur befeuert werden, Menschenleben kosten und große Fluchtbewegungen nach sich ziehen.
Afrika braucht mehr (als) Geld – gleichberechtige Partnerschaft für nachhaltige Entwicklung
Die Vertiefung der Partnerschaft mit Afrika ist Schwerpunktthema der deutschen G20-Präsidentschaft 2017. Der afrikanische Nachbarkontinent ist auch im Zusammenhang mit einer wachsenden Zahl an Flüchtlingen verstärkt in den Fokus deutscher und europäischer Politik gerückt. Doch Entwicklungszusammenarbeit darf nicht zur Fluchtabwehr instrumentalisiert werden!
Nachdem die Bundesregierung den afrikanischen Kontinent und insbesondere die am wenigsten entwickelten Länder über Jahre politisch vernachlässigt hat, verfällt sie jetzt in Aktionismus. Das Bundesfinanzministerium plant, mit einzelnen afrikanischen Staaten jeweils einen sogenannten „Compact with Africa“ abzuschließen; Entwicklungsminister Müller legte Anfang 2017 seinen „Marshallplan mit Afrika“ vor; und auch Wirtschaftsministerin Zypries möchte mit der Initiative „Pro! Afrika“ wirtschaftliches Engagement fördern.
Wir GRÜNE kritisieren die Vielstimmigkeit der Afrikapolitik der Bundesregierung und der G20 und den einseitigen Fokus auf privates wirtschaftliches Engagement. Vor allem die Strategie des Finanzministeriums mit ihren einzelnen Compacts baut auf Konzepte, die sich in der Vergangenheit bereits als problematisch erwiesen haben, wie etwa Public Private Partnerships, die hauptsächlich zu Gunsten privater Investoren gestaltet sind, statt das Gemeinwohl im Blick zu haben. Drei sogenannte Reformpartnerschaften hat die Bundesregierung auf diesem Weg bei der G20-Afrikakonferenz mit Tunesien, Ghana und Côte d’Ivoire geschlossen. Insgesamt berücksichtigen die Compacts, abgesehen von allgemeinen Hinweisen zur Agenda 2030, weder Nachhaltigkeits- noch Menschenrechtsprinzipien.
Der Afrikapolitik der Bundesregierung fehlen zwei entscheidende Dinge: mehr finanzielle Ressourcen und politische Kohärenz. Die Afrikapolitik der Bundesregierung argumentiert an den Menschenrechten und einer nachhaltigen Entwicklung vorbei, während unsere eigene Politik in Deutschland und der Europäischen Union auch weiterhin zu Ungleichheit, Armut und Raubbau an der Natur im Globalen Süden beiträgt. Die Economic Partnership Agreements (EPAs), die mit fünf afrikanischen Regionen verhandelt wurden, sind Teil dieser verfehlten Afrikapolitik der Bundesregierung und der Europäischen Union.
Die Hungersnot in weiten Teilen Subsahara-Afrikas ist nicht nur durch andauernde Konflikte bedingt, sondern zeigen im Falle von Äthiopien und Somalia auch die Anfälligkeit der afrikanischen Landwirtschaft gegenüber den Folgen des Klimawandels. Das heisst, die Förderung einer nachhaltigen, ökologischen Landwirtschaft in Afrika muss im Fokus stehen. Schädliche Subventionen innerhalb der Europäischen Union behindern diese Entwicklung, und führen dazu, dass Exporte der europäischen Agrarindustrie die afrikanischen Märkte bedrohen.
Gemeinsam mit afrikanischen Partnerinnen und Partnern und unter Beachtung regionaler Wirtschaftsstrukturen gilt es, einen inklusiven, diversifizierten Privatsektor zu fördern, der Wertschöpfung und menschenwürdige Arbeitsplätze vor Ort schafft. Hier stehen die G20 mit ihrer Wirtschaftsmacht in der Pflicht. Wenn Afrika zentrales Thema der G20 ist, dann muss die Politik für Afrika gleichberechtigt mit den afrikanischen Staaten verhandelt werden.
Im Angesicht der Hungerkatastrophe in weiten Teilen Afrikas muss sich der anstehende G20-Gipfel mit der Unterfinanzierung der humanitärer Hilfsbedarfe der UN beschäftigen!
Wir GRÜNE fordern die Bundesregierung dazu auf,
- auf nationaler Ebene ein einheitliches Afrikakonzept der Bundesregierung zu entwickeln, dass sich am Pariser Klimaabkommen, der Agenda 2030 und den Menschenrechten als verbindliche Handlungsrahmen orientiert;
- sich im Rahmen der G20 für verbindliche Maßnahmen zur Unterstützung einer nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung afrikanischer Ökonomien einzusetzen, die sich an verbindliche Öko- und Sozialstandards halten und für Transparenz in der globalen Lieferkette sorgen;
- sich für ein klares und am Gemeinwohl orientiertes Regelungswerk für durch die Bundesregierung subventionierte Privatinvestitionen einzusetzen. Das Regelwerk soll sich an der verbindlichen Einhaltung international anerkannter Menschenrechtsabkommen und der ILO-Kernarbeitsnormen ausrichten, ebenso wie an internationalen Umweltabkommen und der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung;
- national und im Rahmen der G20 dem schädlichen, internationalen Steuerwettbewerb entschieden entgegenzuwirken durch die Entwicklung von schwarzen Listen für Steueroasen und eine Harmonisierung der Steuersysteme der einzelnen Staaten sowie die Einführung einer gemeinsamen, konsolidierten Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage und eines effektiven Mindeststeuersatzes;
- aggressive Steuergestaltung und Steuervermeidung von international tätigen Unternehmen zu bekämpfen durch eine grundlegende Reform der Besteuerung (im Sinne der „unitary taxation“), die Stärkung des Steuervollzugs und substantielle Transparenzmaßnahmen wie erweiterte Offenlegungspflichten für multinationale Unternehmen, ein öffentlich einsehbares Transparenzregister für wirtschaftlich Berechtigte und Anzeigepflichten für Steuersparmodelle;
- sich im Rahmen der G20 für die Schaffung eines geordneten internationalen Staatsinsolvenzverfahrens im Sinne zukünftiger Entwicklungschancen und des Selbstbestimmungsrechts aller Länder einzubringen;
- die Bemühungen der Afrikanischen Union zur Schaffung einer kontinentalen Freihandelszone sowie die im Aufbau befindlichen regionalen Wirtschaftsstrukturen der afrikanischen Staaten zu respektieren und zu unterstützen, um so den regionalen Handel und die regionalen Wirtschaftskreisläufe zu stärken;
- sich im Rahmen der G20 dafür einzusetzen, dass Handels- und Wirtschaftsabkommen sowie Investitionspartnerschaften zukünftig transparent verhandelt werden, verbindliche soziale, ökologische und menschenrechtliche Standards einhalten und der Umsetzung der Agenda 2030 und des Pariser Klimaabkommens als zentralen Orientierungsrahmen Rechnung tragen;
- private und öffentliche Mittel als Beitrag für eine nachhaltige Entwicklung nicht gegeneinander auszuspielen und die ausreichende Bereitstellung öffentlicher Mittel für die Klima- und Entwicklungsfinanzierung getrennt voneinander sicherzustellen;
- national und im Rahmen der G20 den Abbau klimaschädlicher Subventionen durchzusetzen. Deutschland soll mit gutem Beispiel vorangehen, keine Investitionen in fossile Energien tätigen oder fördern sowie neue öffentliche, öffentlich- private Investitionen und Investitionsgarantien im Energiesektor auf erneuerbare Energieformen ausrichten;
- keine Entwicklungsgelder zur Aufrüstung von Sicherheitskräften oder für Grenzschutzmaßnahmen in Staaten mit problematischer Menschenrechtsbilanz zu verwenden;
- eine Schwerpunktsetzung der Entwicklungszusammenarbeit auf die fragilen und ärmsten Staaten vorzunehmen und mittelfristig die Hälfte der ODA-Gelder in diesen Staaten einzusetzen.
- die humanitäre Hilfe bedarfsorientiert weiter deutlich zu erhöhen sowie im Rahmen der G20 für humanitäre Hilfsbedarfe zu mobilisieren, damit die reichsten Staaten ihrer Verantwortung nachkommen und ihren fairen Anteil der UN-Beiträge frühzeitig und somit planbar übernehmen.
- sich dafür einzusetzen, dass Afrika in Zukunft ein starkes Gewicht im Rahmen der G20 erhält.
We don‘t fight for flowers!
Women wanna have equal rights, equal opportnuties & equal pay
Bereits 2014 haben die G20 beschlossen, den Beschäftigungsanteil von Frauen an den weltweiten Arbeitsmärkten zu erhöhen. Doch laut der internationalen Arbeitsorganisation ILO ist der Anteil von Frauen an regulären Arbeitsverhältnissen zwischen 1995 und 2015 ständig gesunken. Für Frauen lägen die Chancen auf Beschäftigung mittlerweile im weltweiten Durchschnitt um 27 Prozent niedriger als für Männer.
Frauen sind überall auf der Welt in besonderem Maße von Ungleichheit und Armut betroffen und damit bei politischer, wirtschaftlicher und digitaler Teilhabe benachteiligt. Es braucht dringend Initiativen, die die politische und gleichberechtigte wirtschaftliche Teilhabe von Frauen als Querschnittsaufgabe verankern und stärken wollen.
Deutschland müsste hier vorangehen. Allerdings liegt es im europäischen Vergleich der Einkommen von Männern und Frauen mit 21 Prozent Differenz auf dem viertschlechtesten Platz. Auch der Lohnunterschied, die sogenannte Gender Pay Gap, zeigt, dass wir von gleicher Bezahlung für gleiche Arbeit weit entfernt sind.
Die bisherige Politik der G20 steht dem Ziel der Inklusion von Frauen in den Arbeitsmarkt entgegen. Die Fokussierung auf öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP) für Investitionen in öffentliche Infrastruktur hat oft fatale Folgen insbesondere für Frauen. Privatisierung von Dienstleistungen wie Energie, Wasser und Transport oder gerade auch in sozialen Bereichen wie Bildung und Gesundheit führen gleichzeitig zu Preisexplosionen für die Kund*innen und zu Lohnabstürzen für die Beschäftigten. Hiervon sind Frauen besonders betroffen.
Der Women20-Summit sollte im Vorfeld der G20 die Interessen von Frauen formulieren. Unter der Leitung des Deutschen Frauenrats und des Verbands deutscher Unternehmerinnen haben Expertinnen im Februar Forderungen in den Bereichen Arbeitsmarkt, Finanzen und Digitalisierung aufgestellt, die als Empfehlungen in das Abschluss-Kommuniqué des Gipfeltreffens der G20-Staaten am 7. und 8. Juli in Hamburg einfließen sollen. Der zentrale Punkt greift die bereits 2014 beschlossene und nicht umgesetzte Forderung wieder auf, bei der Inklusion in den Arbeitsmarkt den Unterschieds in der Erwerbstätigenquote von Männern und Frauen um 25 Prozent bis zum Jahr 2025 zu reduzieren.
Hier zeigt sich leider das Problem, dass der Blick zu sehr von der Welt der Chef*innen-Etagen von Unternehmen geprägt ist. Die harten Lebenswirklichkeiten von Millionen Frauen in Deutschland, Europa und weltweit wurden vielfach ausgeblendet. Wirtschaftliche Stärkung und Teilhabe von Frauen kann nicht nur auf „weibliches Unternehmertum“ oder Lohnarbeit ausgerichtet sein – sie muss bei den Frauen weltweit beginnen, die aufgrund fehlender gesellschaftlicher, politischer und finanzieller Anerkennung unter täglichen Mühen nicht- oder unterbezahlten Tätigkeiten nachgehen müssen. Denn damit ermöglichen sie überhaupt erst das Funktionieren von Wirtschaft und Gesellschaft.
Um das Ziel der Inklusion von Frauen in den Arbeitsmarkt zu erreichen, wurde während der türkischen Präsidentschaft 2014 das Ziel konkretisiert: 100 Millionen Jobs sollen für Frauen geschaffen werden. Doch es muss auch darum gehen, welche Jobs hier für Frauen geschaffen werden.
Im Rahmen der deutschen Präsidentschaft wird immerhin auch auf Handlungsbedarf in Bezug auf das geschlechtsspezifische Lohngefälle, die Forderungen nach einer gleichberechtigten Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen und auch die nötige Aufwertung von Care-Berufen hingewiesen.
Die niedrigen Einkommen von Frauen hängen mit vielen strukturellen Faktoren von Wirtschaftsorganisation zusammen. Die G20 müssen diese auch reflektieren und nicht nur vor dem Hintergrund allgemeiner Wachstumsstrategien handeln. Frauen müssen künftig ihre eigene Existenz sichern können! Ansonsten führt die Gender Pay Gap im Alter zur Gender Pension Gap.
Hierfür ist selbst Deutschland noch nicht ausreichend aufgestellt. Infrastruktur und Gesetze haben einen entscheidenden Einfluss auf die Arbeitsverteilung zwischen Männern und Frauen in Partnerschaften. Fehlende staatliche Betreuungsangebote für Kinder und Pflegebedürftige sowie bestimmte gesetzliche Bestimmungen zu Elternzeit oder Steuern wirken einer gleichberechtigten Arbeitsaufteilung entgegen.
Wir GRÜNE fordern die Bundesregierung dazu auf, die frauenpolitischen Forderungen der W20 beim G20-Gipfel zu berücksichtigen. Wir fordern,
- die strukturellen Diskriminierungen für Frauen abzubauen.;
- bei allen Arbeitsmarktmaßnahmen in den Fokus zu stellen, das Frauen eine existenzsichernde Beschäftigung ermöglicht wird;
- dafür zu sorgen, dass die Zuständigkeit für unbezahlte oder schlecht bezahlte Pflegearbeit nicht an strukturell benachteiligte Frauen weitergereicht wird, sondern diese Bereiche deutlich aufzuwerten;
- gegen mehrfache Diskriminierungen von Frauen auf dem Arbeitsmarkt vorzugehen;
- die Forderungen der Women20-Summit in konkrete Politik umzusetzen.
Zivilgesellschaftliche Forderungen des C20 Summit stärken
Viele der vorangegangenen Forderungen wurden ebenfalls in der Abschlusserklärung des Civil 20 Summit (C20) vom 19. Juni dargelegt. Beim C20 kamen über 300 zivilgesellschaftliche Organisationen aus der ganzen Welt vom 18.-19. Juni in der Hamburger HafenCityUniversität zusammen und erarbeiteten sieben Kernforderungen an die GipfelteilnehmerInnen des G20. Die Kernforderungen und die Abschlusserklärung wurden am 19. Juni der Bundeskanzlerin übergeben.
Mit der Abschlusserklärung des C20 werden die TeilnehmerInnen des G20 aufgefordert, Maßnahmen zu ergreifen, die die Umgestaltung des aktuellen globalen Finanz- und Wirtschaftssystems einleiten, die Menschenrechte stärken und die Umweltbelastungen reduzieren.
Wir GRÜNE fordern die Bundesregierung dazu auf,
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die Forderungen der C20 beim G20-Gipfel zu berücksichtigen,
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die Rolle der Zivilgesellschaft ingesamt im G20-Format zu betonen,
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darauf hinzuwirken, dass die Zivilgesellschaft in politische Prozessen in den jeweiligen G20 Ländern einbezogen wird,
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in zukünftigen Gipfelformaten eine noch ambitioniertere zivilgesellschaftliche Anbindung umzusetzen.