In Deutschland arbeiten zwischen 100.000 und 150.000 MigrantInnen, zum allergrößten Teil Frauen, in der häuslichen Care-Arbeit. Sie pflegen Alte, betreuen Kinder und leben gerade im Bereich der Pflege im Haushalt der zu betreuenden Person und übernehmen dort eine 24h-Betreuung. Die Beschäftigung vieler dieser Frauen ist hinsichtlich ihres Aufenthaltsstatus seit der EU-Osterweiterung legal, aber ihre Arbeitssituation ist häufig illegal, weil das deutsche Recht nicht erlaubt, dass Menschen 24 Stunden am Stück, 7 Tage in der Woche arbeiten bzw. Bereitschaft haben. Die betreuende Tätigkeit verrichten sie meist für einige Wochen oder Monate und werden dann von einer anderen Frau abgelöst, wodurch sie stetig zwischen Heimatort und Arbeitsort pendeln. Bei eigenen Care-Verpflichtungen im Heimatland werden diese in der Abwesenheit meistens von den Großmüttern wahr genommen. Häufig arbeiten aber Frauen, die bereits in Frührente sind, davon aber nicht leben können in der Pflege. Teilweise arbeiten sie komplett irregulär, teilweise haben sie ein Entsendeunternehmen und werden über eine Agentur vermittelt. In diesem Bereich haben die Frauen aber meistens keinen Arbeitsvertrag, sondern einen Werkvertrag ohne Regelungen zu Arbeitszeit, bezahlten Urlaub oder Krankheit. Die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen empfinden sich als KundInnen einer Dienstleistung, sind aber eigentlich Vorgesetzte, weil z.B. die Weisungsbefugnis bei Ihnen liegt. Damit gehen nach deutschem Recht auch Verantwortlichkeiten einher, die diese aber nicht oder kaum wahrnehmen. So sind die MigrantInnen z.B. nur schlecht oder gar nicht sozialversichert.
Viele Menschen und ihre Angehörigen wünschen sich zuhause alt zu werden und wenn nötig auch dort gepflegt zu werden. Da immer weniger familiäre Zusammenhänge existieren, in denen eine 24h-Betreuung und Pflege gewährleistet werden kann, suchen Angehörige nach einer günstigen rund um die Uhr Betreuung. Dabei sind Care-MigrantInnen häufig günstiger als ein Pflegeheim und erlauben es den Pflegebedürftigen weiterhin zuhause zu bleiben. Politik, Gewerkschaften und Wohlfahrtsverbände haben mit ersten Beratungsangeboten auf diese Situation reagiert. So bietet das Projekt „Faire Mobilität“ des DGB in einigen Städten gezielt Beratung auch für Care-ArbeiterInnen an. In Hamburg ist diese Beratung eng verknüpft mit der durch den Europäischen Sozialfonds und die Stadt Hamburg finanzierten „Beratungsstelle Arbeitnehmerfreizügigkeit“. Es ist allerdings unklar, wie groß der Anteil der Betroffenen ist, der durch diese Beratungsangebote momentan erreicht wird und ob diese mögliche Bedürfnisse adäquat abdecken.
Die Diakonie Baden-Württemberg versucht mit Partnern in Polen und Rumänien im Modellprojekt „faircare“ Frauen, die in Deutschland als Pflegekraft in Privathaushalten arbeiten möchten, von Anfang an zu unterstützen und berät diese wie die zu pflegenden Personen und deren Angehörige bei der Gestaltung legaler und fairer Arbeitsverträge. Auf dem Markt hat dieses Angebot aber bisher kaum mehr als einen Vorbildcharakter. Nichtsdestotrotz ist dies ein Ansatzpunkt, um mit dem Umstand umzugehen, dass unser Pflegesystem zum Teil darauf baut, dass es diese Form von Care-Migration gibt, aber bisher zu wenig Verantwortung für die Beschäftigten, die pflegebedürftigen Personen und deren Angehörige übernimmt. Diesen Zustand müssen wir ändern und die Situation und Arbeitsbedingungen der Care-ArbeiterInnen in Hamburg verbessern.
Die Hamburger GRÜNEN fordern daher den Senat auf, gemeinsam mit MigrantInnenorganisationen, Wohlfahrtsverbänden, Gewerkschaften und Wissenschaft Erfahrungen und Kenntnisse zur Situation von Care-MigrantInnen in Hamburg zu bündeln und auszuwerten. Ziel ist eine Bestandsaufnahme, was über die Situation und die Zahl von Care-ArbeiterInnen vor Ort bekannt ist, welche Beratungsangebote es bereits gibt, was die Erfahrungen, Möglichkeiten aber auch Lücken dieser Angebote sind und eine gemeinsame Beratung darüber, mit welchen Instrumenten und Maßnahmen die Situation von Care-ArbeiterInnen in Hamburg verbessert werden kann. Wenn sich dabei herausstellt, dass der Kenntnisstand nicht ausreicht, um adäquate Maßnahmen zu ergreifen, sollte gemeinsam mit den genannten AkteurInnen eine Studie konzipiert und vom Senat beauftragt werden.
Gleichzeitig ist den Hamburger GRÜNEN bewusst, dass es nicht ausreichend ist, die irreguläre Pflegearbeit nur aus der Perspektive der Care-ArbeiterInnen fairer und gerechter zu gestalten, solange es innerhalb des Pflegesystems generell ungerechte Strukturen gibt. Hier werden wir uns auch weiterhin auf Bundesebene für eine Veränderung des Pflegesystems einsetzen. Pflege muss sich an der Menschenwürde und der Selbstbestimmung der Betroffenen orientieren.
Die GRÜNE Bürgerschaftsfraktion wird gebeten, diesen Beschluss durch geeignete parlamentarische Aktivitäten (Anträge, Anfragen, Fachgespräche etc.) zu unterstützen.
* Care-ArbeiterInnen/ Care-MigrantInnen: Mit Care-Arbeit ist bezahlte oder unbezahlte Sorgearbeit, z.B. Pflege oder Kinderbetreuung gemeint. In der Forschung hat sich der Begriff Care- MigrantInnen für die Menschen, meistens Frauen, durchgesetzt, die zur Übernahme von Sorgearbeit nach Deutschland bzw. in die Industrienationen kommen.