Gute Schulen im Mittelpunkt – Schulfrieden verlängern!

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BESCHLUSS

Wir GRÜNE sprechen uns für eine Verlängerung des Schulfriedens im Sinne eines Strukturfriedens aus. Sollten wir den Schulfrieden erneut um 5 Jahre verlängern, wird bis 2025 in Hamburg keine Strukturreform von Grundschulen, Gymnasien und Stadtteilschulen erfolgen.

Das bedeutet: Es gibt Grundschulen (in der Regel vierjährig), Stadtteilschulen mit eigenen Oberstufen, die alle Schulabschlüsse inklusive des Abiturs nach neun Jahren anbieten, sowie Gymnasien, die ebenfalls alle Schulabschlüssen inklusive des Abiturs nach acht Jahren anbieten. Allerdings sehen wir an mehreren Stellen erheblichen, teilweise finanziell relevanten, Verbesserungsbedarf, aus dem wir Konsequenzen ziehen und für den wir Lösungen fordern.

Wir beauftragen die Grüne Bürgerschaftsfraktion in diesem Sinne tätig zu werden und mit anderen Bürgerschaftsfraktionen zu verhandeln.

Nach Abschluss der Gespräche und vor Unterzeichnung einer Vereinbarung soll zumindest auf einem LA über die getroffenen Verabredungen beraten und entschieden werden.

BEGRÜNDUNG

1. Auf den Erfolgen GRÜNER Bildungspolitik aufbauen

Schon in der Regierungsbeteiligung unter schwarz-grün 2008-2011 haben wir GRÜNE uns dafür stark gemacht, dass das Hamburger Schulsystem durch die Förderung jeder einzelnen Schülerin und jedes einzelnen Schülers gerechter und leistungsfähiger wird. Mit Erfolg: Die Zahl der Schulabrecher*innen hat sich in den letzten 15 Jahren beinahe halbiert und auch in den Bildungsrankings der PISA-Nachfolgestudien schneidet die Freie und Hansestadt Hamburg nun regelmäßig besser ab. Auch die Bildungsbeteiligung hat sich erhöht und immer mehr Jugendliche schaffen heute in Hamburg höhere Abschlüsse.

Trotz des Scheiterns der Primarschule brauchen wir GRÜNEN unsere Erfolge nicht zu verstecken. In Regierungsbeteiligung unter schwarz-grün haben wir wesentliche Meilensteine in der Bildungspolitik gesetzt: Die Neue Lernkultur, die Einführung des Zwei-Säulenmodells aus Gymnasium und Stadtteilschule mit (eigener) gymnasialer Oberstufe, den Einstieg in die Inklusion, den Ausbau der ganztägigen Bildung, eine ernsthafte Studien- und Berufsorientierung, die Umstrukturierung des Übergangs Schule-Beruf, der Aufbau regionaler Bildungslandschaften, Berichtszeugnisse und Lernentwicklungsgespräche, die Abschaffung des Abschulens ab der 7. Klasse sowie die Einführung von Fördern statt Wiederholen zeigen, dass Reformen möglich sind. Mit unserer Beteiligung wurde der Schulbau Hamburg gegründet.

An diese Erfolge und an unsere Lehren aus dem Misserfolg knüpfen wir an und gestalten in der aktuellen Legislaturperiode die Bildungspolitik durch große Investitionen in die Qualität des Ganztages und der Inklusion sowie durch eine Reform der Lehrer*innenausbildung. Diese Maßnahmen werden dazu beitragen, dass die Leistungsfähigkeit des Hamburger Schulsystems weiter steigt und dass zukünftig die Herkunft einer Schülerin und eines Schülers ihren bzw. seinen Bildungserfolg immer weniger bestimmt. Dennoch liegt noch ein weiter Teil des Wegs vor uns. Dafür, wie wir diesen beschreiten wollen, machen wir folgende Vorschläge und knüpfen an unsere bisherigen Ziele an.

2. Gerechtigkeit und Leistungsfähigkeit sind unsere Ziele

Wir GRÜNE verfolgen nach wie vor engagiert unser langjähriges schulpolitisches Ziel, das Hamburger Schulsystem gerechter und leistungsfähiger zu machen. Zentral ist für uns die Frage, was die geeigneten Mittel sind, um Bildungsgerechtigkeit UND Leistungsfähigkeit zu erreichen.

3. Welcher Weg führt zum Ziel? Ein Blick in die aktuelle Schulforschung lohnt.

Dabei möchten wir keine ideologisch aufgeladenen Kontroversen führen.

Wir wissen, dass Bildungsgerechtigkeit nur dann möglich ist, wenn alle faire Chancen erhalten – unabbhängig von individuellen Einschränkungen. Dafür unterstützen wir Schulen

  • bei der Weiterentwicklung von individuellen diagnosebasierten Fördermaßnahmen und integrativen Förderkonzepten,

  • durch den Ausbau von Angeboten zur Lehrerfortbildung und einer zielgerichteten Ausrichtung der Unterstützungssysteme auf Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarfen,

bei der Vermeidung von Lernhemmnissen durch schulweitere Programme beispielsweise zur Demokratieentwicklung, zum Sozialen Lernen sowie zur Gewalt- und Suchtprävention.

Zudem beziehen wir uns in unserer Schulpolitik auf den aktuellen Stand der internationalen Schulforschung zu den Merkmalen erfolgreicher (hoch-performanter) Schulsysteme. Daraus lernen wir:

  • Die Qualität unseres Schulsystems steht und fällt mit der Qualität seiner Pädagog*innen.

  • Schulen benötigen Freiheiten um sich weiterzuentwickeln.

  • Die Verbesserung des Unterrichts ist ein Kernaspekt jeglicher Schulentwicklung.

Konkret bedeutet das: Erfolgreiche Schulsysteme …

  • wählen ihre Pädagog*innen hochselektiv aus.

  • professionalisieren kontinuierlich die Aus- und Weiterbildung.

  • stellen den Pädagog*innen ausreichend zeitliche und finanzielle Ressourcen für die persönliche Weiterentwicklung bereit.

  • wählen frühzeitig geeignete Führungskräfte aus.

  • qualifizieren diese Führungskräfte gezielt in umfassenden, kontinuierlichen Trainingsprogrammen.

  • stellen die Verbesserung des Lernens in den Mittelpunkt des Schulleitungshandelns (instruktionale Führung).

  • verpflichten ihre Schulen, Rechenschaft abzulegen.

  • haben eine große Stimmigkeit von Curricula, Unterricht, Personalauswahl, -ausbildung und -weiterbildung.

  • setzen auf kontinuierliche, verlässliche und ruhige Verbesserung statt auf den Wechsel des bestehenden Systems.

  • trauen ihren Schüler*innen hohe Leistungen zu, erwarten diese von ihnen und verpflichten sich, sie bei deren Erreichung bestmöglich zu unterstützen.

  • beziehen das schulische Umfeld, die Familie sowie alle relevanten Institutionen in die Bildung ein.

  • gestalten Schulentwicklung auf der Grundlage von systematisch erhobenem Wissen („evidenzbasiert“).

  • stellen das Lernen der Schüler*innen in den Mittelpunkt ihrer Schulentwicklung.

  • verändern mit ihrer Schulentwicklung gleichzeitig die Grundhaltung ihrer Pädagog*innen.

  • pflegen auf allen Ebenen eine fehlerfreundliche Kultur, die nie den Fokus auf Verbesserung aus den Augen verliert.

  • geben Veränderungen auf allen Ebenen Zeit, um ihre Wirkung zu entfalten.

4. Unsere Konsequenzen

Konsequenz I: Keine Schulstrukturreform von oben

Eine Schulstrukturreform von oben ist nicht nur aus fachlicher Sicht bei weitem nicht der effektivste Hebel, um Schule zu verbessern. Eine derartig tiefgreifende Reform von oben muss scheitern, wenn sie von einer Mehrheit nicht gewollt und damit in den Schulen torpediert wird. Deshalb möchten wir keine Schulstrukturreform „top down“ verordnen.

Konsequenz II: Stadtteilschulen und Gymnasien stärken, Nein zum G9 am Gymnasium

Das Hamburger Zweisäulenmodell von Gymnasium mit G8-Abitur und von Stadtteilschule mit gleichwertigem G9-Abitur stabilisiert sich bereits in immer mehr Regionen. Die Qualität des Abiturs hat erwiesenermaßen seither nicht abgenommen, viele Schüler*innen kommen im G8 sehr gut zurecht. Daneben brauchen wir starke Stadtteilschulen, die ein pädagogisch so ansprechendes und erfolgreiches Profil entfalten, dass auch bildungsbewusste Familien sowie leistungsstarke Schüler*innen angesprochen werden. Die Einführung des neunstufigen Gymnasiums würde nicht zuletzt die Gymnasien stark verändern und zu einer grundlegenden Veränderung ihrer pädagogischen Arbeit zwingen. G9 käme der Einführung des Gymnasiums als faktischer „Schule für alle“ gleich, an die in der Zukunft wohl dann eher 70% eines Schülerjahrgangs (aktuell 54 Prozent in Jahrgang 5) gehen würde. Gleichzeitig würde es die Stadtteilschule entschieden schwächen und unaufhaltsam ihren Weg zu einer „Restschule“ einläuten.

Konsequenz III: Wir unterstützen längeres gemeinsames Lernen als Bewegung von unten

Grundsätzlich befürworten wir GRÜNE integrierte Bildungssysteme wie Langformschulen (also von der Vorschule bis zum Abitur in einer Schule), Bildungshäuser (Kita und Schule unter einem Dach) oder Stadtteilzentren (Kita, Schule, Familienhilfe, Erziehungsberatung etc. unter einem Dach), weil sie nachweislich das Potential haben, Bildungsgerechtigkeit zu erhöhen und zugleich Leistungsfähigkeit zu erreichen. Wenn Bildungs- und Sozialeinrichtungen auf freiwilliger Basis und getragen von einer eigenen Mehrheit enger kooperieren möchten oder sich Schulen zu Langformschulen oder Bildungshäusern weiter entwickeln möchten, dann ist dies ein richtiger Weg, den wir (z. B. in Form eines Schulversuchs) unterstützen.

Konsequenz IV: Wir fördern und fordern jedes einzelne Kind

Damit Inklusion in den Schulen gelingt, sind viele kleine und große Maßnahmen erforderlich. Hamburg hat sich vor acht Jahren auf den Weg gemacht und die Inklusion ist bereits gelebte Realität. Allerdings bleibt noch viel zu tun, um das gemeinsame Miteinander aller Talente in den Schulen zu einer von allen akzeptierten Selbstverständlichkeit werden zu lassen.

Dazu bedarf es eines vielfältigen Bündels von Maßnahmen, zu denen vor allem die Stärkung der Schulentwicklung der einzelnen Schule gehört. Die Bemühungen zur Stärkung der Stadtteilschulen zeigen bei der Konsolidierung der Anmeldezahlen schon erste Erfolge. Auch die Verbesserung des Ganztags und der Inklusion tragen erste Früchte. Unabdingbar damit verknüpft ist aber auch die Stärkung der selbstverantworteten Schule im Sinne von „Freiheit in Verantwortung“. Hier haben wir durch die Einigungen mit den Volksinitiativen „Guter Ganztag“ und „Gute Inklusion“ weitreichende Impulse für eine Qualitätsentwicklung in diesen Bereichen gesetzt. Diese gilt es mit allen Beteiligten weiterzuentwickeln, insbesondere für Schülerinnen und Schüler mit massiven Problemlagen.

Konsequenz V: Wir unterstützen gezielt Schulen in deprivierter Lage sowie schwache Schulen

Der aktuelle Schulfrieden hat vielen Schulen gut getan, weil sie sich wieder stärker auf ihr Kerngeschäft von Unterricht und Erziehung konzentrieren konnten. Viele – nicht alle – Schulen haben sich dabei seit 2010 entschieden gewandelt, weiterentwickelt und verbessert. In dieser kontinuierlichen, hartnäckigen Verbesserung der eigenen Praxis verdienen sie unsere volle Unterstützung. Wir GRÜNE und schulpolitisch Verantwortliche müssen Schulen in schwierigen Lagen wie auch schwache Schulen mit gebündelter Kraft und speziellen Programmen wie etwa „23+ Starke Schulen“ unterstützen, sich zu verbessern. Diese Schulen benötigen Hilfe und ggf. auch Steuerung von außen, um sich positiv entwickeln zu können. Dafür werden evidenzbasierte Programme aufgelegt und umfassen folgende Maßnahmen:

  • weniger Unterrichtsverpflichtung der Lehrkräfte, also mehr Zeit für außerunterrichtliche Aufgaben, Unterrichtsvorbereitung und Teamarbeit,

  • gezielte Unterstützung bei dem Aufbau einer regionalen Bildungslandschaft,

  • finanzielle Unterstützung der Elternarbeit,

  • Coaching und Supervision der Pädagog*innen und der Schulleitung,

  • ggfs. Anwendung des Turnaround-Modells bei sehr schwachen Schulen (Austausch der Schulleitung und der Hälfte des Personals),

  • voneinander lernen: Anwendung von Best-Practice Beispielen.

Konsequenz VI: Wir stärken Schulen in ihrer Freiheit und Profilbildung!

Starke und erfolgreiche Schulen sind Schulen mit einem klaren eigenen Profil. Denn jede Schule ist – wie jedes Kind – anders, wenn es um die Schülerschaft, das Umfeld, das Kollegium, die Geschichte, die Kultur und die besonderen Herausforderungen geht, vor denen sie steht. Erst wenn Schulen Gestaltungsspielräume erhalten, übernehmen sie auch in vollem Maße die Verantwortung für ihre eigene Arbeit und daraus erwächst Qualität. Sollen sich Schulen positiv entwickeln, dann reichen keine pädagogischen Lösungen von der Stange, sondern jede Schule braucht maßgeschneiderte Lösungen, die sie selber (mit)entwickelt. Wir Grüne geben deshalb Schulen „Freiheit in Verantwortung“, um ein eigenes Profil und damit ihre Qualität zu stärken. Dazu gehört auch, dass Schulen mit massiven Qualitätsproblemen enger begleitet und unterstützt werden. Wir wollen:

  • Pädagogische Spielräume erweitern, so etwa durch Flexibilität in der Stundentafel

  • Anmeldeverfahren verändern, so dass sich Schulen in einem besonderen Anmeldeverfahren ein Drittel ihrer Schüler*innen gemäß ihres Profils auswählen können und nicht alleine die Entfernung zählt

  • Schulleitungen von Verwaltungsaufgaben entlasten und das mittlere Management stärken, damit sie mehr Zeit für ihre Kernaufgaben haben, das pädagogische Profil entwickeln und somit die Unterrichtsqualität verbessern

  • Teamarbeit stärken, damit die Pädagog*innen gemeinsam ihr pädagogisches Profil (fort)entwickeln und sich in ihrer Arbeit abstimmen können

  • Innovationsfond auflegen, für den sich Schulen, die sich „neu erfinden“ wollen/müssen, bewerben können, um zeitlich befristet zusätzliche Ressourcen und professionelle Begleitung in der Schulentwicklung zu erhalten

Konsequenz VII: Wir begegnen dem Fachkräftemangel entschieden

Alle diese Diskussionen über die Verbesserung der schulischen Qualität erscheinen nebensächlich und unbedeutend, wenn wir nicht der vermutlich größten Gefahr für die Unterrichtsqualität im Hamburger Schulwesen in den nun kommenden 20er Jahren entschlossen begegnen: dem wachsenden Fachkräftemangel. Deshalb muss hier mit einem großen Aktionsprogramm entschieden gegengesteuert werden. Dieses Programm umfasst:

  • Eine umfassende Reform der Lehrer*innenausbildung wie sie die rot-grüne Koalition in Senat und Bürgerschaft beschlossen haben. Diese umfasst einen nicht verbindlichen, aber dennoch obligatorischen Eignungstest für die Studienbewerber*innen,

  • Prüfung der Bezahlung aller Lehrkräfte im Vergleich zu den jeweiligen Anforderungen hinsichtlich Attraktivität und Bewertung der Stellen sowie mittelbaren Geschlechtsdiskriminierungen und bei Bedarf Umsetzung von Maßnahmen zur Steigerung bzw. Bekämpfung dessen,
  • Ausbau der Kapazitäten der Ausbildung von Lehrer*innen, Erzieher*innen, Sonderpädagog*innen und Sozialpädagog*innen in Hamburgs Hochschulen, den berufsbildenden Schulen sowie dem Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung,
  • Absenkung der Unterrichtsverpflichtung von Lehrkräften im Vorbereitungsdienst,
  • eine dreimonatige Einarbeitungsphase für Lehramt-Quereinsteiger*innen sowie eine geringere Unterrichtsverpflichtung in den ersten drei Jahren ihrer Tätigkeit,
  • Einrichtung von Arbeitsplätzen und Rückzugsräumen für das pädagogische und therapeutische Personal