Hamburg und Bremen sind die einzigen Bundesländer in denen es Deputationen gibt. Verfassungsrechtlich soll damit die Mitwirkung des Volkes an der Verwaltung gewährleistet werden.
Dazu sind Deputationen – als Relikt vordemokratischer Zeiten, in denen hanseatische Kaufleute im Nebenberuf und unter Ausschluss der „niederen Stände“ auch die Stadt regierten – aber nicht geeignet.
Auch in der heutigen Realität ist ihre Funktion zweifelhaft und der Aufwand steht in keinem Verhältnis zum Nutzen: Die verfassungsrechtliche Vorgabe der Mitwirkung des Volkes ist faktisch beschränkt auf die Mitwirkung von Parteimitgliedern. Die Deputierten werden nach dem Verhältnis der Stimmenanteile bei den Bürgerschaftswahlen von den jeweiligen Fraktionen berufen. In der Regel sitzen Nachwuchspolitikerinnen und -politiker oder aus Funktionen ausgeschiedene ‚verdiente‘Parteimitglieder in diesen Gremien. Die Sitzungen der Deputationen sind vertraulich und damit nicht transparent für „das Volk“ – und der Stichentscheid der verantwortlichen Behördenleitung sorgt dafür, dass Entscheidungen gegen den Willen des Senats nur in den seltensten Fällen bekannt geworden sind. Bei Personalentscheidungen führt die Mitwirkung bei allen den ehemaligen höheren Dienst betreffenden Fragen zu überflüssigen Formalismen, weil in der Regel Entscheidungen aus Rechtsgründen nur „durchgewunken“ werden können. Gleichzeitig gehen aber auch verwaltungspolitisch strategische Personalfragen in der Vielzahl der Entscheidungen unter.
Nicht nur der politische Nutzen dieser Einrichtungen ist also zweifelhaft. Auch der Aufwand ist durch die Praxis der letzten Jahre nicht zu rechtfertigen. An allen Sitzungen nehmen regelhaft nicht nur die Behördenleitungen, sondern auch die führenden und inhaltlich für bestimmte Tagesordnungspunkte verantwortlichen Vertreterinnen und Vertreter der Verwaltung der jeweiligen Behörde teil. Es kann durchaus vorkommen, dass mehr Behördenvertreter als Deputierte an einer Sitzung teilnehmen. Darüber hinaus können die Deputationen der Fachbehörden auch Unterausschüsse bilden. Von diesem Recht wird in unterschiedlicher Form Gebrauch gemacht: Die Deputation der Kulturbehörde hatte in der letzten Legislatur sechs Unterausschüsse, die Deputation der Wissenschaftsbehörde hat in dieser Legislatur den einzigen Unterausschuss (Personalausschuss – hier waren übrigens auch immer noch Vertreter der Präsidien der Hochschulen anwesend!) auf Initiative der Grünen abgeschafft und für die Beteiligungsrechte ein verschlanktes Verfahren installiert. Neben dem größten Posten, den Personalkosten, fallen Ausgaben für Sitzungsgelder, Porto und Erstellung der Sitzungsunterlagen an. Für alle Hamburger Behörden dürfte sich das Einsparvolumen auf mehrere Hunderttausend Euro summieren – bei keinem Verlust an Kontrolle und öffentlicher Verantwortung des Senats.
Für die Abschaffung der Deputationen ist eine verfassungsändernde Mehrheit erforderlich. In Regierungsverantwortung ist diese kaum herbeizuführen, da Oppositionsfraktionen reflexhaft die wegfallenden Beteiligungsrechte kritisieren würden.
Es erscheint daher sinnvoll aus der Rolle als Opposition heraus eine Initiative zur Abschaffung der Deputationen zu starten. Ziel ist es, die Verwaltung in Hamburg analog zu den anderen Bundesländern zu modernisieren und gleichzeitig sicher zu stellen, dass eine bessere Kontrolle des Parlaments bei wichtigen – aus Gründen der Gewaltenteilung aber nicht wie heute bei auch rein administrativen – Personalentscheidungen sichergestellt und den Abgeordneten ein erweitertes Akteneinsichtsrecht gewährt wird.
Vor diesem Hintergrund hat der Landesausschuss beschloßen:
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Die Bürgerschaftsfraktion wird aufgefordert, eine parlamentarische Initiative mit dem Ziel zu starten, die Hamburger Verwaltungsstrukturen analog zu denen anderer Bundesländer zu modernisieren und die Deputationen abzuschaffen
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Dabei soll sichergestellt werden, dass wichtige Kontrollfunktionen mit Blick auf Personalentscheidungen und Akteneinsicht auf die Bürgerschaft als verantwortliches Kontrollgremium übergehen. Dazu schlagen die Grünen – beschränkt auf die Personalauswahl bei Amtsleitungen der Verwaltung – ein Anhörungsrecht des Parlaments vor der Übertragung einer entsprechenden Funktion und eine inhaltliche und an geringere Quoren geknüpfte Ausweitung des Rechts zur Akteneinsicht und Aktenvorlage vor.
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Ferner soll sichergestellt werden, dass weitere Beteiligungsmöglichkeiten der Deputationen auf untergesetzlicher Ebene, z.B. bei Verordnungen, Ausbildungs- und Prüfungsordnungen sowie Bildungsplänen, auf andere Gremien unterhalb der bürgerschaftlichen Ebene übergehen.
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Die frei werdenden Ressourcen sollen dafür genutzt werden die Transparenz und Öffentlichkeitsbeteiligung in den Behörden zu stärken. Hierzu sollten die Behörden Angelegenheiten grundsätzlicher Bedeutung nach den Bestimmungen des Hamburgischen Transparenzgesetzes fortlaufend der Öffentlichkeit zugänglich machen und die Möglichkeit der Stellungnahme geben.
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